T 0678/97 () of 13.2.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T067897.20040213
Datum der Entscheidung: 13 Februar 2004
Aktenzeichen: T 0678/97
Anmeldenummer: 89106275.4
IPC-Klasse: A61N 1/37
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Implantierbares medizinisches Gerät mit Mitteln zum telemetrischen Übertragen von Daten
Name des Anmelders: St. Jude Medical AB
Name des Einsprechenden: Biotronik GmbH & Co. KG
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit - nein (Hauptantrag)
Erfinderische Tätigkeit - nein (Hilfsantrag)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte gegen die am 23. April 1997 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 0 392 032 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, am 21. Juni 1997 Beschwerde unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr ein. Die Beschwerdebegründung ging am 18. Juli 1997 ein.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß das Patent in der gemäß dem damaligen Hauptantrag geänderten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genüge. Es wurde dabei u. a. die folgende Entgegenhaltung berücksichtigt:

D1: EP-A-0 120 250

III. Eine erste mündliche Verhandlung fand am 20. Juni 2002 statt.

Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder das Patent in geändertem Umfang gemäß Hilfsanträgen 1 bis 3 aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdeführerin beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Für den Fall, daß die Kammer diesem Antrag nicht stattgeben sollte, beantragte Sie das Verfahren schriftlich fortzusetzen, um ihr die Möglichkeit zu geben, insbesondere zu dem auf einen völlig neuen Sachverhalt gerichteten erst in der Verhandlung eingereichten zweiten Hilfsantrag Stellung zu nehmen.

Der zunächst mit der Beschwerdebegründung gestellte Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wegen eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers der Einspruchsabteilung wurde von der Beschwerdeführerin nicht weiter aufrechterhalten.

Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Debatte zum Haupt- und ersten Hilfsantrag geschlossen. Die Kammer entschied das Verfahren gemäß dem entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin auf der Basis des zweiten und dritten Hilfsantrags schriftlich fortzusetzen.

IV. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2002 wurde von der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zum zweiten und dritten Hilfsantrag, unter Bezugnahme auf das Dokument

D5: EP-A-0 011 950

eingereicht.

Der Antrag auf vollständigen Widerruf des Patents wurde aufrechterhalten. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer weiteren mündlichen Verhandlung beantragt.

V. Mit Schreiben vom 11. November 2003 beantragte die Beschwerdegegnerin ebenfalls die Anberaumung einer weiteren mündlichen Verhandlung, sollte das Patent nicht auf der Basis des Hilfsantrags 2 oder 3 aufrechterhalten werden können.

VI. Weiter wurden mit Schreiben vom 13. Januar 2004 ein geänderter Hauptantrag sowie ein geänderter Hilfsantrag 2 nachgereicht.

VII. Eine zweite mündliche Verhandlung fand am 13. Februar 2004 statt.

Am Ende der mündlichen Verhandlung bestätigte die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder das Patent in geändertem Umfang gemäß einem neuen in dieser Verhandlung eingereichten Hilfsantrag aufrechtzuerhalten. Die am Ende der ersten mündlichen Verhandlung vorhandenen Hilfsanträge wurden zurückgezogen.

VIII. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag, in Einzelmerkmale aufgeteilt durch die Kammer, lautet:

"In den Körper eines Lebewesens implantierbares medizinisches Gerät (1),

(a) mit Mitteln (3,8) zum Stimulieren von physiologischen Vorgängen,

(b) mit einer mit Ausgängen versehenen Steuerlogik (6), an welche die Mittel (3,8) zum Stimulieren angeschlossen sind, und

(c) mit Mitteln (11,13) zum telemetrischen Übertragen von den logischen Zustand der Steuerlogik (6) betreffenden Daten zu einem externen Empfänger (12), wobei die Mittel (11,13) zum Übertragen von Daten mit der Steuerlogik (6) verbunden sind,

dadurch gekennzeichnet, daß

(d1) die Mittel (11,13) zum Übertragen von Daten Mittel (17,18,20) zum Erfassen der Daten an den Ausgängen der Steuerlogik (6) enthalten,

