T 0759/97 () of 18.12.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T075997.20001218
Datum der Entscheidung: 18 Dezember 2000
Aktenzeichen: T 0759/97
Anmeldenummer: 91901762.4
IPC-Klasse: B29C 51/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von vorgefertigten nahtlosen Sockelleisten-Eckstücken
Name des Anmelders: HT TROPLAST AG
Name des Einsprechenden: DLW Aktiengesellschaft
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 0 510 034 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig sei, da er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Dabei wurde unter anderem auf folgenden Stand der Technik bezug genommen:

D1: DE-A- 2 128 024;

D12: Firmenprospekt der Fa. Hüls Troisdorf AG "Mipolam Verlegeanleitung".

III. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent unverändert aufrechtzuerhalten (Hauptantrag).

Hilfsweise beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Form aufrechtzuerhalten, und zwar auf Basis der am 4. September 1997 als Hilfsantrag I eingereichten Ansprüche 1 bis 4, oder auf Basis der am 4. September 1997 als Hilfsantrag II eingereichten Ansprüche 1 bis 4.

Ferner beantragte die Beschwerdeführerin die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung für den Fall, daß dem Hauptantrag nicht ohne weiteres stattgegeben werden könne.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Ferner wurde hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

V. Der unabhängige Anspruch 4 des Streitpatents in der erteilten Fassung lautet wie folgt:

"4. Verwendung eines richtungsfrei dessinierten Boden- oder Wandbelages zur Herstellung von vorgefertigten nahtlosen Sockelleisten-Eckstücken (10, 11) durch thermoplastische Verformung."

VI. Der unabhängige Anspruch 4 gemäß Hilfsantrag I lautet wie folgt (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung in Fettdruck):

"4. Verwendung eines richtungsfrei dessinierten Fußboden- oder Wandbelages zur Herstellung von vorgefertigten nahtlosen Sockelleisten-Eckstücken (10, 11) zur fugenlosen Ausbildung des Fußboden-Wand-Übergangs in Gebäuden durch thermoplastische Verformung."

VII. Der unabhängige Anspruch 4 gemäß Hilfsantrag II lautet wie folgt (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung in Fettdruck):

"4. Verwendung eines richtungsfrei dessinierten Fußbodenbelages zur Herstellung von vorgefertigten nahtlosen Sockelleisten-Eckstücken (10, 11) zur fugenlosen Ausbildung des Fußboden-Wand-Übergangs in Gebäuden durch thermoplastische Verformung."

VIII. In einer Mitteilung nach Artikel 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern vom 2. Mai 2000 teilte die Beschwerdekammer den Beteiligten ihre vorläufige Auffassung mit, daß das Dokument D1 den nächstliegenden Stand der Technik darstelle und der Gegenstand der Ansprüche 1 und 4 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträge I und II nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie verwies dabei unter anderem auch auf das im Streitpatent zitierte Dokument

D9: EP-A-0 226 946.

IX. Mit Schreiben vom 23. November 2000 hat die Beschwerdeführerin ihren hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen und den Antrag gestellt, im schriftlichen Verfahren nach Aktenlage zu entscheiden.

X. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerdebegründung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

i) Das Dokument D1 betreffe Formkörper zur Auskleidung von Ecken auf Gebäudeteilen im Außenbereich, wobei als Ausgangsmaterial Belagfolien in Frage kämen, die zum Decken von Dächern verwendet würden. Dachfolien seien grundsätzlich unifarben, bei bitumenhaltigen Produkten schwarz.

Das Streitpatent hingegen betreffe die Herstellung von richtungsfrei dessinierten Sockelleisten-Eckstücken. Diese Formkörper seien für den Innenbereich von Gebäuden bestimmt und genügten daher anderen Anforderungen.

Der nächstliegende Stand der Technik werde daher durch das Dokument D12 wiedergegeben, das die Auskleidung von Ecken in Gebäuden mit richtungsfrei dessinierten Sockelleisten-Eckstücken beschreibe.

ii) Dem Streitpatent liege dementsprechend die Aufgabe zugrunde, vorgefertigte nahtlose, richtungsfrei dessinierte Sockelleisten-Eckstücke zur Verfügung zu stellen, die gegenüber den, aus Dokument D12 bereits bekannten, geschweißten und richtungsfrei dessinierten Sockelleisten-Eckstücken optisch verbessert sind.

