T 1045/97 () of 21.3.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T104597.20000321
Datum der Entscheidung: 21 März 2000
Aktenzeichen: T 1045/97
Anmeldenummer: 88115870.3
IPC-Klasse: B29C 45/77
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 34 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Spritzgießen von Formteilen aus thermoplastischen Kunststoffen sowie Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens
Name des Anmelders: Battenfeld GmbH
Name des Einsprechenden: GAIN Technologies
Bauer Compresseurs
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 01) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Streitpatent in veränderter Form laut Hauptantrag der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) aufrechtzuerhalten, Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

II. Die unabhängigen Ansprüche des der angefochtenen zugrunde liegenden Hauptantrags der Beschwerdegegnerin, d. h. Ansprüche 1 und 9, lauten wie folgt:

Anspruch 1:

"Verfahren zum Spritzgießen von Formteilen aus thermoplastischen Kunststoffen,

- bei welchem zunächst eine zur Ausbildung des Formteiles ausreichende Menge des schmelzflüssigen Kunststoffs in die Spritzform (103; 203) gedrückt wird,

- bei welchem dann in die Spritzform (103; 203) und/oder den thermoplastischen Kunststoff ein strömungsfähiges Medium, insbesondere Gas, mit einem Druck eingepreßt wird, der die Kunststoffmasse gleichmäßig über die Oberfläche des Formhohlraums unter Bildung eines Hohlkörpers verteilt,

- bei welchem weiterhin der unter Mediendruck gehaltene Hohlkörper in der Spritzform (103; 203) abgekühlt wird,

- und bei welchem schließlich der Mediendruck aus dem Hohlkörper (11, 11a, 11b, 11c) abgelassen und dann das Formteil entformt sowie aus der Spritzform (103; 203) entnommen wird,

- wobei das strömungsfähige Medium aus einem mindestens auf einem vorgegebenen Mindestdruck gehaltenen Druckspeicher (6) in die Spritzform (103; 203) eingeleitet und/oder auf die über die Oberfläche des Formhohlraums verteilte Kunststoffmasse zur Einwirkung gebracht wird,

- wobei der Druck dieses strömungsfähigen Mediums im Formhohlraum unabhängig vom im Druckspeicher (6) herrschenden Druck bis zur Abkühlung der Kunststoffmasse zumindestens zeitweilig kontrolliert und/oder variiert (10a, 10b, 10c),

- währenddessen aber gegen Rückströmung aus dem Formhohlraum gesperrt (4; 4a bis 4c) wird, und wobei

- das strömungsfähige Medium einem Strömungsweg oder mehreren verschiedenen, z.B. drei, Strömungswegen (8a, 8b, 8c) zugeführt

- und dabei in diesen bzw. in diese immer mit dem im Druckspeicher (6) herrschenden Druck eingespeist wird,

- dieser Strömungsweg oder jeweils einer dieser Strömungswege (8a bzw. 8b bzw. 8c) zur Verbindung (2,3) mit der Spritzform (103; 203) freigegeben wird (9a bzw. 9b bzw. 9c),

- das immer mit dem im Druckspeicher (6) herrschenden Druck eingespeiste strömungsfähige Medium erst im Strömungsweg oder im jeweils freigegebenen Strömungsweg (8a bzw. 8b bzw. 8c) auf eine ausgewählte Druckstufe bzw. ein eingestelltes Druckniveau gebracht (10a bzw. 10b bzw. 10c)

- sowie mit dieser Druckstufe bzw. Druckniveau (10a bzw. 10b bzw. 10c) zeitweilig in den Formhohlraum der Spritzform (103; 203) hinein wirksam gemacht wird (2, 3, 4),

- und dabei der Mediendruck nach einem für das jeweilige Formteil und/oder Kunststoffmaterial vorgegebenen Profil geregelt (10a, 10b, 10c) und/oder gesteuert (9a, 9b, 9c) wird."

