T 1038/97 () of 16.3.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T103897.20000316
Datum der Entscheidung: 16 März 2000
Aktenzeichen: T 1038/97
Anmeldenummer: 91250192.1
IPC-Klasse: B22D 11/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Flüssigkeitsgekühlte Kokille für das Stranggießen von Metallen
Name des Anmelders: Mannesmann Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Voest-Alpine Industrieanlagenbau GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. In der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 1997 hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 0 468 607 im Lichte der

(D6) DE-A-2 248 066

widerrufen; die schriftliche Entscheidung erging am 31. Juli 1997.

II. Gegen vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Patentinhaberin - nachfolgend Beschwerdeführerin - am 29. September 1997 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 29. Oktober 1997 zusammen mit neugefaßten Ansprüchen 1 bis 3 eingereicht.

III. Auf die Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK der Kammer vom 9. September 1999 hin legte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 15. Februar 2000 folgende Unterlagen vor:

- Ansprüche 1 bis 14

- Beschreibung, Seiten 2 bis 6

- Figuren 1 bis 11a) - c).

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2, die mit den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüchen 1 und 2 identisch sind, haben folgenden Wortlaut:

"1. Flüssigkeitsgekühlte, oszillierbar gelagerte Kokille für das Stranggießen von Metallen, insbesondere Stahl, mit einer formgebenden Wandung (1) aus einem insbesondere metallischen Werkstoff, die an Stützplatten (2) befestigt ist und mit Anschlüssen (14) für eine Kühlflüssigkeit zur Kühlung der Wandung versehen ist, wobei sich an sich gegenüberliegenden Stützplatten (2) an der der Wandung (1) abgekehrten Seite der Breitseiten direkt oder über mit den Stützplatten verbundene Flansche Federelemente (7), die gleichsinnig mit der Gießrichtung eine wesentlich geringere Steifigkeit gegenüber den beiden Querrichtungen aufweisen, in gleichmäßiger Verteilung einseitig befestigt sind, die Federelemente (7) sich in einer Richtung quer zur Gießrichtung erstrecken, die gegenüberliegenden Enden der Federelemente (7) an Tragplatten (6) befestigt sind, die Tragplatten (6) mit einem ortsfesten Grundrahmen (12) verbunden sind, an den Stützplatten (2) eine Oszillationseinrichtung (16, 17) angreift, und die Lage der Federelemente (7) auf den Krümmungsmittelpunkt der Kokille in der Weise ausgerichtet ist und der Anlenkpunkt der Federelemente (7) an der Stützplatte (2) um den Betrag der statischen Durchsenkung derart versetzt ist, dass sie im belasteten Zustand eine derartige Lage einnehmen, wie sie im unbelasteten Zustand bei Ausrichtung auf den Krümmungsmittelpunkt bzw. eine durch den Krümmungsmittelpunkt gelegten Achse (22) einnehmen würde."

"2. Flüssigkeitsgekühlte, oszillierbar gelagerte Kokille für das Stranggießen von Metallen, insbesondere Stahl, mit einer formgebenden Wandung (1) aus einem insbesondere metallischen Werkstoff, die an einer Stützplatte (2) befestigt ist und mit Anschlüssen (14) für eine Kühlflüssigkeit zur Kühlung der Wandung versehen ist, wobei an der Stützplatte (2) an der der Wandung (1) abgekehrten Seite direkt oder über mit der Stützplatte verbundene Flansche Federelemente (7), die gleichsinnig mit der Gießrichtung eine wesentlich geringere Steifigkeit gegenüber den beiden Querrichtungen aufweisen, in gleichmäßiger Verteilung einseitig befestigt sind, die Federelemente (7) sich in einer Richtung quer zur Gießrichtung erstrecken, die gegenüberliegenden Enden der Federelemente (7) an einer Tragplatte (6) befestigt sind, die Tragplatte (6) mit einem ortsfesten Grundrahmen (12) verbunden ist und an der Stützplatte (2) eine Oszillationseinrichtung (16, 17) angreift und wobei die Wandung (1) rohrförmig ausgebildet ist und mit der Stützplatte (2) beidendig mit quer zur Rohrachse liegenden Flanschen (18) verbunden ist, die Flansche (18) der Stützplatte (2) in der Draufsicht rechteckig und die Federelemente (7) an zwei einander gegenüberliegenden Seiten der Stützplatte (2) bzw. der Flansche (18) befestigt sind, und die Lage der Federelemente (7) auf den Krümmungsmittelpunkt der Kokille in der Weise ausgerichtet ist und der Anlenkpunkt der Federelemente (7) an der Stützplatte (2) um den Betrag der statischen Durchsenkung derart versetzt ist, dass sie im belasteten Zustand eine derartige Lage einnehmen, wie sie im unbelasteten Zustand bei Ausrichtung auf den Krümmungsmittelpunkt bzw. eine durch den Krümmungsmittelpunkt gelegten Achse (22) einnehmen würde."

