European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2000:T064897.20001130 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 November 2000 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0648/97 | ||||||||
Anmeldenummer: | 88730113.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | C23C 18/22 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Regenerierung von Permanganat-Ätzlösungen sowie Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens | ||||||||
Name des Anmelders: | ATOTECH Deutschland GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | I: MacDermid Incorporated II: Hans Höllmüller Maschinenbau GmbH & Co III: Rohm and Haas Company |
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Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des Patents Nr. 0 291 445 in geänderter Form hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende II: Hans Höllmüller Maschinenbau GmbH) Beschwerde eingelegt. Die Einsprechenden I und III (McDermid Inc.; Rohm & Haas Company) sind am Verfahren beteiligt.
II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf die Artikel 100 a) (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und 100 c) EPÜ (Hinausgehen des Gegenstandes des Patents über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung) angegriffen worden.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form nicht entgegenstünden.
III. Am 30. November 2000 fand vor der Beschwerdekammer eine mündliche Verhandlung statt, in der lediglich die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin, nicht jedoch die weiteren Verfahrensbeteiligten vertreten waren.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte
- die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder
- die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten auf der Basis des mit Brief vom 27. Oktober 2000 eingereichten Hilfsantrags A (Hilfsantrag 1) oder auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags D (Hilfsantrag 2).
Die verfahrensbeteiligte Einsprechende I beantragte zwar mit Schreiben, eingegangen am 6. Oktober 1997, die Beschwerde zurückzuweisen und hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Der Antrag ist jedoch in sich widersprüchlich und enthält keine weitere Begründung, so daß nicht erkennbar ist, welche Absicht ihm zugrunde liegt. Eine weitere sachliche Stellungnahme liegt von dieser Partei nicht vor.
Die weitere Verfahrensbeteiligte (Einsprechende III) hat sich im Beschwerdeverfahren auch schriftlich nicht geäußert.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"1. Verfahren zum Aufrauhen und Reinigen von Kunststoffoberflächen, insbesondere Leiterplatten, mittels Permanganat-Ätzlösungen ohne Bildung störender Reaktionsprodukte, bei dem die benutzte Ätzlösung bei 65. C oder 75 C regeneriert wird, indem sechswertiges Mangan durch elektrochemische Oxidation zu siebenwertigem Mangan oxidiert wird, und die Oxidation in einer elektrochemischen Vorrichtung durch anodische Oxidation erfolgt, wobei die Konzentration von sechswertigem Mangan, berechnet als K2MnO4, etwa 15. g/l Ätzlösung beträgt und eine Vorrichtung mit nur einem Elektrolytraum verwendet wird, in den beide Elektroden eintauchen."
In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem Hauptantrag die Temperatur auf 75 C beschränkt. In Anspruch 1 entsprechend Hilfsantrag 2 ist zusätzlich zu Hilfsantrag 1 das Merkmal "etwa 15 g/l Ätzlösung" durch "13-15 g/l Ätzlösung" ersetzt worden.
V. Die Beschwerdeführerin hat folgende Argumente vorgetragen:
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag als auch gemäß Hilfsantrag 1 und 2 erfülle nicht die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und 123 (3) EPÜ. Anspruch 1 sei in der ursprünglich eingereichten Fassung auf ein "Verfahren zur Regenerierung von Permanganat-Ätzlösungen" gerichtet gewesen, während er jetzt ein "Verfahren zum Aufrauhen und Reinigen von Kunststoffoberflächen mittels Permanganatlösungen" zum Gegenstand habe. Der unter Schutz gestellte Gegenstand habe sich somit in eine andere Richtung verschoben, was aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zulässig sei. Ferner seien die nun in Anspruch 1 aufgeführten Verfahrensmerkmale unterschiedlichen Stellen der Patentschrift entnommen worden. So stammten die Temperaturwerte von 65 C und 75. C aus zwei ganz verschiedenen Beispielen, in denen eine Vorrichtung mit zwei durch ein Diaphragma getrennte Elektrolyträume verwendet wurde. Im Gegensatz dazu richte sich Anspruch 1 auf ein Verfahren, das nur einen (einzigen) Elektrolytraum verwende. Eine solche Alternative sei zwar in Spalte 2, Zeilen 43 bis 46 des Patents allgemein angedeutet, jedoch ließen sich die in Anspruch 1 zusammengefaßten Verfahrensparameter in dieser Kombination nicht in eindeutiger und unmittelbarer Weise aus den ursprünglichen Unterlagen entnehmen. Eine solche nachträgliche künstliche Zusammensetzung von Merkmalen aus verschiedenen Quellen zu einem Anspruch sei auch im Hinblick auf die in der Entscheidung T 0305/87 dargelegten Gründe nicht zulässig. Der Gegenstand von Anspruch 1 aller Anträge gehe deshalb über den Inhalt der ursprünglichen Offenbarung hinaus.
