T 0841/97 () of 7.12.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T084197.19991207
Datum der Entscheidung: 07 Dezember 1999
Aktenzeichen: T 0841/97
Anmeldenummer: 91120873.4
IPC-Klasse: B07B 1/46
B07B 1/28
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Siebfläche für eine Siebmaschine
Name des Anmelders: a) Hein, Lehmann GmbH, b) Isenmann Siebe GmbH
Name des Einsprechenden: I: Binder & Co. AG
II: Carl Schenck AG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Klärende Änderungen
Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0099/85
T 0229/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 1997 hat die Einspruchsabteilung die Einsprüche gegen das europäische Patent Nr. 0 469 063 zurückgewiesen, wobei die schriftliche Entscheidung gemäß Artikel 102 (2) EPÜ am 13. Juni 1997 erging.

II. Gegen vorgenannte Entscheidung hat die Einsprechende I - nachfolgend Beschwerdeführerin - am 5. August 1997 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese begründet.

III. Nach vorbereitender Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) VOBK vom 7. Oktober 1998, in der die Kammer den Parteien eine vorläufige Stellungnahme zur Sachlage mitteilte, fand am 7. Dezember 1999 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der die Patentinhaberinnen - nachfolgend Beschwerdegegnerinnen - neue Ansprüche 1 bis 6 und eine neugefaßte Beschreibung vorlegten.

IV. Vorgenannter Anspruch 1 hat nachfolgenden Wortlaut:

"1. Siebfläche für eine Siebmaschine, bei der erste Bereiche der elastischen Siebfläche sich abweichend von zweiten Bereichen der Siebfläche schwingend bewegen, dadurch gekennzeichnet, daß die Siebfläche aus einzelnen Siebelementen zusammengesetzt ist, die einen schwingend angetriebenen äußeren Rahmen (1) aufweisen, an dem in dessen Innenbereich mindestens ein inneres Teil (3,9) durch Federelemente (4) gelagert ist, wobei die Siebelement-Siebfläche (8) abwechselnd an dem Rahmen (1) und dem oder den federnd gelagerten inneren Teilen (3,9) befestigt ist."

V. Die Parteien brachten im wesentlichen folgende Argumente vor:

a) Beschwerdeführerin:

- die Änderungen in den geltenden Unterlagen seien unzulässig, weil sie nicht eindeutig aus den Ursprungsunterlagen herleitbar seien; die Figuren der Patentschrift zeigten darüberhinaus nicht die Erfindung, sondern allenfalls einen Teil davon;

- aus dem letzten Absatz der geltenden Seite 3 gehe hervor, daß innerhalb des äußeren Rahmens "1" vier Felder gebildet seien, "die jeweils von einer elastischen Siebelement-Siebfläche 8 überspannt sind"; daraus ergebe sich, daß die besagten Figuren 1 und 2 vier Siebelement-Siebflächen aufweisen; der letzte Beschreibungsabsatz, wonach die in den Zeichnungen dargestellten Siebelemente "zu mehreren auf der Siebfläche einer Siebmaschine angeordnet sind", stehe nicht im Widerspruch zu den Figuren 1 und 2 der Streitpatentschrift und auch nicht zu vorstehender Interpretation der Siebfläche;

- in formaler Hinsicht sei die Streichung der Bezugszeichenangabe "1-12" aus dem Anspruch 1 nicht zulässig;

- der vorliegende Stand der Technik

(D0) DE-C-1 206 372 (in der Patentschrift genannt) und

(01-1) DE-A-3 503 125

stehe dem Beanspruchten aus der Sicht der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit entgegen;

- (01-1) offenbare einen äußeren Rahmen, Querstreben, sowie eine federnde Lagerung und ein Sieb, das abwechselnd im Rahmen bzw. einer Querstrebe befestigt sei, wobei ein Antrieb vorgesehen sei; pro Siebmaschine seien mehrere solcher "Module" vorgesehen, so daß auch die Aufgabe gemäß Streitpatent schon bekannt und gelöst sei;

b) Beschwerdegegnerinnen:

- die Figuren 1 bis 4 der Patentschrift zeigten die wesentlichen Merkmale der Erfindung, so daß es belanglos sei, wenn die Mehrfachanordnung der Siebelemente gemäß letztem Beschreibungsabsatz nur textlich, nicht aber zeichnungsmäßig offenbart sei; eine weitere Stütze für das vorgenannte Merkmal sei mit der geltenden Beschreibung Seite 2, Absatz 3 gegeben;

- der Fachmann habe somit zweifelsfrei erkennen können, daß ein Sieb mehrere Felder - gebildet aus Rahmenteilen, Querstreben und federnd gelagerten Teilen - überspanne, und daß diese Siebelemente mehrfach an einer Siebmaschine vorgesehen seien;

- die Weglassung von Bezugszeichen sei keine unzulässige Abänderung eines Anspruches;

- (01-1) sei nur im Hinblick auf einen Antrieb von Interesse, zeige aber das wesentliche Merkmal der Modulbauweise nicht; in diese Richtung gehe auch (D0), die schon in der Beschreibungseinleitung herausgestellt worden sei, da auch ihre wesentliche Lehre die Schaffung eines einzigen Antriebes sei, der auf zwei Schwingungssysteme ausstrahle, nicht aber die Modulbauweise.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen mit der Maßgabe, daß der Aufrechterhaltung des Patents die in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 6 mit der ebenfalls überreichten angepaßten Beschreibung sowie die Figuren 1 bis 4 gemäß der Patentschrift zugrundegelegt werden (Hauptantrag).