IV. Die Beschwerdeführerin brachte im wesentlichen folgende Argumente vor:

- der nächstkommende Stand der Technik gemäß (D6) offenbare eine Kokille, die über Federelemente abgestützt sei; das Kokillengewicht führe zu einer Durchbiegung der Federelemente, die gegenüber dem Oszillationshub aber kleiner sei, um Wechselbeanspruchungen der Federelemente zu vermeiden;

- die beidseitige feste Einspannung der Federelemente führe zu virtuellen Verkürzungen der freien Federlänge, die wiederum nur durch die Ausgestaltung einer Lagerstelle als Fest- und der gegenüberliegenden Lagerstelle als Loslager kompensierbar sei;

- (D6) sei kein Lösungsvorschlag für dieses betriebliche Problem der beidseitig fest eingespannten Federelemente entnehmbar;

- aus der 1987 veröffentlichten

(D11) DE-A-3 635 949

sei es bekannt, eine strenge vertikale Schwingungsbewegung zu erzielen, indem die Federn über einen Federträger und eine mittige Stütze mit der Kokille verbunden seien, wobei der Hubtisch mittels zweier Führungseinrichtungen geführt sei;

- wie Figur 8 der Streitpatentschrift und die zugehörige Beschreibung erhelle, gehe der beanspruchte Gegenstand aber einen völlig anderen Weg; die Lage der Federelemente sei auf den Krümmungsmittelpunkt der Kokille ausgerichtet und der Anlenkungspunkt der Federelemente an der Stützplatte um den Betrag der statischen Durchsenkung so versetzt, daß die Federelemente im belasteten Zustand eine derartige Lage einnähmen, wie sie im unbelasteten Zustand bei Ausrichtung auf den Krümmungsmittelpunkt bzw. eine durch den Krümmungsmittelpunkt gelegte Achse einnehmen würden; damit sei gleichzeitig das Eigengewicht vollständig kompensiert und der Oszillationsantrieb frei von statischen Lasten.

V. Die Einsprechende - nachfolgend Beschwerdegegnerin - teilte mit Telefax vom 24. Januar 2000 ihr Einverständnis mit der eingeschränkten Fassung des Streitpatentes mit, trug aber gleichzeitig vor, daß eine Anpassung der Beschreibung des Streitpatentes an die Ansprüche 1 und 2 deshalb erforderlich sei, weil diese Ansprüche auf Bogenkokillen gerichtet seien, während die Beschreibung auch auf Kokillen mit gerader Achse zu lesen sei, vgl. EP-B1-0 468 607, Seite 3, Zeilen 40 bis 42.

VI. Die Beschwerdeführerin stellte folgende Anträge:

a) Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,

b) Aufrechterhaltung des Patentes mit den am 15. Februar 2000 eingereichten Unterlagen.

VII. Wegen der ihrer Meinung nach nicht klaren Beschreibung der Streitpatentschrift beantragte die Beschwerdegegnerin die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Die beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 2 stellen Zusammenfassungen der erteilten Ansprüche 1 und 9 bzw. 1, 2 und 9 dar. Während Anspruch 1 auf eine Kokille zum Gießen von Brammen abgestellt ist, hat Anspruch 2 eine Rohrkokille zum Gießen von Knüppeln zum Inhalt.

2.2. Die geltenden Ansprüche 1 und 2 sind somit als nebengeordnete Ansprüche für das Gießen von Walzgut unterschiedlichen Formates abgefaßt, vgl. Figuren 1 und 6. der Streitpatentschrift, ohne dabei gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) bzw. (3) EPÜ zu verstoßen.

2.3. Dies gilt auch für die geltenden abhängigen Ansprüche, die aus den erteilten Ansprüchen 11, 3 bis 8, 10 und 12 bis 15 hervorgehen.

3. Neuheit

Die Frage der Neuheit ist nicht strittig, vgl. Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) VOBK vom 9. September 1999, Absatz 5, so daß sich ins Detail gehende Erörterungen erübrigen.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Die Mitteilung der Beschwerdegegnerin gemäß Telefax vom 24. Januar 2000, vgl. Seite 1, vorletzter Absatz ("... bestehen keine Einwände seitens der ... Beschwerdegegnerin") macht ein Eingehen auf ihre zur Frage der erfinderischen Tätigkeit vorgebrachten Argumente entbehrlich.

4.2. Bei dieser Sachlage ist somit nur noch zu prüfen, ob seitens der Kammer ein Einwand gemäß Artikel 56 und 100 a) EPÜ zu erheben ist. Diese Prüfung ist laut Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) VOBK, vgl. wiederum Abschnitt 5., auf der Basis von (D6) und (D11) durchzuführen; sie führt zu nachfolgendem Ergebnis:

4.3. Aus der (D6) ist eine Kokille bekannt, die über Federelemente "12, 13" gegenüber einem Tragrahmen abgestützt ist. Die Federelemente können einseitig oder beidseitig abgestützt sein, vgl. Seite 2, Absätze 1 und 2. bzw. Ansprüche 2 und 3 der (D6).