Weder Dokument D12 noch andere im Verfahren befindliche Dokumente enthielten jedoch einen Hinweis, richtungsfrei dessiniertes Boden- oder Wandmaterial zur Herstellung vorgefertigter Sockelleisten-Eckstücke zu verwenden.

iii) Wenn man von Dokument D1 als nächstliegenden Stand der Technik ausgehe, so könne die objektive Aufgabe nur darin gesehen werden, ein anderes Anwendungsgebiet zu suchen. Der Stand der Technik enthalte jedoch keine Hinweise, die die Anwendung des aus Dokument D1 bekannten Verfahrens für den Gegenstand des Streitpatents nahelege. Ferner deute die Aussage in Dokument D1, daß die Ecke aus zwei miteinander vereinigten Teilplatten bestehe, darauf hin, daß das Endprodukt gemäß Dokument D1, im Gegensatz zum Streitpatent, Nähte aufweise.

Die dem Streitpatent zugrundeliegende Erfindung beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

XI. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

i) Den nächstliegenden Stand der Technik offenbare Dokument D1, da es, wie auch das Streitpatent, die Herstellung vorgefertigter Sockelleisten-Eckstücke betreffe, während Dokument D12 die Auskleidung von Ecken vor Ort, ohne die Verwendung vorgefertigter Sockelleisten-Eckstücke, beschreibe.

Ferner beschreibe Dokument D1 allgemein die Herstellung von Sockelleisten-Eckstücken und sei nicht auf Anwendungen im Außenbereich von Gebäuden beschränkt. Schließlich sei den Figuren zu entnehmen, daß es sich dabei um nahtlose Sockelleisten-Eckstücke handele.

ii) Der Unterschied zwischen dem Gegenstand des Verwendungsanspruchs 4 des Streitpatents und dem in Dokument D1 wiedergegebenen Stand der Technik beschränke sich auf das Merkmal der Verwendung eines richtungsfrei dessinierten Boden- oder Wandbelags zur Herstellung von Sockelleisten-Eckstücken.

Die Auswahl eines richtungsfrei dessinierten Belags zur Herstellung von Sockelleisten-Eckstücken liege jedoch innerhalb des normalen Tätigkeitsgebiets des Fachmanns und erfordere keine erfinderische Tätigkeit.

iii) Diese Beurteilung gelte auch bezüglich des Gegenstands des Anspruchs 4 gemäß den Hilfsanträgen I und II.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Neuheit

Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 4 ist neu, da der vorliegende Stand der Technik die Herstellung von vorgefertigten Sockelleisten-Eckstücke durch thermoplastische Verformung eines richtungsfrei dessinierten Boden- oder Wandbelags nicht beschreibt.

2. Nächstliegender Stand der Technik

2.1. Dokument D1 wie auch das Streitpatent beschäftigen sich mit dem Problem der Herstellung vorgefertigter Eckstücke für die Auskleidung von Ecken bei der Belegung von Gebäudeflächen und schlagen hierzu vor, diese durch thermoplastische Verformung (Tiefziehen) von Belagmaterial herzustellen. Mit diesen Eckstücken soll eine geschlossene Weiterführung des Belags in einer Ecke ermöglicht werden.

Der Gegenstand des Dokuments D1 ist damit dem in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents beschriebenen technischen Gebiet zuzuordnen und ist, insbesondere wegen des gleichen Lösungsansatzes, als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten.

2.2. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, daß das Dokument D1 wegen der dort angegebenen Anwendung der Eckstücke im Außenbereich von Gebäuden einem anderen technischen Gebiet zuzuordnen sei, kann die Kammer nicht folgen:

Zunächst betrifft das Streitpatent die Herstellung von Sockelleisten-Eckstücken, nicht aber deren spätere Anwendung.

Ferner bezieht sich das Dokument D1 in allgemeiner Form auf die Herstellung von Formkörpern zur Auskleidung von "wenigstens zwei winklig zueinander verlaufenden, auf- und abgehenden Gebäudeflächen und einer annähernd horizontalen Gebäudefläche" und nennt lediglich beispielsweise die Anwendung bei "Flachdächern, Balkons, Loggien o. dgl.", siehe Seite 1, 1. und 2. Absatz.

