T 0550/97 () of 21.9.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T055097.19990921
Datum der Entscheidung: 21 September 1999
Aktenzeichen: T 0550/97
Anmeldenummer: 88110582.9
IPC-Klasse: H04Q 7/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Rechnergesteuertes Funkteilnehmergerät
Name des Anmelders: Alcatel SEL Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Robert Bosch GmbH
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Zurückverweisung (bejaht)
Inventive step (no)
Decision re appeal - remittal (yes)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0054/01

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde betrifft das auf der Grundlage der europäischen Patentanmeldung Nr. 88 110 582.9 mit Priorität 2. Juli 1987 erteilte europäische Patent Nr. 0 297 616. Der Tag der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des Patents ist der 22. September 1993.

II. Gegen das Patent hat die Beschwerdeführerin am 20. Mai 1994 in vollem Umfang Einspruch eingelegt, und zwar mit der Begründung, die Druckschrift WO-A-8201268 (Dokument D3, veröffentlicht am 15. April 1982) nehme die beanspruchte Erfindung so weit vorweg, daß das Patent nicht aufrechterhalten werden könne. In einer beschwerdefähigen, am 24. März 1997 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung hat die Einspruchsabteilung festgestellt, daß das Patent auf der Grundlage eines geänderten Patentanspruchs 1 das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit erfülle. Dieser Anspruch hat folgenden Wortlaut:

"Rechnergesteuertes Funkteilnehmergerät, das einen Sender (5) und einen Empfänger (3) hat und dessen Software in Speicherbausteinen abgespeichert ist, bei dem zum Betrieb des Funkteilnehmergerätes in Mobilfunknetzen mit unterschiedlichen Funkschnittstellen zwischen dem Funkteilnehmergerät und dem Mobilfunknetz mehrere Speicherbereiche (10) mit der dem jeweiligen Mobilfunknetz entsprechenden Software (A, B, C, D) vorgesehen und wahlweise aktivierbar ausgeführt sind und bei dem eine vom Empfänger (3) des Funkteilnehmergerätes gesteuerte Auswerteeinrichtung (7) vorgesehen ist, durch die vor dem Aufbau einer den Qualitätsanforderungen entsprechenden Verbindung das Auswahlkriterium für die Speicherbereiche (10) aus der Qualität des Kontaktes zum Mobilfunknetz abgeleitet wird."

Die Einspruchsabteilung hat einen wesentlichen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit darin gesehen, daß durch die Auswerteeinrichtung das Auswahlkriterium für die Speicherbereiche vor dem Aufbau einer den Qualitätsanforderungen entsprechenden Verbindung aus der Qualität des Kontaktes zum Mobilfunknetz abgeleitet wird.

III. Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Entscheidung am 21. Mai 1997 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde am gleichen Tag entrichtet. Sie hat dann am 11. Juni 1997 die Beschwerdebegründung zusammen mit der Druckschrift DE-A-3 444 989 (Dokument D8, veröffentlicht am 12. Juni 1986) eingereicht. Am 21. September 1999 wurde die Sache vor der Kammer mündlich verhandelt und die Entscheidung über die Beschwerde verkündet. Dieser Entscheidung liegen die folgenden Parteianträge zugrunde:

Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 297 616 beantragt.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen; hilfsweise, das Patent mit dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruch 1 (Hilfsantrag) und mit den aufrechterhaltenen Unteransprüchen 2 bis 4 und Unterlagen aufrechtzuerhalten. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet wie folgt:

"Rechnergesteuertes Funkteilnehmergerät, das einen Sender (5) und einen Empfänger (3) hat und dessen Software in Speicherbausteinen abgespeichert ist, bei dem zum Betrieb des Funkteilnehmergerätes in Mobilfunknetzen mit unterschiedlichen Funkschnittstellen zwischen dem Funkteilnehmergerät und dem Mobilfunknetz mehrere Speicherbereiche (10) mit der dem jeweiligen Mobilfunknetz entsprechenden Software A, B, C, D) vorgesehen und wahlweise aktivierbar ausgeführt sind, bei dem eine vom Empfänger (3) des Funkteilnehmergerätes gesteuerte Auswerteeinrichtung (7) vorgesehen ist, durch die vor dem Aufbau einer den Qualitätsanforderungen entsprechenden Verbindung das Auswahlkriterium für die Speicherbereiche (10) aus der Qualität des Kontaktes zum Mobilfunknetz abgeleitet wird und bei dem die Auswerteeinrichtung (7) einen Systemsuchlauf zum Finden des den Qualitätsanforderungen entsprechenden Mobilfunknetzes veranlaßt, falls die Feldstärke im Empfänger (3) zu gering ist."

