T 0496/97 () of 29.6.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T049697.20000629
Datum der Entscheidung: 29 Juni 2000
Aktenzeichen: T 0496/97
Anmeldenummer: 91710037.2
IPC-Klasse: B65D 1/20
B65D 21/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Stapelbehälter
Name des Anmelders: Frohn, Walter, Dr.-Ing.
Name des Einsprechenden: Mauser-Werke GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung (verneint)
Neuheit, erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung 91 710 037.2 wurde das europäische Patent Nr. 0 501 087 erteilt.

II. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gegen das Patent eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit) im Hinblick auf die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung eines Kanisters nach der Werkstattzeichnung Nr. AL-1910 bzw. AL-1541.4 gestützte Einspruch führte zu der am 4. März 1997 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung, in der festgestellt wurde, daß das Patent unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 28. April 1997 unter rechtzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 3. Juli 1997 eingegangen.

IV. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung hat die Beschwerdekammer die durch Einfügung des Wortes "völlig" in den Anspruchswortlaut vorgenommene Änderung als voraussichtlich zulässig erklärt, da sich hierdurch die technische Lehre des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem erteilten Anspruch 1 nicht geändert habe. Des weiteren wurden Unterschiede zwischen der im Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchten Formgebung des Stapelbehälters im Vergleich zu derjenigen nach dem offenkundig vorbenutzten Stapelbehälter aufgezeigt und darauf hingewiesen, daß der Nachweis für das Vorliegen eines technischen Fortschritts kein Patentierungserfordernis ist und auch die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht ersetzen könne, daß der technische Fortschritt jedoch ggf. dabei eine Rolle spielen könnte.

Am 29. Juni 2000 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent unter Streichung der Ansprüche 3 bis 5 und der Ausführungsformen gemäß Figuren 4 und 5 aufrechtzuerhalten.

Der geltende, der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Anspruch 1 des Streitpatents hat folgenden Wortlaut:

"Stapelbehälter aus Kunststoff, insbesondere geeignet für den Transport gefährlicher Flüssigkeiten, der eine kubische Form mit abgerundeten Ecken und Kanten aufweist und im Blasverfahren hergestellt ist, an dessen Oberboden (8) in der vertikalen Formteilebene (1) ein Handgriff (2) und nahe der Behältervorderwand (15) ein Ein- und Ausgießstutzen (3) angeformt sind, um die eine U-förmige aus dem Oberboden (8) herausgewölbte Stapelfläche (4) mit ebener Auflagefläche für einen weiteren gleichartigen Behälter vorgesehen ist, die zur Formteilebene (1) parallele Schenkel (5, 6) und eine dem Ein- und Ausgießstutzen (3) gegenüberliegende Stapelschulter (7) aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß die Enden der Schenkel (5, 6) der Stapelfläche (4) in Flächen (16, 17) übergehen, die nach der Behältervorderwand (15) zu völlig bis unter die Höhe des Ansatzes (18) des Ein- und Ausgießstutzens (3) zu den dadurch gebildeten oberen Ecken (11, 12) der Seitenkanten (13, 14) der Behältervorderwand (15) zunehmend nach außen abfallen und von diesen Ecken (11, 12) bis in den Bereich des Übergangs der Behältervorderwand (15) in den Oberboden (8) wieder ansteigen und in den Ansatz (18) des Ein- und Ausgießstutzens (3) einlaufen, so daß der durch diese Fläche (16, 17) gebildete Innenraum im Bereich einer Ausgießposition des Behälters über dem Ansatz (18) des Ein- und Ausgießstutzens (3) liegt."

VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Insbesondere aus der Figur 1 des Streitpatents sei erkennbar, daß sich an den Gewindeansatz des Ein- und Ausgußgießstutzens nach unten ein weiterer zylindrischer Teil anschließe, der als zum Ansatz gehörend anzusehen sei. Wie aus der Figur 1 erkennbar sei, fallen die Flächen (16, 17) dann zumindest im Bereich der inneren Kanten nicht bis unter die Höhe des Ansatzes ab. Die diesbezüglich in den geltenden Anspruch 1 aufgenommene Angabe "völlig" bis unter die Höhe des Ansatzes stelle somit einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ dar.