(d2) wobei die Steuerlogik (6) so angeordnet ist, dass an den erwähnten Ausgängen der Steuerlogik Daten zur Verfügung stehen, die dem momentanen logischen Zustand der Steuerlogik (6) entsprechen, und

(d3) wobei die Mittel (17,18,20) zum Erfassen der Daten im wesentlichen gleichzeitig mit den Mitteln (11,13) zum Übertragen aktiviert werden,

(e1) die Mittel (11,13) zum Übertragen zusätzlich einen Taktgenerator (16) aufweist [sic],

(e2) welcher die Mittel zum Übertragen (11,13) und die Mittel zum Erfassen der Daten zu den durch den Taktgenerator (16) festgelegten und periodisch aufeinanderfolgenden Zeitpunkten repetitiv aktivieren [sic],

(e3) wobei die Frequenz des Taktgenerators (16) höher als die Umschlagfrequenz des logischen Zustands der Steuerlogik (6) ist,

(e4) dergestalt daß die Daten bezüglich eines bestimmten logischen Zustandes der Steuerlogik mehrfach übertragen werden können und

(e5) keine Verknüpfung der Datenübertragung mit der Stimulation von physiologischen Vorgängen besteht."

IX. Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag, in Einzelmerkmale aufgeteilt durch die Kammer, lautet:

"In den Körper eines Lebewesens implantierbares medizinisches Gerät (1)

(a) mit Mitteln (3,8) zum Stimulieren von physiologischen Vorgängen,

(b) mit einer mit Ausgängen versehenen Steuerlogik (6), an welche die Mittel (3,8) zum Stimulieren angeschlossen sind, und

(c) mit Mitteln (11,13) zum telemetrischen Übertragen von den logischen Zustand der Steuerlogik (6) betreffenden Daten zu einem externen Empfänger (12), wobei die Mittel (11,13) zum Übertragen von Daten mit der Steuerlogik (6) verbunden sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

(f1) das Gerät eine mit der Steuerlogik verbundene Timerschaltung (21) aufweist, die zur Messung einer definierten Zeitdauer dient und von der Steuerlogik gestartet wird, sobald ein Stimulationsimpuls durch die Mittel zum Stimulieren abgegeben wird, wobei die Steuerlogik die Abgabe eines weiteren Stimulationsimpulses unterbindet, solange die definierte Zeitdauer läuft,

(d1) die Mittel (11,13) zum Übertragen von Daten Mittel (17,18,20) zum Erfassen der Daten an den Ausgängen der Steuerlogik (6) enthalten,

(d2) wobei die Steuerlogik (6) so angeordnet ist, dass an den erwähnten Ausgängen der Steuerlogik Daten zur Verfügung stehen, die dem momentanen logischen Zustand der Steuerlogik (6) entsprechen, und

(f2) daß an einem dieser erwähnten Ausgängen [sic] Daten zur Verfügung stehen, die damit ein [sic] Teil der dem momentanen logischen Zustand der Steuerlogik entsprechenden Daten bilden, und dessen Zustand des [sic] Laufen bzw. Nicht-Laufen der durch die Timerschaltung (21) gemessenen definierten Zeitdauer angibt, und

(d3) wobei die Mittel (17,18,20) zum Erfassen der Daten im wesentlichen gleichzeitig mit den Mitteln (11,13) zum Übertragen aktiviert werden,

(e1) die Mittel (11,13) zum Übertragen zusätzlich einen Taktgenerator (16) aufweisen,

(e2) welcher die Mittel zum Übertragen (11,13) und die Mittel zum Erfassen der Daten zu den durch den Taktgenerator (16) festgelegten und periodisch aufeinanderfolgenden Zeitpunkten repetitiv aktiviert,

(e3) wobei die Frequenz des Taktgenerators (16) höher als die Umschlagfrequenz des logischen Zustands der Steuerlogik (6) ist,

(e4) dergestalt, dass die Daten bezüglich eines bestimmten logischen Zustandes der Steuerlogik mehrfach übertragen werden können und

(e5) keine Verknüpfung der Datenübertragung mit der Stimulation von physiologischen Vorgängen besteht."