Die Beschwerdeführerin hat beantragt, den Hilfsantrag als verspätet, hilfsweise wegen mangelnder Offenbarung zurückzuweisen; weiter hat sie hilfsweise beantragt, den Hilfsantrag an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

IV. Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag auf Widerruf des Patents im wesentlichen damit begründet, daß ein Fachmann ausgehend von dem aus Dokument D8 bekannten Funkteilnehmergerät und bei Berücksichtigung der in Dokument D3 beschriebenen speicherprogrammierten Schaltung in naheliegender Weise zu dem Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen würde.

Im Hinblick auf den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, daß die dem Anspruch zugrundeliegenden Änderungen den beanspruchten Gegenstand in einer Weise einschränkten, die eine praktisch völlig neue Prüfung auf Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit erforderlich machen würde. Da diese Änderungen für die Beschwerdeführerin nicht vorhersehbar gewesen seien, müsse ihr für diese Prüfung ausreichend Zeit und Gelegenheit gegeben werden. Diese Umstände rechtfertigten auch eine Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz.

Die Änderungen würden ferner gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ verstoßen, da sie zwar eine gewisse Stütze in dem beschriebenen Ausführungsbeispiel hätten, aber durch das Weglassen wesentlicher Merkmale über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgingen.

V. Die Beschwerdegegnerin hat erklärt, daß das Dokument D8 zwar als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden könne, aber im Unterschied zur Erfindung das Ziel habe, ein einheitliches Mobilfunknetz zu schaffen, also ein Mobilfunknetz, dessen Basisstationen einer gemeinsamen Zentrale zugeordnet seien. Daher sei die im Dokument D8 beschriebene Umschaltung zwischen den VHF- und UHF-Bereichen technisch nicht mit der beanspruchten Umschaltung zur Aktivierung unterschiedlicher Speicherbereiche vergleichbar. Bei der Erfindung könnten die Funkteilnehmergeräte nicht nur in unterschiedlichen Frequenzbereichen, sondern auch in Mobilfunknetzen mit unterschiedlicher Systemtechnik betrieben werden. Daher sei es fraglich, ob der Fachmann das Dokument D8 überhaupt als Stand der Technik für solche multisystemfähigen Funkteilnehmergeräte heranziehen würde.

Die Beschwerdegegnerin hat ferner geltend gemacht, daß bei der aus dem Dokument D8 bekannten Steuerung der UHF-Bereich voreingestellt sei und nur verlassen werde, wenn eine Verbindung im UHF-Bereich nicht aufgebaut oder aufrechterhalten werden könne. Eine solche Voreinstellung sei nicht zu vergleichen mit dem beanspruchten Auswahlkriterium und führe nicht zu einer den Qualitätsanforderungen entsprechenden Verbindung, wie das bei der Erfindung der Fall sei.

Der aus dem Dokument D3 bekannte Stand der Technik würde vom Fachmann nicht berücksichtigt werden, da es sich um ein verbindungsloses Paging-System handle und daher wesentlich anders arbeite als das verbindungsorientierte Funksystem der Erfindung.

Die Beschwerdegegnerin hat ferner nachveröffentlichte Druckschriften vorgelegt, um nachzuweisen, daß noch Jahre nach der Erfindung ein namhafter Hersteller zur Integration von Mobilfunknetzen eine technisch rückschrittliche Lösung zum Patent angemeldet und auf den Markt gebracht habe. Diese Entwicklung beweist nach Meinung der Beschwerdegegnerin die technische Leistung, die durch die Erfindung erbracht worden sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 EPÜ und der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist daher zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. In der Sache ist im wesentlichen zu prüfen, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 das Patentfähigkeitserfordernis der erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ) erfüllt. Die erfinderische Tätigkeit wird entsprechend der Praxis der Beschwerdekammern an dem Beitrag gemessen, den die beanspruchte Erfindung zum nächstkommenden Stand der Technik leistet.

