T 0186/97 () of 30.6.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T018697.19990630
Datum der Entscheidung: 30 Juni 1999
Aktenzeichen: T 0186/97
Anmeldenummer: 91118479.4
IPC-Klasse: G01B 15/00
G05D 5/03
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished | Unpublished v2
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Einrichtung zur Querschnitts-Vermessung elektrischer Adern
Name des Anmelders: ZUMBACH ELECTRONIC AG
Name des Einsprechenden: SIKORA INDUSTRIEELEKTRONIK GMBH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Einspruchsgrund Erweiterung (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0283/01

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent mit der Veröffentlichungsnummer 0. 507 988 und der Anmeldenummer 91 118 479.4 zu widerrufen, legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) Beschwerde ein.

II. Der Einspruch stützte sich auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ, nämlich fehlende erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 (Artikel 52. (1) und 56 EPÜ), und die in Artikel 100 b) und c) des EPÜ angeführten Einspruchsgründe.

III. In dieser Entscheidung werden folgende der im Beschwerdeverfahren genannten Druckschriften zitiert:

D1: US-A-3 796 874;

D4: US-A-2 922 887; und

D6: GB-A-2 132 343.

IV. Nachdem der Beschwerdeführerin mitgeteilt wurde, daß die Beschwerdebegründung nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist eingegangen wäre, beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In einer Zwischenentscheidung der Kammer wurde diesem Antrag stattgegeben.

V. Im anschließenden Beschwerdeverfahren fand eine mündliche Verhandlung statt, an deren Ende die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent mit den Ansprüchen 1 bis 10, eingereicht (in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung) am 7. November 1996, aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Der Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zur Vermessung des Querschnitts einer aus einer Extrusionseinrichtung austretenden elektrischen Mittelspannungsader oder Hochspannungsader, zu deren Herstellung in einer mit entsprechenden Werkzeugen versehenen Extrusionseinrichtung auf einen Kupferleiter (1) ein innerer Halbleiter (2), eine Isolierung (3) und ein äußerer Halbleiter (4) aufgebracht und die einzelnen Schichten der Ader (50) in einer entsprechenden Anlage vernetzt werden,

dadurch g e k e n n z e i c h n e t,

daß die einzelnen Halbleiterschichten und Isolierungsschichten der aus der Extrusionseinrichtung austretenden Ader (50) zur Ermittlung von Intensitätswerten in mindestens zwei orthogonal zur Aderachse (50') orientierten Richtungen punktuell durchstrahlt werden, und zwar dergestalt, daß die Ader (50) an mehreren Stellen von einer in Richtung senkrecht zur Aderachse (50') und senkrecht zur Strahlungsrichtung (Z; Y) verschiebbaren Meßeinrichtung (30) durchstrahlt wird, und daß die derart punktuell ermittelten Werte mittels eines Rechners (60) zur Korrektur der einzelnen Schichtdicken der beiden Halbleiter (2,4) sowie der Isolierung (3) herangezogen werden."

VII. Die von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren zur Offenbarung des Merkmals (b) vorgetragenen Argumente werden wie folgt zusammengefaßt:

Das Merkmal (b) des Anspruchs 1,

daß die Meßeinrichtung (30) in Richtung senkrecht zur Aderachse (50') und senkrecht zur Strahlungsrichtung (Z,Y) verschiebbar ist,

ist zwar nicht wörtlich in den ursprünglichen Unterlagen offenbart, doch sind die Angaben - z. B. auf Seite 6 Absatz 5 -, daß die Meßeinrichtung 30 parallel zur Aderachse 50' verschiebbar ist, semantisch falsch; statt "parallel" muß es "quer" heißen. Das ergibt sich daraus, daß in der Darstellung von Figur 1 eine solche Parallelverschiebung nicht geht. Das Teleskoprohr 41', das nur vor dem Betrieb verschiebbar ist, müßte nicht nur am linken, der Extrusionseinrichtung 90 zugewandten Ende ein Fenster aus Beryllium, sondern ein sich in Längsrichtung erstreckendes Fenster aufweisen, um die Messung bei einer Parallelverschiebung zu ermöglichen. Dies wäre theoretisch möglich, aber zu teuer.

