T 0942/97 (Sichterluft/HENKEL) of 4.12.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T094297.20011204
Datum der Entscheidung: 04 Dezember 2001
Aktenzeichen: T 0942/97
Anmeldenummer: 92917099.1
IPC-Klasse: C11D 17/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Tensidgranulaten
Name des Anmelders: Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien
Name des Einsprechenden: PROCTER & GAMBLE EUROPEAN TECHNICAL CENTER N.V.
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
Schlagwörter: Offenbarungsmangel (ja) - Informationslücke nicht durch allgemeines Fachwissen schließbar
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 92 917 099.1 wurde das europäische Patent Nr. 0 603 207 mit 20. Ansprüchen erteilt. Der unabhängige Anspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung wasch- und reinigungsaktiver Tensidgranulate mit einem Schüttgewicht oberhalb 500 g/l durch Granulierung einer Tensid-Zubereitungsform, die eine nicht-tensidische Flüssigkomponente aufweist und die unter Normaldruck bei Temperaturen zwischen 20 und 40 C in flüssiger bis pastöser Form vorliegt, dadurch gekennzeichnet, daß die Tensid-Zubereitungsform gewünschtenfalls unter Zumischung eines anorganischen oder organischen Feststoffes granuliert und gleichzeitig getrocknet wird, wobei unter Trocknung das teilweise oder vollständige Entfernen der nicht-tensidischen Flüssigkomponente verstanden wird."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 16 betreffen besondere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1; der unabhängige Anspruch 17 und die abhängigen Ansprüche 18 bis 20 waren auf Tensidgranulate gerichtet, die nach einem der Verfahren der Ansprüche 1 bis 16 hergestellt wurden.

II. Gegen die Patenterteilung hat die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) Einspruch wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit eingelegt. Sie stützte sich dabei unter anderem auf folgende Entgegenhaltungen:

(1) EP-A-0 340 966

(2) EP-A 0 340 004

III. In ihrer Entscheidung war die Einspruchsabteilung zur Auffassung gelangt, daß keines der Verfahren nach den jeweiligen Ansprüchen 1 aller ihr vorliegenden Anträge (Hauptantrag und vier Hilfsanträge) neu war. Sie widerrief daher das Streitpatent und fügte der Entscheidung Kopien zweier Dokumente bei, nämlich von

(5) Kurt Schiefer, Lexikon der Verfahrenstechnik, Band 16, A-Z 1970, 256, 558

und

(6) "Solids drying and gas-solid systems", Perry's Chemical Engineers' Book, 6th edn. 1984.

IV. Die Beschwerdeführerin legte Beschwerde ein und reichte mit der Beschwerdebegründung einen neuen Hauptantrag sowie neue Hilfsanträge 1-7 ein. Alle diese Anträge enthielten nur mehr Verfahrensansprüche.

Hauptantrag

Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 durch die Einfügung von "in einer kontinuierlichen Wirbelschicht" zwischen den Worten "Feststoffes" und "granuliert" und den Zusatz am Ende des Anspruches von "und die Größenklassierung der Granulate durch einen entgegengeführten Luftstrom (Sichterluft) erfolgt".

1. Hilfsantrag

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrages durch die Anfügung von "und die Bodenluft eine Temperatur zwischen 100 und 350 C aufweist" am Ende des Anspruchs.

2. Hilfsantrag

Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Einfügung von "der Gehalt an freiem Wasser von 0,1 bis 2 Gew.-% dabei nicht überschritten wird" zwischen den Worten "verstanden wird," und "und die Größenklassierung".

3. Hilfsantrag

Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des 1. Hilfsantrages durch die Einfügung von "der Gehalt an freiem Wasser von 0,1 bis 2 Gew.-% dabei nicht überschritten wird" zwischen den Worten "verstanden wird," und "und die Größenklassierung".

4. Hilfsantrag

Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Einfügung von ", wodurch staubfreie Tensidgranulate erhalten werden" am Ende des Anspruchs.