2.2. Die Beschwerdeführerin hat als Stand der Technik die Dokumente D3 und D8 angezogen.

Das Dokument D8 beschreibt ein Funkteilnehmergerät, das zum Betrieb in Autotelefonsystemen geeignet sein soll, und betrifft daher, ähnlich wie die beanspruchte Erfindung, ein verbindungsorientiertes Funksystem, bei dem vor der Nutzsignalübertragung eine Verbindung zwischen Funkteilnehmergerät und Netz aufgebaut werden muß. Demgegenüber betrifft das Dokument D3 nur ein Funkrufsystem, also ein System, bei dem die Signale einseitig an das Funkteilnehmergerät übermittelt werden, so daß im Unterschied zu einem verbindungsorientierten Funksystem das Funkteilnehmergerät nur einen Empfänger aufweist und bestimmte Übertragungsphasen wie Verbindungsaufbau und -abbau fehlen.

Das in Dokument D8 beschriebene Funkteilnehmergerät ist daher im Vergleich zu Dokument D3 der näherkommende Stand der Technik und damit ein geeigneter Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

2.3. Zwischen den Parteien ist unstrittig, daß aus Dokument D8 ein Funkteilnehmergerät mit einem Sender und einem Empfänger bekannt ist, das zum Betrieb in einem Funknetz mit unterschiedlichen Funkschnittstellen zwischen dem Funkteilnehmergerät und dem Funknetz geeignet ist und hierfür mehrere wahlweise aktivierbare Funktionseinheiten umfaßt.

Die Beschwerdekammer ist der Ansicht, daß neben diesen Merkmalen das Dokument D8 noch weitere Merkmale des Gegenstandes des Anspruchs 1 offenbart.

Das Dokument D8 beschreibt in seiner Einleitung zwei unterschiedliche Funksysteme für Autotelefone, nämlich ein älteres im VHF-Bereich und ein neueres im UHF-Bereich arbeitendes System, wobei ersteres für den Betrieb in ländlichen Gebieten mit niedriger Teilnehmerdichte und letzteres für den Betrieb in städtischen Gebieten mit hoher Teilnehmerdichte geeignet sind. Ausgehend von diesen unterschiedlichen Systemen wird in Dokument D8 vorgeschlagen, ein "einheitliches Funksystem" zur Abdeckung eines verschieden stark bevölkerten Gebietes durch eine besondere Ausgestaltung des Funkteilnehmergerätes zu schaffen. Änderungen, die das Funknetz selbst betreffen, werden aber nicht beschrieben. Insbesondere kann die Kammer in der Druckschrift keinen Hinweis finden, daß die verschiedenen Funkbereiche und Funkkonzentratoren technisch oder organisatorisch einer gemeinsamen Zentrale zugeordnet sein sollen, wie das von der Beschwerdegegnerin behauptet worden ist.

Daher muß der Ausdruck "einheitliches Funksystem" nach Ansicht der Kammer dahingehend verstanden werden, daß sich die im VHF- und UHF-Bereich arbeitenden Funksysteme nur aus der Sicht des Teilnehmers als ein einheitliches Funknetz darstellen, nicht aber tatsächlich ein einheitliches System im Sinne von Standard und Technologie bilden. Das in dieser Druckschrift beschriebene Funkteilnehmergerät soll also vielmehr zum Betrieb mit dem älteren und dem neueren System, und damit für den Betrieb in Mobilfunknetzen mit unterschiedlichen Funkschnittstellen, geeignet sein.

Die besondere Ausgestaltung dieses bekannten Funkteilnehmergerätes besteht darin, für beide Frequenzbereiche jeweils ein Funkteil vorzusehen, die von einer Steuerung überwacht werden und zwischen denen die Steuerung "im Bedarfsfall" eine Umschaltung veranlaßt. Die Funktion "Überwachung" kann in technisch sinnvoller Weise nur dahingehend verstanden werden, daß die Steuerung bestimmte Signale der Empfänger in den beiden Funkteilen auswertet und hieraus ein Kriterium ableitet für die Umschaltung von dem einen auf das andere Funkteil.