Schließlich findet sich im Streitpatent kein Hinweis darauf, durch welche strukturellen Merkmale sich ein ausschließlich für den Innenbereich von Gebäuden geeignetes Eckstück auszeichnet bzw. aufgrund welcher strukturellen Merkmale ein Eckstück, das zum Beispiel für die Auskleidung von Balkonen und Loggien geeignet ist, wie es Dokument D1 explizit vorsieht, für den Einsatz im Innenbereich von Gebäuden nicht geeignet sein soll, wobei zu berücksichtigen ist, daß zum letzteren auch Keller, Industrieräume etc. gehören.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Aus dem Stand der Technik war es somit bekannt, Belagmaterial (Boden- oder Wandbelag) zur Herstellung von vorgefertigten Sockelleisten-Eckstücken zu verwenden und diese Formkörper durch Spritzgießen oder Tiefziehen einer thermoplastischen Folie, also thermoplastische Verformung, zu verwirklichen. Damit werden nahtlose, als Innen- oder Außeneckstück ausgebildete Formkörper geschaffen (siehe Figuren), die eine geschlossene Weiterführung des Belages in den Ecken ermöglichen.

3.2. Der Gegenstand des Verwendungsanspruchs 4 unterscheidet sich somit von dem in Dokument D1 offenbarten Stand der Technik dadurch, daß ein richtungsfrei dessinierter Boden- oder Wandbelag zur Herstellung der Sockelleisten-Eckstücke verwendet wird.

In der Auswahl eines so gestalteten Belags kann aber keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden.

Der Fachmann, dem sich, ausgehend von Dokument D1, die Aufgabe stellt, geeignete vorgefertigte Eckstücke für die Auskleidung von z. B. Balkonen und Loggien herzustellen, wird berücksichtigen, daß gerade in diesen Bereichen auch gemusterte Beläge zur Anwendung kommen und er wird daher auch die Herstellung entsprechend gestalteter vorgefertigter Eckstücke in Betracht ziehen.

Da es sich bei einer richtungsfreien Dessinierung um eine im Bauwesen gängige Form der Gestaltung von Boden-und Wandbelägen handelt (siehe Dokument D9, Zusammenfassung) und sich dem Fachmann auch in diesem Fall die Aufgabe einer geschlossenen Weiterführung des Belages in den Ecken stellt, ist die Verwendung eines derart gestalteten Boden- oder Wandbelags zur Herstellung von entsprechend dessinierten Sockelleisten-Eckstücken dem handwerklichen Können des Fachmanns zuzuordnen.

Er wird sich auch im Hinblick auf die thermoplastische Verformung nicht von dieser Wahl abhalten lassen, da er erwarten kann, daß gerade bei dieser Musterform das äußere Erscheinungsbild durch die Deformation weniger beeinträchtigt wird als bei richtungsorientierten Mustern.

Der Gegenstand des Anspruchs 4 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.

Hilfsantrag I

4. Neuheit

Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 4 gemäß Hilfsantrag I ist neu, da der vorliegende Stand der Technik die Herstellung von vorgefertigten Sockelleisten-Eckstücke durch thermoplastische Verformung eines richtungsfrei dessinierten Fußboden- oder Wandbelags nicht beschreibt.

5. Erfinderische Tätigkeit

Der Verwendungsanspruch 4 des Hilfsantrags I wurde durch die Zweckangabe "zur fugenlosen Ausbildung des Fußboden-Wand-Übergangs in Gebäuden" und die Spezifizierung "Fußboden- oder Wandbelag" statt "Boden- oder Wandbelag" ergänzt.

Diese Änderungen können jedoch nicht zur Stützung der fehlenden erfinderischen Tätigkeit beitragen, da das Dokument D1 bereits die Verwendung von Belagmaterial zur Herstellung von Sockelleisten-Eckstücken zur fugenlosen Ausbildung des Boden-Wand-Übergangs z. B. von Balkonen oder Loggien vorschlägt und der Fachmann dementsprechend die Verwendung eines Fußbodenbelags in Betracht ziehen wird.

Der Gegenstand des Anspruchs 4 gemäß Hilfsantrag I beruht daher ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Damit ist auch der Hilfsantrag I nicht gewährbar.

Hilfsantrag II

6. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 4 gemäß Hilfsantrag II ist zwar ebenfalls neu, da der vorliegende Stand der Technik die Herstellung von vorgefertigten Sockelleisten-Eckstücke durch thermoplastische Verformung eines richtungsfrei dessinierten Fußbodenbelags nicht beschreibt.

Die hier beanspruchte Verwendung eines Fußbodenbelags ist jedoch, wie oben bereits dargelegt, eine naheliegende Maßnahme.

Der Gegenstand des Anspruchs 4 gemäß Hilfsantrag II beruht daher ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Damit ist auch der Hilfsantrag II nicht gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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