Beim Stapelbehälter nach der offenkundigen Vorbenutzung gingen die Enden der Schenkel der Stapelfläche in drei Flächenbereiche über, die jedoch auch als einheitliche Gesamtfläche anzusehen seien. Die gemäß Anspruch 1 des Streitpatents indirekt durch die abfallenden und danach wiederansteigenden Flächenbereiche gebildete muldenförmige Vertiefung trage nichts zur Lösung der in Rede stehenden Aufgabe bei und sei demnach auch nicht als tragender Unterschied gegenüber dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung zu beachten. Der beim offenkundig vorbenutzten Behälter als Schrägfläche ausgebildete Flächenteil liege ebenfalls vollständig unter dem Ansatz des Stutzens und bewirke ebenso, wie dies in den letzten Zeilen des Anspruchs 1 des Streitpatents formuliert sei, daß "der durch diese Fläche gebildete Innenraum im Bereich einer Ausgießposition des Behälters über dem Ansatz des Ein- und Ausgießstutzens liegt". Es bestehe somit völlige Wirkungsgleichheit zwischen dem beanspruchten Behälter und dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher neuheitsschädlich vorweggenommen. Was die Restentleerbarkeit des beanspruchten Behälters betreffe, so sei zu beachten, daß die im Anspruch 3 definierten und in den Figuren 4 und 5 gezeigten Flächen 16, 17 zwischen ihren in senkrechten Ebenen 23, 24 verlaufenden Flächenteilen und den daran anschließenden schräg verlaufenden Flächenteilen jeweils eine Kante aufwiesen. Die Patentfähigkeit des Streitpatents könne somit nicht auf das Argument gestützt werden, beim beanspruchten Behälter seien innerhalb der abgeschrägten Fläche keine Kanten vorhanden.

Im übrigen komme man automatisch und somit in naheliegender Weise zu der Flächenausbildung nach dem Streitpatent, wenn man beim offenkundig vorbenutzten Behälter die Stufe zwischen dem horizontalen und dem abgeschrägten Flächenteil glätte und zwecks Anstrebung einer höheren Festigkeit verforme. Der Gegenstand des Streitpatents sei demnach nicht patentfähig.

VII. Die Beschwerdegegnerin trug in etwa folgendes vor:

Beim beanspruchten Behälter liefen die wiederansteigenden Flächenbereiche 16, 17 in den Ansatz 18. des Stutzens ein, der oberhalb des vom Oberboden 8 aufsteigenden zylindrischen Domes liege. Aus den Figuren des Streitpatents sei ohne weiteres erkennbar, daß der tiefste muldenförmige Bereich zwischen der abfallenden und der wieder ansteigenden Fläche völlig unterhalb der Höhe des Ansatzes 18 liege. Die im Einspruchsverfahren vorgenommene Änderung sei demnach zulässig.

Beim Behälter nach der offenkundigen Vorbenutzung gingen die Schenkelenden der Stapelfläche in Teilflächen über, welche auf die Behältervorderwand zu nur bis auf die Höhe des Stutzenansatzes abfielen und von dort, an einer vom Ansatz des Stutzens entfernten Stelle, direkt in die den Stutzenansatz umgebende, horizontale Fläche des Oberbodens übergingen, von dem aus über eine Kante abfallende, ebene Schrägflächen ausgingen. Der den Stutzen umgebende, horizontale Oberbodenteil bilde insbesondere beim restlosen Entleeren von Flüssigkeiten ein Strömungshindernis. Beim Streitpatent seien die von den Schenkelenden abfallenden Flächen 16, 17 anders geformt als beim Behälter nach der offenkundigen Vorbenutzung. Sie fielen bis unter die Höhe des Stutzenansatzes 18 zunehmend nach außen ab und liefen nach einem Wiederanstieg in den Stutzenansatz 18 ein. Hierdurch werde erreicht, daß die Innenräume der Stapelflächenschenkel 5, 6 beim Ausgießen des Behälters über dem Stutzenansatz lägen und in Ausgießlage auf den Ausgießstutzen zu abfielen, ohne daß ein die Inhaltsflüssigkeit aufstauendes Hindernis vorhanden sei. Durch diese Gestaltung werde darüber hinaus auch die Stauchdruckfestigkeit des Stapelbehälters erhöht. Diese Vorteile seien auch bei einer Ausbildung der in Rede stehenden Flächen nach dem Anspruch 3 des Streitpatents gegeben. Der beanspruchte Behälter sei gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Änderungen