Die Beschwerdegegnerin hat folgende Argumente vorgetragen:
In Bezug auf den Wortlaut von Anspruch 1 habe es keine patentrechtliche Bedeutung, ob der Anspruch auf ein "Verfahren zur Regenerierung von Permanganat-Ätzlösungen, die zum Aufrauhen und Reinigen von Kunststoffoberflächen" oder auf ein "Verfahren zum Aufrauhen und Reinigen von Kunststoffoberflächen, bei dem die benutzte Permanganat-Ätzlösung regeneriert wird" gerichtet sei. Da die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen alle in Anspruch 1 genannten technischen Merkmale offenbarten, sei es irrelevant, ob der jetzt beanspruchte Gegenstand in der ursprünglich eingereichten Fassung beansprucht war oder nicht. Die Frage, ob eine unzulässige Erweiterung vorliege, werde nur durch den Offenbarungsgehalt der Anmeldungsunterlagen beantwortet. Die nun beanspruchte Merkmalskombination könne der Fachmann ohne weiteres sowohl aus den Anmeldungsunterlagen als auch der Patentschrift insgesamt entnehmen. Insbesondere sei in Spalte 2, Zeilen 42 bis 46 der Patentschrift ausgeführt, daß eine ausreichende Regenerierung auch durch Verwendung einer Vorrichtung mit nur einem Elektrolytraum erreicht werde. Dem Fachmann erschließe sich weiterhin aus Beispiel 2 die Lehre, daß die genaue Festlegung des K2MnO4-Gehalts in der regenerierten Lösung über die Bildungsgeschwindigkeit von K2MnO4 und die Einstellung der anodischen Stromdichte gesteuert werde und der Wert von etwa 15 g/l bzw. 13 bis 15 g/l durch entsprechende Wahl der Versuchsbedingungen auch im stationären Betrieb erreicht werde. Aus diesen Überlegungen ergebe sich zweifelsfrei, daß die in Anspruch 1 genannten Merkmale wie die Konzentration an K2MnO4, die Temperatur und die Verwendung einer Vorrichtung mit nur einem Elektrolytraum in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart seien. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag als auch gemäß Hilfsantrag 1 und 2 erfülle deshalb die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1. Änderungen (Artikel 123 (2), (3) EPÜ)
Verglichen mit der erteilten Fassung enthält der im Einspruchsverfahren geänderte Anspruch 1 die technischen Merkmale, daß
(a) die Permanganat-Ätzlösung bei 65 oder 75 C regeneriert wird,
(b) die Konzentration an sechwertigem Mangan K2MnO4 "etwa 15 g/l" Ätzlösung beträgt und
(c) eine Vorrichtung mit nur einem (einzigen) Elektrolytraum verwendet wird.
Während die Temperaturangaben des Merkmals (a) teils aus Beispiel 1, teils aus Beispiel 2 entnommen wurden, basiert die Konzentrationsangabe des Manganatgehalts K2MnO4 ausschließlich auf dem in Beispiel 2 angegebenen Wert. Merkmal (c) leitet sich aus der Beschreibung der Patentschrift, Spalte 2, Zeilen 44 bis 48, her. Dies bedeutet, daß der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags eine Kombination darstellt, die sich aus Merkmalen der erteilten Anspruchsfassung und aus weiteren Merkmalen ergibt, die ihren Ursprung an drei verschiedenen Stellen der Beschreibung haben. Die Patentschrift im Zusammenhang gelesen vermittelt dem fachkundigen Leser jedoch die Aussage, daß die Regenerierung der Kaliumpermanganat-Ätzlösung in optimaler Weise mittels einer Vorrichtung mit zwei durch ein Diaphragma getrennten Elektrolyträumen erfolgt. Da in der Patentschrift die Regenerierungsergebnisse mittels einer Vorrichtung mit nur einem Elektrolytraum lediglich als ausreichend eingestuft werden, stellt sich diese Ausführungsform dem Fachmann als weniger gute Alternative dar. Aus diesem Grunde verwenden die in den beiden Beispielen beschriebenen Verfahren ausschließlich eine zweizellige Vorrichtung. In Anspruch 1 werden somit technische Verfahrensparameter, die beim Betrieb der (optimalen) aus zwei Zellen bestehenden Vorrichtung auftreten, im Rahmen der lediglich als "ausreichend" gewerteten Alternative mit nur einem Elektrolytraum beansprucht. Aus der Patentschrift ergeben sich für den Fachmann jedoch keine Anhaltspunkte oder Hinweise, daß dies möglich oder gar sinnvoll ist. Der fachkundige Leser wird vielmehr davon ausgehen, daß eine Vorrichtung mit nur einem Elektrolytraum ohne Diaphragma mit anderen Verfahrensbedingungen zu betreiben ist als eine solche mit zwei getrennten Elektrolyträumen.