Anspruch 9:

"Vorrichtung zum Spritzgießen von Formteilen aus thermoplastischen Kunststoffen,

- bei der an den Spritzkopf (2; 101; 201) bzw. das Düsenmundstück (102; 202) am vorderen Ende des Gehäuses eines Schneckenextruders (1) eine den Formhohlraum für die Bildung des Formteils enthaltende Spritzform (103; 203) anlegbar ist,

- bei der der Formhohlraum dieser Spritzform (103; 203) durch den Spritzkopf (2; 101; 201) bzw. das Düsenmundstück (102; 202) aus dem Schneckenextruder (1) mit Kunststoffschmelze beschickbar ist,

- bei der die Überführung der Kunststoffschmelze durch den Spritzkopf (2; 101; 201) bzw. das Düsenmundstück (102; 202) in die Spritzform (103; 203) z.B. durch eine im Gehäuse des Schneckenextruders (1) über einen Verschiebeantrieb gegenüber dem Düsenmundstück (102; 202) verstellbare Schließnadel (106; 209) beeinflußbar ist,

- bei der der Formhohlraum in der Spritzform (103; 203) über Leitungen (3, 7) mit einem Druckspeicher (6) für ein strömungsfähiges Medium verbindbar ist (9a; 9b; 9c; 4),

- bei der in den vom Druckspeicher (6) zur Spritzform (103; 203) führenden Leitungen Steuerelemente (9a, 9b, 9c) und/oder Regelelemente (10a, 10b, 10c) für das strömungsfähige Medium vorgesehen sind,

- und bei der in diesen Leitungen (3, 7) dem Formhohlraum der Spritzform (103; 203) eine Rückströmsperre (4; 4a, 4b, 4c) für das strömungsfähige Medium vorgeordnet ist, und wobei in den vom Druckspeicher (6) zum Formhohlraum der Spritzform (103; 203) führenden Leitungen (7, 3 bzw. 7, 3a, 3b, 3c) als Steuerelemente (9a, 9b, 9c) Wegeventile sowie als Steuer- und/oder Regelelemente (10a, 10b, 10c) zur Steuerung und/oder Regelung eines Druckprofils geeignete Druckventile vorgesehen sind."

III. Zum Stand der Technik wurden von der Beschwerdeführerin die folgenden Entgegenhaltungen erwähnt:

D1: EP-A-0 127 961

D18: US-A-4 120 924

Die Entgegenhaltung D18 ist zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren genannt worden.

IV. Am 21. März 2000 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Es wurden folgende Anträge gestellt:

i) Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

ii) Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Grundlage der folgenden Unterlagen:

a) Hauptantrag: Die in der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 4. August 1997 aufgeführten Unterlagen, unter Einschluß des am 10. März 1997 eingereichten Patentanspruchs 16; oder

b) 1. Hilfsantrag: Ansprüche 1 und 9 eingereicht am 18. Februar 2000;

c) 2. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 14; oder

d) 3. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 16; oder

e) 4. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 12; oder

f) 5. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 8; oder

g) 6. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 8; alle überreicht

in der mündlichen Verhandlung.

V. Zur Begründung ihres Antrags führte die Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Hauptantrag der Beschwerdegegnerin im wesentlichen folgendes aus:

Die Entgegenhaltung D18 sei relevant, weil von der Beschwerdegegnerin bestritten werde, daß das Verfahren gemäß der Entgegenhaltung D1 alle Merkmale des Anspruchs 1 aufweise. Wesentliche Merkmale des Anspruchs 1 seien jedoch in der Entgegenhaltung D18 offenbart, so daß diese für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevant sei.

Laut Figur 1 und Seite 8, Zeilen 15 bis 21, der Entgegenhaltung D1 werde zuerst das Solenoidventil 22 geöffnet und danach das Ventil 30 betätigt. In diesem Zustand gebe es einen freigegebenen Strömungsweg zwischen der Druckquelle und der Spritzform. Erst danach werde der Kolben (20) bewegt, um dabei das Gas unter Druck zu setzen, wobei das Rückschlagventil (24) schließe. Die Drossel (31) gemäß Figur 1 verursache eine kontrollierte Geschwindigkeit des Steuermediums und daher ein gewünschtes Druckprofil. Obwohl der Anspruch 1 verlange, daß ein Druckprofil geschaffen werde, enthalte er keine Angaben darüber, wie ein solches Profil aussehen soll. Es werde akzeptiert, daß der im Anspruch 1 erwähnte Strömungsweg der gesamte Weg zwischen der Druckquelle und dem Formhohlraum sei. In der Ausführungsform gemäß Figur 2 des Streitpatents sei jedoch der Strömungsweg durch das Sperrventil (19) geschlossen, so daß dieser Weg auch nicht immer offen sei. Daher sei das Verfahren gemäß Anspruch 1 nicht neu.