Hilfsweise beantragten sie, daß in Anspruch 3 der Satzteil "die den inneren Rahmen (9) durchquert und" gestrichen wird und im übrigen der Aufrechterhaltung die Unterlagen gemäß Hauptantrag zugrundegelegt werden.

VII. Die Einsprechende II hat keine Beschwerde eingelegt und nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Änderungen

2.1. In der Patentschrift sind für ein und dasselbe Bauteil verschiedene technische Begriffe verwendet worden und zwar "Element", "Bauelement" und "Siebelement". Bei der Neufassung des Anspruchs 1 wurde entsprechend Regel 35 (13) EPÜ, die die einheitliche Verwendung von Terminologie vorschreibt, abgestellt auf ein Siebelement. Die Verwendung des Begriffs "Siebelement" ist nicht zu beanstanden, da dieser Begriff keine Neuschöpfung, sondern eine Auswahl aus bereits vorhandenen Begriffen darstellt. Das wesentliche Merkmal aus dem Kennzeichenteil des geltenden Anspruchs 1 ist das "Siebelement", das gemäß letztem Absatz der Ursprungsbeschreibung "zu mehreren auf der Siebfläche einer Siebmaschine dicht nebeneinander lösbar befestigt" wird, so daß der gewählte technische Begriff in eindeutiger Weise auch in seiner Mehrzahl ursprungsoffenbart ist und zwar auch im Hinblick auf die Austauschbarkeit eines Siebelementes, vgl. die Hinweise auf Seite 2, Absatz 3 bzw. 4 der geltenden Beschreibung, nämlich auf die leichte Montier- und Auswechselbarkeit der Siebelemente und darauf, daß an bestimmten Stellen unterschiedliche Siebelemente eingesetzt werden können.

2.2. Ferner ist das dem ursprünglichen Begriff "Bauelement" des Anspruchs 1 zugeordnete, summarische Bezugszeichen "1-12" gestrichen worden. Die Streichung eines Bezugszeichens kann im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdeführerin von vornherein keine Unzulässigkeit einer Änderung begründen, da Bezugszeichen in Ansprüchen nur der Erläuterung dienen, gemäß Regel 29 (7) EPÜ aber nicht einschränkend auszulegen sind.

2.3. Artikel 123 (2) bzw. 100 c) EPÜ schreiben vor, daß beanspruchte Merkmale aus dem Ursprungsoffenbarten herleitbar sein müssen, nicht aber, daß dies allein durch die Zeichnung geschehen muß. Diese Vorbemerkung ist im vorliegenden Falle zu machen, da die Zeichnung in der Tat nur ein einziges Siebelement wiedergibt und die Offenbarung dessen, daß mehrere solcher Siebelemente innerhalb einer Siebmaschine vorgesehen werden können, nur aus der Beschreibung des Anmeldetages herleitbar ist und zwar im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdeführerin unzweideutig.

2.4. In der Zusammenfassung vorstehender Überlegungen ergibt sich, daß die geltenden geänderten Unterlagen zulässig sind im Sinne von Artikel 123 (2) bzw. 100 c) EPÜ.

3. Stand der Technik, Aufgabe und ihre Lösung

3.1. Der hier vorliegende Stand der Technik in Form von (D0) und (01-1) ist gleichermaßen als Ausgangspunkt der Erfindung anzusehen. Er ist u. a. charakterisiert durch einen einzigen Siebantrieb für die zwei vorhandenen Systeme aus Längs- und Querholmen, vgl. (D0), Anspruch 1 (zwei relativ zueinander bewegte Rahmensysteme) und Figuren 8 und 9, Bezugszeichen "3" bzw. "5" und Spalte 5, Zeilen 1 bis 12 und Zeilen 34 bis 39 bzw. vgl. (01-1) Figuren 1 und 2, Bezugszeichen "2,3" bzw. "8,9" für das erste bzw. zweite Rahmensystem.

Dieser vorbekannte Stand der Technik hat im Sinne der Streitpatentschrift und ihrer Terminologie ein einziges Siebelement, so daß die Anpassung an unterschiedliche Siebaufgaben nur bei kompletten Umbau des Siebelementes möglich ist.