X. Die Beschwerdeführerin machte im wesentlichen folgendes geltend:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag sei nicht neu gegenüber Dokument D1. Insbesondere stünden in dem aus D1 bekannten Gerät Daten an den Ausgängen der Steuerlogik zur Verfügung, die dem momentanen logischen Zustand der Steuerlogik entsprechen. Während diese Daten erfasst werden, werden gleichzeitig die Daten des vorhergehenden Zyklus übertragen. Dies sei in Übereinstimmung mit dem Anspruchswortlaut, da nicht definiert werde, daß die gleichen Daten gleichzeitig erfasst und übertragen werden. Zudem definiere Anspruch 1 keine Mehrfachübertragung der Daten, sondern lediglich, daß die Frequenz des Taktgenerators die Möglichkeit einer Mehrfachübertragung biete.

Anspruch 1 gemäß dem geltenden Hilfsantrag verstoße gegen die Vorschriften des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ. Zudem beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das zusätzliche Vorsehen einer Timerschaltung diene der Vermeidung einer zu hohen Stimulationsrate und sei bereits für diesen Zweck aus dem Dokument D5 bekannt. Zudem sei es für den Fachmann zum Zwecke einer Überprüfung der Funktionstüchtigkeit des implantierten Gerätes naheliegend, zusätzlich Daten bezüglich des Laufens bzw. Nicht-Laufens der von der Timerschaltung gemessenen Zeitdauer mehrfach zu erfassen und telemetrisch zu übertragen.

XI. Die Beschwerdegegnerin führte im wesentlichen folgendes aus:

Dokument D1 zeige zwar ein Gerät mit den Merkmalen (a) bis (c) gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag, sowie den Merkmalen (d1), (e1) und (e2) des kennzeichnenden Teils des Anspruchs, es enthalte jedoch keinen Hinweis auf die restlichen Merkmale (d2), (d3), (e3), (e4) sowie (e5). Insbesondere stünden in D1 an den Ausgängen der Steuerlogik keine Daten zur Verfügung, die dem momentanen logischen Zustand der Steuerlogik entsprechen. Zudem werden in D1 die Mittel zum Erfassen der Daten nicht gleichzeitig mit den Mitteln zum Übertragen aktiviert, sondern die Aktivierung der Mittel zum Übertragen erfolge erst einen Zyklus später.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit, da zwar das Vorsehen einer Timerschaltung zur Vermeidung zu hoher Stimulationsraten an sich bekannt sein möge, die Mehrfacherfassung und Übertragung der Daten bezüglich des Laufens bzw. Nicht-Laufens der von der Timerschaltung gemessenen Zeitdauer jedoch mit der Lehre von D1 nicht kompatibel sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64 EPÜ und ist somit zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Neuheit

Dokument D1, das den nächstliegenden Stand der Technik darstellt, zeigt ein medizinisches Gerät, wie ein Herzschrittmachersystem mit einem implantierbaren Herzschrittmacher und einer externen Einheit, wobei der implantierte Herzschrittmacher Timingdaten sowie Daten über Vorgänge (z. B. IEKG-Daten) während eines Gerätezyklus erfasst und zugleich die Daten des vorhergehenden Gerätezyklus zu der externen Einheit überträgt. Die externe Einheit weist Mittel zur grafischen Darstellung dieser Daten auf, wobei u. a. Timingdaten zeitlich korreliert mit den IEKG-Daten gezeigt werden können, die dem behandelnden Arzt eine Überprüfung der Funktionstüchtigkeit des Herzschrittmachers ermöglichen.

