T 0466/97 () of 3.12.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T046697.19991203
Datum der Entscheidung: 03 Dezember 1999
Aktenzeichen: T 0466/97
Anmeldenummer: 91111075.7
IPC-Klasse: A45D 20/30
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Netzbetriebenes Warmluftgerät
Name des Anmelders: Braun GmbH
Name des Einsprechenden: (I) Philips Electronics N.V.
(II) Wella Aktiengesellschaft
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (verneint)
Inventive step (no)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerinnen I und II (Einsprechende I und II) haben gegen die am 14. März 1997 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung der Einsprüche gegen das Patent Nr. 0 468 240 die am 30. April 1997 (Beschwerdeführerin I) und 12. Mai 1997 (Beschwerdeführerin II) eingegangenen Beschwerden eingelegt und jeweils gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründungen sind am 12. Juni 1997 (Beschwerdeführerin I) und am 14. Juli 1997 (Beschwerdeführerin II) eingegangen.

II. Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Netzbetriebenes Warmluftgerät, insbesondere Haartrockner, mit einer elektrischen Heizung (10) und einem Gebläsemotor (20), wobei die Heizung (10) wenigstens zwei parallel geschaltete Widerstände (12, 14) aufweist und die Heizleistung mittels elektrischer Schaltmittel gemäß einem einstellbaren Sollwert (40) durch eine Impulspaketsteuerung änderbar ist, dadurch gekennzeichnet,

daß den wenigstens zwei Widerständen (12, 14) jeweils ein steuerbares Halbleiterelement (28, 30), insbesondere eine Triac, zugeordnet ist, wobei mittels der Halbleiterelemente (28, 30) nur ein Widerstand (14) allein oder die wenigstens zwei Widerstände (12, 14) zusammen mit Netzspannung beaufschlagbar sind und Mittel (48, 50, 52, 54, 56) vorgesehen sind, die ein gleichzeitiges Schalten der Halbleiterelemente (28, 30) verhindern."

III. Die Einsprüche I und II richteten sich gegen das Patent im gesamten Umfang und waren auf Artikel 100 a) EPÜ gestützt.

Im Einspruchsverfahren wurden folgende Druckschriften zum Stand der Technik angeführt, die auch im Beschwerdeverfahren genannt wurden:

D4: GB-A-2 076 997

D5: GB-A-2 128 374

D6: FR-A-2 515 913

D17: DE-A-2 837 934

D18: DE-A-3 539 581

D19: Europäische Norm EN 60555 (Teil 3: Seite 7)

IV. Die Beschwerdeführerin I hat die Meinung vertreten, daß das Heizgerät nach Anspruch 1 nicht neu im Hinblick auf die Druckschrift D4, D5 oder D6 sei.

Selbst wenn die Neuheit anerkannt werden sollte, könne das Patent keinen Bestand haben, da es gegenüber dem genannten Stand der Technik nach den Druckschriften D4, D5 oder D6 in Verbindung mit dem allgemeinen Wissen des Fachmannes, dem in Hinblick auf die Flickerbelastung die vorgeschriebene Abhängigkeit der Erholzeiten von den Leistungsänderungen bekannt seien, nicht erfinderisch sei.

V. Die Beschwerdeführerin II hat ebenfalls die Neuheit gegenüber dem aus der Druckschrift D4 bekannten Stand der Technik bestritten und hat die Meinung vertreten, daß aus dem angefochtenen Patent nirgends hervorgehe, daß jegliches gleichzeitige Schalten vermieden werden soll. Das Vermeiden eines gleichzeitigen Schaltens zweier Heizelemente, nämlich des gleichzeitigen Einschaltens, sei aber bereits durch die Druckschrift D4 offenbart.