Die Vorrichtung gemäß Anspruch 9 sei ebenfalls nicht neu gegenüber der Vorrichtung gemäß Entgegenhaltung D1. Die Schließnadel sei nur ein fakultatives Merkmal des Anspruchs. Nach Figur 1 der Entgegenhaltung D1 seien in den vom Druckspeicher zum Formhohlraum der Spritzform führenden Leitungen als Steuerelemente Wegeventile sowie als Steuer- und/oder Regelelemente zur Steuerung und/oder Regelung eines Druckprofils geeignete Druckventile vorgesehen.

Aus der Entgegenhaltung D18 sei eine Blasform-Vorrichtung mit zwei parallelen Gasleitungen (68,69) bekannt, die jeweils von einer Druckquelle (66) über Druckregelventile (72,78) und Wegeventile (80) zum Formhohlraum (10) führten. Der Fachmann würde eine solche Anordnung in dem benachbarten Gebiet des Spritzgießens ohne erfinderische Tätigkeit anwenden. Er würde die Kolben-Zylinder Einheit der Entgegenhaltung D1 durch diese Anordnung gemäß Entgegenhaltung D18 ersetzen, wenn er das Druckmedium mit mehreren unterschiedlichen Druckstufen in den Formhohlraum einführen wollte.

Das Verfahren gemäß der Entgegenhaltung D18 könne auch als der nächste Stand der Technik betrachtet werden. In diesem Fall würde der Fachmann es als naheliegend betrachten, das Blasform-Verfahren gemäß Entgegenhaltung D18 auf das Spritzgießen umzustellen. Denn das Blasformverfahren gemäß Entgegenhaltung D18 sei ohne weiteres mit dem Spritzgießverfahren des Streitpatents vergleichbar. Denn der Vorformling des Blasformverfahrens sei gleichzusetzen mit der teilgefüllten Form des Spritzgießverfahrens.

VI. Die Beschwerdegegnerin führte im wesentlichen folgendes aus:

Die Offenbarung der Entgegenhaltung D18 sei nicht relevant, denn sie betreffe kein Spritzgießverfahren und spreche auch nicht die Aufgabenstellung des Streitpatents an. Die Entgegenhaltung D18 sollte daher nicht berücksichtigt werden.

Die Entgegenhaltung D1 beziehe sich auf das Konzept der Volumenkontrolle, nämlich der Injektion einer bestimmten, begrenzten Menge an Druckmedium. Wenn das Ventil (22) offen sei, sei das Rückschlagventil (25) immer zu. Es gebe daher keinen freien Strömungsweg zwischen der Druckquelle und dem Formhohlraum. Es gebe eher zwei Teilströmungswege, wobei der erste zwischen der Druckquelle und dem Zylinder liege, um den Zylinder zu laden, und der zweite zwischen dem Zylinder und dem Formhohlraum.

Im Gegensatz dazu gebe es gemäß dem Streitpatent immer einen freien Strömungsweg zwischen der Druckquelle und der Formhohlraum. Auch gemäß Figur 2 könne das Druckmedium immer durch den Kolben (12) fließen.

Gemäß Entgegenhaltung D1 ändere sich der Druck im Zylinder (21) kontinuierlich. Das hydraulische System sei nicht in der Lage, den Druck schnell genug zu ändern, um ein vorgegebenes Druckprofil zu erzeugen.

Gemäß Seite 9, Zeilen 1 bis 11 der Entgegenhaltung D1 werde der Druck im Formhohlraum erhöht, nachdem der Formhohlraum gefüllt sei. Gemäß Seite 10, Zeile 24 schwanke der Druck. Dies zeige, daß der Druck nicht gesteuert sei.

Der Satz auf Seite 8, Zeilen 8 und 9 der Entgegenhaltung D1 betreffe den Druck im Zylinder (21). Die Anwendung des Bezugszeichens "(23)" für den Zylinder sei eindeutig ein Fehler.