Insbesondere ist aus Dokument D1 (vgl. die Figuren 1, 2A, 2B und die zugehörige Beschreibung), unter Verwendung der im Anspruch 1 des Streitpatents verwendeten Terminologie, ein in den Körper eines Lebewesens implantierbares medizinisches Gerät (45) bekannt,

(a) mit Mitteln (61,63) zum Stimulieren von physiologischen Vorgängen,

(b) mit einer mit Ausgängen versehenen Steuerlogik (58), an welche die Mittel zum Stimulieren angeschlossen sind, und

(c) mit Mitteln (62) zum telemetrischen Übertragen von den logischen Zustand der Steuerlogik betreffenden Daten zu einem externen Empfänger (65), wobei die Mittel zum Übertragen von Daten mit der Steuerlogik verbunden sind, wobei

(d1) die Mittel (62) zum Übertragen von Daten Mittel zum Erfassen der Daten an den Ausgängen der Steuerlogik (58) enthalten (vgl. insbesondere der die Seiten 7 und 8 überbrückende Absatz und der die Seiten 11 und 12 überbrückende Absatz),

(d2) wobei die Steuerlogik so angeordnet ist, daß an den erwähnten Ausgängen der Steuerlogik Daten zur Verfügung stehen, die dem momentanen logischen Zustand der Steuerlogik entsprechen (vgl. insbesondere der die Seiten 11 und 12 überbrückende Absatz und Seite 14, erster Absatz), und

(d3) wobei die Mittel zum Erfassen der Daten im wesentlichen gleichzeitig mit den Mitteln zum Übertragen aktiviert werden (vgl. Seite 12, Zeilen 2 bis 6),

(e1) die Mittel (62) zum Übertragen zusätzlich einen Taktgenerator aufweisen (implizit zu dem für die Übertragung verwendeten Modem, vgl. der die Seiten 7 und 8 überbrückende Absatz),

(e2) welcher die Mittel zum Übertragen und die Mittel zum Erfassen der Daten zu den durch den Taktgenerator (16) festgelegten und periodisch aufeinander folgenden Zeitpunkten repetitiv aktiviert (implizit bei der Übertragung der Daten mittels dem Modem (vgl. der die Seiten 7 und 8 überbrückende Absatz)),

(e3) wobei die Frequenz des Taktgenerators höher als die Umschlagfrequenz des logischen Zustands der Steuerlogik ist (vgl. Figur 2B und Seite 11),

(e4) dergestalt, daß die Daten bezüglich eines bestimmten logischen Zustandes der Steuerlogik mehrfach übertragen werden können (Figur 2B und Seite 11, wonach in dem Refractory Interval R.I. eine Mehrfachübertragung des Ident-Bytes möglich ist), und

(e5) keine Verknüpfung der Datenübertragung mit der Stimulation von physiologischen Vorgängen besteht (vgl. Seite 14, Zeilen 3 bis 5, wonach die Übertragung nach einem ventrikulären Vorgang statt findet, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine ventrikuläre Detektion oder Stimulation handelt).

Daß die Merkmale aus dem Oberbegriff des Anspruchs 1 sowie die Merkmale (d1), (e1) und (e2) aus dem Dokument D1 bekannt sind, wurde im Übrigen bereits von der Beschwerdegegnerin während der ersten mündlichen Verhandlung eingeräumt.

Sie bestritt jedoch, daß in D1 an den Ausgängen der Steuerlogik Daten zur Verfügung stünden, die dem momentanen logischen Zustand der Steuerlogik entsprechen (vgl. Merkmal (d2)). Gemäß D1 wird jedoch u. a. das Ident-Byte nach außen übertragen, wobei insbesondere die Bits 4 und 5 (vgl. Seite 9, letzter Absatz), die für die Detektion eines ventrikulären bzw. atrialen Signals stehen, den logischen Zustand der Steuerlogik darstellen. Somit stehen diese Daten für die Übertragungseinheit (62) an den Ausgängen der Steuerlogik (58) zur Verfügung. Zu dem Merkmal (d3) führte die Beschwerdegegnerin aus, daß in D1 die Mittel zum Erfassen der Daten nicht gleichzeitig mit den Mitteln zum Übertragen aktiviert werden, sondern die Aktivierung der Mittel zum Übertragen erst einen Zyklus später erfolge. In D1 (vgl. Seite 12, Zeilen 2 bis 6) werden tatsächlich gleichzeitig die Daten für den Zyklus n+1 erfasst und die Daten für den vorhergehenden Zyklus n übertragen. Dies entspricht jedoch dem Merkmal (d3), da es nicht definiert, daß dieselben Daten gleichzeitig erfasst und übertragen werden.

