T 0571/97 () of 15.3.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T057197.20020315
Datum der Entscheidung: 15 März 2002
Aktenzeichen: T 0571/97
Anmeldenummer: 92901976.8
IPC-Klasse: H01L 23/13
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hochspannungs-Isolierscheibe
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Klarheit (ja - nach Änderungen)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Prüfungsabteilung hat mit Entscheidung vom 14. Januar 1997 die europäische Patentanmeldung Nr. 92 901 976.8 wegen mangelnder Klarheit des Anspruchs 1 (Artikel 84 EPÜ) zurückgewiesen. In der Entscheidung sind folgende Dokumente benannt:

D1: Patent Abstracts of Japan, Bd. 13, Nr. 240 (E-767), 6. Juni 1989 & JP-A-1 042 135

D2: Patent Abstracts of Japan, Bd. 4, Nr. 56 (E-008), 25. April 1980 & JP-A-55 024 464.

II. Die ihr zugrundeliegende Fassung des einzigen unabhängigen Anspruchs 1 lautet wie folgt:

"1. Hochspannungs-Isolierscheibe (2) aus elektrisch isolierendem und wärmeleitendem Material für eine mittels einer Kühldose (6) gekühlten Leistungshalbleiter (4), die zwischen diesen Bauelementen (4, 6) angeordnet und mit diesen verspannt ist, wobei eine dem scheibenförmigen Leistungshalbleiter (4) zugewandten Seite (8) dieser Isolierscheibe (2) im Randbereich (16) mit wenigstens einer umlaufenden Rippe (26) und/oder mit wenigstens einer umlaufenden Nut (20) oder diese Seite (8) mittig mit einer Ausnehmung (10) und einer umlaufenden Rippe (18) versehen ist, wobei der Querschnitt dieser Ausnehmung (10) wenigstens gleich dem Querschnitt des einzusenkenden, scheibenförmigen Leistungshalbleiters (4) ist."

Die Prüfungsabteilung hat geltend gemacht, Anspruch 1 sei nicht klar, da aus dem Wortlaut dieses Anspruchs nicht zu erkennen sei, ob der beanspruchte Gegenstand sich auf eine Isolierscheibe an sich oder auf eine Halbleiter-Isolierscheibe-Kühldose Anordnung beziehe.

Weiterhin wurde angeführt, daß der Gegenstands des Anspruchs 1, soweit er sich auf eine Isolierscheibe an sich beziehe, im Hinblick auf die Entgegenhaltungen D1 oder D2 nicht neu sei (Artikel 54 EPÜ).

III. Der Anmelder hat am 19. Februar 1997, unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr, gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und die Beschwerdebegründung am 12. Mai 1997 nachgereicht.

IV. In der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung stimmte die Kammer dem von der Prüfungsabteilung erhobenen Einwand mangelnder Klarheit des Anspruchs 1 zu. Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 wurde bejaht, Bedenken aber hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit erhoben.

V. In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 15. März 2002 hat der Beschwerdeführer den Antrag gestellt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent aufgrund der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 5 zu erteilen. Der Wortlaut des einzigen unabhängigen Anspruchs 1 dieses Antrags lautet:

"1. Isolierscheibe (2) aus elektrisch isolierendem und wärmeleitendem Material, wobei eine Seite (8) dieser Isolierscheibe (2) im Randbereich (16) mit wenigstens einer umlaufenden Nut (20, 24) versehen ist."

V. Zur Begründung seines Antrags trug der Beschwerdeführer folgendes vor:

i) Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei eindeutig eine Isolierscheibe. Somit sei der Einwand mangelnder Klarheit gegenstandslos.

ii) Die Entgegenhaltungen D1 und D2 bezögen sich auf den Aufbau einer Halbleiteranordnung, bei dem eine Tragplatte aus Isoliermaterial und keine Isolierscheibe Verwendung finde. Weiterhin weise keine dieser bekannten Tragplatten eine Nut im Randbereich auf. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei deshalb neu.

