T 0656/97 () of 30.11.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T065697.19991130
Datum der Entscheidung: 30 November 1999
Aktenzeichen: T 0656/97
Anmeldenummer: 88113847.3
IPC-Klasse: B65D 90/64
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Lagern und Abtransportieren von Schüttgut
Name des Anmelders: Gebr. Lödige Maschinenbau Gesellschaft mbH
Name des Einsprechenden: m-tec mathis technik gmbh
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 69(1)
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Änderungen - Bestimmung des Schutzbereichs der Patentansprüche - Erweiterung (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 88 113 847.3 wurde das europäische Patent Nr. 0 313 757 erteilt.

II. Der von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) eingelegte Einspruch, der auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende erfinderische Tätigkeit) gestützt war, führte zum Widerruf des Patents mangels erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf den Stand der Technik nach der DE-C-457 668 (D5) und der US-A-2 759 573 (D7) durch die am 28. Mai 1997 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) bei gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr am 18. Juni 1997 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 1. Oktober 1997 eingegangen.

IV. Es wurde am 30. November 1999 vor der Kammer mündlich verhandelt. Für die Beschwerdegegnerin war, wie schriftlich angekündigt, niemand anwesend.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Unterlagen (Patentanspruch und Beschreibung) sowie den erteilten Zeichnungen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte (schriftlich) die Zurückweisung der Beschwerde.

Der nunmehr geltende einzige Anspruch lautet wie folgt:

"Vorrichtung zum Lagern und Abtransportieren von Schüttgut, insbesondere von in einem Mischer (1) chargenweise hergestellten Gemischen, mit einem eine verschließbare Bodenöffnung (8) aufweisenden Bunker (5) und einer unter der Bodenöffnung des Bunkers angeordneten Transporteinrichtung (9, 10) für das aus dem Bunker abgegebene Schüttgut, wobei der Bunker (5) eine sich in Längsrichtung der Transporteinrichtung (9, 10) erstreckende, langgestreckte Bodenöffnung (8) hat, mit einer Mehrzahl von in einer Reihe hintereinander angeordneten, mehrere Verschlußklappen (21, 22, 23) aufweisenden Verschlüssen (15), welche einzeln nacheinander in steuerbarer Folge zu öffnen sind, wobei die Verschlüsse (15) jeweils einen eigenen Antrieb (16) für die zugehörigen Verschlußklappen (21, 22, 23) aufweisen, dadurch gekennzeichnet daß die Verschlußklappen (21, 22, 23) jedes Verschlusses einander überlappende Dichtungsabschnitte (25) aufweisen und die Verschlußklappen nutförmige Ausnehmungen (25) enthalten, so daß die einander gegenüberliegenden nutförmigen Ausnehmungen der einzelnen Verschlußklappen krallenartig oder labyrinthartig ineinander greifen."

V. Die von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung bzw. schriftlich vorgebrachten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Aus dem Gesamtinhalt der erteilten Unterlagen des Streitpatents sei ohne weiteres erkennbar, daß es sich bei der im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 enthaltenen Bezeichnung "Verschlußklappen (21, 22, 23)" nur um die "Verschlüsse (15)" handeln kann. Insbesondere folge dies aus dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 4, wonach "die Verschlußklappen (21, 22, 23) jedes Verschlusses (15) mit einem gemeinsamen Antrieb (16, 29, 30, 31, 32) verbunden sind", dessen Inhalt im Widerspruch zu den einzeln nacheinander zu öffnenden Verschlußklappen (Anspruch 1) stehen würde. Der richtiggestellte Wortlaut des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Patentanspruchs entspreche somit der von einem fachmännischen Leser schon dem Streitpatent zu entnehmenden Lehre. Der geltende Patentanspruch sei somit durch die ursprünglichen Unterlagen gestützt und sein Schutzbereich gegenüber dem des erteilten Anspruchs 1 nicht erweitert.

