T 0646/97 (Absorptionsmaterial/STOCKHAUSEN) of 19.1.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T064697.20000119
Datum der Entscheidung: 19 Januar 2000
Aktenzeichen: T 0646/97
Anmeldenummer: 91115709.7
IPC-Klasse: B01J 20/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Wasserabsorptionsmaterial auf Polymerbasis und dessen Verwendung
Name des Anmelders: Chemische Fabrik Stockhausen GmbH
Name des Einsprechenden: BASF Aktiengesellschaft, Ludwigshafen
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123
Schlagwörter: Neuheit - ja
Erfinderische Tätigkeit - ja, nach Einschränkung; Aufgabe (Verbesserung) auf nicht naheliegende Weise gelöst
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0004/80
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 91 115 709.7 wurde das europäische Patent Nr. 0 481 226 mit 12. Ansprüchen erteilt. Das Patent wurde nach Einspruch von einer Einspruchsabteilung des EPA widerrufen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde der Patentinhaberin.

II. Als Einspruchsgründe sind genannt worden:

Mangelnde Neuheit (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ) und

mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ).

Zur Stützung der Einsprüche wurden die nachfolgenden Druckschriften genannt:

D1: EP-A-376 118

D2: EP-A-238 050

D3: EP-A-181 983

D4: EP-A-303 440.

III. Der Widerruf wurde mit mangelnder Neuheit des beanspruchten Produktes gegenüber D3 begründet. In der angefochtenen Entscheidung wurde ferner ausgeführt, daß das beanspruchte Verfahren neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

IV. Mit der Beschwerdebegründung wurde ein neuer Satz Ansprüche 1 bis 12 eingereicht, der in der am 19. Januar 2000 durchgeführten mündlichen Verhandlung weiter modifiziert wurde. In dieser Verhandlung wurden weiter vier neue Anspruchssätze (Hilfsanträge 1 bis 4), eingereicht. Ansprüche 1 und 11 gemäß Hauptantrag und gemäß 1. Hilfsantrag sind identisch und lauten wie folgt:

Anspruch 1:

"Verfahren zur Herstellung von Absorptionsmaterial für Wasser, wäßrige Lösungen und Körperflüssigkeiten, bestehend aus wenigstens zwei Komponenten A und B, wobei die Komponente A wenigstens ein wasserquellbares synthetisches Polymeres oder Copolymeres und die Komponente B, mit Ausnahme von Tensiden eines HLB-Wertes von mindestens 3, Homopolymeren des Ethylenoxids, Blockcopolymeren von Ethylenoxid und Alkylenoxiden sowie deren polyfunktionellen Blockcopolymeren, wenigstens eine natürliche oder synthetische Verbindung ist, die bei normaler Temperatur als rieselfähiges Pulver, das in Wasser gut oder mindestens begrenzt löslich ist, oder als eine Flüssigkeit vorliegt, dadurch gekennzeichnet, daß die Komponente B als Pulver oder in flüssiger Form oder als Lösung der Komponente A in der Endphase ihres Herstellungsprozesses, d. h. in der Endphase der Polymerisation, nach Erreichung eines Polymerumsatzes von mindestens 90 %, bevorzugt mindestens 95 %, zugesetzt, mit dem Polymergel der Komponente A gleichmäßig durchmischt und ggf. zwecks Erhaltung eines pulverförmigen, rieselfähigen Endprodukts getrocknet und gemahlen wird."

Anspruch 11:

"Absorptionsmaterial erhältlich nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß die durch Diffusion kontrollierte Beweglichkeit der Komponente B in dem mit Wasser gequollenen Absorptionsmaterial niedriger ist als in einem physikalischen Gemisch der beiden Komponenten A und B und das Absorptionsmaterial zusätzlich zur Komponente B Naturfasern, bevorzugt Wolle, Seide, Baumwolle; oder Cellulosefasern, bevorzugt Viskose-, Acetat- oder Triacetatfasern; oder synthetische Fasern, bevorzugt Polyester-, Polyolefin-, Polyamid-, Polyvinylalkohol-, Polyurethan-, Polyharnstoff- oder Polyacrylnitrilfasern, bevorzugt in Kurzfaserschnittform, enthält."

