European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:T075897.20000905 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 September 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0758/97 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91110460.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60T 8/00 B60R 16/02 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Elektronisches Bremssystem für Straßenfahrzeuge | ||||||||
Name des Anmelders: | WABCO GmbH & Co. OHG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | (I) Robert Bosch GmbH (II) GRAU LIMITED |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit ihrer am 13. Mai 1997 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung den Hauptantrag der Patentinhaberin des Patents Nr. 0 467 112, die Einsprüche zurückzuweisen, zurückgewiesen. Hinsichtlich des Hilfsantrags der Patentinhaberin war die Einspruchsabteilung jedoch der Auffassung, daß unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
II. Mit den Einsprüchen war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) i. V. m. Artikeln 52 (1), 54, 56 EPÜ und Artikel 100 b) EPÜ angegriffen worden. Die Einsprüche stützten sich u. a. auf folgende Entgegenhaltungen:
D2: EP-A-0 179 282
D5: US-A-3 980 350
D6: "Integrated Vehicle Control", Convergence 88, 1988, Seiten 97 bis 106
D7: US-A-4 749 238
D8: "Visit to ERF Limited", Grau Limited, 11. Januar 1990.
III. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung haben die Beschwerdeführerin I (Einsprechende I) und Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) bei jeweils gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr am 5. Juli 1997 bzw. 10. Juli 1997 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründungen sind am 17. September 1997 bzw. 10. September 1997 eingegangen. Der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit wurde nicht mehr aufrechterhalten.
Im Beschwerdeverfahren spielten lediglich die Druckschriften D5 bis D8 eine Rolle. Außerdem wurde auch die folgende Entgegenhaltung genannt:
D9: US-A-4 850 650.
IV. In einer Mitteilung zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung teilte die Kammer hinsichtlich des Einspruchsgrunds von Artikel 100 b) ihre vorläufige Meinung mit, daß die Einwände nicht substantiiert wurden, und wies darauf hin, daß nur rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung vorgebrachte substantiierte Einwände berücksichtigt würden.
V. In Beantwortung dieser Mitteilung äußerte sich lediglich die Beschwerdeführerin II zur Stützung des Einwands der mangelnden erfinderischen Tätigkeit und fügte als Beleg für das gängige Symbol eines Mikroprozessors eine Kopie der folgenden Entgegenhaltung bei:
D10: "Antiskid System (ABS) for commercial vehicles", Bosch, 1982/3.
VI. Beide Beschwerdeführerinnen beantragten in der mündlichen Verhandlung vom 5. September, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen und die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu bestätigen.
VII. Das Patent in der geänderten Fassung gemäß dem Antrag der Beschwerdegegnerin enthält neben dem Anspruch 1 abhängige Ansprüche 2 bis 7, die bevorzugte Ausführungsformen des Gegenstands des Anspruchs 1 betreffen. Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Elektronisches Bremssystem für Straßenfahrzeuge, mit einer zur Ansteuerung von Bremsdruckmodulatoren dienenden Elektronik, mit folgenden Merkmalen:
a) die Elektronik ist aufgeteilt in mehrere den Rädern zugeordnete, mit mindestens einem Mikrocomputer versehene Radmodule (1, 2, 3, 4) mit eigener Intelligenz, die räumlich in der Nähe der Räder angeordnet sind, und in mindestens ein mit mindestens einem Mikrocomputer versehenes übergeordnetes Zentralmodul (5, 6) mit eigener Intelligenz, welches vorzugsweise an zentraler Stelle des Fahrzeugs angeordnet ist;
b) das Zentralmodul (5, 6) empfängt mindestens die Werte eines Betriebs-Bremswertgebers (18) und einer Feststellbremse (19);
c) die Radmodule (1, 2, 3, 4) empfangen von dem Zentralmodul (5, 6) einen Bremsdruck-Sollwert;
d) die Radmodule (1, 2, 3, 4) empfangen von Sensoren (32, 33), die am zugehörigen Rad (31) bzw. Bremszylinder (30) und/oder Bremsdruckmodulator (29) angeordnet sind, mindestens einen Meßwert für die Radgeschwindigkeit und den Bremsdruck;
e) die Radmodule (1, 2, 3, 4) senden wenigstens einen der von ihnen empfangenen Meßwerte bzw. eine daraus abgeleitete Information an das Zentralmodul (5, 6);
f) die Radmodule (1, 2, 3, 4) erzeugen elektrische Ausgangssignale zur Ansteuerung eines zugehörigen, vorzugsweise baulich mit den Radmodulen (1, 2, 3, 4) vereinigten Bremsdruckmodulators (29);
g) der Informationsaustausch zwischen dem Zentralmodul (5, 6) und den Radmodulen (1, 2, 3, 4) erfolgt über mindestens einen Datenbus (7, 8) mit festgelegten Schnittstellen,
gekennzeichnet durch folgende Merkmale:
h) in den Radmodulen (1, 2, 3, 4) ist eine Blockierschutz- und/oder Schleuderschutzfunktion (ABS/ASR) enthalten;
i) in dem Zentralmodul (5, 6) wird eine Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit für den Blockierschutz gebildet."