Der geltende Anspruch 1 des Streitpatents stimmt bis auf das ins Kennzeichen des Anspruchs (Spalte 4, Zeile 41 des Streitpatents) eingefügte Wort "völlig" durchgehend mit dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 überein. Mit Ausnahme dieser Einfügung entspricht der geltende Anspruch 1 im übrigen auch sinngemäß, abgesehen von einigen sprachlichen Umformulierungen, dem Inhalt des ursprünglichen Anspruchs 1, wobei allerdings die in den letzten 5 Zeilen des Anspruchs 1 enthaltene Funktionsangabe aus der ursprünglichen Beschreibung, Seite 9, Zeilen 1 bis 4, hinzugefügt wurde.

Die Beschwerdeführerin bestreitet, daß die bezogen auf den stehenden Behälter tiefsten, durch die abfallenden und wieder ansteigenden Teilbereiche der Flächen (16, 17) gebildeten Muldenbereiche "völlig" unter der Höhe des Ansatzes (18) des Stutzens (3) liegen. Aus der Figur 1 des Streitpatents sei nämlich ersichtlich, daß der Stutzen aus einem oberen, das Gewinde aufnehmenden Bereich und einem unteren zylindrischen Ansatz bestehe. Folglich liege zumindest der auf den inneren Kanten (19, 20) der Flächen (16, 17) liegende tiefste Muldenbereich (Wendelinie) nicht unter der Höhe des Ansatzes, sondern liefe in den Oberboden des Behälters ein, der mit der Höhe des Ansatzes zusammenfalle.

Diese Argumentation widerspricht jedoch dem Offenbarungsinhalt des Streitpatents. In den Figuren 1 und 2 des Streitpatents ist das für den Ansatz verwendete Bezugszeichen (18) dem unteren Ende des gewindetragenden Stutzenteils zugeordnet und nicht dem sich daran anschließenden (nicht mit Bezugszeichen versehenen) zylinderförmigen Dom, der den Ansatz (18) trägt und diesen mit dem Oberboden (8) sowie den wiederansteigenden Flächen (16, 17) verbindet. Da folglich der auf den Dom aufgesetzte Stutzenansatz (18) höher liegt als der auf den inneren Flächenkanten (19, 20) liegende, in den Oberboden (8) einlaufende Muldenbereich, ist die durch die Einfügung des Wortes "völlig" vorgenommene Verdeutlichung, daß eben der gesamte Muldenbereich zwischen den äußeren und inneren Kanten der Flächen unterhalb der Höhe des Ansatzes liegt, nicht zu beanstanden.

Der geltende Anspruch 1 entspricht somit den Anforderungen gemäß Artikel 123 (2) EPÜ.

Die Einfügung des Wortes "völlig" hat abgesehen von der Verdeutlichung der Lehre des erteilten Anspruchs 1 nicht zu einer Veränderung des Schutzumfangs geführt. Der Anspruch 1 entspricht demnach auch den Anforderungen gemäß Artikel 123 (3) EPÜ.