Anspruch 12 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"Verwendung des nach einem der Ansprüche 1 bis 10 erhaltenen Absorptionsmaterials zur Aufnahme und/oder Zurückhaltung von Wasser und/oder wäßrigen Lösungen und zur nachfolgenden gesteuerten Abgabe von Wasser und der im aufgequollenen Polymergel enthaltenen und in wäßrigem Medium löslichen Substanzen (Komponente B) an andere Körper, vorzugsweise Pflanzen, als Nährboden für verschiedene Kulturen und beim gesteuerten Dosieren von Nährstoffen oder Arzneimitteln."

Anspruch 12 gemäß 1. Hilfsantrag lautet wie folgt:

"Verwendung eines Absorptionsmaterials nach Anspruch 11 zur Aufnahme und/oder Zurückhaltung von Wasser und/oder wäßrigen Lösungen und zur nachfolgenden gesteuerten Abgabe von Wasser und der im aufgequollenen Polymergel enthaltenen und in wäßrigem Medium löslichen Substanzen (Komponente B) an andere Körper, vorzugsweise Pflanzen, als Nährboden für verschiedene Kulturen und beim gesteuerten Dosieren von Nährstoffen oder Arzneimitteln."

Anspruch 13 gemäß 1. Hilfsantrag lautet wie folgt:

"Verwendung des nach einem der Ansprüche 1 bis 10 erhaltenen Absorptionsmaterials zur Aufnahme und/oder Zurückhaltung von Wasser und/oder wäßrigen Lösungen und zur nachfolgenden gesteuerten Abgabe von Wasser und der im aufgequollenen Polymergel enthaltenen und in wäßrigem Medium löslichen Substanzen (Komponente B) mit Ausnahme von Düngemittel an andere Körper, vorzugsweise Pflanzen, beim gesteuerten Dosieren von Nährstoffen oder Arzneimitteln."

V. Die von der Beschwerdegegnerin gegen diese Ansprüche erhobenen Einwände können wie folgt zusammengefaßt werden.

Anspruch 1:

Der neue Ausdruck "gleichmäßig durchmischt" sei nur in einem Beispiel, aber nicht im Zusammenhang mit den allgemeinen formulierten Merkmalen des Anspruchs in der ursprünglichen Patentanmeldung offenbart.

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 sei nicht neu im Hinblick auf D1, weil D1 Zusatzstoffe (B) umfasse die nicht durch den Disclaimer ausgenommen seien. Der beanspruchte Gegenstand werde auch durch D2 und D4 vorweggenommen, weil Anspruch 1 einen Zusatz der Komponente (B) nach Ablauf der Polymerisation nicht ausschließe.

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 sei naheliegend im Hinblick auf D3 und D1. Wenn nämlich beim Verfahren gemäß D3, in dem ein Düngemittel während der Polymerisation zugegeben wird, ein Produkt mit zu hohem Monomergehalt produziert werde, dann wisse der Fachmann durch die Lehre der D1, daß dieses Problem durch Zugabe des Düngemittels in der Endphase der Polymerisation behoben werden könne.

Anspruch 11:

Im Hinblick auf D4, in der die Einbeziehung von makromolekularen Substanzen wie Stärke und Zellulose angesprochen werde, beruhe der Zusatz von Fasern nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Anspruch 12 (Hauptantrag):

Das gemäß Anspruch 1 erhaltene Absorptionsmaterial sei aus D3 bekannt und sei für den in Anspruch 12 genannten Zweck vorgesehen. Die Verwendung gemäß Anspruch 12 sei daher nicht neu.

Anspruch 13 (1. Hilfsantrag):

Die Verwendung gemäß Anspruch 13 sei im Hinblick auf D1 und D2 nicht erfinderisch.