Beim Streitpatent werde durch die überlappenden Dichtungsabschnitte der Verschlußklappen und durch die krallenartig oder labyrinthartig ineinandergreifenden, einander gegenüberliegenden nutförmigen Ausnehmungen der Verschlußklappen eine äußerst stabile Schüttgutvorrichtung geschaffen, die vom Stand der Technik nicht in naheliegender Weise abgeleitet werden könne. Die Druckschrift D7, in der labyrinthartige Abdichtungen an Lamellen für Fensterjalousien gezeigt seien, gehöre zu einem fernliegenden Fachgebiet, bei dem die bei Abfüllvorrichtungen von Bunkern auftretenden Probleme nicht vorhanden seien. Fensterjalousien dienten in erster Linie dazu, das Licht abzuhalten. Es sei deshalb nicht zu erwarten, daß sich ein Fachmann für Abfüllvorrichtungen bei Fensterjalousien umsieht, um eine bessere Abdichtung der Verschlußklappen von Abfüllbunkern zu finden. Die D7 sei somit bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen. Darüber hinaus seien an den labyrinthartigen Abdichtungen der bekannten Fensterjalousien keine Ausnehmungen im Sinne des Streitpatents, sondern Blechausformungen vorgesehen. Im allgemeinen Maschinenbau würden Labyrinthdichtungen im wesentlichen nur bei Wellenabdichtungen eingesetzt. Außerdem hätten beim Streitpatent die an den Klappen vorgesehenen Labyrinthdichtungen zusätzlich noch eine stabilisierende Wirkung und verhinderten ein unbeabsichtigtes Öffnen der Klappen.

Da dem gesamten Stand der Technik keine Hinweise auf die beanspruchte Lösung zu entnehmen seien, beruhe die beanspruchte Vorrichtung auf erfinderischer Tätigkeit.

VI. Die Beschwerdegegnerin begründete ihren Antrag in ihrem schriftlichen Vortrag in etwa wie folgt:

Im erteilten Anspruch 1 des Streitpatents sei aufgeführt, daß die in einer Reihe hintereinander angeordneten Verschlußklappen 21, 22 und 23 einzeln nacheinander zu öffnen seien. Diese Angabe stehe im Widerspruch zu dem übrigen Inhalt des Streitpatents, nach dem diese Verschlußklappen mit einem gemeinsamen Antrieb verbunden seien. Aufgrund dieses offensichtlichen Widerspruches sei die beanspruchte Vorrichtung nicht ausführbar. Dieser Widerspruch in den erteilten Unterlagen sei auch nicht heilbar, wenn eine unzulässige Erweiterung vermieden werden solle. Die Entfernung eines der sich widersprechenden Merkmale würde zu einer unzulässigen Erweiterung des Streitpatents führen. Das angefochtene Patent könne schon allein aus diesem Grund keinen Bestand haben.

Das Merkmal bezüglich der einander überlappenden Dichtungsabschnitte mit labyrinthartigen ineinandergreifenden, nutförmigen Ausnehmungen der Verschlußklappen trage zur Lösung der im Streitpatent genannten Aufgabe nichts bei. Diese befasse sich nämlich im wesentlichen mit der schonenden Austragung eines Schüttgutes aus einem Bunker auf die den Klappenverschlüssen nachgeschaltete Transporteinrichtung, wobei auf Seiten der Transporteinrichtung Belastungsspitzen vermieden werden sollen. Da die beanspruchte Abdichtung nichts zur Verbesserung der gleichmäßigen Beaufschlagung der Transporteinrichtung beitrage, handle es sich dabei um ein einfaches Aggregationsmerkmal zur Lösung eines völlig anderen Problems. Weiterhin sei zu beachten, daß bei den Jalousienlamellen nach der D7 nicht nur eine Abdichtung gegen Wind, sondern auch gegen fließfähiges oder strömendes Medium, wie Regen und Schnee beabsichtigt sei. Es liege auf der Hand, daß die in der D7 gezeigten labyrinthartig ineinandergreifenden, nutförmigen Ausnehmungen auch an Verschlußklappen zu einer guten Abdichtung führten. Es bedürfe demnach keiner erfinderischen Tätigkeit, diese bekannte Abdichtungsmaßnahme auf Verschlußklappen nach der D5 bzw. D1 zu übertragen. Es sei im übrigen naheliegend, auch Jalousien in die Überlegungen einzubeziehen, da die Verschlußklappen des Streitpatents und ihre Betätigung in hohem Maße an die Verschlußklappen von Jalousien erinnern und konstruktiv zahlreiche Parallelen aufwiesen. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit müsse auch das Wissen des Durchschnittsfachmanns für Abdichtungen berücksichtigt werden, dem Labyrinthdichtungen nach dem Vorbild der D7 allgemein bekannt seien. Der Gegenstand des Streitpatents beruhe demnach nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 und der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Änderungen