Auch bestritt die Beschwerdegegnerin, daß die Merkmale (e3) und (e4) D1 zu entnehmen seien. In Dokument D1 wird der logische Zustand der Steuerlogik u. a. dadurch wiedergegeben, daß auf die Detektion eines Ventrikelsignals oder eines atrialen Signals (vgl. Seite 9, letzter Absatz) die entsprechenden Bits 4 und 5 in dem Ident-Byte hoch gesetzt werden. In D1 entspricht somit die Umschlagfrequenz des logischen Zustandes der Steuerlogik den Gerätezyklen des Herzschrittmachers. Die Figur 2B des Dokuments D1 zeigt, daß bereits in einem Intervall R.I. innerhalb eines Gerätezyklus des Herzschrittmachers eine Reihe von Bytes übertragen werden, wozu auch das Ident-Byte zählt, das einem bestimmten logischen Zustand betreffende Daten enthält. Die Frequenz des die Mittel zum Übertragen aktivierenden Taktgenerators ist somit offensichtlich höher als die Umschlagfrequenz des logischen Zustandes der Steuerlogik und zwar dergestalt, daß die Möglichkeit gegeben ist, z. B. das Ident-Byte eines bestimmten logischen Zustandes mehrfach zu übertragen.

Entgegen der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung definiert das Apparatemerkmal (e4) in Anspruch 1 nicht eine etwaige quasi-online Datenübertragung mit Mehrfachübertragung der Steuerlogikdaten, sondern lediglich, daß die Frequenz des Taktgenerators die Möglichkeit einer Mehrfachübertragung bietet. Auch ist das in der Entscheidung angedeutete Herleiten des Gegenstandes des Anspruchs aus konkreteren Angaben aus der Beschreibung mittels Artikel 69 (1) EPÜ nicht statthaft, da letzterer sich nur mit dem Schutzbereich befasst und zudem ohnehin nur eine breitere Auslegung des Anspruchs im Lichte der Beschreibung und Zeichnungen stützt.

D1 zeigt somit ein Gerät mit allen Merkmalen des Gegenstandes des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag, so daß dieser nicht neu ist (Artikel 52 (1) und 54 (1) und (2) EPÜ).

Damit ist der Hauptantrag nicht gewährbar.

3. Hilfsantrag

3.1. Änderungen

Eine Basis für die im Anspruch 1 des Hilfsantrags vorgenommenen Ergänzungen befindet sich in der ursprünglich eingereichten Beschreibung (vgl. Spalte 5, Zeilen 41 bis 55 und Spalte 6, Zeilen 11 bis 16 der veröffentlichten Anmeldung).

Nach Meinung der Beschwerdeführerin werde mit den Änderungen in Anspruch 1 des Hilfsantrags eine unzulässige Auswahl von Merkmalen aus der Beschreibung getroffen. So sei der neue Anspruch nunmehr u. a. auf Einzelheiten der Übertragung von Daten bezüglich des logischen Zustandes der Timerschaltung gerichtet, ohne jedoch alle in der Beschreibung aufgeführten wesentlichen Merkmale dieser Übertragung (induktive Übertragung, Schieberegister) aufzunehmen.

Die Kammer sieht jedoch im vorliegenden Fall keinen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ, da weder der induktiven Übertragungsart, noch dem Schieberegister eine wesentliche Bedeutung zukommt.

Die Änderungen sind somit im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ zulässig.

Außerdem wurde der Schutzbereich durch die Änderungen im Vergleich zu dem des Anspruchs 1 wie erteilt eingeschränkt, sodaß sich keine Beanstandungen im Hinblick auf Artikel 123 (3) EPÜ ergeben.