VI. Die Beschwerdeführerin hat den Ausführungen der Beschwerdegegnerin widersprochen. In Bezug auf Anspruch 12 gemäß Hauptantrag hat sie unter Hinweis auf eingereichte Vergleichsversuche geltend gemacht, daß das Absorptionsmaterial, das gemäß Anspruch 12 verwendet werde, einen niedrigeren Restmonomergehalt als die Produkte gemäß D3 aufweise.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den Ansprüchen 1 bis 12 gemäß dem Hauptantrag überreicht in der mündlichen Verhandlung;

hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 13 gemäß

Hilfsantrag 1, den Patentansprüchen 1 bis 12 gemäß

Hilfsantrag 2, den Patentansprüchen 1 bis 11 gemäß

Hilfsantrag 3, oder den Patentansprüchen 1 bis 10 gemäß

Hilfsantrag 4, jeweils überreicht in der mündlichen

Verhandlung, und einer noch anzupassenden Beschreibung.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Anspruch 1 ist durch die Aufnahme eines "Disclaimers", durch die Klarstellungen, daß mit der "Endphase ihres Herstellungsprozesses" die "Endphase der Polymerisation" gemeint ist, und den Ersatz von "vermischt" durch "gleichmäßig durchmischt", geändert worden.

2.2. Der Disclaimer in Anspruch 1 beruht nicht auf den ursprünglichen Unterlagen, sondern ist durch D1 veranlaßt worden. Gemäß D1 werden zur Herstellung von feinteiligen, gelförmigen, wasserquellbaren Copolymerisaten Tenside benötigt, die einen HLB-Wert von mindestens 3 haben (Seite 4, Zeilen 32 bis 34). Diese Tenside werden in der Endphase der Polymerisation zugesetzt, damit das Polymergel in kleine, nichtklebende Teilchen auseinanderfällt. Als weitere Gruppe geeigneter Substanzen, die für den gleichen Zweck zugesetzt werden können, sind Homopolymere des Ethylenoxids, Blockcopolymere von Ethylenoxid und Alkylenoxiden sowie polyfunktionelle Blockcopolymere genannt worden (Seite 5, Zeilen 3 bis 6). Durch den Disclaimer wird keine neue Lehre vermittelt; somit geht der Gegenstand des geänderten Patentanspruches insoweit nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung hinaus.

2.3. Die Ergänzung "d. h. in der Endphase der Polymerisation" ist in der ursprünglichen Patentanmeldung auf Seite 4, Zeilen 4 bis 10 offenbart worden.

2.4. Der Ausdruck "eine gleichmäßige Durchmischung" ist auf Seite 10, zweiter Absatz, der ursprünglichen Patentanmeldung offenbart worden. Zwar wird dieser Ausdruck dort nur im Zusammenhang mit dem in den Beispielen benutzten Mischer erwähnt, es ist jedoch einem fachkundigen Leser klar, daß diese Verfahrensbedingung nicht auf den Einsatz eines bestimmten Mischers oder auf die Ausführungsbeispiele beschränkt ist. Für die Offenbarung der gleichmäßigen Durchmischung ist es deswegen auch unerheblich, ob die Beispiele, wie von der Beschwerdegegnerin angezweifelt, tatsächlich ein Verfahren gemäß Anspruch 1 verkörpern.

2.5. Die Änderungen in den Ansprüchen 2, 10 und 11 des Hauptanspruchs und des 1. Hilfsanspruchs sind ebenfalls von den ursprünglichen Unterlagen gestützt und der Gegenstand dieser Ansprüche geht auch nicht über denjenigen der erteilten Ansprüche hinaus. Gleiches gilt auch für die Ansprüche 12 und 13 gemäß 1. Hilfsantrag. Weil diese Änderungen nicht gerügt worden sind, braucht diese Feststellung nicht weiter begründet zu werden. Die Kammer ist daher der Überzeugung, daß die Ansprüche gemäß Hauptantrag und 1. Hilfsantrag die Bedingungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ erfüllen.

3. Neuheit (Ansprüche 1 bis 11)

Hauptantrag und 1. Hilfsantrag enthalten die gleichen Ansprüche 1 bis 11. Die Neuheit des Anspruchs 1 wurde auf Grundlage der Entgegenhaltungen D1, D2 und D4 bestritten.