Im Gegensatz zu dem Verfahren gemäß Entgegenhaltung D1 erfolge gemäß der Erfindung, anstelle einer aufwendigen Kontrolle des Volumens des Gases, auf einfachere Weise eine Kontrolle des Druckprofils für jedes individuelle Formteil.

Die Anwendung des Begriffs "verbindbar" im 4. Absatz des Anspruchs 9 bedeute, daß eine der Leitungen zwischen der Druckquelle und dem Formhohlraum immer offen gehalten werden könne. Der Druckregler (25) gemäß Figur 1 der Entgegenhaltung D1 sei nicht geeignet, einen vorgegebenen Mediendruck zu regeln und/oder zu steuern. Der Gegenstand des Anspruchs 9 sei daher ebenfalls neu.

Der nächste Stand der Technik werde durch die Entgegenhaltung D1 repräsentiert. Die Aufgabe der Erfindung sei, das in Spalte 2, Zeilen 18 bis 29 der Beschreibung des Streitpatents dargelegte Problem zu lösen. Der Fachmann habe jedoch keine Veranlassung, Maßnahmen aus der Entgegenhaltung D18 zur Lösung dieses Problems zu verwenden. Die Entgegenhaltung D18 lehre die Anwendung zweier aufeinanderfolgender Druckstufen, nämlich eines ersten Druckniveaus, um den Formling aufzublasen, und eines zweiten, niedrigeren Druckniveaus, um die Größe der Blase zu kontrollieren.

VII. Obwohl ordnungsgemäß geladen, war für die weitere Verfahrensbeteiligte (Einsprechende 03) in der mündlichen Verhandlung niemand anwesend. Sie hat sich auch im schriftlichen Verfahren vor der Beschwerdekammer nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Neuheit

Von der Beschwerdeführerin wird geltend gemacht, daß die Gegenstände der Ansprüche 1 und 9 gegenüber der Offenbarung der Entgegenhaltung D1 nicht neu seien.

Gemäß der Entgegenhaltung D1 wird das strömungsfähige Medium von einer Quelle (22) durch einen Druckregler (25) und ein Einwegventil (24) zu einem Dosierzylinder zugeführt. Von dem Dosierzylinder wird eine vorgegebene Menge des Mediums unter Druck zur Spritzform gefördert.

Im Verfahren gemäß der Entgegenhaltung D1 wird folglich zu keinem Zeitpunkt der Strömungsweg von der Druckquelle zur Spritzgußform freigegeben. Es ist ein wesentliches Merkmal dieses Verfahrens, daß eine bestimmte, begrenzte Menge Gas ("a predetermined, finite quantity", vgl. Anspruch 1 der Entgegenhaltung D1) in den schmelzflüssigen Kunststoff eingespritzt wird. Dies wird dadurch erreicht, daß der Zylinder (21) als eine Meßkammer arbeitet (vgl. Seite 7, Zeilen 10 bis 15). Während des Einspritzens des Gases in den schmelzflüssigen Kunststoff ist das Einwegventil (24) geschlossen, und während der Füllung des Zylinders (21) mit dem Gas bleibt das Ventil (22) geschlossen.

Von der Beschwerdeführerin wird geltend gemacht, daß laut Seite 8, Zeilen 15 bis 21, der Entgegenhaltung D1 zuerst das Solenoidventil (22) geöffnet werde und erst danach das Ventil (30). Dem kann die Kammer nicht zustimmen. Ein solches Vorgehen stünde im Widerspruch zum gewünschten Ziel der Entgegenhaltung D1, nämlich eine bestimmte, begrenzte Menge Gas einzuspritzen. Der Fachmann, der das Verfahren der Entgegenhaltung D1 durchführt, wird das Ventil (22) nur öffnen, wenn die gewünschte Menge Gas im Zylinder (21) anwesend ist und der Kolben (20) anfängt, die gewünschte Menge Gas im Zylinder (21) zu verdrängen. Sonst kann er nicht gewährleisten, daß die bestimmte Menge Gas eingespritzt wird.

Das Merkmal, wobei der "Strömungsweg ... zur Verbindung mit der Spritzform freigegeben wird", ist daher in der Entgegenhaltung D1 weder explizit noch implizit offenbart.