5. Hilfsantrag

Anspruch 1 des 5. Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags durch die Einfügung ", wodurch staubfreie Tensidgranulate erhalten werden" zwischen den Worten "Luftstrom (Sichterluft) erfolgt" und "und die Bodenluft".

6. Hilfsantrag

Anspruch 1 des 6. Hilfsantrages unterscheidet sich von Anspruch 1 des 4. Hilfsantrages durch die Einfügung von "der Gehalt an freiem Wasser von 0,1 bis 2 Gew.-% dabei nicht überschritten wird" zwischen den Wörtern "verstanden wird," und "und die Größenklassierung".

7. Hilfsantrag

Anspruch 1 des 7. Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags durch die Einfügung von ", wodurch staubfreie Tensidgranulate erhalten werden" zwischen den Worten "(Sichterluft) erfolgt," und "und die Bodenluft".

V. Die Beschwerdeführerin hat - schriftlich und mündlich - im wesentlichen vorgetragen, daß die nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 7 (alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 17.12.97) beanspruchten Gegenstände neu und erfinderisch seien.

Insbesondere offenbare Dokument (2) weder ein Verfahren mit einer kontinuierlichen Wirbelschicht noch eine Größenklassierung des Granulats mittels Windsichtung.

Die Beschwerdeführerin rügte auch einen Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung, die sich in der Entscheidung auf Dokument (5) berufen habe, das erstmals der Entscheidung beigefügt, aber während des Verfahrens nicht erwähnt worden war; dies rechtfertige die Rückerstattung der Beschwerdegebühr.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat mündlich und schriftlich im wesentlichen vorgetragen, daß ein Wirbelschichtverfahren prinzipiell zu einer Klassierung der Partikel führe.

Sollte es sich bei der Klassierung um ein gewöhnliches Abtrennungs- und Austragsverfahren von Granulaten handeln, und insbesondere, sollte darunter ein Wirbelschichtreaktor mit Austrag von feinkörnigem Feststoff am Reaktorkopf verstanden werden, würden keine Bedenken unter Artikel 83 EPÜ bestehen; sollte es sich jedoch um ein spezielles Abtrennungs- und Austragsverfahren von Partikeln einer angestrebten Korngröße handeln, dann wäre dies im Streitpatent nicht ausreichend offenbart und die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllt.

Die in den Hilfsanträgen zusätzlich vorkommenden Merkmale seien als für den Fachmann naheliegende Maßnahmen ohne weitere technische Bedeutung anzusehen.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte

1. die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrages oder einer der Hilfsanträge 1 bis 7 (alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 17. Dezember 1997), und

2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

VIII. Am 4. Dezember 2001 fand vor der Kammer eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdeführerin das beanspruchte Verfahren an Hand einer Skizze erläuterte.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1. Artikel 123 EPÜ

Die gegenüber Anspruch 1 des erteilten Patentes vorgenommenen Änderungen, nämlich Einfügung des Zusatzes "in einer kontinuierlichen Wirbelschicht" und Hinzufügung des Satzes "und die Größenklassierung der Granulate durch einen entgegengeführten Luftstrom (Sichterluft) erfolgt" sind durch die Beschreibung gestützt (Seite 6, Zeile 3, erteiltes Patent; Seite 10, Zeilen 11 und 12, ursprüngliche Offenbarung; respektive Seite 6, Zeilen 6 bis 18, erteiltes Patent; Seite 10, Zeilen 2 und 3 von unten, ursprüngliche Offenbarung)und führen offensichtlich zu keiner Erweiterung des Schutzbereiches.

Anspruch 1 erfüllt daher die Bedingungen des Artikels 123 EPÜ.

1.2. Artikel 83 EPÜ

1.2.1. Artikel 83 EPÜ sieht vor, daß die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart wird, daß ein Fachmann sie ausführen kann.

1.2.2. Anspruch 1 bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Tensidgranulaten in einer kontinuierlichen Wirbelschicht, wobei unter anderem die Größenklassierung der Granulate durch einen entgegengeführten Luftstrom (Sichterluft) erfolgt.