iii) Der Erfindung liege die Aufgabe zugrunde, eine Isolierscheibe anzugeben, die eine höhere Überschlagsfestigkeit bei gleichbleibendem Durchmesser aufweise. Diese Aufgabe werde durch die Verwendung einer Nut im Randbereich gelöst. Hiermit werde die Kriechstrecke zwischen Leistungshalbleiter und Kühldose verlängert. Diese Lösung sei aber für den Fachmann nicht naheliegend, da das Anbringen einer Nut das Material der Scheibe beschädige und ihre Dicke verringere. Dies reduziere die Überschlagsfestigkeit der Scheibe und ermögliche das Auftreten von Glimmentladungen. Um eine Kriechstrecke zu verlängern, sei aber das Anbringen von Rippen und nicht von Nuten der bisher angewandte Ansatz im Stand der Technik.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 bezieht sich eindeutig auf eine Isolierscheibe. Dem von der Prüfungsabteilung erhobene Einwand mangelnder Klarheit ist somit die Grundlage entzogen.

Weiterhin ist der Gegenstand dieses Anspruchs durch den ursprünglich eingereichten Anspruch 1 offenbart. Die Kammer hat sich auch vergewissert, daß der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 durch die ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart ist.

Die Erfordernisse der Artikel 84 und 123(2) EPÜ sind deshalb erfüllt.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

3.1. Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 eine Isolierscheibe und nicht eine Isolierplatte sei.

Gemäß der 2. Auflage (1989) des "Duden Deutsches Universalwörterbuch" ist eine Scheibe ein flacher, kreisförmiger Gegenstand. Eine andere Bedeutung hat dieses Wort nur im Zusammenhang mit bestimmten Lebensmitteln oder als Glas- oder Fensterscheibe, bei der die kreisförmige Form nicht zwingend gegeben ist.

3.2. Aus den Entgegenhaltungen D1 und D2 ist jeweils eine rechteckige Isolierplatte bekannt, wobei eine Seite der Platte eine mittige Ausnehmung aufweist, in der das Halbleiterelement versenkt angeordnet ist. Durch das Einbringen der Ausnehmung entsteht ein erhöhter, die Ausnehmung umlaufender Randbereich. Eine umlaufende Nut im Randbereich der Isolierplatte ist in diesen Entgegenhaltungen nicht offenbart.

3.3. Daraus folgt, daß die Isolierscheibe des Anspruchs 1 durch die Entgegenhaltungen D1 oder D2 nicht neuheitsschädlich vorweggenommen ist; vielmehr unterscheidet sie sich von den aus diesen Entgegenhaltungen bekannten Isolierplatten durch folgende Merkmale:

i) sie ist als Scheibe und nicht als rechteckige Platte ausgebildet, und

ii) sie ist mit wenigstens einer umlaufenden Nut im Randbereich versehen.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Die vorliegende Anmeldung bezieht sich auf eine Isolierscheibe aus elektrisch isolierendem und wärmeleitendem Material für Flüssigkeitskühlung eines Hochspannungshalbleiters mit einer Kühldose. Es ist in diesem Fall notwendig, Spannungsüberschläge zwischen der Kühldose, die auf Massepotential liegt, und dem Halbleiterbauelement zu verhindern, wobei gleichzeitig eine gute Kühlung des Halbleiters zu gewährleisten ist. Zu diesem Zweck wird in der Anmeldung vorgeschlagen, die Isolierscheibe mit einer umlaufenden Nut im Randbereich zu versehen, um bei gleichbleibendem Durchmesser der Isolierscheibe die Kriechstrecke und somit die Überschlagsspannung zwischen Halbleiter und Kühldose zu vergrößern.

4.2. Aus der Entgegenhaltung D1 ist eine Halbleiteranordnung bekannt, welche aus einem Halbleiter 5, einer Elektrodenplatte 3a, einem rechteckigen Isoliersubstrat 11. und einer wärmeabstrahlenden Platte 2 besteht, die in dieser Reihenfolge zu einem Stapel verarbeitet sind. Die Seite des Isoliersubstrats, auf die der Halbleiter angebracht ist, ist mit einer Ausnehmung ("recessed part") versehen, welche durch einen umlaufenden Randbereich begrenzt ist, der die ursprüngliche Dicke (t2) des Substrats aufweist. Der Boden der Ausnehmung weist eine reduzierte Dicke t1 auf, um die Wärmeleitfähigkeit der Platte zu erhöhen. Die Kriechstrecke zwischen Halbleiter und Kühlplatte wird durch den erhöhten Randbereich verlängert.