2.1. Die Merkmale aus dem Oberbegriff des geltenden einzigen Patentanspruchs sind dem ursprünglichen Patentanspruch 1 sowie der ursprünglichen Beschreibung zu den Figuren 3 und 4 (vgl. die Anordnung jeweils eines eigenen Antriebs für die Verschlüsse) zu entnehmen. Das sich auf die überlappenden Dichtungsabschnitte beziehende Merkmal aus dem Anspruchskennzeichen ist u. a. im ursprünglichen Anspruch 4 offenbart. Das weitere Merkmal aus dem Anspruchskennzeichen, das sich auf die nutförmigen Ausnehmungen der Verschlußklappen bezieht, ist aus der ursprünglichen Beispielsbeschreibung zu den Figuren 3 und 4 und im übrigen aus der Figur 4 zu entnehmen.

Die ursprünglichen Unterlagen in ihrer Gesamtheit offenbaren klar und deutlich, daß die Verschlüsse (15) einzeln nacheinander in steuerbarer Folge zu öffnen sind und die Verschlüsse jeweils einen eigenen Antrieb für die zugehörigen Verschlußklappen (21, 22, 23) aufweisen. In diesen Unterlagen ist kein Hinweis enthalten, daß ggf. die Verschlußklappen einzeln nacheinander geöffnet werden können, wie dies im Oberbegriff des erteilten Patentanspruchs 1 formuliert ist (vgl. den folgenden Punkt 2.2).

Der geltende Patentanspruch entspricht somit den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ.

2.2. Im erteilten Anspruch 1 des Streitpatents ist das Teilmerkmal aufgeführt, daß der Bunker (5) eine Bodenöffnung mit

a) "einer Mehrzahl von in einer Reihe hintereinander angeordneten Verschlußklappen (21, 22, 23) aufweist, welche einzeln nacheinander zu öffnen sind".

Im kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruchs 1 ist dagegen in Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Offenbarungsinhalt angegeben,

b) "daß die Verschlußklappen (21, 22, 23) Teile von in steuerbarer Folge zu öffnenden Verschlüssen (15), die jeweils einen eigenen Antrieb (16) für die mindestens eine zugehörige Verschlußklappe aufweisen, sind".

Nach dem Wortlaut des erteilten Anspruchs (Merkmal a)) müßte also jeder zu einem Verschluß (15) gehörende Antrieb (16) eine Folgesteuerung der in diesem Verschluß angeordneten Verschlußklappen ermöglichen. Eine solche Folgeverstellung der einzelnen Klappen innerhalb eines Verschlusses steht jedoch im Widerspruch zum Text der erteilten Beschreibung (insbesondere Spalte 5, Zeilen 43 bis 48 und Spalte 6, Zeilen 7, 8), dem Inhalt der erteilten Zeichnung (insbesondere Fig. 3 und 4) und im übrigen auch der Lehre des erteilten Anspruchs 4, der im Gegensatz zu dem oben genannten Teilmerkmal a) aus dem Oberbegriff des Anspruchs 1 klar und deutlich angibt, "daß die Verschlußklappen (21, 22, 23) jedes Verschlusses (15) mit einem gemeinsamen Antrieb (16, 29, 30, 31, 32) verbunden sind".

Bei der Überprüfung eines im Einspruchsverfahren geänderten Patentanspruchs im Hinblick auf die Anforderungen gemäß Artikel 123 (3) EPÜ ist zunächst der Schutzbereich des erteilten Anspruchs festzustellen. Dabei ist zu beachten, daß der Schutzbereich gemäß Artikel 69 (1) EPÜ durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt wird, wobei jedoch die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen sind. Bei der Bestimmung des Schutzumfangs des erteilten Patentbegehrens darf somit der zwischen dem erteilten Anspruch 1 einerseits und dem gesamten übrigen Inhalt der Patentschrift andererseits festgestellte Widerspruch nicht unberücksichtigt bleiben. Bei einem solchen Vorgehen zur Bestimmung des Schutzbereichs des Anspruchs 1 des Streitpatents in seiner erteilten Fassung gelangt ein fachmännischer Leser notwendig zu der Auffassung, daß alle innerhalb eines jeden Verschlusses (15) angeordneten Verschlußklappen (21, 22, 23) (vgl. insbesondere den erteilten Anspruch 4) durch den spezifischen Antrieb eines jeden Verschlusses gleichzeitig und nicht einzeln nacheinander geöffnet werden, wie dies im geltenden Patentanspruch 1 zum Ausdruck kommt.