Der Beschwerdeführerin ist darin zuzustimmen, daß im Falle einer beidseitigen festen Einspannung der Federelemente, Verkürzungen der freien Federlänge auftreten ("virtuelle Verkürzungen"), die wiederum eine spezielle Ausgestaltung der Lagerstellen erforderten, z. B. durch Differenzierung der Lagerstellen in ein Fest- und ein Loslager.

4.4. Derlei Überlegungen sind für den Fachmann aus dieser Druckschrift indes nicht herleitbar, so daß der Fachmann, der vor der Lösung der Aufgabe gemäß EP-B1-0 468 607, Seite 2, Zeilen 23 bis 25, steht und der die Erfindung nicht kennt, aus (D6) keinen Lösungsvorschlag für dieses betriebliche Problem erhält.

4.5. Eine "streng vertikale Schwingungsbewegung" der Kokille ist aus der (D11), Spalte 3, Zeilen 46 bis 50 bekannt, da die Federn über einen Federträger und eine mittige Stütze mit der Kokille verbunden sind und da der Hubtisch mittels zweier Führungseinrichtungen "10, 10" geführt ist.

4.6. Die Lösungsvorschläge gemäß Anspruch 1 und 2 haben zum Inhalt, daß die statische Durchsenkung "dy" ermittelt wird und daß sie zur kokillenseitigen Verschiebung der Anlenkungsprodukte der Federelemente "7" führt. Die Lage "a" (= konstruktive Nullage) geht bei Belastung über in die Lage "b", d. h. "a" und "b" differieren um das Maß "dy". Die Oszillation der formgebenden Wandung "1" und ihrer Stützplatten "2" führt zu oberen und unteren Totpunkten "c" und "d", d. h. die Kokille schwingt um "b" zwischen "c" und "d" nach oben und unten.

Konstruktiv sind in diesem Zusammenhang beim Beanspruchten nach Anspruch 1 Elemente wie Stützplatten und Tragplatten bzw. nach Anspruch 2 Stützplatten und eine rohrförmige Wandung vorgesehen, wobei die vorgenannten Federelemente jeweils dazwischen angeordnet sind.

4.7. Über die Lehre einer exakt vertikalen Kokillenführung hinaus ist (D11) aber nicht dazu angetan, den Fachmann auf die Aufhängung einer Kokille gemäß Anspruch 1 bzw. 2 hinzuführen, weil ihr die dazu notwendigen Überlegungen des statischen und dynamischen Betriebsverhaltens gemäß Anspruch 1 und 2 nicht entnehmbar sind. Bei Fehlen solcher Überlegungen im Zusammenhang mit (D11) ist auch die mit dem Beanspruchten sich einstellende vorteilhafte Wirkung der vollständigen Kompensation des Eigengewichtes der oszillierenden Kokille und der Befreiung des Oszillationsantriebs von statischen Lasten nicht unmittelbar und ohne erfinderisches Zutun erreichbar.

4.8. Somit kann auch eine kombinatorische Betrachtung von (D6) und (D11) den Fachmann nicht auf die Aufhängung einer Kokille im Sinne von Anspruch 1 (Plattenkokille) bzw. von Anspruch 2 (Rohrkokille) hinlenken, so daß das Beanspruchte auch das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 und 100 a) EPÜ erfüllt.

4.9. Die Ansprüche 1 und 2 vermögen somit in Verbindung mit den abhängigen Ansprüchen 3 bis 14 den Rechtsbestand des europäischen Patents in geändertem Umfang gemäß Artikel 102 (2) EPÜ sicherzustellen.

5. Die von der Beschwerdegegnerin für erforderlich gehaltene Änderung der Beschreibung gemäß Seite 3, Zeilen 40 bis 42 der Streitpatentschrift, ist sachlich nicht gerechtfertigt, da ein Krümmungsmittelpunkt gemäß Anspruch 1 und 2 auch im Unendlichen liegen kann, wie die Streitpatentschrift am angegebenen Ort erhellt; die Folge eines im Unendlichen liegenden Krümmungsmittelpunktes sind parallele Federelemente.

Die Beschwerdeführerin hat somit - wie die Streitpatentschrift verdeutlicht - von Anfang an den Krümmungsradius so verstanden wissen wollen, daß auch eine gerade Kokillenachse nicht ausgeschlossen werden sollte. Bei diesen Gegebenheiten wäre eine "Klarstellung" im Sinne der Beschwerdegegnerin eine sachlich nicht gerechtfertigte Beschränkung des Beanspruchten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang mit folgenden am 15. Februar 2000 eingereichten Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 14

- Beschreibung, Seiten 1 bis 6

- Zeichnung, Figuren 1 bis 11c.

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