3.2. Neuheit

Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag unterscheidet sich im wesentlichen vom Anspruch 1 des Hauptantrags durch folgende zusätzliche Merkmale:

(f1) daß das Gerät eine mit der Steuerlogik verbundene Timerschaltung aufweist, die zur Messung einer definierten Zeitdauer dient und von der Steuerlogik gestartet wird, sobald ein Stimulationsimpuls durch die Mittel zum Stimulieren abgegeben wird, wobei die Steuerlogik die Abgabe eines weiteren Stimulationsimpulses unterbindet, solange die definierte Zeitdauer läuft, und

(f2) daß an einem dieser erwähnten Ausgänge Daten zur Verfügung stehen, die damit einen Teil der dem momentanen logischen Zustand der Steuerlogik entsprechenden Daten bilden, und dessen Zustand das Laufen bzw. Nicht-Laufen der durch die Timerschaltung gemessenen definierten Zeitdauer angibt.

Die vorstehenden Merkmale (f1) und (f2) sind dem Dokument D1 nicht zu entnehmen. Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag neu gegenüber Dokument D1 (Artikel 52 (1), 54 (1) und (2) EPÜ).

3.3. Erfinderische Tätigkeit

Die Wirkung des durch die vorstehenden Merkmale (f1) und (f2) bezüglich D1 vorliegenden Unterschieds ist zum einen, daß vermieden wird, daß das Gerät Stimulationsimpulse mit einer Folgefrequenz auslöst, die physiologisch nicht zulässig ist und den Patienten gefährden würde (vgl. Streitpatent, Spalte 5, Zeilen 54 bis 58) und zum anderen, daß Daten bezüglich des Laufens bzw. Nicht-Laufens der durch die Timerschaltung gemessenen Zeitdauer mehrfach erfasst und telemetrisch übertragen werden.

Letzteres ergibt sich daraus, daß in einem von einer Stimulationsabgabe bis zur nächsten Stimulationsabgabe definierten Gerätezyklus der logische Zustand des der Timerschaltung zugeordneten Ausgangs der Steuerlogik sich zweimal ändert und damit die Umschlagfrequenz höher als die Stimulationsfrequenz ist. Da nach dem vorstehenden Merkmal (e3) des Anspruchs 1 die Frequenz des Taktgenerators höher ist als die Umschlagfrequenz des logischen Zustands der Steuerlogik, ergibt sich folglich eine Frequenz des Taktgenerators die über der Stimulationsfrequenz liegt. Wird das Merkmal (e2), wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, dahingehend verstanden, daß die Mittel zum Erfassen der Daten und die Mittel zum Übertragen mit der unmittelbaren Frequenz des Taktgenerators aktiviert werden, wobei also außer Betracht gelassen wird, daß laut zugehöriger Beschreibung (vgl. Spalte 6, Zeile 55 bis Spalte 7, Zeile 37 und Spalte 9, Zeilen 39 bis 48 der Patentschrift) das Signal des Taktgenerators ggf. aufbereitet wird, bevor es der Telemetrieschaltung zugeführt wird, ergibt sich aus diesem Merkmal eine mehrfache Erfassung und Übertragung der Daten innerhalb eines Gerätezyklus.

Die objektive Aufgabe, die sich aus der genannten Wirkung ableiten lässt, besteht dementsprechend darin, das aus Dl bekannte Gerät dahingehend weiter zu entwickeln, daß es das Auftreten einer gefährlich hohen Folgefrequenz von Stimulationsimpulsen verhindert, und daß die Funktionstüchtigkeit dieser Schutzmaßnahme z. B. vom behandelnden Arzt überprüft werden kann.

Diese Aufgabenstellung an sich beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die Fachwelt sich vor dem Anmeldetag bereits allgemein mit dieser auch als "rate runaway" bezeichneten Problematik sowie mit der Überwachung von Timing- und Betriebsvorgängen im Gerät befaßt hatte.