Die Kammer ist der Auffassung, daß die Entgegenhaltung D1 den nächstliegenden Stand der Technik bildet, da die in der vorliegenden Anmeldung gestellte Aufgabe (vgl. Anmeldung, Seite 1, Zeilen 6 bis 15), nämlich eine Isolierscheibe mit hoher Wärmeleitfähigkeit und hoher Überschlagsfestigkeit zu ermöglichen, auch in der Entgegenhaltung D1 als die gestellte Aufgabe angesprochen ist.

4.3. Es ergeben sich somit die unter Punkt 3.3 benannten unterscheidenden Merkmale zwischen der beanspruchten Isolierscheibe und der aus der Entgegenhaltung D1 bekannten Isolierplatte.

4.4. Die Verwendung eines Isolators mit einer kreisförmigen Form dient nur der Anpassung des Querschnitts des Isolators an den für das Bauelement verwendeten Querschnitt und hat keinen Einfluß auf die Wärmeleitfähigkeit oder die Überschlagsfestigkeit der Anordnung. Der Beschwerdeführer hat einen solchen Zusammenhang auch nicht behauptet.

Die Kammer ist daher der Auffassung, daß dieses Merkmal eine konstruktive Maßnahme ist, die vom Fachmann, den Umständen entsprechend, ohne ein erfinderisches Zutun angewendet wird.

4.5. Somit ergibt sich, im Hinblick auf das unter Punkt 3.3. (ii) benannte Merkmal, als objektive Aufgabe der vorliegenden Erfindung, die Kriechstrecke zwischen Halbleiter und Kühlelement unter Beibehaltung des Durchmessers der Isolierscheibe zusätzlich zu verlängern.

4.7. Die Frage, ob es für den Fachmann naheliegend sei, eine Nut im Randbereich der Isolierplatte gemäß der Entgegenhaltung D1 anzubringen, um diese Aufgabe zu lösen, muß aus folgenden Gründen bejahend beantwortet werden.

Der Beschwerdeführer hat geltend gemacht, daß es für den Fachmann üblich sei, Rippen anzubringen, um eine Kriechstrecke zu verlängern, er aber keine Nuten verwenden würde, da dies zu einer Beschädigung des Materials des Isolators führe und Glimmentladungen an den verdünnten Stellen nicht auszuschließen seien. Um die Kriechstrecke zu verlängern, sei es deshalb naheliegend, den Randbereich der Entgegenhaltung D1 zu vergrößern oder zusätzlich eine oder mehrere Rippen anzubringen.

Die Kammer kann diesem Argument nicht zustimmen. Denn für den Fachmann ist offensichtlich, daß das Anbringen einer umlaufenden Nut innerhalb des erhöhten Randbereichs des Isolators gemäß der Entgegenhaltung D1 kein Risiko auf Glimmentladungen beinhaltet, weil die Tiefe der Nut auf die Dicke t1 des Bodens der Ausnehmung begrenzt werden kann und diese Dicke einen ausreichenden Schutz vor Glimmentladungen bietet. Weiterhin entspricht das Anbringen einer umlaufenden Nut innerhalb des erhöhten Randbereichs dem Anbringen einer zusätzlichen Rippe und ist daher, auch mit dieser Betrachtungsweise, für den Fachmann naheliegend.

4.8. Obwohl die Ausführungsformen der vorliegenden Anmeldung, die eine Nut betreffen, dies in Zusammenhang mit einer flachen Isolierscheibe offenbaren, in der die Oberkante der Nut bündig auf den mittigen Bereich der Scheibe trifft (vgl. Figur 4 bis 8), ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf diese Ausführungsform beschränkt.

Es reicht für eine negative Bewertung der erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ aber aus, wenn sich eine Ausführungsform, die unter den Wortlaut des Anspruchs fällt, für den Fachmann in Bezug auf einen Lösungsweg in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Die Kammer kommt auf Grund dessen zu der Entscheidung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ nicht genügt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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