T 0178/97 () of 29.8.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T017897.20000829
Datum der Entscheidung: 29 August 2000
Aktenzeichen: T 0178/97
Anmeldenummer: 89112018.0
IPC-Klasse: B60R 16/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Signalübertragungssystem
Name des Anmelders: Mannesmann VDO AG
Name des Einsprechenden: Robert Bosch GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 16. Dezember 1996 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen Patent Nr. 0 393 233.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) i. V. m. Artikel 52 (1), 54, 56 EPÜ angegriffen worden. Der Einspruch stützte sich auf folgende Entgegenhaltungen:

D6: Patent Abstracts of Japan, vol. 7, no. 94 (E-171)(1239) 20. April 1983, JP-A-58 19064

D7: US-A-4 477 896.

III. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde am 13. Februar 1997 bei gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 16. April 1997 eingegangen.

Die Beschwerde stützte sich neben D6, D7 auch auf die Entgegenhaltung:

D8: US-A-3 891 914.

IV. In Beantwortung einer von der Beschwerdekammer zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung reichte die Beschwerdeführerin eine deutsche Übersetzung D6a der der D6 entsprechenden Patentschrift JP-A-58 19064 ein.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte in der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2000, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in der erteilten Fassung, hilfsweise auf der Basis einer Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 3 in geänderter Form aufrechtzuerhalten.

VI. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung und somit gemäß dem Hauptantrag lautet:

"Signalübertragungssystem, insbesondere zur Verwendung in Kraftfahrzeugen, mit mindestens einem Sender (1, 101), der über eine Leitung (3, 103) mit einem Empfänger (8, 108) verbunden ist und mit einer den Sender (1, 101) speisenden Spannungsversorgungseinrichtung (4, 104), wobei der Empfänger (8, 108) und die Spannungsversorgungseinrichtung (4, 104) am gleichen Ende derselben Leitung (3, 103) angeordnet sind, der Sender (1, 101) in Abhängigkeit von einem zu übertragenden Signal seine eigene Versorgungsspannung (UE) der Leitung (3, 103) (Eingangsversorgungsspannung) moduliert und der Empfänger (8, 108) die Modulation der Eingangsversorgungsspannung (UE) detektiert, dadurch gekennzeichnet, daß der Sender (1) seine Eingangsversorgungsspannung (UE) in Abhängigkeit von einem zu übertragenden Signal zwischen einem vorbestimmten ersten Wert (UO-Ui) und einem vorbestimmten zweiten Wert (Uz) hin- und herschaltet, die so wählbar sind, daß der Sender (1) auch von der modulierten Eingangsversorgungsspannung (UE) ausreichend versorgt wird."

Das Patent in der erteilten Fassung enthält neben dem Anspruch 1 abhängige Ansprüche 2 bis 10, die bevorzugte Ausführungsformen des Gegenstands des Anspruchs 1 betreffen.

VII. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Neben allen Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 sei auch das kennzeichnende Merkmal der Hin- und Herschaltung zwischen zwei vorbestimmten Werten aus D6a bekannt. Außerdem sei der Sender bei D6a mit Spannung ausreichend versorgt, woraus herleitbar sei, daß die ersten und zweiten Werte gemäß Anspruch 1 gewählt sein müßten. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher gegenüber D6a nicht neu.

Sollte das Merkmal, daß die Werte "so wählbar sind, daß der Sender auch von der modulierten Eingangsversorgungsspannung ausreichend versorgt wird" gegenüber D6a als neu betrachtet werden, dann sei hierin jedenfalls nichts Erfinderisches zu sehen. Die Aufgabe der ausreichenden Spannungsversorgung sei nämlich aus D6a schon bekannt und es sei für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit, einen unteren Spannungswert von 0. Volt bei nicht ausreichender Spannungsversorgung zu erhöhen.