Gemäß der auf Seite 3, Zeilen 1 ff. beschriebenen Ausführungsform veranlaßt die Steuerung die Signalisierung ("Datensignalisierung") zwischen Funkkonzentrator und Mobilstation. Der Funkteil im VHF-Bereich soll in dünnbesiedelten Gebieten, der Funkteil im UHF-Bereich in dichtbesiedelten Gebieten aktiv sein. Der Funkteil im VHF-Bereich soll mit hoher Sendeleistung arbeiten, der Funkteil im UHF-Bereich mit relativ kleiner Sendeleistung. Da diese Aktivierung der Funkteile für die Übertragung sowohl der Signalisierungsdaten als auch der Nutzdaten notwendig und für die verschiedenen Gebiete unterschiedlich ist, muß auch die Steuerung eine entsprechende Entscheidung treffen, und zwar rechtzeitig bevor die Verbindung aufgebaut wird.

Ein technisch sinnvoller Verbindungaufbau verlangt ferner ein Mindestmaß an Übertragungsqualität auf dem Übertragungskanal. Dieses Mindestmaß an Übertragungsqualität muß selbstverständlich vor dem Verbindungsaufbau festgestellt werden, wenn die Umschaltung "im Bedarfsfall" erfolgen soll. Die Überwachung der beiden Funkteile durch die Steuerung, die im Dokument D8 auf Seite 2, unten, im Zusammenhang mit diesem Bedarfsfall beschrieben ist, kann daher vom fachkundigen Leser nur so verstanden werden, daß die Steuerung aus der festgestellten oder zu erwartenden Übertragungsqualität ein Kriterium für den Zeitpunkt der Umschaltung ableitet.

Die Druckschrift weist schließlich darauf hin, daß nach Möglichkeit die niederfrequenten Kanäle nur dann belegt werden sollen, wenn keine hochfrequenten Kanäle belegbar sind. Im UHF-Bereich sei nämlich nur eine relativ niedrige Sendeleistung erforderlich und es stünden in diesem Bereich mehr Kanäle zur Verfügung. Die Höhe der erforderlichen Sendeleistung und die Verfügbarkeit von Übertragungskanälen sind aber gleichfalls Kriterien, die die Qualität einer Verbindung im Mobilfunknetz bestimmen. Daher wird bei diesem Stand der Technik die Auswahl des zu aktivierenden Funkteils durch die Qualitätsanforderungen an die Verbindung bestimmt.

2.4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher nach Auffassung der Kammer nur noch in folgenden Merkmalen von dem in Dokument D8 offenbarten Stand der Technik:

- das Funkteilnehmergerät ist rechnergesteuert;

- Software für das Funkteilnehmergerät ist in Speicherbausteinen abgespeichert;

- zum Betrieb des Funkteilnehmergerätes in den Mobilfunknetzen sind mehrere Speicherbereiche mit der dem jeweiligen Mobilfunknetz entsprechenden Software vorgesehen;

- die Speicherbereiche sind wahlweise aktivierbar ausgeführt, mit dem Auswahlkriterium, das sich aus der Qualität des Kontaktes zum Mobilfunknetz ableitet.

2.5. Wie in der Patentschrift, Spalte 2, Zeilen 11 bis 27 ausgeführt ist, soll aufgrund dieser Merkmale das Funkteilnehmergerät in der Lage sein, in mehreren Mobilfunknetzen mit unterschiedlicher Systemtechnik betrieben zu werden. Dieses Ergebnis wird aber schon mit dem aus Dokument D8 bekannten Funkteilnehmergerät erzielt. Daher verbleibt für die beanspruchte Erfindung als Aufgabe nur, eine Alternative zu dem aus Dokument D8 bekannten Schaltungskonzept aus Steuerung und zwei getrennten Funkteilen zu finden. Eine solche Aufgabenstellung leistet keinen eigenständigen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit.