Zur erfinderischen Tätigkeit hat die Beschwerdeführerin II ausgeführt, daß es für den Fachmann naheliegend sei, ein Gerät nach der Druckschrift D4 oder der Druckschrift D18 auf der Basis der Flickernorm, wie sie aus der Druckschrift D19 zu ersehen sei, so auszulegen, daß sowohl ein gleichzeitiges Einschalten als auch ein gleichzeitiges Ausschalten verhindert werde.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat zunächst die Funktionsweise des Warmluftgerätes nach Anspruch 1 erläutert. Das Wesentliche dieses Gerätes sei darin zu sehen, daß Mittel vorgesehen sind, die ein gleichzeitiges Schalten der Halbleiterelemente verhindern. Hierzu würden die Komparatoren 32 und 34 mit unterschiedlichen Referenzwerten 44, 46, die zu keinem Zeitpunkt identisch sind (siehe Figur 2), beaufschlagt.

Die Neuheit des Gerätes könne mit den zum Stand der Technik genannten Druckschriften nicht in Frage gestellt werden, da das Schalten nach Anspruch 1 als Ein- und Ausschalten zu verstehen sei, denn das Stromnetz könne sowohl durch das Ein- als auch durch das Ausschalten belastet werden. Die bei dem Gerät nach der Druckschrift D4 vorgesehenen zwei Heizelemente würden zwar zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt eingeschaltet, doch gleichzeitig ausgeschaltet (vgl. Seite 2, Zeilen 64 bis 69). Ein Verhindern eines gleichzeitigen Schaltens gehe auch aus den Druckschriften D5 und D6 nicht hervor. Überdies sei bei den dort beschriebenen Geräten kein Gebläsemotor vorgesehen. Die Druckschrift D18 beschreibe einen Elektroherd und kein Warmluftgerät. Bei diesem Elektroherd werde zur Verringerung der Flickerbelastung beim Abschalten der vorherigen Last die nächste Last gleichzeitig eingeschaltet. Es seien daher keine Mittel vorgesehen, die ein gleichzeitiges Schalten der Halbleiterelemente verhindern. Ein gleichzeitiges Ein- und Ausschalten von Lasten sei bei dem Gerät nach dem angefochtenen Anspruch 1 nicht gewollt und auch nicht erforderlich, da es bei gleich großen Heizwiderständen keinen Unterschied in der Lufterwärmung gebe, wenn die eine oder die andere Last eingeschaltet sei. Im angefochtenen Patent sei ausdrücklich angegeben (vgl. Spalte 4, Zeilen 21 bis 23), daß sichergestellt sein müsse, daß nicht beide Halbleiterelemente 28 und 30 gleichzeitig schalten, d. h. daß auch die dazugehörigen Heizelemente nicht gleichzeitig ein- oder ausgeschaltet werden.

Im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit führte die Beschwerdegegnerin an, daß aus keiner der Entgegenhaltungen das Verhindern des gleichzeitigen Schaltens abzuleiten sei. Bei dem Gerät nach der Druckschrift D4 habe das zeitlich unterschiedliche Einschalten der Heizelemente nichts mit einer Verringerung der Flickerbelastung zu tun. Diese Druckschrift könne daher nicht zum Gegenstand nach Anspruch 1 führen. Auch in der Druckschrift D5 oder der Druckschrift D6 sei kein Hinweis auf eine Verhinderung eines gleichzeitigen Schaltens gegeben. Die Druckschrift D6 offenbare sogar ausdrücklich das gleichzeitige Einschalten der Heizelemente bei entsprechend großer Temperaturdifferenz zwischen der Soll- und Isttemperatur (vgl. Seite 3, Zeilen 17 bis 21). Das Gerät nach der Druckschrift D5 funktioniere ähnlich wie das nach der Druckschrift D6. So würden bei Inbetriebnahme des Gerätes nach der Druckschrift D5 bei niedriger Temperatur ebenfalls beide Triacs und damit beide Heizelemente gleichzeitig eingeschaltet (vgl. Seite 3, Zeilen 110 bis 127).

VII. Anträge

Die Beschwerdeführerinnen I und II beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Aufgabe und Lösung

2.1. Aufgabe

Die Aufgabe der Erfindung ist darin zu sehen, ein Warmluftgerät in einfacher Weise so auszubilden, daß die zulässigen Spannungsrückwirkungen auf das Stromnetz (Flickerbelastung) eingehalten und praktikable Schaltraten bzw. nicht zu hohe Schaltzeiten, die zu sehr starken Temperaturschwankungen führen können, erreicht werden.

