T 0896/97 (Probenbehälter/MLS) of 19.10.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T089697.20001019
Datum der Entscheidung: 19 October 2000
Aktenzeichen: T 0896/97
Anmeldenummer: 91107194.2
IPC-Klasse: B01J 3/03
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Probenbehälter zum Aufschließen bzw. Analysieren von Probenmaterial
Name des Anmelders: MLS GMBH
Name des Einsprechenden: Dr. Hartmut Heinrichs
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - ja, nicht naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 91 107 194.2 wurde das europäische Patent Nr. 0 461 383 mit 18. Ansprüchen erteilt.

II. Gegen die Patenterteilung legte der Beschwerdeführer Einspruch ein. Der Einspruch wurde darauf gestützt, daß der Patentgegenstand entweder nicht neu sei oder nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikeln 54 und 56 EPÜ).

Im Einspruchsverfahren wurde u. a. folgende Entgegenhaltungen genannt:

D5: US-A-4 882 128

D7: H. Feuerbacher und R. Wenke, Druckaufschluß als Probenvorbereitung zur Spurenelementbestimmung, Sonderdruck 1989, Seiten 375-385, GIT Verlag, Darmstadt.

III. Die Einspruchsabteilung hat das Patent in geänderter Form mit 16 Ansprüchen aufrechterhalten.

Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Probenbehälter (9) zum Aufschließen bzw. Analysieren von Probenmaterial durch Erhitzung des Probenmaterials in einem Mikrowellenofen mit folgenden Merkmalen:

a) einem Aufnahmeteil (11) mit einer Aufnahmeöffnung (15) für das Probenmaterial,

b) einem Deckel (14) zum Verschließen des Aufnahmeteils (11),

c) das Aufnahmeteil (11) und der Deckel (14) bestehen aus mikrowellentransparentem Kunststoff,

gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

d) der Randbereich der Aufnahmeöffnung (15) des Aufnahmeteils (11) bildet einen Ventilsitz und der Deckel (14) bildet ein darauf aufliegendes Ventilglied,

e) der Deckel (14) ist entgegen seiner Schließrichtung an einem tellerfederförmig geformten elastischen Druckstück (31) abgestützt und

f) das Druckstück (31) besteht aus mikrowellentransparentem Kunststoff."

Ausgehend von D7 als nächstem Stand der Technik, wurde die erfinderische Tätigkeit im wesentlichen damit begründet, daß Tellerfedern aus Kunststoff nicht zum Stand der Technik gehörten und ein Fachmann nicht erwarten würde, daß Kunststoff ein geeignetes Material für die Herstellung von unter den Bedingungen im Mikrowellenofen funktionsfähigen Tellerfedern sei.

IV. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer (Einsprechende) Beschwerde eingelegt. Während der am 19. Oktober 2000 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde nur noch der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit geltend gemacht. Die Begründung kann wie folgt zusammengefaßt werden:

Bis auf die Verwendung einer Tellerfeder als elastisches Druckstück ist ein Probenbehälter gemäß Anspruch 1 aus D5 bekannt. Die Verwendung von Tellerfedern als Druckstück für einem Deckel in einem Probebehälter ist aus D7 bekannt. Zwar ist dieser Probenbehälter nicht aus mikrowellentransparentem Kunststoff und über das Material, aus dem die Tellerfedern geformt sind, wird nichts ausgesagt; es lag jedoch nahe, die bekannten Tellerfedern als elastisches Druckstück auch beim Probenbehälter gemäß D5 einzusetzen. Weil der Probenbehälter gemäß D5 für die Erhitzung in einem Mikrowellenofen geeignet sein muß, war es selbstverständlich, auch die Tellerfedern aus mikrowellentransparentem Kunststoff zu fertigen.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) war während der mündlichen Verhandlung nicht vertreten. Mit Schreiben vom 12. Februar 1998 hat sie zum schriftlichen Vortrag des Beschwerdeführers Stellung genommen und ein als "Hilfsantrag 1 bezeichnetes überarbeitetes Patenbegehren, bestehend aus einem neuen Anspruchssatz und einer angepaßten Beschreibung, eingereicht.