3. Neuheit

Der Stapelbehälter nach der offenkundigen Vorbenutzung, die auch vom Beschwerdegegner als solche nicht in Frage gestellt wird, weist unbestritten alle Merkmale nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents auf. In den Werkstattzeichnungen Nr. AL-1910 und AL-1541.4 sowie den als Anlage E zum Einspruchsschriftsatz eingegangenen Fotografien des offenkundig vorbenutzten Stapelbehälters ist eindeutig erkennbar, daß die Schenkelenden der Stapelflächen in erste Schrägflächen übergehen, die bis auf die Höhe einer horizontal verlaufenden Zwischenfläche abfallen, mit der sie eine vom Ansatz des Ein- und Ausgießstutzens entfernt liegende Knicklinie (Kante) bilden. Diese horizontale Zwischenfläche läuft allseitig in den Ansatz des Ein- und Ausgießstutzens ein. Sie geht über eine die vorderen Ecken des Stapelbehälters abschrägende, abgerundete Kante jeweils in eine zweite Schrägfläche über, die nach außen abfallend die vertikale Ecklinie des Behälters erreicht. Die zweiten Schrägflächen bilden zu beiden Seiten des über ihnen angeordneten Ein- und Ausgießstutzens ebene Flächen eines Halbtrichters.

Abweichend von dieser Ausbildung des vorbenutzten Stapelbehälters fallen beim Behälter nach dem geltenden Anspruch 1 des Streitpatents die von den Schenkelenden ausgehenden Schrägflächen nach außen zunehmend ab, d. h. es nimmt, von der der Behältermitte zugewandten Seitenkante der Schrägfläche aus, die Neigung der Schrägfläche bis zu der mit größtem Gefälle verlaufenden Außenkante der Schrägfläche (am Übergang in die Behälterseitenwand) zu. Diese nach außen zunehmend abfallenden Schrägflächen steigen nach Erreichen ihres tiefsten Muldenbereichs (der im Falle der äußeren Kanten (21, 22) an den Ecken (11, 12) liegt) bis in den Bereich des Übergangs der Behältervorderwand (15) in den Oberboden (8) wieder an und laufen in den Ansatz (18) des Ein- und Ausgießstutzens (3) ein. Dabei entsteht zwischen dem äußeren, tiefsten Muldenbereich der Flächen (16, 17) an den Seitenkanten (13, 14) und dem tiefsten Muldenbereich an den mit geringerer Neigung verlaufenden inneren Kanten (19, 20) eine von außen nach innen ansteigende konkave Mulde, die die Wendelinie zwischen dem abfallenden und dem wiederansteigenden Bereich der Flächen (16, 17) enthält. Beim Stapelbehälter nach der offenkundigen Vorbenutzung sind keine wiederansteigenden Flächenbereiche im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents vorhanden, und folglich auch keine konkaven, in die Behälteroberseite eingeformten Mulden. Bei dem bekannten Stapelbehälter ist die erwähnte horizontale Zwischenfläche zwischen der von den Stapelschenkeln ausgehenden ersten Schrägfläche und der zweiten, nach außen abfallenden Schrägfläche angeordnet und bildet die Basis für den Stutzenansatz. Beim beanspruchten Stapelbehälter hingegen laufen die wiederansteigenden Bereiche in den Stutzenansatz ein.

Der beanspruchte Stapelbehälter gemäß Anspruch 1 weist somit eine geometrisch andere Gestaltung auf als der offenkundig vorbenutzte Stapelbehälter.

Der Stapelbehälter nach dem Anspruch 1 (Hauptantrag) ist daher gegenüber dem Stand der Technik neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Die vom Streitpatent betroffenen Behälter unterliegen, insbesondere wenn sie für den Transport gefährlicher Flüssigkeiten geeignet sein sollen, hohen Anforderungen an die Festigkeit und müssen bestimmte Prüfungsbedingungen erfüllen, wie im 2. Absatz der Beschreibung des Streitpatents ausgeführt ist. Dort ist auch die Aufgabe entnehmbar, einen Behälter zu entwickeln, der

a) den Prüferfordernissen des Transportes gefährlicher Flüssigkeiten auch unter extremsten Bedingungen genügt und

b) der zudem auch bei dem nicht vermeidbaren seitlichen Verkippen beim Ausgießen mit Sicherheit restlos entleert wird.