Auch sei die beanspruchte Lösung für den Fachmann bei einer Zusammenschau der D6a mit der D7 naheliegend. D7 betreffe das gleiche technische Gebiet der Signalübertragung und offenbare die kennzeichnenden Merkmale, wobei der untere Wert gleich der normalen Versorgungsspannung sei und somit die ausreichende Spannungsversorgung sicherstelle.

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Bei D6a reiche der untere Spannungswert von 0 Volt zur ausreichenden Spannungsversorgung nicht aus und es würden zusätzliche Mittel verwendet, um die ausreichende Spannungsversorgung zu gewährleisten.

Der ganze kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 sei als ein einziges Merkmal zu betrachten und die Betrachtung der Beschwerdeführerin hinsichtlich des allgemeinen Fachwissens sei ex-post. Die Tatsache, daß bisher niemand auf die der Erfindung zugrundeliegenden einfache Idee gekommen sei, vielmehr kompliziertere Maßnahmen zur Lösung einer ähnlichen Aufgabe vorgeschlagen worden seien, spreche eindeutig für erfinderische Tätigkeit.

Bei D7 sei die Spannungsquelle am gleichen Ende der Leitung wie der Sender. Daher trete bei D7 die der Erfindung zugrundeliegende Problematik nicht auf.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist daher zulässig.

Hauptantrag

2. Neuheit, Stand der Technik

2.1. D8 wurde erst während des Beschwerdeverfahrens eingereicht, obwohl der dem Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt sich nicht geändert hat. Auch während des schriftlichen Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin das Dokument lediglich nebenbei und während der mündlichen Verhandlung gar nicht erwähnt. Weil nach Auffassung der Kammer D8 für die Entscheidung unerheblich ist, wird sie gemäß Artikel 114 (2) EPÜ außer Betracht gelassen.

2.2. Im Streitpatent wird der Sender mit 1, 101 bezeichnet und dieses Element betätigt einen Schalter 13, 113, der dem Sender parallel geschaltet ist (siehe auch Ansprüche 3, 4). Der Sender und der Schalter bilden zusammen einen Sensor 16, 116. Gemäß D6a weist jedoch das als "Sendeteil" bezeichnete Element 2 sowohl einen Impulsgenerator 7 als auch einen durch den Impulsgenerator betätigten Schalter 8 auf, der dem Impulsgenerator parallel geschaltet ist. Damit stellt sich zunächst die Frage, ob das als Sendeteil 2 bezeichnete Element insgesamt oder lediglich der Impulsgenerator 7 der D6a dem Sender des Streitpatents entspricht.

2.3. Bei D6a sind dem Impulsgenerator ein Kondensator 13 und eine Diode 12 parallel geschaltet, wodurch bei geschlossenem Schalter 8 die Eingangsversorgungsspannung b des Impulsgenerators 7 auf einen niedrigeren Wert sinkt, der, wegen seiner Abhängigkeit vom Ladezustand des Kondensators, nicht konstant bleibt (Figur 3). Weil dieser niedrigere Wert nicht gleichbleibend ist, wird die Eingangsversorgungsspannung b des Impulsgenerators nicht zwischen einem oberen und einem unteren vorbestimmten Wert geschaltet. Die Eingangsversorgungsspannung a des Sendeteils 2 dagegen wird zwischen einem oberen vorbestimmten Wert, der lediglich wegen der Aufladung des Kondensators nicht sofort den maximalen Wert erreicht, und einem vorbestimmten unteren Wert von null Volt geschaltet. Somit entspricht die Gesamtheit des Sendeteils 2 der D6a dem Sender gemäß Anspruch 1.