3.1. D1 offenbart ein Verfahren zur Herstellung von feinteiligen, gelförmigen, wasserquellbaren Copolymerisaten durch Polymerisation einer Mischung von Monomeren in wäßriger Lösung, bei der in der Endphase der Polymerisation Tenside zugegeben werden (Seite 2, Zeilen 42 bis 52). Als geeignete Tenside für dieses Verfahren werden alle Tenside bezeichnet, die einen HLB-Wert von mindestens 3 haben. Außerdem werden Homopolymere des Ethylenoxids, Blockcopolymere von Ethylenoxid und Alkylenoxiden sowie deren polyfunktionelle Blockcopolymere genannt (Seite 4, Zeilen 32 bis 34 und Seite 5, Zeilen 3 bis 6). Ein Verfahren, in dem eines dieser Tenside verwendet wird, wird jedoch von Anspruch 1 nicht mehr umfaßt. Der Einwand der Beschwerdegegnerin, daß D1 die Zugabe von anderen Substanzen nicht ausschließt, ist für die Beurteilung der Neuheit unerheblich. Als neuheitsschädlich zieht die Kammer in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA nur Gegenstände in Betracht, die explizit oder implizit offenbart sind, jedoch nicht Gegenstände die möglicherweise unter ein älteres Schutzrecht fallen ohne dort eindeutig offenbart zu sein.

3.2. D2 offenbart ein Verfahren zur diskontinuierlichen Herstellung von vernetzten, feinteiligen, wasserabsorbierenden Polymerisaten, bei dem in der ersten Stufe eine wäßrige Monomerlösung bei niedrigem Druck unter partiellem Abdestilleren von Wasser copolymerisiert wird und in einer zweiten Stufe die Copolymerisation bei erhöhter Temperatur unter einem Druck bis zu 8 bar vervollständigt wird. Vor, während oder nach der Polymerisation von Acryl- oder Methacrylsäure kann ein Neutralisationsmittel wie Natron- oder Kalilauge zugesetzt werden (Spalte 1, Zeile 30 bis Spalte 2, Zeile 39). Die Lauge reagiert jedoch mit der Säure und wird dabei Bestandteil des Polymers. Sie kann nach Auffassung der Kammer nicht als eine separate Komponente B im Sinne des Streitpatents betrachtet werden.

3.3. D4 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von wasserabsorbierenden Polymeren bei dem vor der Polymerisation und/oder nach Abschluß der Polymerisation als Neutralisationsmittel Salze schwacher Säuren zugegeben werden können (Seite 5, Zeile 47 bis Seite 6, Zeile 27). Hierbei findet eine Reaktion statt, bei der, neben dem Polymer, umgesetztes Salz übrig bleiben kann. Dieses umgesetztes Salz kann jedoch nicht als Komponente B im Sinne des Streitpatents betrachtet werden da es sich chemisch vom zugesetzten Salz unterscheidet. Gemäß vorliegendem Anspruch 1 ist die Komponente B, die im Endprodukt vorhanden ist, chemisch identisch mit der Komponente B, die in der Endphase der Polymerisation zugesetzt worden ist.

3.4. D3 berührt die Neuheit nicht. Diese Feststellung ist unbestritten und braucht deshalb nicht weiter begründet zu werden. Die Kammer ist daher der Überzeugung, daß die Verfahren gemäß dem Anspruch 1 und den abhängigen Ansprüchen 2 bis 10 neu sind im Sinne des Artikels 54 EPÜ.

3.5. Das Absorptionsmaterial gemäß Anspruch 11 enthält zusätzlich zur Komponente B auch noch Fasern. Eine derartige Zusammensetzung ist in keiner der Entgegenhaltungen offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs 11 ist also neu. Dies wurde nicht bestritten.