2.2. Lösung

Die Lösung der Aufgabe wird dadurch erreicht, daß bei einer Heizung mit wenigstens zwei parallel geschalteten Heizwiderständen Mittel vorgesehen sind, die ein gleichzeitiges Schalten der den Heizwiderständen zugeordneten Halbleiterelemente verhindern. Durch das Zu- oder Abschalten jeweils nur eines Heizelementes werden hohe Laständerungen vermieden, wodurch eine hohe Schaltfrequenz erreicht werden kann, ohne daß die vorgeschriebene, von den Lastsprüngen abhängige Erholzeit überschritten wird. Somit kann die Belastung des Stromnetzes in erlaubten Grenzen gehalten werden und infolge der höheren Schaltfrequenz können starke Temperaturschwankungen des Heizgerätes vermieden werden.

3. Neuheit

3.1. Bei dem Warmluftgerät nach dem angefochtenen Anspruch 1 sind Mittel vorgesehen, die ein gleichzeitiges Schalten der Halbleiterelemente verhindern.

Diese Mittel können in Hinblick auf die Aufgabenstellung, nämlich einerseits das Gerät innerhalb der Vorschriften zur Flickerbelastung zu betreiben und andererseits eine für eine gleichmäßige Lufterwärmung ausreichend hohe Schaltfrequenz zu erreichen, nur so ausgelegt werden, daß sowohl das Ein- als auch das Ausschalten umfaßt ist, da die Laständerung sowohl durch Ein- als auch durch Ausschalten der Heizelemente Rückwirkungen auf das Netz haben kann. Über das Einschalten bei Inbetriebnahme des Gerätes bei sehr kalter Temperatur und über das Ausschalten des Gerätes bei Betriebsende, wenn das Gerät mit beiden Heizelementen betrieben wurde, sind in der Patentschrift keine klaren Angaben gemacht. Aus der Patentschrift geht lediglich hervor, daß das unterschiedliche Schalten durch die Vorgabe von unterschiedlichen Referenzwerten erreicht wird, die in Zusammenhang mit der Figur 2 erläutert sind. Einzelheiten über Elemente, die das gleichzeitige Schalten verhindern sind nicht näher erläutert. Die Beschwerdegegnerin verwies bei einer Anfrage durch die Kammer auf die in Anspruch 1 angegebenen Mittel zum Verhindern des gleichzeitigen Schaltens. Sie verwies weiterhin auf die Beschreibung Spalte 4, Zeilen 21 bis 23 der Patentschrift, aus der klar hervorgeht, daß sichergestellt sein muß, daß nicht beide Halbleiterelemente gleichzeitig schalten.

Die Interpretation der Beschwerdegegnerin, daß unter dem Verhindern von gleichzeitigem Schalten sowohl das Einschalten als auch das Ausschalten zu verstehen sei, muß im Hinblick auf die dargestellte zu lösende Aufgabe anerkannt werden, wobei es nicht darauf ankommt, ob konstruktive Mittel zur Verhinderung des gleichzeitigen Ausschaltens beschrieben sind.

3.2. Aus der Druckschrift D4 ist ein netzbetriebenes Warmluftgerät bekannt, mit einer elektrischen Heizung und einem Gebläsemotor (10), - wobei die Heizung zwei parallel geschaltete Widerstände (12, 13) aufweist und

- die Heizleistung mittels elektrischer Schaltmittel gemäß einem einstellbaren Sollwert (20) durch eine Impulspaketsteuerung änderbar ist (Seite 2, linke Spalte, Zeilen 42 bis 53),

- wobei den wenigstens zwei Widerständen (12, 13) jeweils ein steuerbares Halbleiterelement (14, 15), insbesondere eine Triac, zugeordnet ist,

- wobei mittels der Halbleiterelemente (14, 15) nur ein Widerstand (12) allein oder die wenigstens zwei Widerstände (12, 13) zusammen mit Netzspannung beaufschlagbar sind (Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 80 bis 93)

- und Mittel (vgl. Anspruch 1 von D4 und Seite 2, linke Spalte, Zeilen 53 bis 63) vorgesehen sind, die ein gleichzeitiges Einschalten der Halbleiterelemente (14, 15) verhindern.