VI. Der Beschwerdeführer (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 461 383.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat schriftlich beantragt die Beschwerde zurückzuweisen oder hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent gemäß dem mit Schreiben vom 12. Februar 1998 eingereichten "Hilfsantrag 1" aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die von der Einspruchsabteilung gebilligte Fassung des Streitpatents ist von den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen gestützt und ihr Schutzbereich wurde gegenüber den erteilten Ansprüchen nicht erweitert. Sie erfüllen also die Bedingungen des Artikels 123 EPÜ. Die Kammer erkennt auch die Neuheit der beanspruchten Gegenstände an. Weil die Zulässigkeit der Änderungen und die Neuheit der beanspruchten Gegenstände vom Beschwerdeführer zuletzt nicht mehr bestritten wurden, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

3. Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)

3.1. Die Kammer teilt der Auffassung des Beschwerdeführers, daß D5 als nächster Stand der Technik zu betrachten ist und der Gegenstand des Anspruchs 1 sich davon nur durch die Anwesenheit eines tellerfederförmig geformten elastischen Druckstücks aus mikrowellentransparentem Kunststoff unterscheidet.

3.2. Im Streitpatent wird ausgeführt, wegen der tellerfederförmigen Ausgestaltung werde das Druckstück hauptsächlich auf Biegung und nicht auf Kompression beansprucht. Hierdurch ließen sich sowohl für ein Druckstück eines Probenbehälters als auch für mehrere Druckstücke mehrerer Probenbehälter im wesentlichen einheitliche Kennwerte der Elastizität erreichen, so daß die vom Druckstück ausgeübte Belastung auf das Ventil leichter beherrscht und bestimmt werden könne. Es sei somit auf einfachere Weise möglich, Druckstücke mit im wesentlichen einheitlichen Elastizitäts-Kennwerten herzustellen. Darüber hinaus bestehe ein weiterer Vorteil darin, daß sich auf einfachere Weise zum einen eine kleine Querschnittsgröße für das Druckstück und zum anderen größere Federkräfte sowie außerdem ein größerer Federweg des Druckstücks erreichen lasse. Letzteres sei aus Handhabungsgründen von Bedeutung und zwar beim Anziehen der Andruckschraube des Halters gegen den Deckel. Wenn ein größerer Federweg zur Verfügung stehe, seien jeweils erzielte Andruckunterschiede von geringerem Einfluß auf den Öffnungsdruck, weil sich geringere Schließkraftunterschiede erreichen lassen. Größere Schließkraftunterschiede würden zu unterschiedlichen Öffnungsdrücken führen, was unerwünscht sei (Spalte 3, Zeile 37 bis Spalte 4, Zeile 6). Der Beschwerdeführer hat diese Vorteile bestritten. Er hat vorgebracht, daß diese Vorteile nicht zwangsläufig auftreten und daß, insbesondere bei höheren Drücken, auch das tellerfederförmige Druckstück gemäß Streitpatent hauptsächlich auf Kompression beansprucht werde. Mit Verweis auf einem Prospekt der Beschwerdeführerin hat er weiter vorgebracht, daß es für die Funktion des patentgemäßen Druckstücks nicht auf dessen Biegungseigenschaften ankomme, weil selbst bei defekter Tellerfeder eine Ventil/Deckelöffnung erreicht werde. Ohne sich die Argumente des Beschwerdeführers zu eigen zu machen, hat auch die Kammer Zweifel ob alle im Streitpatent genannten Vorteile für die gesamte Breite des Anspruchs Gültigkeit haben. Bei kompakter Bauweise des tellerfederförmigen Druckstücks ist es zumindest fraglich, ob beim Probenbehälter gemäß Anspruch 1 ein größerer Federweg zur Verfügung steht als beim Behälter gemäß D5. Mangels Vergleichsbeispielen, die die angeblichen Vorteile zweifelsfrei belegen, sieht die Kammer, ausgehend von D5, die vom Streitpatent tatsächlich gelöste technische Aufgabe daher in der Bereitstellung eines weiteren Probenbehälters, der für Erhitzung in einem Mikrowellenofen geeignet ist. Gemäß Anspruch 1 wurde diese Aufgabe dadurch gelöst, das elastische Druckstück tellerfederförmig zu gestalten.