Die gemäß dem letzten Absatz auf Seite 6 der ursprünglichen Unterlagen angestrebte Erfassung des gesamten Aderquerschnitts ist nicht mit der dort angegebenen Verschiebung parallel zur Aderachse, sondern nur mit einer Querverschiebung zu erreichen.

Wenn die parallelen Pfeile S in Figur 3 die in einer Position des Meßgeräts 30 abgegebenen Röntgenstrahlen darstellen würden, wäre eine Verschiebung dieses Meßgeräts technisch unsinnig.

Die Sender-Empfänger-Einheiten für die orthogonale Einstrahlung in X- und Y-Richtung sind bei der verwiklichten Anlage getrennt in Querrichtung verschiebbar.

VIII. Die von der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren zur Offenbarung des Merkmals (b) vorgetragenen Argumente werden wie folgt zusammengefaßt:

Die Querverschiebung gemäß Merkmal (b) geht nirgends aus den Anmeldungsunterlagen hervor.

Zusammen mit der Verdrehung der Ader durch die Verdrehraupe 46 hat eine Parallelverschiebung der Meßeinrichtung die Wirkung, daß der ganze Aderquerschnitt erfaßt wird. Da die Meßeinrichtung in Umfangsrichtung verschiebbar ist, werden auch auf diese Weise alle Querschnitte erfaßt. Es war zum Zeitpunkt der Anmeldung durchaus denkbar, zur Durchstrahlung der Ader an mehreren Stellen in Längsrichtung der Ader mehrere Sichtfenster aus Beryllium auf dem Teleskoprohr 41' anzubringen oder sogar das Rohr selbst aus Beryllium herzustellen.

Das Sendegerät der Meßeinrichtung 30 erzeugt zwei zueinander orthogonale Röntgenstrahlen mittels zweier verbundener Sender und zweier Empfänger, wodurch eine Querverschiebung aus geometrischen Gründen schwieriger ist als eine Verschiebung parallel zur Aderachse. Eine Querverschiebung wäre nur dann sinnvoll, wenn die Durchstrahlung punktuell erfolgt. Eine solche ist jedoch den Unterlagen nicht zu entnehmen.

D4 zeigt die hier in Rede stehende Querverschiebung des Röntgensenders, jedoch zeigen D1 und D6, wie mit einem Strahl eines Senders das ganze Kabel durchstrahlt werden kann.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) bzw. Erfordernisse des Artikels 123 (2)

Bei der Frage, ob der in Artikel 100 c) EPÜ dargelegte Einspruchsgrund bzw. Artikel 123 (2) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht, ist zu prüfen, ob der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

2.1. Das heißt unter anderem, daß alle Merkmale der (gültigen) Ansprüche den ursprünglichen Unterlagen zweifelsfrei zu entnehmen sein müssen, z. B. auch das Merkmal (b), das in den unabhängigen Ansprüchen 1 und 9 enthalten ist. Im Anspruchssatz gemäß Erteilungsbeschluß ist dieses Merkmal im Anspruch 3 enthalten.

Nicht zu diesen ursprünglichen Unterlagen gehören Druckschriften, die dort nicht genannt sind, wie z. B. die von der Beschwerdegegnerin im Einspruchsverfahren genannten Druckschriften.

2.2. Bei den auf Seite 1 und 2 der ursprüngliche Beschreibung zitierten Dokumenten (EP-A-0 400 310 und 0 387 508) wird lediglich der äußere Durchmesser gemessen bzw. eine Vorrichtung zum Vulkanisieren oder Vernetzen eines Aderstranges beschrieben (vgl. S. 1 Abs. 2 bis S. 2 Abs. 2 der ursprünglichen Beschreibung), aber keine verschiebbare Einrichtung zur Vermessung des Aderquerschnitts.