Der Schutzbereich des geltenden Patentanspruchs ist dadurch nicht erweitert worden. Er wurde durch die zusätzliche Definition der überlappenden Verschlußklappen und deren Ausgestaltung weiter eingeschränkt.

Der einzige Patentanspruch erfüllt somit auch die Anforderungen gemäß Artikel 123 (3) EPÜ.

3. Neuheit

3.1. Der Patentanspruch des Streitpatents geht in seinem Oberbegriff von einer Vorrichtung zum Lagern und Abtransportieren von Schüttgut aus, wie sie aus der Druckschrift D5 bekannt ist. Diese bekannte Vorrichtung weist unbestritten keine überlappenden Dichtungsabschnitte und auch keine nutförmigen Ausnehmungen an ihren Verschlußklappen auf, die zu einem krallenartigen oder labyrinthartigen Ineinandergreifen der Verschlußklappenenden führen könnten.

3.2. Bei der Vorrichtung zum Lagern und Abtransportieren von Schüttgut nach der DE-B-1 054 377 (D1) ist es zwar bekannt, die einzelnen (im Gegensatz zum Streitpatent) nicht in Verschlüssen zusammengefaßten Klappen mit einander überlappenden Dichtungsabschnitten zu versehen. Diese überlappenden Dichtungsabschnitte weisen jedoch offensichtlich keine Ausnehmungen im Sinne des Streitpatents auf.

Die weiteren sich auf Schüttgutabfüllvorrichtungen beziehenden Entgegenhaltungen aus dem Einspruchsverfahren liegen dem Streitpatent ferner als die Vorrichtungen nach den Druckschriften D1 und D5.

3.3. Die in der angefochtenen Entscheidung und auch von der Beschwerdegegnerin als relevant angesehene Druckschrift D7 bezieht sich auf Jalousien, wie sie für die Ventilation und zum Abhalten von Licht zur Anwendung kommen. An den überlappenden Dichtungsabschnitten der Jalousienklappen ist das Klappenmaterial bei unveränderter Wandstärke aus der Klappenebene heraus unter Bildung von U-förmigen bzw. L-förmigen Endbereichen abgebogen, wodurch die sich überlappenden Klappenenden krallenartig oder labyrinthartig ineinandergreifen. Diese Ausbildung soll, wie in der D7 erwähnt ist, zum Abhalten von Wind, Regen und Schnee dienen. Die Jalousie nach der D7 ist somit offensichtlich gegenüber dem beanspruchten Gegenstand gattungsfremd. Außerdem wird bei der D7 das krallenartige oder labyrinthartige Ineinandergreifen der Verschlußklappen nicht durch nutförmige Ausnehmungen in den Klappen, sondern durch die umgebogenen und vorgestülpten Klappenränder erzielt.

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist somit im Vergleich zum Stand der Technik neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Beim Streitpatent sind die nach dem Vorbild der D5 gruppenweise zu Verschlüssen zusammengefaßten Verschlußklappen zusätzlich mit überlappenden und ineinandergreifenden Dichtungsabschnitten zur Erhöhung der Dichtigkeit ausgestattet. Solche Vorkehrungen zur Erhöhung der Dichtigkeit sind bei den in Rede stehenden Bunkerauslaufvorrichtungen nicht als bekannt nachgewiesen worden.