3.3. D5 zeigt und erwähnt das Druckstück nur als Druckentlastungsscheibe (pressure-relief disk) und gibt keinen Hinweis für eine andere Ausgestaltung, geschweige eine tellerfederförmige Ausgestaltung (Fig. 2 bis 4 und Spalte 5, Zeilen 8-12). D7 offenbart einige Druckaufschlußbehälter mit Tellerfedern als Druckstück für den Deckel (Abb. 2). Der Druckbehälter dieser Probenbehälter besteht aus einem Metallzylinder. Derartige Probenbehälter sind, wie vom Beschwerdeführer selbst vorgetragen, nicht für die Verwendung in einem Mikrowellenofen geeignet. Obwohl das Federmaterial nicht erwähnt wird, wird ein Fachmann diese Federn nur als herkömmliche Stahlfedern betrachten. D7 offenbart auch einen mikrowellenofentauglichen Druckbehälter aus massivem PTFE (Abb. 4). Dieser enthält jedoch keinen Deckel, der sich als ein Ventil öffnet und schließt. Die Abdichtung des Deckels und die Sicherung gegen zu hohen Überdruck wird durch eine Berst- und Dichtfolie aus Teflon gewährleistet. Nach Auffassung der Kammer zeigt D7, daß der Fachmann nicht ohne weiteres erwägt, bekannte, metallische Druckaufschlußbehälter dadurch mikrowellenofentauglich zu machen, daß alle metallischen Teile durch entsprechende Kunststoffteile ersetzt werden, sondern daß er für die Mikrowellenerhitzung auf andere Konzepte übergeht, die speziell auf die Eigenschaften von Kunststoffen abgestimmt sind. Der Fachmann, der nach einer Alternative für die gemäß D5 verwendete Druckscheibe sucht, wird in D7 nicht fündig, weil für die Mikrowellenerhitzung kein Druckstück eingesetzt wird. Die darin offenbarten Tellerfedern kann er sich nur als Stahlfedern vorstellen und würde somit deren Einsatz im Mikrowellenofen nicht in Betracht ziehen.

3.4. Der Vortrag des Beschwerdeführers, der Fachmann würde in Hinblick auf D7 (Abb. 2) sofort erkennen, daß Tellerfedern eine Alternative für die Druckscheibe gemäß D5 seien und daß sie wegen des Einsatzes im Mikrowellenofen selbstverständlich aus Kunststoff gefertigt sein müssen, beruht nach Auffassung der Kammer auf einer ex post facto Analyse, die die Kenntnis des Streitpatents voraussetzt. Dies folgt schon aus der Tatsache, daß Tellerfedern aus Kunststoff nicht zum entgegengehaltenen Stande der Technik gehörten, sondern für den Einsatz gemäß Streitpatent erst geschaffen werden mußten. Die grundsätzlichen Unterschiede im Elastizitätsverhalten zwischen Federstahl und üblichen Kunststoffen, insbesondere bei den hier zu berücksichtigenden erhöhten Temperaturen, würden den Fachmann jedoch nicht dazu anregen, Tellerfedern aus Kunststoff herzustellen, denn er hätte keinen Anhaltspunkt dafür, daß sie funktionieren könnten. Der Einsatz solcher Tellerfedern als Alternative zu einer Druckscheibe kann somit für einen Durchschnittsfachmann nicht nahegelegen haben.

3.5. Die übrigen Entgegenhaltungen, die im Beschwerdeverfahren nicht mehr diskutiert wurden, enthalten ebenfalls keinen Hinweis für den Einsatz von tellerfederförmig geformten Druckstücken. Die Kammer ist daher zu der Überzeugung gelangt, daß sich der Probebehälter gemäß Anspruch 1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik ergibt. Die im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwände rechtfertigen daher die beantragte Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nicht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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