2.4. Der Sendeteil 2 der D6a ist über eine Leitung 10 mit einem Empfänger 1 verbunden und eine den Sendeteil speisende Spannungsversorgungseinrichtung 5 ist am gleichen Ende der Leitung wie der Empfänger angeordnet. Der Sendeteil moduliert seine Eingangsspannung a in Abhängigkeit von einem zu übertragenden Signal (Seite 4, Zeilen 17, 18) und der Empfänger detektiert die Modulation der Eingangsversorgungsspannung (Seite 4, Zeilen 19 bis 22). Somit sind sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aus D6a bekannt. Wie schon unter obigem Punkt 2.3 erwähnt, offenbart D6a ferner das erste kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1, daß der Sender seine Eingangsversorgungsspannung in Abhängigkeit von einem zu übertragenden Signal zwischen einem vorbestimmten ersten Wert und einem vorbestimmten zweiten Wert hin- und herschaltet.

2.5. Bei der ersten Ausführungsform der D6a kann es unter Umständen zu einer Störung kommen, weil die Entladungsspannung des Kondensators zu niedrig wird oder zu stark variiert (Seite 7 oben). Diese Störanfälligkeit soll bei den anderen Ausführungsformen vermieden werden. Weil bei den verschiedenen Ausführungsformen die ersten und zweiten Werte jedoch gegenüber der ersten Ausführungsform offensichtlich ungeändert bleiben, betrifft der störungsfreie Betrieb nicht die Werte der modulierten Eingangsversorgungsspannung, sondern den verbesserten Entladungszustand des Kondensators. Somit ist das Merkmal, daß die vorbestimmten ersten und zweiten Werten "so wählbar sind", daß der Sender auch von der modulierten Eingangsversorgungsspannung ausreichend versorgt wird, aus D6a nicht bekannt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber D6a daher neu.

2.6. Auch gegenüber D7 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu, weil dann, wenn man die "base unit" 100 als Sendeteil betrachtet, die Spannungsquelle 134 am gleichen Ende der Leitung 120B angeordnet ist wie der die Eingangsversorgungsspannung eines am gegenüberliegenden Ende der Leitung angeordneten Empfängers 110 modulierende Sender 100. Die Neuheit gegenüber D7 wurde während des Beschwerdeverfahrens auch nicht bestritten.

2.7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 und damit auch der Ansprüche 2 bis 10 ist daher neu (Artikel 52 (1), 54. (1), (2) EPÜ).

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Beide Parteien und auch die Kammer stimmen darin überein, daß der nächstliegende Stand der Technik aus D6a bekannt ist. Wie schon unter dem Abschnitt Neuheit festgestellt wurde, sind nicht nur alle Merkmale des Oberbegriffs, sondern auch das kennzeichnende Merkmal, daß "der Sender seine Eingangsversorgungsspannung in Abhängigkeit von einem zu übertragenden Signal zwischen einem vorbestimmten ersten Wert und einem vorbestimmten zweiten Wert hin- und herschaltet" aus D6a bekannt. Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem der D6a dadurch, daß die ersten und zweiten Werte "so wählbar sind, daß der Sender auch von der modulierten Eingangsversorgungsspannung ausreichend versorgt wird."

3.2. Bei dem Signalübertragungssystem gemäß D6a ist der Betrieb des Sendeteils von der Entladungsspannung des Kondensators abhängig. Bei dem Signalübertragungssystem gemäß Streitanspruch 1 reicht dagegen die modulierte Eingangsversorgungsspannung allein für den störungsfreien Betrieb aus. Somit besteht die durch den Gegenstand des Anspruchs 1 gelöste Aufgabe darin, einen störungsfreien Betrieb des Senders unter allen Umständen zu gewährleisten. Diese Problematik wurde schon in D6a erwähnt (Seite 7 oben), weshalb die Aufgabenstellung grundsätzlich nicht neu ist. Nach Auffassung der Kammer war es für den Fachmann jedoch ausgehend von der D6a nicht naheliegend, zu der Lösung gemäß Anspruch 1 zu kommen, wie im folgenden erläutert wird.