Die einzige diesem Merkmal zuzuordnende und es erläuternde Offenbarung der Beschreibung lautet wie folgt:

"Der Austrag der Granulate aus der Wirbelschicht erfolgt vorteilhafterweise über eine Größenklassierung der Granulate. Diese Klassierung kann beispielsweise mittels einer Siebvorrichtung oder durch einen entgegengeführten Luftstrom (Sichterluft) erfolgen, der so reguliert wird, daß erst Teilchen ab einer bestimmten Teilchengröße aus der Wirbelschicht entfernt und kleinere Teilchen in der Wirbelschicht zurückgehalten werden. In einer bevorzugten Ausführungsform setzt sich die einströmende Luft aus der beheizten oder unbeheizten Sichterluft und der beheizten Bodenluft zusammen." (Seite 6, Zeilen 16 bis 22). Unmittelbar vor dieser Passage werden für die Wirbelluft Geschwindigkeiten zwischen 1 und 8 m/s, insbesondere zwischen 1,5 und 5,5 m/s genannt (Seite 6, Zeilen 15 bis 16).

1.2.3. Die Parteien stimmten überein, daß es mit Hilfe der Regulierung der Anströmgeschwindigkeit der Bodenluft es zu einer Anreicherung der kleineren Partikeln im Oberteil, der mittleren Partikel im Mittelbereich des Reaktors und der groberen Partikel in Rostnähe kommt.

Dagegen hat die Beschwerdegegnerin überzeugend vorgetragen, daß die Angaben im Streitpatent nicht ausreichen, um es dem Fachmann zu ermöglichen, die "Größenklassierung der Granulate durch einen entgegengeführten Luftstrom" durchzuführen. So sei für den Fachmann weder erkennbar wem oder was die Sichterluft entgegengeführt werden soll, noch wie die Gewinnung des gewünschten Granulats zu bewerkstelligen sei.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin an Hand einer Skizze die erfindungsgemäße Betriebsweise einer Anlage zur Granuliertrocknung der Firma Glatt, wie sie in den Beispielen des Streitpatents verwendet wurde, erläutert. Im Streitpatent finden sich weder eine solche Skizze noch eine entsprechende textliche Erläuterung. Auf Befragung durch die Kammer, hat die Beschwerdeführerin verneint, daß sich diese Betriebsweise dem Fachmann aus seinem allgemeinen Fachwissen erschlossen hätte, da diese Funktionsweise einer auf dem Markt befindlichen Granuliertrocknungsanlage als neu und erfinderisch anzusehen sei.

Daraus schließt die Kammer, daß ein fachkundiger Leser des Patents die Erfindung nicht ohne zusätzliche Erklärungen hätte ausführen können, z. B. solchen wie sie während der mündlichen Verhandlung gegeben wurden.

Die Offenbarung der Erfindung genügt daher nicht den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ.

2. Hilfsanträge 1 bis 7

Die unter 1.1 erwähnten Merkmale "in einer kontinuierlichen Wirbelschicht" und insbesondere "und die Größenklassierung der Granulate durch einen entgegengeführten Luftstrom (Sichterluft) erfolgt" sind in allen Hilfsanträgen 1 bis 7 enthalten.

Die Hilfsanträge 4 bis 7 enthalten zusätzlich das Merkmal "wodurch staubfreie Tensidgranulate erhalten werden". Dieses Merkmal behebt jedoch nicht den Offenbarungsmangel, weil der im Anspruch nicht definierte Ausdruck "staubfrei" keine Anhaltspunkte liefert, um die Betriebsweise, insbesondere den Austrag der staubfreien Tensidgranulate, besser zu verstehen.

Somit erfüllen auch diese Anträge nicht die Bedingungen des Artikels 83 EPÜ.

3. Regel 67 EPÜ

Nach Regel 67 EPÜ ist es eine Voraussetzung für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, daß der Beschwerde durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird. Da die Beschwerde zurückgewiesen wird, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Somit wird der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückgewiesen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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