4. Erfinderische Tätigkeit (Ansprüche 1 bis 11)

4.1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Absorptionsmaterialien, die in Wasser lösbare Substanzen enthalten und die zur gesteuerten Abgabe dieser Substanzen an andere Körper (Seite 2, Zeilen 3 bis 10) verwendet werden können. Von den Entgegenhaltungen offenbart nur D3 ein derartiges Verfahren. Dieses Dokument, das auch in der Beschreibung des Streitpatents gewürdigt wurde, ist deswegen als nächster Stand der Technik zu betrachten.

4.2. D3 offenbart ein Verfahren zur Herstellung von wasserquellbaren Produkten auf der Basis von Polyacrylamid oder dessen Copolymeren und Düngemitteln, bei dem die Düngemittel während der Polymerisation zugegeben werden. Gemäß Streitpatent beeinflußt der Zusatz eines Düngemittels während der Polymerisation den Polymerisationsverlauf negativ, so daß Polymere mit einem sehr hohen Restmonomergehalt resultieren (Seite 2, Zeilen 34 bis 36). Ausgehend von D3 kann die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe daher darin gesehen werden ein Produkt der in D3 beschriebenen Art herzustellen, das einen niedrigeren Monomergehalt aufweist.

Diese Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 durch ein Verfahren gelöst, bei dem die Komponente B erst in der Endphase der Polymerisation nach Erreichung eines Polymerumsatzes von mindestens 90 % zugesetzt wird.

Aus den mit Schreiben vom 11. Februar 1997 eingereichten Vergleichsversuchen geht hervor, daß mit einem Verfahren gemäß Streitpatent ein Produkt mit nur 0,28 % Monomeren erhalten wurde, während beim vergleichbaren Verfahren gemäß D3, bei dem die Komponente B direkt mit den Ausgangsmonomeren vermischt wurde, ein Produkt mit 13,7 % Monomeren erhalten wurde. Dies wurde nicht bestritten. Die Kammer ist daher davon überzeugt, daß das Verfahren gemäß Anspruch 1 die genannte Aufgabe tatsächlich löst.

4.3. Es bleibt zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung der bestehenden Aufgabe für den Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.

D3 enthält keine Angaben zu der hier bestehenden Aufgabe und damit auch keine Anregung zur deren Lösung. Es ist aber davon auszugehen, daß der Fachmann, der das Verfahren gemäß D3 ausführt, mit dem Problem des hohen Monomergehalts konfrontiert wird. Wie bereits ausgeführt, befassen sich die übrigen Entgegenhaltungen nicht mit der Herstellung einer Mischung eines Polymers und einer Komponente, die bei Verwendung der Mischung an einen anderen Körper abgegeben werden soll. Sie können dem Fachmann deswegen auch keinen Hinweis auf die beanspruchte Lösung geben. Demgemäß kann sich die Kammer auch dem Argument der Beschwerdegegnerin, daß es aus D1 bekannt sei, eine wasserlösliche Komponente, wie Polyethylenglycol, erst nach einem Umsetzungsgrad von 96% dem Polymerisationsgemisch zuzugeben, wobei Produkte mit sehr niedrigen Restmonomergehalt erhalten werden, so daß die beanspruchte Lösung im Hinblick darauf nahegelegen habe, nicht anschließen. Die Komponenten, die gemäß D1 in der Endphase der Polymerisation zugegeben werden, sind Tenside - jedenfalls werden sie als solche in D1 beschrieben - und ihre Zugabe erfolgt mit dem Ziel feinteilige, gelförmige, wasserquellbare Copolymerisate zu erhalten (Seite 4, Zeilen 32 bis 34 und Seite 7, Zeilen 9 bis 11). In den Beispielen der D1 werden Produkte mit einem Monomerumsatz von 99 % erhalten, unabhängig davon bei welchem Umsetzungsgrad, schwankend zwischen 75 und 96 %, die Tenside zugegeben wurden (Seite 7, Zeilen 15 bis 16; Seite 10, Zeilen 21 bis 24 und die Tabellen 1 und 2). D1 befaßt sich also nicht mit der Herstellung eines Produkts aus einem wasserquellbaren synthetischen Polymer und einer wasserlöslichen Substanz, das zur gesteuerten Abgabe dieser Substanz an einem anderen Körper, geeignet ist und das einen niedrigeren Monomergehalt aufweist, und kann daher auch nicht zur Lösung der bestehenden Aufgabe anregen. Dem Argument der Beschwerdeführerin liegt also eine für die Beurteilung der erfinderische Tätigkeit unzulässige ex post facto Analyse zugrunde. Es gibt auch keinen Grund anzunehmen, daß ein Fachmann ohne Anregung aus dem Stand der Technik die beanspruchte Lösung gefunden hätte. Der Fachmann konnte nämlich nicht erwarten, daß bei einer Zugabe des Düngemittels in der Endphase der Polymerisation noch die erforderliche verzögerte Abgabe der Komponente B gewährleistet wäre. Aus dem Streitpatent geht jedoch hervor, daß auch bei einem Zusatz in der Endphase der Polymerisation die Abgabe des Düngemittels erheblich verzögert wird (Beispiele 13 und 14). Die Kammer ist daher der Überzeugung, daß sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 ohne Kenntnis des Inhalts des Streitpatents nicht auf naheliegende Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Die erfinderische Tätigkeit der Verfahren gemäß den Ansprüchen 2 bis 10 folgt aus ihrer Abhängigkeit von Anspruch 1.