3.3. D7 offenbart ein Signalübertragungssystem, bei dem eine Basiseinheit 100 mit einigen Teilnehmereinheiten 110 bis 119 über eine Leitung 120B verbunden ist. Eine Spannungsquelle 134 liefert eine 30 Volt Versorgunsspannung über diese Leitung zu jeder Teilnehmereinheit. Zusätzlich dazu sendet die Basiseinheit ein aufmoduliertes "Tally"-Signal von 1. Volt. Bei Betrachtung im Sinne des Streitanspruchs 1, bei dem die Spannungsquelle am gleichen Ende der Übertragungsleitung wie der Empfänger angeordnet ist, sind die Basiseinheit als Empfänger und jede Teilnehmereinheit als Sender zu bezeichnen. Die Teilnehmereinheiten modulieren jedoch nicht die Versorgungsspannung, sondern sie erzeugen Signale mittels eines Stromerzeugers 142 (Spalte 3, Zeilen 51 bis 55). Die Kombination der Modulation der Versorgungsspannung mit der Modulation von Strom dient der Vermeidung von Störeinflüssen (Spalte 4, Zeilen 43 bis 56). Da die Teilnehmereinheiten Signale mittels Stromimpulsen übertragen, tritt das Problem der ausreichenden Spannungsversorgung der Teilnehmereinheiten nicht auf und wird in D7 auch nicht erwähnt. Zwar wird bedingt durch die Stromimpulse eine gewisse Spannungsmodulation von ungefähr 50mV (Spalte 4, Zeile 54) von den Sendern erzeugt, aber dieser Wert wird lediglich in Zusammenhang mit der Vermeidung von Störeinflüssen in Kombination mit dem verhältnismäßig viel höheren Wert des aufmodulierten Spannungssignals erwähnt (Spalte 4, Zeilen 51 bis 55). Die Kammer ist daher der Auffassung, daß der Fachmann aus D7 keine Lehre hinsichtlich der Lösung gemäß Anspruch 1 des Streitanspruchs 1 herleiten kann.

3.4. Zwar trifft es zu, daß eine ausreichende Spannungsversorgung des Empfängers in D7 ebenfalls vorhanden ist, doch wäre dadurch die beanspruchte Lösung mangels eines Hinweises auf die Aufgabe allenfalls in Kenntnis des Streitpatents herleitbar. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß es hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit unerheblich ist, auf welcher Seite (Sender oder Empfänger) die Spannungsquelle angeordnet ist und daß die Basiseinheit als ein eine modulierte Versorgungsspannung speisender Sender zu betrachten ist, ist für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ohne Belang, weil dadurch die oben erwähnte Gesamtlehre der D7 für den Fachmann nicht geändert wird.

3.5. Die bekannte Aufgabe wurde zwar in D6a in verschiedenen Ausführungsformen schon weitgehend gelöst, wobei allerdings komplexere Ausgestaltungsformen vorgeschlagen wurden, um einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten (Seite 6, Zeilen 20 bis 25; Seite 7; Seite 8, Zeilen 7 bis 10). Die Offenbarung der D6a selbst ist somit ein Indiz dafür, daß der Fachmann zum beanspruchten Gegenstand nicht allein aufgrund seines allgemeinen Fachwissens gelangen konnte. Nach Auffassung der Kammer ist die beanspruchte Lösung der Aufgabe zwar einfach, geht jedoch ohne Vorkenntnis des Streitpatents über das allgemeine Fachwissen hinaus. Ferner ist bezüglich des allgemeinen Fachwissens bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit die Gefahr der ex post Betrachtung ständig im Auge zu behalten. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern reicht es für eine Verneinung der erfinderischen Tätigkeit nicht aus, daß der Fachmann zu dem beanspruchten Gegenstand hätte gelangen können, sondern es kommt darauf an, ob er aufgrund der Lehren des Standes der Technik dazu gelangen würde. Die Beschwerdeführerin hat die Kammer in dieser Hinsicht aus den obigen Gründen nicht überzeugen können.

3.6. Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 und damit auch der Ansprüche 2 bis 10 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1), 56 EPÜ).

Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein Eingehen auf den Hilfsantrag.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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