VIII. Die Beschwerdeführerinnen haben hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Der nächstliegende Stand der Technik sei aus D8, Figur 5 bekannt, die sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbare und das Merkmal h) nahelege. Die Aufgabe der Ausführungsform der D8, Figur 5 sei, die Signalwege möglichst zu verkürzen und es liege daher für den Fachmann nahe, ABS Funktionen in die Radmodule einzubauen, weshalb ausgehend von D8 die Integration von ABS in ein EMB (Elektronisch Moduliertes Bremssystem) eine rein handwerkliche Maßnahme der Programmierung sei. Die Radmodule der D8 seien mit einem Radgeschwindigkeit- und Luftfederungsdruck-Signale empfangenden Mikroprozessor ausgestattet und würden daher alles Notwendige für eine dezentralisierte ABS-Elektronik im Sinne des Merkmals h) aufweisen. Auch die zwei im 3. Absatz auf der Seite 3 erwähnten Druckumwandler würden darauf hindeuten, daß die Radmodule die Signale nicht lediglich weiterleiten. Selbst wenn der Fachmann den Radmodulen keine Signalerzeugungs-, sondern nur eine Signalumwandlungsfunktion beimesse, würden trotzdem elektrische Signale im Sinne des vorliegenden Anspruchs 1 erzeugt und das Merkmal f) wäre aus D8 bekannt. Es werde jedoch der Empfang und das Senden von Information über den Datenbus und nicht von Befehlen oder Signalen erwähnt, was auf eine Erzeugung von Signalen in den Radmodulen hindeute. Die gemäß D8 im Zusammenhang mit den Radmodulen erwähnte Intelligenz ("some electronic intelligence") bedeute für den Fachmann, daß die Intelligenz für die betreffende Funktion ausreiche und sei hinsichtlich des Merkmals f) keine Einschränkung.
Das Merkmal i) sei aus D5 bekannt und es liege für den Fachmann nahe, das System gemäß D8 mit diesem Merkmal auszustatten. D5 offenbare auch das Teilmerkmal a), das die räumliche Anordnung der ABS-Elektronik in der Nähe der Räder betrifft.
Die Kombination der Lehren aus D5 und D8 ergebe somit sämtliche Merkmale des Anspruchs 1. Der Fachmann würde D8 und D5 ohne weiteres kombinieren, um das dezentralisierte ABS der D8 auszuführen. Alternativ würde der Fachmann ausgehend von dem "konventionellen" ABS gemäß D5 die Lehre der D8 anwenden, um das System auf den neuesten Stand der Entwicklung zu bringen.
IX. Die Ausführungen der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Es sei nicht implizit offenbart, daß gemäß D8 die Radmodule ABS Funktionen ausüben. Die Figuren 1 bis 5 bauten aufeinander auf, wobei gemäß Figur 4 das ABS zentral eingebaut sei und die Signale von den Rädern über konventionelle Leitungen empfange. Figur 5 zeige lediglich Änderungen in Bezug auf die Anwendung eines Multiplex-Systems, wobei die in den Radmodulen erwähnte Intelligenz für die Schnittstellen notwendig sei. Ein ABS brauche nicht nur "etwas" Intelligenz, wie dies in D8 erwähnt sei. Die für ein ABS notwendige Elektronik sei auch nicht auf der erwähnten Platinengröße unterzubringen und sei so empfindlich, daß der Fachmann davor zurückgescheut hätte, sie in der Nähe der Räder anzuordnen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Ausreichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ)
2.1. Die Beschwerdeführerin II hat in ihrer Beschwerdebegründung die Bedeutung einiger Begriffe im Anspruch 1 als unklar und nicht ausreichend zur Ausführung der Erfindung beanstandet. In der Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hat die Kammer darauf hingewiesen, daß mehrere der erwähnten Punkte nicht substantiierte Einwände, sondern nur Fragen seien und daß Klarheitseinwände, die sich nicht auf eine nach der Patenterteilung vorgenommene Änderung beziehen, nicht zu behandeln seien. Die Kammer gab ihre Absicht bekannt, nur mindestens einen Monat vor der mündlichen Verhandlung substantiierte Einwände zu berücksichtigen. Die Beschwerdeführerin II hat sich zum Einwand der ausreichenden Offenbarung weder schriftlich noch während der mündlichen Verhandlung weiter geäußert.