4.4. Wie bereits ausgeführt, unterscheidet sich das Absorptionsmaterial gemäß Anspruch 11 zumindest durch die Anwesenheit von Fasern von dem in D3 beschriebenen Material. Gemäß Streitpatent verbessern die Fasern die Regulierung der Abgabe der Komponente B an einen anderen Körper (Seite 4, Zeilen 31 bis 38). Diese Funktion ist glaubhaft und unbestritten. Die Kammer akzeptiert daher, daß die Aufgabe, die Abgabe einer mit einem wasserquellbaren, synthetischen Polymer verbundenen wasserlöslichen Komponente besser zu regulieren, durch das Absorptionsmaterial gemäß Anspruch 11 tatsächlich gelöst wird. Keine der Entgegenhaltungen erwähnt auch nur den Zusatz von Fasern. Dem Argument der Beschwerdegegnerin, daß D4 die Verwendung von Stärke und Cellulose lehrt und es daher nahegelegen habe Cellulosefasern zuzugeben, kann sich die Kammer nicht anschließen. Gemäß D4 können Stärke und Cellulose als hydrophile makromolekulare Komponenten während der Polymerisation zugegeben werden um vernetzte Strukturen zu erzeugen (Seite 4, Zeilen 10 bid 15). Die Cellulose wird dabei Teil der Polymerstruktur; von einer Zugabe von Cellulosefasern ist nicht die Rede. Auch ist kein Zusammenhang mit der oben genannten Aufgabe erkennbar. Der Gegenstand des Anspruchs 11 ergibt sich also nicht auf naheliegende Weise aus dem Stand der Technik und beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4.5. Der Hauptantrag der Beschwerdeführerin ist trotzdem nicht gewährbar, weil er den Verwendungsanspruch 12 enthält, der nach Überzeugung der Kammer, gestützt auf nachfolgenden Überlegungen, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