2.3. In der ursprünglichen Fassung der Anmeldung ist hinsichtlich der Bewegungsmöglichkeiten der Meßeinrichtung 30 - die zur Schichtdickenmessung der extrudierten Ader 50 dient - nur offenbart, daß diese in Umfangsrichtung der Ader 50 verschiebbar ist (vgl. S. 6 Abs. 4, S. 6 Z. 36 bis S. 7 Z. 3, S. 8 Z. 22-26 und die Ansprüche 1 und 3) und parallel zur Aderachse 50' verschiebbar ist (S. 6 Abs. 5: " ... die eigentliche Meßeinrichtung 30 zudem parallel zur Aderachse 50' verschiebbar ist ... "; S. 6 unten: "Damit der gesamte Aderquerschnitt erfasst werden kann, wird die den Sender und Empfänger umfassende Messeinrichtung 30 parallel zu der Aderachse 50' verschoben."; Anspruch 3: " ... daß die Ader (50) in Umfangsrichtung gesehen und orthogonal zur Aderachse (50') orientiert sowie in Längsrichtung gesehen und parallel zur Aderachse (50') orientiert, an mehreren Stellen durchstrahlt wird."). Die Parallelverschiebung gemäß Merkmal (b) wird also an mehreren Stellen der ursprünglichen Unterlagen und sogar mit anderen Worten beschrieben. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, daß der Ausdruck "parallel" semantisch falsch sei, trifft daher nicht zu.

Den drei Figuren der Zeichnung ist nicht entnehmbar, daß die Meßeinrichtung 30 oder ein anderes Teil der Extrusionsanlage derart ausgebildet ist, daß diese Meßeinrichtung oder auch die zweite Meßeinrichtung 35 in irgendeine Richtung verschiebbar ist.

Die Figur 1 zeigt schematisch die ganze Anlage, aber keinerlei Einzelheiten über die Verschiebung der Meßeinrichtungen oder ein Fenster zur Durchstrahlung oder dergleichen.

Die Figur 2 zeigt nur einen Aderquerschnitt und zwei Pfeile, die die orthogonalen Röntgenstrahlen symbolisieren.

Die Figur 3 zeigt oben die Meßeinrichtung 30 schematisch als langgezogenes, sich quer zur Ader 50 erstreckendes Rechteck 30, dessen große Seite etwa anderthalb mal so lang ist wie der Durchmesser der unter der Einrichtung 30. dargestellten kreiszylindrischen Ader. Zwischen diesem Rechteck und der Ader sind sieben parallele, gleich lange, äquidistante, gleichmäßig entlang der der Ader zugewandten großen Seite des Rechtecks angeordnete, zu den großen Seiten des Rechtecks senkrechte, die Röntgenstrahlen symbolisierende Pfeile S eingezeichnet. Das Bezugszeichen S ist nicht mit einem der Pfeile verbunden, sondern zeigt in Richtung des Pfeilebündels. Die Spitzen und das hintere Ende jedes Pfeils liegen jeweils auf einer Linie; diese zwei Linien sind parallel zu den großen Seiten des Rechtecks. Die Pfeile und das Rechteck sind symmetrisch in Bezug auf das Lot von der Aderachse auf die große Seite des Rechtecks 30 angeordnet. Zwischen dem mittleren, auf dem genannten Lot liegenden Pfeil S und der Ader ist ein Pfeil Z eingezeichnet, der zusammen mit dem in Umfangsrichtung um 90 versetzten Pfeil Y die beiden zueinander orthogonalen Einstrahlrichtungen der Meßeinrichtung symbolisieren soll. Unterhalb der Ader sind die Meßwerte der Strahlungsintensität in Abhängigkeit vom Durchmesser eingezeichnet.

Der Figur 3 entnimmt daher der Betrachter eindeutig, daß die parallelen Strahlen von der Einrichtung gleichzeitig und ohne Querverschiebung erzeugt werden (wie dies in Fig. 2 von D1 und in Fig. 1 und 2 von D6 gezeigt ist). Solche Strahlen können z. B. durch eine Beugungsoptik (vgl. z. B. die Figur auf S. 7 des Briefes der Beschwerdegegnerin vom 30. Mai 1995) oder durch mehrere Röntgenstrahlröhren erzeugt werden.