2.6. Der Fachmann wird das Dokument D3 bei der Suche nach einem solchen alternativen Schaltungskonzept berücksichtigen, da auch dieses Dokument die Multisystemfähigkeit zum Gegenstand hat. Hierbei ist es unerheblich, daß es sich bei diesem Stand der Technik um ein Funkrufsystem handelt, da dieser Unterschied nicht grundsätzlich eine Übertragung von Lösungen auf verbindungsorientierte Mobilfunksysteme ausschließt.

In Dokument D3 wird ein rechnergesteuertes Funkteilnehmergerät beschrieben, bei dem mittels einer speicherprogrammierbaren Schaltung sukzessive die verschiedenen Frequenzbereiche und Übertragungsprotokolle ausgewählt und die entsprechenden Signale empfangen werden können (siehe Dokument D3, Figuren 5 und 17). Ein wesentliches Merkmal dieser Schaltung ist, daß die netzspezifischen Parameter und Prozesse in mehreren, den einzelnen Mobilfunknetzen zugeordneten Speicherbereichen eines Speichers als Firmware abgespeichert sind (ROM 112). Diese Speicherbereiche können wahlweise von der CPU 106 zur Decodierung von Funksignalen und Überwachung der Verbindung aktiviert werden. Ein Systemsuchlauf wird ausgelöst, wenn der Empfang aufgrund falscher Systemeinstellungen oder eines zu geringen Störabstandes auf dem Übertragungskanal bestimmten Anforderungen nicht mehr genügt ("bit rate error", siehe beispielsweise Figur 17A, Entscheidungsblock 662). Damit erweist sich der dem Patentanspruch 1 zugrundeliegende Unterschied zum nächstkommenden Stand der Technik als eine durch das Dokument D3 nahegelegte Alternative zu dem aus Dokument D8 bekannten Schaltungskonzept für ein multisystemfähiges Funkteilnehmergerät.

Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, daß zur Integration von unterschiedlichen Mobilfunknetzen noch Jahre nach der Erfindung technisch rückschrittliche Lösungen zum Patent angemeldet und auf den Markt gebracht worden seien. Solche späteren, möglicherweise in der Tat rückschrittlichen Lösungen können jedoch von der Kammer nicht als ein Indiz für erfinderische Tätigkeit gewertet werden, da kein Grund vorliegt anzunehmen, daß diese späteren Entwicklungen auf ein technisches Vorurteil in der Fachwelt zurückzuführen sind, das von der vorliegenden Erfindung hätte überwunden werden müssen.

Die Kammer ist daher zu der Überzeugung gelangt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag keine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Übereinkommens aufweist und daß folglich das Patent auf der Grundlage dieses Anspruchs nicht aufrechterhalten werden kann.

3. Hilfsanträge

Die Beschwerdegegnerin hat mit ihrem Hilfsantrag den Anspruchsgegenstand durch Aufnahme weiterer Merkmale dahingehend eingeschränkt, daß ein Systemsuchlauf zum Finden des Mobilfunknetzes veranlaßt wird, falls die Feldstärke im Empfänger zu gering ist. Im Hinblick auf den Umstand, daß im Beschwerdeverfahren dem Patent ein neuer relevanter Stand der Technik entgegengehalten wurde, läßt die Kammer den Hilfsantrag trotz des späten Verfahrensstadiums noch zu. Die Beschwerdeführerin mußte mit einem solchen Antrag aber nicht rechnen, da weder die erteilte noch die späteren Fassungen der Patentansprüche diese Merkmale zum Gegenstand hatten.

Der Beschwerdeführerin ist daher ihrem Antrag entsprechend ausreichend Gelegenheit zu geben, den Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen. Die Verhandlung hierüber vor der Kammer weiterzuführen, würde jedoch für die Parteien zu einem Instanzverlust führen, so daß es die Kammer für erforderlich hält, dem Hilfsantrag der Beschwerdeführerin auf Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des Hilfsantrags der Beschwerdegegnerin stattzugeben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin wird zurückgewiesen.

3. Die Sache wird an die 1. Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Verfahren auf der Grundlage des Hilfsantrags der Beschwerdegegnerin fortzusetzen.

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