In der Entgegenhaltung D1 sind zwei Ventile (24,22) in den Leitungen vom Druckspeicher (23) zum Formhohlraum (9) vorgesehen. Keines dieser Ventile ist zur Steuerung und/oder Regelung eines Druckprofils geeignet. Das Merkmal wobei in den vom Druckspeicher zum Formhohlraum führenenden Leitungen Druckventile vorgesehen sind, ist in der Entgegenhaltung D1 nicht offenbart.

Die Entgegenhaltung D18 ist von der Beschwerdeführerin erst in der Beschwerdebegründung, also verspätet, genannt worden.

Gemäß Artikel 114 (2) EPÜ liegt es im Ermessen der Beschwerdekammer, dieses verspätete Vorbringen zu berücksichtigen, wobei bei der Entscheidung über eine derartige Berücksichtigung die Relevanz der verspätet genannten Druckschrift das wichtigste Kriterium darstellt.

Die Entgegenhaltung D18 offenbart das in der Entgegenhaltung D1 nicht offenbarte Merkmal des Anspruchs 1 des Streitpatents (siehe oben). Daher stellt der Inhalt der Entgegenhaltung D18 bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit einen relevanten Stand der Technik dar und wird im Hinblick auf Artikel 114 (1) EPÜ berücksichtigt.

Die Entgegenhaltung D18 stellt jedoch gegenüber den Gegenständen der Ansprüche 1 und 9 des Streitpatents keinen neuheitsschädlichen Stand der Technik dar, weil sich diese Entgegenhaltung auf ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Blasformen, und nicht auf ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Spritzgießen, bezieht.

Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 9 sind daher neu.

2. Erfinderische Tätigkeit

Die Entgegenhaltung D1 bildet den nächstliegenden Stand der Technik und offenbart (vgl. insbesondere Figur 1 und zugehörige Beschreibung) ein Verfahren zum Spritzgießen von Formteilen aus thermoplastischen Kunststoffen,

bei welchem zunächst eine zur Ausbildung des Formteiles ausreichende Menge des schmelzflüssigen Kunststoffs in die Spritzform (12) gedrückt wird,

bei welchem dann in die Spritzform (12) und den thermoplastischen Kunststoff (8) ein strömungsfähiges Medium, insbesondere Gas, mit einem Druck eingepreßt wird, der die Kunststoffmasse gleichmäßig über die Oberfläche des Formhohlraums unter Bildung eines Hohlkörpers verteilt,

bei welchem weiterhin der unter Mediendruck gehaltene Hohlkörper in der Spritzform (12) abgekühlt wird,

und bei welchem schließlich der Mediendruck aus dem Hohlkörper abgelassen und dann das Formteil entformt sowie aus der Spritzform (12) entnommen wird,

wobei das strömungsfähige Medium aus einem mindestens auf einem vorgegebenen Mindestdruck gehaltenen Druckspeicher (23) in die Spritzform (12) eingeleitet und auf die über die Oberfläche des Formhohlraums verteilte Kunststoffmasse zur Einwirkung gebracht wird,

wobei der Druck des strömungsfähigen Mediums im Formhohlraum unabhängig vom im Druckspeicher (23) herrschenden Druck bis zur Abkühlung der Kunststoffmasse zu mindestens zeitweilig kontrolliert und/oder variiert wird,

währenddessen aber gegen Rückströmung aus dem Formhohlraum gesperrt wird,

und wobei

das strömungsfähige Medium einem Strömungsweg zugeführt

und das immer mit dem im Druckspeicher (23) herrschenden Druck eingespeiste strömungsfähige Medium erst im Strömungsweg auf eine ausgewählte Druckstufe bzw. ein eingestelltes Druckniveau gebracht,

sowie mit dieser Druckstufe bzw. Druckniveau zeitweilig in den Formhohlraum der Spritzform hinein wirksam gemacht wird,

und dabei der Mediendruck nach einem für das jeweilige Formteil und/oder Kunststoffmaterial vorgegebenen Profil geregelt und/oder gesteuert wird.