3.2. Die gegenüber dem Stand der Technik (D0) bzw. (01-1) objektiv verbleibende Aufgabe setzt an dieser Stelle an. Allerdings entspricht die den geltenden Unterlagen entnehmbare, auf die Streitpatentschrift zurückgehende Aufgabe (vgl. EP-B1-0 496 063, Spalte 1, Zeilen 27 bis 34) nicht ganz den durch die Rechtsprechung festgelegten Kritierien, wonach die objektive Aufgabe so formuliert sein soll, daß sie keine Lösungsansätze enthält (vgl. T 229/85, ABl. EPA 1987, 237 und T 99/85, ABl. EPA 1987, 413), hier aber das Lösungsmerkmal "aus einzelnen Siebelementen zusammengesetzt ist" bereits in der Aufgabe enthalten ist. Ohne Lösungselemente formuliert besteht die objektiv verbleibende Aufgabe zunächst in der Beseitigung der betrieblichen Einschränkungen der vorbekannten Siebmaschine. Einen weiteren von der Erfindung zu lösenden Aufgabenaspekt stellt die Nachrüstbarkeit von herkömmlichen Siebmaschinen dar, vgl. geltende Seite 2, Absatz 1 ("Auch ist es Aufgabe der Erfindung ... nachträglich anbringen zu können.")

3.3. Vorstehende Aufgabe der Erfindung ist mit den Merkmalen gemäß Anspruch 1 gelöst. Diese Lösung basiert auf einer Mehrzahl von Siebelementen - in der Technik werden sie auch Module genannt - und zwar in Verbindung mit einem Antrieb und einem schwingend angetriebenen äußeren Rahmen, der wiederum über Federelemente gelagerte innere Teile aufweist, dergestalt, daß das Sieb der Siebelemente abwechselnd am äußeren Rahmen bzw. an den inneren federnd gelagerten Teilen befestigt ist.

3.4. Unter Beibehaltung des vorbekannten Antriebskonzeptes mit nur einem Antrieb wird mit der Siebmaschine gemäß Anspruch 1 die Möglichkeit eröffnet, einzelne Siebelemente (Module) leicht montieren, aber auch auswechseln zu können; dies ist vorteilhaft für die Montage, Reparatur und Anpassung an unterschiedliche Siebarbeiten bzw. schafft die Möglichkeit, innerhalb einer Siebmaschine Felder mit unterschiedlicher Siebcharakteristik vorsehen zu können.

4. Neuheit

Da weder aus (D0) noch aus (01-1) bei fachmännischer Auslegung eine Modul-Bauweise entnehmbar ist, steht für die Kammer die Neuheit des Gegenstandes gemäß Anspruch 1 außer Frage. Das Argument der Beschwerdeführerin, daß die vorbekannte Siebmaschine als ein Siebelement bzw. Modul zu interpretieren und auch mehrfach vorsehbar sei, ist angesichts der hier vorliegenden Fakten nicht nachvollziehbar, sondern das Ergebnis rückschauender Auslegung des Standes der Technik gemäß (D0) bzw. (01-1).

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1. Aus der Tatsache, daß auch bei (D0) bzw. (01-1) ein äußerer Rahmen, Querstreben und innere Elemente dergestalt vorgesehen sind, daß eine zusammengesetzte Siebfläche entsteht, hat die Beschwerdeführerin abgeleitet, daß pro Siebmaschine mehrere Siebelemente/Module wenn schon nicht vorbekannt so doch durch Vervielfachung vorstellbar seien.

5.2. Diese Betrachtungsweise beruht auf Spekulation und ist aus dem Stand der Technik selbst so nicht ableitbar, zumal austauschbare und leicht montierbare sowie kombinierbare Siebelemente/Module aus (D0) und (01-1) nicht bekannt sind und auch keine Veranlassung erkennbar ist, warum ein vor der Lösung der objektiv verbleibenden technischen Aufgabe stehender Fachmann eine solche Mehrfachanordnung ins Auge fassen sollte.

5.3. Damit ist aufgezeigt, daß zur Schaffung der Siebmaschine nach Anspruch 1 nicht auf Vorbekanntes zurückgegriffen werden konnte. Da auch nicht ansatzweise die Modulbauweise in einem vergleichbaren Umfang des engen Fachgebietes der Siebmaschinen als bekannt und dem Fachmann als technische Möglichkeit vertraut nachgewiesen werden konnte, bedurfte es von (D0) bzw. (01-1) ausgehend offensichtlich erfinderischen Zutuns, um die Siebmaschine nach Anspruch 1 zu schaffen.

5.4. Das Fehlen verwertbarer Hinweise aus dem Stand der Technik ist für die Kammer ein eindeutiger Beleg dafür, daß der Fachmann eigene Überlegungen anstellen mußte, um die nachteiligen Gegebenheiten vorhandener Siebmaschinen zu beseitigen.

5.5. Die Kammer ist im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdeführerin davon überzeugt, daß der Gegenstand nach Anspruch 1 das Ergebnis erfinderischen Tätigwerdens im Sinne von Artikel 56 und 100 a) EPÜ ist. Anspruch 1 kann demzufolge in Verbindung mit den geltenden abhängigen Ansprüchen, die Ausgestaltungen der Erfindung zum Inhalt haben, den Rechtsbestand des Streitpatentes in seiner abgeänderten Fassung gemäß Hauptantrag begründen.

Hilfsantrag

6. Bei gewährbarem Hauptantrag braucht auf den Hilfsantrag nicht mehr eingegangen zu werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1 bis 6 und

- Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- Figuren 1 bis 4 gemäß Patentschrift.

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