Dokument D5 befasst sich mit der "rate runaway protection" als Schutzmaßnahme in Herzschrittmachern, die den Patienten vor gefährlich hohen Stimulationsraten schützen soll (vgl. Spalte 2, Zeile 60 bis Spalte 4, Zeile 6). Insbesondere gemäß der Figur 4 und den Angaben in Spalte 6, Zeile 53 bis Spalte 7, Zeile 53 weist der Pulsgenerator eine Steuerlogik in Form einer zweiteiligen Schaltung auf, die einen analogen Schaltkreis (42) und einen digitalen Schaltkreis (40) umfasst. Der analoge Schaltkreis (42) stellt an einem Ausgang Daten in Form eines "RATE LIMIT" Signals zur Verfügung (Spalte 8, Zeilen 59 bis 64), das für eine Zeitspanne von 462 ms nach der Abgabe eines Stimulationsimpulses einen Wert "1" annimmt. Damit ist implizit eine Timerschaltung offenbart, die zur Messung einer definierten Zeitdauer (von 462 ms) dient und von der Steuerlogik gestartet wird, sobald ein Stimulationsimpuls durch die Mittel zum Stimulieren abgegeben wird. Die Steuerlogik unterbindet die Abgabe eines weiteren Stimulationsimpulses, solange die definierte Zeitdauer von 462 ms läuft, woraus sich eine obere Grenze für die Stimulationsfrequenz von 130 Impulsen pro Minute ergibt. Der Zustand des das "RATE LIMIT" Signal tragenden Ausganges des analogen Teils der Steuerschaltung gibt offensichtlich an, ob die durch die Timerschaltung gemessene definierte Zeitdauer von 462 ms läuft oder nicht läuft, und beschreibt somit den momentanen logischen Zustand der Steuerlogik.

Zur Lösung der vorstehenden, dem Streitpatent zugrunde liegenden objektiven Aufgabe, den Patienten vor einer gefährlichen, unkontrolliert hohen Stimulationsrate zu schützen, war es für einen auf dem Gebiet medizinischer Stimulationsgeräte tätigen Durchschnittsfachmann naheliegend, den aus Dokument D1 bekannten Herzschrittmacher mit den aus Dokument D5 bekannten Schutzmaßnahmen zur Begrenzung der Stimulationsrate (Runaway Protection (RAP)) gemäß den Merkmalen (f1) und (f2) zu versehen. Zudem war es für den Fachmann unmittelbar einsichtig, im Hinblick auf die für die Sicherheit des Patienten entscheidende Bedeutung einer derartigen RAP-Schaltung wesentliche Daten bezüglich Timing- und Betriebsvorgänge dieser Schaltung zusammen mit den weiteren nützlichen Daten, die in D1 für die Überprüfung eines korrekten Betriebs des implantierten Geräts durch z. B. den behandelnden Arzt ausgewertet werden, zu erfassen und zu der externen Einheit zu übertragen.

Dokument D1 sieht im wesentlichen zwei unterschiedliche Arten der Erfassung und Übertragung zu der externen Einheit von für die Überwachung der Funktionstüchtigkeit des Geräts erforderlichen Daten vor. Zum einen, wie vorstehend bereits besprochen, werden während eines Gerätezyklus Daten z. B. bezüglich der Detektion eines ventrikulären bzw. atrialen Signals erfaßt und in Form von Bits in einem sogenannten Ident-Byte während des nächsten Gerätezyklus zu der externen Einheit telemetrisch übertragen. Zum anderen werden z. B. interkardiale EKG-Daten während eines Gerätezyklus mit einer offenbar von der gewünschten zeitlichen Auflösung vorgegebenen Rate mehrfach erfasst und während des nächsten Gerätezyklus mehrfach zu der externen Einheit telemetrisch übertragen (vgl. Seite 11, zweiter Absatz, Figur 2B). Da offenkundig für eine gewissenhafte Überwachung der RAP-Schaltung eine ständige Überwachung des Laufens bzw. Nicht-Laufens der Timerschaltung erforderlich ist, und da dies sich, wie für den Fachmann unmittelbar einsichtig, auf einfachste Weise durch ein regelmäßiges Überwachen des Ausganges der RAP-Schaltung realisieren läßt, bot es sich dem Fachmann an, diese Daten, mittels der in D1 verfügbaren mehrfache Erfassung und Übertragung auf die externe Einheit zu übermitteln. Der Fachmann gelangte somit, ohne erfinderisches Zutun, zu einem Gerät gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag beruht demnach nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).

Der Hilfsantrag ist somit ebenfalls nicht gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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