Die Entgegenhaltung D18 bezieht sich auf ein Blasformverfahren für die Herstellung von Hohlkörpern aus aufgeschäumtem Kunststoff und kann daher nicht als nächstliegender Stand der Technik gegenüber dem erfindungsgemäßen Spritzgießverfahren betrachtet werden.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Spritzgießen von Formteilen aus thermoplastischen Kunststoffen sowie eine Vorrichtung zu dessen Durchführung anzugeben, durch welches bzw. mit welcher Struktur und Dichte des die Formteil-Wandungen bildenden Kunststoffmaterials während der Durchführung des Spritzvorgangs entsprechend den unterschiedlichen Bedürfnissen beeinflußt werden können (Spalte 2, Zeilen 47. bis 55 der Beschreibung des Streitpatents).

Im Verfahren gemäß der Entgegenhaltung D1 wird das Volumen des in die Kunststoffschmelze eingebrachten strömungsfähigen Mediums geregelt. Dies wird dadurch erreicht, daß das gewünschte Volumen des Mediums in einen Zwischenspeicher in Form einer Kolben/Zylinder-Anordnung eingespeist und anschließend mittels des Kolbens in den Formhohlraum gefördert wird. Ein Problem einer solchen Volumenkontrolle liegt darin, daß der Druck nur über die Vorschubgeschwindigkeit des Kolbens (20) geregelt werden kann. Die Möglichkeiten, dies zu erreichen, sind jedoch begrenzt. Insbesondere ist dann, wenn der Kolben seine Endposition erreicht hat, keine Druckregelung mehr möglich.

Die oben genannte Aufgabe wird gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 dadurch gelöst, daß während der Durchführung des Spritzgießverfahrens der Strömungsweg zwischen Druckspeicher und Formhohlraum freigegeben ist. Dieses Merkmal macht es möglich, auch bis zum Ende der Durchführung eines Spritzgießverfahrens das strömungsfähige Medium mit dem im Druckspeicher herrschenden Druck im zur Spritzform führenden Strömungsweg zur Verfügung zu stellen.

Diese Lösung wird durch die Lehre der Entgegenhaltung D18 nicht nahegelegt. Wie oben erwähnt, bezieht sich die Entgegenhaltung D18 auf ein Blasformverfahren für die Herstellung von Hohlkörpern aus aufgeschäumtem Kunststoff. Das Ausgangsmaterial für das Verfahren ist ein Formling aus weichem, zähflüssigem Kunststoff, der ein Treibmittel enthält. Die Aufgabe gemäß der Entgegenhaltung D18 besteht darin, die Größe der Gaszellen im aufgeschäumten Kunststoff zu regeln. Dies wird dadurch erreicht, daß der Druck des Gases, das für das Blasen des Formlings angewendet wird, sofort reduziert wird, nachdem der Kunststoff in Berührung mit den Wänden des Formhohlraums gekommen ist.

Die Lehre der Entgegenhaltung D18 ist daher in einem Spritzgießverfahren, in welchem der Kunstoff schon vor dem Einspritzen des Gases in Berührung mit den Wänden des Formhohlraums ist und kein schaumbildendes Treibmittel zur Anwendung gelangt, nicht anwendbar.

Daher gibt es ebenfalls keine Anregung für den Fachmann, in der vom Druckspeicher zum Formhohlraum der Spritzform führenden Leitung gemäß der Entgegenhaltung D1 als Steuerelemente Wegeventile sowie als Steuer- und/oder Regelelemente zur Steuerung und/oder Regelung eines Druckprofils geeignete Druckventile vorzusehen.

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 und die Vorrichtung gemäß Anspruch 9 des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin beruhen daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ und stellen somit eine patentfähige Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ dar.

Das gleiche gilt auch für die Gegenstände der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8 und für die Gegenstände der auf den Anspruch 9 rückbezogenen Ansprüche 10 bis 16, welche besondere Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1 bzw. der Vorrichtung gemäß Anspruch 9 betreffen.

3. Da somit dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin stattgegeben wird, ist es nicht nötig, auf die Hilfsanträge einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird mit der Anordnung an die erste Instanz zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage der in der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 4. August 1997 aufgeführten Unterlagen, unter Einschluß des am 10. März 1997 eingereichten Patentanspruchs 16, aufrechtzuerhalten.

Quick Navigation