Das Gerät nach dem angefochtenen Anspruch 1 unterscheidet sich hiervon dadurch, daß Mittel vorgesehen sind, die ein gleichzeitiges Schalten verhindern. Dabei ist unter Schalten das allgemeine Schalten, d. h. sowohl das Einschalten als auch das Ausschalten zu verstehen.

3.3. Der Gegenstand des Anspruches 1 unterscheidet sich von den Geräten nach den Druckschriften D5 und D6 schon durch den im Anspruch 1 angegebenen Gebläsemotor.

3.4. Das Warmluftgerät nach Anspruch 1 ist daher neu gegenüber dem von den Beschwerdeführerinnen hierzu herangezogenen Stand der Technik.

4. Nächstkommender Stand der Technik

Als nächstkommender Stand der Technik wird die Druckschrift D4 in Betracht gezogen, die von sämtlichen Beteiligten als Ausgangspunkt bei der Frage der erfinderischen Tätigkeit herangezogen wurde.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1. Die Druckschrift D4 befaßt sich zwar nicht mit der Flickerbelastung durch ein Heizgerät, doch ist es allgemeiner Stand der Technik, daß bei einem starken Lastwechsel eine unzulässige Rückwirkung auf das Stromnetz erfolgen kann. Der Zusammenhang der erlaubten Laständerungen mit den erforderlichen Erholzeiten ist dem Fachmann grundsätzlich bekannt und beispielsweise in der Druckschrift D5 (Figur 5) gezeigt. Dabei wird nach den Vorschriften sowohl für das Einschalten als auch für das Ausschalten der Last die gleiche Erholzeit gefordert. Da bei hohen Schaltleistungen hohe Erholzeiten erforderlich sind und bei einem intervallmäßigem Ein- und Ausschalten der Heizelemente darauf zu achten ist, daß keine zu langen Ausschaltzeiten entstehen (vgl. Druckschrift D4, Seite 1, Zeilen 31 bis 36), um unangenehme Temperaturschwankungen des Heizmediums, d. h. bei einem Heizlüfter der Heizluft, zu vermeiden, wird der Fachmann bestrebt sein, die Schaltleistungen so weit wie möglich gering zu halten und hohe Lastsprünge vermeiden. Bei hohen Heizleistungen wird er daher die Heizelemente aufteilen, wobei es sich in Hinblick auf die Flickerbelastung anbietet (vgl. Druckschrift D18, Figur 5), das Schalten der Teillasten, d. h. das Ein- oder Ausschalten nicht gleichzeitig erfolgen zu lassen, um dadurch einerseits Rückwirkungen auf das Stromnetz zu vermeiden und andererseits eine ausreichend hohe Schaltfrequenz zu erreichen (vgl. auch Figur 6e der Druckschrift D18).

5.2. Wenn der Fachmann bei der Auslegung des Gerätes nach der Druckschrift D4 für höhere Leistungen in einen Bereich kommt, in dem in Hinblick auf die Flickerbelastung mit Schwierigkeiten zu rechnen ist, so wird er sowohl die unterschiedliche Einschaltzeit als auch eine unterschiedliche Ausschaltzeit der Heizelemente in Betracht ziehen und entsprechende Mittel vorsehen.

Auch die Feststellung, daß bis zum Prioritätstag des angefochtenen Patents diese Lehre in keiner Vorrichtung in eindeutiger Weise benutzt wurde, ändert nichts an der Tatsache, daß das nicht gleichzeitige Schalten, so wie es im angefochtenen Anspruch 1 als Funktion allgemein formuliert ist, in Form einer allgemeinen Lehre dem Fachmann vorlag. Die Beschwerdegegnerin hat nichts darüber vorgetragen, daß bei der konkreten Ausgestaltung dieser Lehre Hindernisse zu überwinden gewesen wären. Solche Hindernisse, die zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit dienen könnten, sind auch der Patentschrift nicht zu entnehmen.

5.3. Das Warmluftgerät nach dem erteilten Anspruch 1 ist daher nicht erfinderisch (Artikel 56 EPÜ).

6. Das erteilte Patent hat daher keinen Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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