2.2. Die Kammer ist der Auffassung, daß die Offenbarung zur Ausführung der Erfindung ausreicht und daß der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) der Aufrechterhaltung des Patents im beantragten Umfang nicht entgegensteht. Aus den oben genannten Gründen sieht die Kammer keinen Anlaß, auf die von der Beschwerdeführerin II im einzelenen erhobenen Einwände näher einzugehen.
3. Beweismittel
D9 wurde zur Frage der erfinderischen Tätigkeit erst im Beschwerdeverfahren von der Beschwerdeführerin II genannt, obwohl der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 eine Kombination der erteilten Ansprüche 1, 3, 4 ist, die in ihrem Einspruchsschriftsatz behandelt wurden. D9 ist somit als verspätet im Sinne von Artikel 114 (2) EPÜ anzusehen. Weil die Kammer D9 als entscheidungsunerheblich erachtet und diese Druckschrift auch in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt hat, wird sie gemäß Artikel 114 (2) EPÜ außer Betracht gelassen.
4. Auslegung des Anspruchs 1
Hinsichtlich des Merkmals f) ist anzumerken, daß es entweder die autonome Erzeugung von Ausgangssignalen elektrischer Art oder lediglich die Umwandlung von elektrischen Eingangssignalen in elektrische Ausgangssignale bedeuten kann. Bei einer Betrachtung des ganzen Anspruchs 1, insbesondere der ersten vier Zeilen, geht jedoch hervor, daß die u. a. in die Radmodule verlagerte Elektronik zur selbsttätigen Ansteuerung der Bremsdruckmodulatoren dient und die Steuersignale daher nicht im Zentralmodul erzeugt werden. Somit ist das Merkmal f) so auszulegen, daß es die selbsttätige Erzeugung von Ausgangssignalen bedeutet.
5. Neuheit
Die Neuheit wurde während des Beschwerdeverfahrens nicht beanstandet. Auch die Kammer ist der Auffassung, daß der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gegenüber sämtlichen genannten Dokumenten neu ist, weshalb diese Frage keiner weiteren Erörterung bedarf.
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1. Die Kammer teilt die Meinung aller Parteien und der Einspruchsabteilung, daß der nächstliegende Stand der Technik aus D8 bekannt ist. D8 betrifft elektrisch modulierte Bremssysteme (EMB) und beschreibt in Verbindung mit den Figuren 1 bis 5 die Entwicklung des EMB bis zum Jahr 1990. Das einfachste EMB ist in der Figur 1 dargestellt, bei der die Steuersignale zur Ansteuerung der Bremsdruckmodulatoren in einem Elektronikmodul (ECU) erzeugt werden (Seite 3, 4. Absatz). Die Figuren 2 bis 5 zeigen in Form von schematischen Bildern Verbesserungen gegenüber der jeweiligen vorhergehenden Figur. Ein EMB mit integriertem ABS wird erst in Figur 4 vorgeschlagen (Seite 5, 3. Absatz), wobei ABS und ASR gleichgestellt sind (Seite 2, 4. Absatz). Das EMB gemäß Figur 4 weist ein einziges elektronisches, einen Mikroprozessor enthaltendes Modul auf, das mit einem Bremspedalgeber, elektropneumatischen Ventilen und Radgeschwindigkeit-Sensoren (v) verbunden ist und das die Rechenfunktion für ein ABS ausübt (Seite 4 "The integration of anti-lock"). Das elektronische Modul empfängt Signale u. a. von den Sensoren (v), von Achslast-Umwandlern (f/u) und von einem Beschleunigungsmesser (-b/u) und sendet Signale an den Rädern zugeordnete elektropneumatische Ventile, die die Luftzufuhr zu den Bremsen regulieren.