4.2. Im Zusammenhang mit dem Stand der Technik nach der D7 erhebt sich die Frage, ob ein Fachmann auf dem Gebiet der Schüttguttechnik bei der Suche nach einer verbesserten Dichtigkeit bei Bunkerabfüllvorrichtungen sich auf dem Fachgebiet der Fensterjalousien umsehen wird, um von dort Anregungen für eine verbesserte Klappenausbildung der Bunkerauslauföffnung zu erhalten. Bei den Abschlußklappen von Schüttgut-Bunkern handelt es sich notwendigerweise um äußerst steife, plattenförmige Elemente, die hohen Druckbelastungen und großen mechanischen Abriebsbeanspruchungen durch das Schüttgut ausgesetzt sind. Bei Lamellen von Jalousien werden hingegen keine großen Anforderungen an die Steifigkeit der im allgemeinen sehr leicht und flexibel ausgestalteten Lamellen gestellt. Demnach sind Jalousien nach der D7 einem Fachgebiet zuzurechnen, das von dem des Streitpatents weit entfernt liegt. Die D7 ist demnach bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit des Streitpatents nicht zu berücksichtigen.

4.3. Es verbleibt somit zu prüfen, ob es für einen Fachmann der Schüttguttechnik im Hinblick auf sein allgemeines Fachwissen naheliegend war, eine Labyrinthdichtung im Sinne des einzigen Patentanspruchs des Streitpatents auszubilden.

Sogenannte Labyrinthdichtungen sind dem Durchschnittstechniker allenfalls als berührungsfreie und demnach verschleißarme Abdichtungen zwischen rotierenden Wellen und den Austrittsöffnungen an Gehäusen bzw. Zwischenwänden bekannt. Bei solchen Labyrinthdichtungen sind zumindest auf seiten eines der beiden gegeneinander abdichtenden Elemente vorspringende Ringscheiben vorhanden, die in U-förmige Aussparungen bzw. Ansätze des Gegenelements eintauchen.

An die überlappenden Dichtenden von Abschlußklappen in Schüttgutvorrichtungen werden jedoch andere Anforderungen als an die üblichen Labyrinthdichtungen gestellt. Bei der Ausbildung der Klappen und deren Enden ist aufgrund des rauhen Schüttgutbetriebs darauf zu achten, daß vorstehende Teile, wie Abkantungen, Vorsprünge u. dgl., vermieden werden, da hierdurch beim Ausfließen insbesondere von mechanisch aggressivem Füllgut eine erhöhte Abnutzung der Klappenenden unvermeidbar wäre. Außerdem würde bei einem Abbiegen der Klappenenden (z. B. im Sinne der labyrinthartigen Abdichtungen gemäß D7) eine Verringerung des Durchflußquerschnittes bei geöffneten Schüttgutklappen auftreten, was nachteilig wäre. Eine solche Ausbildung würde insbesondere auch das restlose Entleeren des Bunkers erschweren, da an den umgebogenen Klappenkanten Rückstände haften könnten.

4.4. Aus den vorstehenden Betrachtungen folgt, daß die Anordnung von Labyrinthdichtungen der allgemein üblichen Art bei Verschlußklappen von Schüttgutvorrichtungen Probleme bei der Funktionsfähigkeit der Verschlußklappen befürchten ließen. Beim Streitpatent wurden diese Probleme dadurch vermieden, daß an den Klappenenden einander gegenüberliegende nutförmige Ausnehmungen vorgesehen wurden, bei denen die vorstehend genannten Nachteile von vorspringenden und umgebogenen Klappenenden offensichtlich nicht auftreten.

Durch die Anordnung von Ausnehmungen im Klappenmaterial wird ferner vorteilhaft eine Verringerung des Ausflußquerschnittes und ein übergroßer Verschleiß bei aggressivem Schüttgut vermieden, wobei andererseits die gute Abdichtung durch das labyrinthartige bzw. krallenartige Ineinandergreifen gewährleistet ist.

4.5. Aus den vorstehenden Betrachtungen folgt, daß sich die beanspruchte Lehre nicht aus dem Stand der Technik herleiten läßt und sich auch nicht in einfacher Weise durch naheliegende Überlegungen aus dem allgemeinen Fachwissen ergibt.

Die Vorrichtung nach dem Patentanspruch beruht demnach auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Das Patent hat somit aufgrund der geltenden Anspruchsfassung Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Patentanspruch und Beschreibung, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 30. November 1999,

- Zeichnungen, wie erteilt.

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