Unter anderem umfaßt der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ein Verfahren, das bei einer Temperatur von 65 C und mit einer K2MnO4-Konzentration von etwa 15 g/l mit nur einem Elektrolytraum betrieben wird. Eine solche Verfahrensweise ist jedoch an keiner Stelle der Patentschrift beschrieben.
Die Patentinhaberin rechtfertigt auf Seite 11/12 ihrer schriftlichen Eingabe vom 17. Dezember 1997 die Beschränkung auf die Verfahrensweise mit einem einzigen Elektrolytraum mit der Begründung, daß eine zweizellige Vorrichtung kein überwachungsfreies Ätzverfahren ermögliche und somit die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe gar nicht löse. Diese Aussage steht jedoch im Gegensatz zu Beispiel 2 des Patents, gemäß dem beim Aufrauhen von Leiterplatten die Konzentrationen von Kaliumpermanganat und Manganat in der Ätzlösung durch einer Vorrichtung mit zwei getrennten Elektrolyträumen innerhalb enger Bereichsgrenzen, d. h. nahezu konstant gehalten werden können. Die späteren Aussagen der Patentinhaberin weichen diesbezüglich von der Gesamtlehre des Patentes ab und stehen sogar im Widerspruch zu ihr.
Somit ergibt das Herauslösen einzelner technischer Merkmale aus ihrem technischen Zusammenhang, d. h. aus einem bzw. zwei unterschiedlichen Beispielen und ihre Kombination mit allgemeinen der Beschreibung entnommenen Aussagen in Anspruch 1 des Hauptantrags einen technischen Sachverhalt, der in dieser Weise ursprünglich nicht offenbart ist. Ein solcher Sachverhalt ist für den Fachmann auch nicht unmittelbar und in eindeutiger Weise aus der Beschreibung des Streitpatents herleitbar. Daraus folgt, daß der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht und somit den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ nicht genügt.
3. Erster und zweiter Hilfsantrag
Hinsichtlich der Verfahrensparameter gründen die Ansprüche 1 gemäß dem ersten und zweiten Hilfsantrag auf Beispiel 2. Im Gegensatz zu Beispiel 2 soll das beanspruchte Verfahren jedoch mit einer Vorrichtung mit einem (einzigen) Elektrolytraum durchgeführt werden. Wie bereits unter Punkt 2 gezeigt wurde, ist es aber nicht zulässig, verschiedene Bestandteile jeweils spezifischer Ausführungsarten, die ein Dokument beschreibt, allein deshalb miteinander zu kombinieren, weil sie in ein und derselben Druckschrift offenbart werden. Eine solche Verbindung spezifischer technischer Merkmale legt das Streitpatent im übrigen auch nicht nahe. Abgesehen davon, daß das Angabe von "etwa 15 g/l" an keiner Stelle der Patentschrift offenbart ist, bleibt es offen, wie groß die mit dem Wort "etwa" angedeutete Schwankungsbreite einer solchen Konzentrationsangabe in Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 verstanden werden soll. Ebensowenig läßt sich der in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 definierte Bereich von "13 bis 15 g/l" aus Beispiel 2 für den Dauerbetrieb ohne zeitliche Begrenzung ableiten, denn diese beiden Werte wurden nach Ablauf eines Versuchszeitraumes von 1 Stunde beim Ätzen von 30 m2 doppelseitig mit Kupferkaschierung versehenen Leitenplatten gemessen.
Der Gegenstände der Ansprüche 1 der beiden Hilfsanträge erfüllen somit ebenfalls nicht die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.