2.4. Es ist auch nicht einzusehen, warum eine solche Parallelverschiebung technisch unsinnig sein sollte. Ein Fenster oder dergleichen im Rohr 41' zur Durchstrahlung der Ader ist weder beschrieben noch in den Figuren gezeigt. Einer Parallelverschiebung der Meßeinrichtung 30. entlang des Rohres 41' steht in der Ausführung nach Figur 1 nichts im Wege. Zur Durchstrahlung könnten mehrere Fenster im Rohr angeordnet sein, oder das Rohr könnte teilweise oder ganz aus geeignetem Material, z. B. Beryllium, bestehen. Dies ist zwar eventuell teuer, aber es erscheint technisch durchaus möglich. Es ist zu bedenken, daß auch das bzw. die Fenster für die Durchstrahlung an mehreren Punkten in Umfangsrichtung vorzusehen ist bzw. sind oder daß das abgedichtete Rohr 41' zusammen mit dem Fenster drehbar ist, was technisch auch nicht einfach zu realisieren wäre.

Eine "optimale Durchstrahlung der einzelnen Schichten" der Ader (S. 6 Abs. 5) bzw. die Erfassung des gesamten Aderquerschnitts (S. 6 unten) wird durch die Parallelverschiebung und der Verdrehung der Ader und zusätzlich durch die Verstellung der Meßeinrichtung 30 in Umfangseinrichtung erreicht, so daß die Querverschiebung zur Erreichung dieses Ziels nicht nötig ist.

Die Beschwerdeführerin behauptet, daß, wenn die parallelen Pfeile S in Figur 3 die in einer Position des Meßgeräts 30 abgegebenen Röntgenstrahlen darstellen würden, eine Querverschiebung dieses Meßgeräts technisch unsinnig wäre. Eine solche Verschiebung ist aber durchaus sinnvoll, und zwar wegen der Verdrehung der Ader nach dem Verlassen der Extrusionseinrichtung 90, die die Verdrehraupe 46 bewirkt. Durch die Parallelverschiebung wird nämlich der gesamte Aderquerschnitt in verschiedenen Richtungen durchstrahlt, während mit Hilfe der zwei in Umfangsrichtung um 90 versetzten Sender eine Durchstrahlung in nur zwei Richtungen erfolgt. Ferner können damit eventuelle Veränderungen der Ader in Längsrichtung festgestellt werden.

Das Sendegerät der Meßeinrichtung 30 soll mindestens zwei zueinander orthogonale Röntgenstrahlen erzeugen. Soll jeder Sender, der üblicherweise mit dem ihm zugeordneten Empfänger bzw. den ihm zugeordneten Empfängern fest verbunden ist, quer über die ganze Breite der Ader verschoben werden, so ist dies aus geometrischen Gründen nur möglich, wenn diese Sender/Empfänger-Einheiten getrennt voneinander verschoben werden können. Dies erscheint technisch schwierig, insbesondere auch deswegen, weil die Versetzungswinkel konstant gehalten werden müssen. Dagegen können bei einer Verschiebung parallel zur Aderachse diese Einheiten starr miteinander verbunden sein.

Eine Querverschiebung (b) erschiene wohl nur dann zweckmäßig, wenn das Strahlbündel einen so kleinen Raumwinkel besitzt, daß es die Ader punktuell, also nur teilweise durchstrahlt. Eine solche Durchstrahlung ist jedoch den ursprünglichen Unterlagen nicht zu entnehmen. Im Anspruch 4 ist lediglich von "gebündeltem oder fächerartigem Strahlengang" und daß die "Durchstrahlung punktuell oder auf einer Linie oder Fläche gemessen wird", die Rede. Ähnliches ist auf Seite 8, Zeilen 26-29 offenbart. Eine punktuelle Messung setzt aber keine punktuelle Durchstrahlung voraus.

2.5. Da das Merkmal (b) des Anspruchs 1 somit den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist, steht der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ der Artikel 123 (2) der Aufrechterhaltung des Patents in veränderter Form entgegen.

3. Daher ist es auch nicht nötig, auf die Offenbarung der anderen Merkmale oder die anderen Einspruchsgründe einzugehen oder darauf einzugehen, ob die vorgenommenen Änderungen der Unterlagen den Erfordernissen des EPÜ genügen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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