Zu den extremsten Bedingungen gemäß a) gehört u. a. der Sturzversuch für gefüllte Behälter, die dabei nicht leck werden dürfen. Das Erfordernis gemäß b) zielt auf eine möglichst hohe Entleerungsquote auch bei relativ unachtsamem und schnellem Ausgießen des Behälters, z. B. von Hand.

4.2. Hinsichtlich der Teilaufgabe a) weist nach Überzeugung der Kammer die Flächengestaltung nach dem Streitpatent ein anderes Verhalten auf als die Abschrägungsfläche bei dem Behälter nach der offenkundigen Vorbenutzung. Während beim Streitpatent die Abschrägungsflächen, von oben betrachtet, eine nach außen tiefer werdende, konkave Muldenform aufweisen, wird beim bekannten Behälter zwischen der horizontalen Zwischenfläche und der nach unten abfallenden zweiten Schrägfläche eine, von oben gesehen, konvexe Kante gebildet, was im Hinblick auf die Sturzfestigkeit unter Prüfungsbedingungen offensichtlich ein anderes Verhalten bedingt als beim bekannten Behälter.

4.3. Was das Entleerungsverhalten der Behälter nach dem Streitpatent und der offenkundigen Vorbenutzung unter dem Gesichtspunkt der Teilaufgabe b) anbelangt, so haben die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin unterschiedliche Ansichten vertreten. Es mag jedoch dahingestellt bleiben, ob die beanspruchte Behältergestaltung gegenüber der bekannten Behälterausführung bei einem in die Entleerposition geschwenkten Behälter auch bei seitlichem Verkippen eine verbesserte Restentleerbarkeit aufweist, denn bei der Lösung dieser Teilaufgabe spielt auch die für eine vollständige Entleerung nötige Zeitspanne eine Rolle. Hierbei hat, insbesondere beim Ausgießen zäh haftender Flüssigkeiten, der Verlauf von Strömungshindernissen wie Kanten u. dgl. an der Innenoberfläche des Behälters, insbesondere im Bereich des Ausgießstutzens eine gewisse Bedeutung. Beim bekannten Behälter wird beim Entleeren die Flüssigkeit dem Stutzen über eine aus drei Teilbereichen bestehende Fläche zugeführt, wobei es glaubhaft ist, daß zumindest die Umlenkkante zwischen der horizontalen Zwischenfläche und der schräg nach außen abfallenden dreieckigen Trichterfläche einen ungünstigen Einfluß auf die Abfließgeschwindigkeit der an der Innenwand haftenden Restfüllung haben dürfte. Somit besteht nach Ansicht der Kammer auch in dieser Hinsicht ein funktioneller Unterschied zwischen der beanspruchten und der bekannten Formgebung.

Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf die Lehre des abhängigen Anspruchs 3 dahingehend argumentiert, daß beim Streitpatent in den insgesamt abfallenden Bereichen der Flächen (16, 17) zwischen den "der Senkrechten angenäherten Ebenen (23, 24)" und den sich daran anschließenden, (gemäß Anspruch 1) "zunehmend nach außen" abfallenden Flächenbereichen ebenfalls eine Kante ergebe, die, wie von der Beschwerdegegnerin hinsichtlich des offenkundig vorbenutzten Behälters argumentiert, eine Beeinträchtigung der Restentleerung darstellen würde.

Diese im Anspruch 3 des Streitpatents definierte Ausgestaltung führt jedoch ebenfalls zu der aus der Lehre des Anspruchs 1 folgenden muldenförmigen konkaven Form der Eckenabschrägung, die sich im vorstehenden Sinne deutlich von der vorbenutzten Gestaltung unterscheidet und in funktioneller Hinsicht ebenfalls noch zu einem anderen Ausfließverhalten beiträgt.