6.2. Das EMB gemäß Figur 5 unterscheidet sich im wesentlichen von dem der Figur 4 dadurch, daß die konventionellen elektrischen Leitungen der Figur 4 durch ein Multiplex-System ersetzt wurden, in dem die elektrischen Signale über einen Datenbus ausgetauscht werden (Seite 5, letzter Absatz). Figur 5 zeigt ein EMB, bei dem jedem Rad ein die Luftzufuhr zu den Bremsen regulierendes elektropneumatisches Ventil und ein damit verbundenes Elektronikmodul (Radmodul) zugeordnet sind, das mit dem gleichen Symbol wie das in Figur 4 dargestellte Modul bezeichnet ist. Die Radmodule empfangen u. a. Radgeschwindigkeit- (v) und Luftfederungsdrucksignale (PLF) und weisen gemäß der Beschreibung eine gewisse Intelligenz auf (Seite 5, letzer Absatz). Es ist auch ein Elektronikmodul (Zentralmodul) vorhanden, das baulich und elektrisch mit einer Feststellbremse und mit einem Beschleunigungsmesser (u/-b) verbunden ist und das die Signale vom Bremspedalgeber empfängt. Es ist daher deutlich aus D8 herleitbar, daß die Radmodule von dem Zentralmodul einen Bremsdruck-Sollwert empfangen. Nach Auffassung der Kammer ist es auch aus der Figur 5 aufgrund der Verwendung des gleichen Symbols bei dem Zentralmodul wie auch bei den Radmodulen und aufgrund der erwähnten Intelligenz für den Fachmann herleitbar, daß die Radmodule je einen Mikrocomputer aufweisen (die Bezugnahme auf D10 scheint in dieser Hinsicht überflüssig). Somit sind die Merkmale a) (außer der Aufteilung der Elektronik), b) bis d) und g) des Anspruchs 1 aus D8 bekannt.
6.3. Außer der Verwendung eines Multiplex-Systems wird zwischen den Figuren 4, 5 der D8 kein Unterschied erwähnt. Nach Auffassung der Kammer ist die Lehre der Figur 5 und der dazugehörigen Beschreibung daher, daß sowohl die Steuer- als auch die ABS-Elektronik immer noch zentral angeordnet sind und die zusätzlich in den Radmodulen angeordnete Elektronik lediglich wegen des Multiplex-Systems notwendig ist. Hätte der Verfasser von D8 an eine dezentralisierte Steuer- bzw. ABS-Elektronik gedacht, wäre sie zweifellos in der Beschreibung als vorteilhaft erwähnt worden. Stattdessen wird im letzen Absatz der Seite 5 betont, daß das Hauptmerkmal des EMB gemäß Figur 5 im kodierten Austausch von Information über einen Datenbus besteht und daß jedes elektropneumatische Ventil daher eine gewisse Intelligenz aufweisen muß. Ferner ist die in der drittletzten Zeile der Seite 5 enthaltene Angabe hinsichtlich der möglichen Platinengröße für den Fachmann ein Hinweis darauf, daß das Radmodul keine ABS-Funktion ausübt, weil die notwendigen Kreise samt Kühlkörpern wesentlich mehr Platz erfordern dürften. Der Begriff "Information" im vierten Satz von unten auf der Seite 5 ist kein Indiz dafür, daß die Radmodule keine Befehle empfangen und daher Befehle selbst erzeugen müssen, weil dieser Satz nicht speziell die Radmodule, sondern alle Komponenten des Multiplex-Systems betrifft und weil "Information" die Übermittlung von Befehlen nicht ausschließt. Zwar ist es aus D8 bekannt, daß die Integration von ABS in ein EMB leicht vorzunehmen ist (Seite 2, 4. Absatz), aber diese Textstelle vermittelt nichts über den Einbauort und die funktionelle Aufteilung der Elektronik.
6.4. Die Merkmale f), h) und das Teilmerkmal a) betreffend der Aufteilung der Elektronik sind daher aus D8 nicht bekannt. Weil eine Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit für ein die Fahrzeugbeschleunigung erfassendes ABS unabdinglich ist, sind jedoch die Merkmale e), i) nach Auffassung der Kammer aus D8 bekannt.
6.5. Zusammenfassend ist festzustellen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 (ohne die lediglich optionalen Merkmale) sich von dem der D8 dadurch unterscheidet, daß:
a') - die zur Ansteuerung der Bremsdruckmodulatoren dienende Elektronik in die Radmodule und das Zentralmodul aufgeteilt ist;
f) - die Radmodule elektrische Ausgangssignale zur Ansteuerung eines zugehörigen Bremsdruckmodulators erzeugen; und
h) - in den Radmodulen eine Blockierschutz- und/oder Schleuderschutzfunktion enthalten ist.