5. Anspruch 12 gemäß Hauptantrag

Das nach Anspruch 1 erhaltene Absorptionsmaterial unterscheidet sich von dem Absorptionsmaterial gemäß D3 lediglich durch eine Beschränkung des Monomergehaltes. Aus der Bedingung in Anspruch 1, daß die Komponente B erst nach einem Polymerumsatz von mindestens 90 % zugesetzt wird, folgt, daß das Endprodukt weniger als 10. % Monomer enthält. Die Bedingung, daß das gemäß diesem Anspruch zu verwendende Produkt nach dem Verfahren des Anspruchs 1 "erhalten" worden sein muß, unterscheidet dieses Produkt nicht von solchem, bei dem der Restmonomergehalt auf andere Weise erniedrigt worden ist. Polymere mit hohem Monomergehalt sind im allgemeinem unerwünscht und ein Polymerfachmann wird den Monomergehalt seiner Produkte regelmäßig überprüfen. Wenn ein Fachmann, der ein Produkt gemäß D3 herstellt, einen zu hohen Monomergehalt feststellt, wird er geeignete Maßnahmen treffen, diesen Gehalt zu verringern. Wenn das nicht über die Steuerung des Herstellungsverfahrens gelingt, wird er eine Nachbehandlung in Betracht ziehen. Beim Verfahren gemäß dem mit Schreiben vom 11. Februar 1997 eingereichten Vergleichsversuch 1, das gemäß D3 durchgeführt wurde, entstand ein Produkt mit einem Monomergehalt von 13,7 %. Für die Lösung der Aufgabe, dessen Monomergehalt unterhalb 10 % zu senken, stehen dem Fachmann Standardtechniken wie Vakuumverdampfung oder selektive Extraktion zur Verfügung. Weil somit im Hinblick auf D3 die gemäß Anspruch 1 erhaltenen Produkte nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und die Verwendung derartiger Produkte als Nährboden für Pflanzenkulturen aus D3 bekannt ist, kann auch in der Verwendung gemäß Anspruch 12 keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden.

6. 1. Hilfsantrag

6.1. Der 1. Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag durch einen geänderten Anspruch 12 und einen zusätzlichen Anspruch 13. Wie bereits oben ausgeführt, beruhen die Gegenstände der Ansprüche 1 bis 11 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Anspruch 12 gemäß 1. Hilfsantrag betrifft die Verwendung eines Absorptionsmaterials gemäß Anspruch 11. Weil das Absorptionsmaterial gemäß Anspruch 11 an sich schon erfinderisch ist, beruht auch seine Verwendung auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6.2. Anspruch 13 unterscheidet sich von Anspruch 12 gemäß Hauptantrag durch die Ausnahme der Verwendung des Absorptionsmaterials als Düngemittel. Der "Disclaimer" beruht auf der ursprünglichen Beschreibung, in der diese Verwendung als Beispiel erwähnt wird. Obwohl das Schutzbegehren in der Regel durch positive technische Merkmale zu definieren ist, kann eine Anspruchsformulierung, die eine Ausnahmebestimmung (Disclaimer) enthält, dann zugelassen werden, wenn eine positive Formulierung nicht ohne ungerechtfertigten Schutzverlust möglich ist (siehe z. B. T 4/80, ABl. EPA 1982, 149). Dies trifft hier zu. Die Ausnahme eines Teils des ursprünglich beanspruchten Gegenstands beruht hier auf den ursprünglichen Unterlagen. Daher gilt nicht der für einen durch den Stand der Technik veranlaßten Disclaimer aufgestellte Grundsatz, daß ein Disclaimer für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht herangezogen werden darf. Es liegt vielmehr eine zulässige Beschränkung des Schutzbegehrens auf ursprünglich offenbarte Gegenstände vor. Die Absorptionsmaterialen gemäß D3 enthalten zwingend Düngemittel, und ihre Verwendung beschränkt sich auf die Abgabe von Düngemitteln. Daher kann D3 nicht als Grundlage für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 13 dienen. Keine der übrigen Entgegenhaltungen offenbart ein Absorptionsmaterial, das eine Komponente enthält, die gesteuert an einen anderen Körper abgegeben werden kann. Die Auffassung der Beschwerdegegnerin, die Verwendung gemäß Anspruch 13 folge aus einer Kombination der Dokumente D1 und D2 wurde nicht weiter begründet. Nach Auffassung der Kammer enthält keine dieser Entgegenhaltungen eine Anregung dazu, in das Polymer einen Fremdstoff einzubauen, der bei seiner Verwendung gesteuert abgegeben werden soll. Die Kammer schließt daraus, daß die sich Verwendung gemäß Anspruch 13 nicht auf naheliegende Weise aus dem Stand der Technik ableiten läßt und daher auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Ansprüche des 1. Hilfsantrags erfüllen somit die Anforderungen des EPÜ und sind gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 1 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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