4.4. Aus den vorstehenden Betrachtungen folgt, daß die vom Stand der Technik abweichende geometrische Gestaltung der dem Stutzen benachbarten Ecken des Stapelbehälters unter dem Blickwinkel der Aufgabenstellung zu funktionellen Unterschieden im technischen Sinne führt. Es handelt sich demnach beim Streitpatent gegenüber dem Behälter nach der offenkundigen Vorbenutzung offensichtlich nicht lediglich um eine ästhetisch andere Formgebung ohne technische Bedeutung. Da zudem nach dem Europäischen Patentübereinkommen der technische Fortschritt kein Patentierbarkeitserfordernis ist, erübrigt es sich, den beanspruchten Behälter auf das Vorliegen eines technischen Fortschritts gegenüber dem offenkundig vorbenutzten Behälter weiter zu untersuchen.

4.5. Es verbleibt demnach noch zu prüfen, ob sich die beanspruchte Formgebung für einen Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Die Beschwerdeführerin hat hierzu u. a. geltend gemacht, daß ein nach höherer Festigkeit des Behälters strebender Fachmann automatisch zur Erfindung komme. Offenbar bezieht sie sich hierbei auf die durch die Prüfungsbedingungen geforderte Stauchdruckfestigkeit der Stapelbehälter.

Um die Festigkeit eines Kunststoffbehälters zu erhöhen stehen dem Fachmann jedoch viele Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Es können z. B. zusätzliche Rippen, eine höhere Wandstärke, eine andere Grundform (z. B. kugelförmig) usw. vorgesehen werden. Dem Stand der Technik sind keine Anregungen oder Hinweise dahingehend zu entnehmen, den Stapelbehälter nach der offenkundigen Vorbenutzung insbesondere mit wiederansteigenden Flächen im Sinne des Anspruchs 1 auszustatten.

Aus dem Vorstehenden folgt, daß ein Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung nicht in naheliegender Weise zur Lehre nach dem Anspruch 1 des Streitpatents gelangen konnte.

Nach alldem kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

5. Abhängige Ansprüche

Nach dem abhängigen Anspruch 3 des Streitpatents verlaufen "die Flächen (16, 17) vom Ende der Schenkel (5, 6) bis zur Höhe des Oberbodens (8) in der Senkrechten angenäherten Ebenen (23, 24)". Die in den angenähert senkrecht verlaufenden Ebenen vorhandenen Flächenbereiche weisen offensichtlich über ihre gesamte Breitenerstreckung von der Innenkante bis zur Außenkante eine im wesentlichen senkrechte Neigung und somit gleichbleibendes Gefälle auf. Zumindest für diese Teilbereiche trifft das im Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents aufgeführte Merkmal, daß die Flächen (16, 17) .... "zunehmend nach außen abfallen" nicht zu. Allerdings dürfte dies bei den weiteren unter den Oberboden abfallenden Flächenbereichen der Fall sein. Die in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer angeschnittene Frage, ob zwischen dem im Anspruch 3 enthaltenen Teilmerkmal bezüglich der annähernd senkrecht verlaufenden Ebenen (23, 24) und dem die zunehmend nach außen abfallenden Flächenbereiche betreffenden Merkmal des Anspruchs 1 ein Widerspruch besteht und somit die Klarheit des Streitpatents in Frage gestellt wird, ist für die Gültigkeit des Streitpatents nicht relevant. Diese mit der Klarheit der Ansprüche im Zusammenhang stehende Frage bestand schon bei den erteilten Unterlagen, deren einzige Änderung, nämlich die Einfügung des Wortes "völlig" ins Kennzeichen des Anspruchs 1 (vgl. die Ausführungen unter Punkt 2 der Entscheidung), in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dieser Frage steht. Die Beschwerdekammer hat daher keine Veranlassung die Klarheitsfrage hinsichtlich der Formulierung der abhängigen Ansprüche aufzugreifen (vgl. den Abschnitt 10.2 der "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 3. Auflage 1998).

6. Die Beschwerdekammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß das Streitpatent in der geänderten Fassung einschließlich der abhängigen Ansprüche Bestand hat.

Bei dieser Sachlage erübrigt es sich auf den Hilfsantrag einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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