Diese Unterschiede bewirken, daß das ABS in kleinere Module unterteilt ist. Damit sind die einzelnen Module einfacher und der Austausch von einzelnen Modulen wird vereinfacht. Dementsprechend wird die in der Patentschrift Spalte 2, Zeilen 15 bis 31, 45 bis 48, genannte Aufgabe gelöst. Die Kammer stellt fest, daß die Merkmale a') und f) eine Voraussetzung für das Merkmal h) sind und daß diese Merkmale daher in Kombination zu betrachten sind.
6.6. D5 betrifft ein konventionelles pneumatisches Bremssystem mit ABS, bei dem die ABS-Elektronik in ein Zentralmodul 4 und vier den Rädern d zugeordnete Module 3 aufgeteilt ist, die entsprechende elektropneumatische Ventile 6 steuern (Spalte 3, Zeilen 8 bis 18). Zumindest in Zusammenhang mit einem pneumatischen Bremssystem sind somit die Merkmale f), h) (nur Blockierschutz) aus D5 bekannt. D5 wurde 1976 veröffentlicht und geht von einem Stand der Technik ohne ABS aus (Spalte 1, Zeilen 30 bis 64; Spalte 2, Zeilen 6 bis 8). Irgendwelche Vorteile gegenüber einem früheren ABS werden nicht erwähnt, geschweige denn die durch den Anspruchsgegenstand gelöste Aufgabe. Nach Auffassung der Kammer wird der Fachmann schon aus diesem Grund nicht veranlaßt, D5 mit D8 zu kombinieren. Dem Fachmann ist es auch bekannt, daß, besonders zur Zeit der Veröffentlichung der D5 (1976), die für ein ABS notwendige Elektronik nicht geeignet war, in einer Schmutz und Wetter ausgesetzten Stelle angeordnet zu werden. In Figur 1 sind die Module 3 den Rädern näher als das Zentralmodul 4 dargestellt, doch ist diese Figur lediglich ein schematisches Blockbild. Aus Figur 2 ist herleitbar, daß die Module 2 elektrische Spulen 27, 28 zur Betätigung der Ventile 6 enthalten und daher in der unmittelbaren Nähe der Räder angeordnet sein müssen. Figur 2 zeigt im wesentlichen den elektronischen Innenaufbau der Module 2, 3 und die gestrichelten Linien dienen offenbar lediglich dazu, den Umfang der einzelnen Module zu verdeutlichen. Daß die Module 2, 3 in Figur 2 mit gestrichelten Linien begrenzt sind, bedeutet daher nach Auffassung der Kammer nicht, daß der Fachmann daraus herleiten würde, daß auch das Modul 3 in der Nähe der Räder anzuordnen war. Ein Hinweis darauf, die die ABS-Elektronik enthaltenden Module 3 in der Nähe der Räder anzuordnen, ist daher in D5 weder explizit noch implizit enthalten.
6.7. Auch bei der Alternative, bei der D5 als nächstliegender Stand der Technik angesehen wird, legt eine Zusammenschau von D5 und D8 den Anspruch 1 nicht nahe. Gemäß D8 ist es wichtig, die Anzahl der Multiplex-Verbindungen zu minimieren (Seite 6, mittlerer Absatz ohne Numerierung) und der Fachmann würde daher versuchen, eine räumliche Trennung der Elektronik möglichst zu vermeiden. Die Kammer ist ferner der Auffassung, daß der Fachmann, der im Jahr 1990 (Prioritätsdatum des Streitpatents) ein EMB entwickeln wollte, die veraltete Lehre der D5 mit der Lehre der D8 nicht kombiniert, sondern gleich die neueste Entwicklung gemäß der D8 als nächstliegenden Stand der Technik seinen Überlegungen zugrunde gelegt hätte.
6.8. D2 zeigt in schematischen Blockbildern Maßnahmen zur Bildung einer ABS-Referenzgeschwindigkeit. Eine räumliche Anordnung der Komponenten ist nicht herleitbar. D6 betrifft ein Fahrzeug-Steuersystem, das drei hierarchisch angeordnete Ebenen aufweist (Seite 104, Figur 5). Ein Bremskoordinator in der zweiten Ebene berechnet die ABS-Referenzgeschwindigkeit (siehe rechte Spalte). Eine räumliche Aufteilung der ABS-Elektronik wird nicht erwähnt. In D7 wird weder ABS/ASR noch Datenaustausch über einen Datenbus erwähnt. Kombinationen von D7 mit D6, D7 mit D5 und D8 mit D6 führen daher auch in Kenntnis von D2 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1.
6.9. Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 und damit auch der Ansprüche 2 bis 7 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1), 56 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.