T 0089/97 () of 17.1.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T008997.20000117
Datum der Entscheidung: 17 Januar 2000
Aktenzeichen: T 0089/97
Anmeldenummer: 90102836.5
IPC-Klasse: B43K 24/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schreibgerät
Name des Anmelders: MERZ + KRELL GMBH U. CO.
Name des Einsprechenden: (01) Fa. Klio-Eterno Schreibgeräte GmbH & Co. KG
(02) rou-bill GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
European Patent Convention 1973 Art 83
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja), Ausführbarkeit (ja)
Inventive step (yes)
Enabling disclosure (yes)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 19. Dezember 1996 über den Widerruf des Patents Nr. 388 632 Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) in Verbindung mit den Artikeln 54 bzw. 56 EPÜ (mangelnde Neuheit bzw. erfinderische Tätigkeit) und auf Artikel 100 b) in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ (mangelnde Ausführbarkeit) angegriffen worden.

II. Der Anspruch 1, wie erteilt, lautet:

"Schreibgerät, insbesondere Kugelschreiber, mit einer innerhalb eines Schaftes (1) zwischen einer Rückzugsstellung und einer Schreibstellung längsverschiebbar aufgenommenen Mine (2) oder dergleichen, mit einem Drücker (3) zur Betätigung der Mine (2) sowie einer Schalteinrichtung, mittels welcher die Mine (2) zwischen den genannten Stellungen überführbar und in diesen unter Mitwirkung einer Feder (5) verrastbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Schalteinrichtung aus einem innerhalb des Schaftes (1) fest angeordneten Einsetzteil (7) und einer beweglichen, vorzugsweise einstückig mit dem Drücker (3) ausgebildeten Betätigungseinrichtung (4) besteht, daß die Betätigungseinrichtung (4) zumindest ein elastisch auslenkbares, zur Verrastung mit dem Einsetzteil (7) bestimmtes Bauteil aufweist und daß den Verrast- bzw. Entrastbewegungen des genannten Bauteils jeweils unterschiedliche Ebenen zugeordnet sind."

III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ) der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegenstünde.

Ihre Auffassung hat die Einspruchsabteilung im wesentlichen wie folgt begründet:

Das Merkmal des erteilten Anspruchs 1

"den Verrast- bzw. Entrastbewegungen des genannten Bauteils sind jeweils unterschiedliche Ebenen zugeordnet"

sei so zu verstehen, daß das auslenkbare Bauteil während der gesamten Verrastbewegung und der gesamten Entrastbewegung jeweils nur in einer Ebene bewegt werde, wobei diese Bewegungsebenen unterschiedlich voneinander seien.

Diese beanspruchte Art der Bewegung stehe im Widerspruch zu den Ausführungsbeispielen des Patents, welche zeigten, daß zwar die Verrastbewegung des auslenkbaren Bauteils nur in einer Ebene verlaufe, daß aber die Entrastbewegung dieses Bauteils mehreren Ebenen zugeordnet sei, worunter sich auch dieselbe Ebene befinde, in der das Bauteil beim Verrastvorgang bewegt werde.

Es zeige sich also, daß das Merkmal, daß dem Verrast- und dem Entrastvorgang ausschließlich unterschiedliche Bewegungsebenen zugeordnet seien, technisch nicht realisierbar sei.

Somit sei die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen könne.

IV. Der Beschwerdeführer hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Einspruchsabteilung habe die mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung auf einen angeblichen Widerspruch zwischen dem erteilten Anspruch 1 und den Ausführungsbeispielen gestützt. Diese Betrachtungsweise sei nicht gerechtfertigt, weil ein Widerspruch zwischen Anspruch und Beschreibung unter dem Aspekt der mangelnden Klarheit des Anspruchs zu behandeln sei, wobei zur Auslegung des Inhalts des Anspruchs gemäß Artikel 69 (1) EPÜ die Beschreibung und die Zeichnungen herangezogen werden müßten.

Im vorliegenden Fall gebe der Gesamtinhalt der Patentschrift dem Fachmann eine hinreichend klare Vorstellung darüber, daß das von der Einspruchsabteilung beanstandete Merkmal so auszulegen sei, daß die Entrastbewegung des elastischen Bauteiles zwar anfänglich in der gleichen Ebene wie die Verrastbewegung erfolge, daß jedoch der überwiegende Teil der Entrastbewegung in einer anderen, zu der Ebene der Verrastbewegung senkrechten Ebene erfolge.

Mit dieser Auslegung des Anspruchs 1 des Patents erhalte der Fachmann eine deutliche Lehre darüber, wie die beanspruchte Erfindung auszuführen sei.

V. Der Beschwerdeführer hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten (Hauptantrag) oder, hilfsweise, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrechtzuerhalten.

VI. Beide Beschwerdegegner (Einsprechende) haben ihre Einsprüche zurückgenommen:

Der Einsprechende 01 am 25. Oktober 1999 und der Einsprechende 02 am 29. Oktober 1999.

Entscheidungsgründe

1. Da beide Beschwerdegegner (Einsprechende) ihre Einsprüche zurückgenommen haben, sind sie am Beschwerdeverfahren nicht mehr beteiligt.

2. Ausführbarkeit der Erfindung (Artikel 100 b) EPÜ)

2.1. Die Einspruchsabteilung war der Ansicht, daß das Merkmal des Anspruchs 1 des erteilten Patents

"daß den Verrast- bzw. Entrastbewegungen des elastisch auslenkbaren Bauteils jeweils unterschiedliche Ebenen zugeordnet sind"

so zu verstehen sei, daß das auslenkbare Bauteil während des gesamten Verrastvorganges und während des gesamten Entrastvorganges jeweils nur in einer Ebene bewegt werde, wobei diese Bewegungsebenen unterschiedlich voneinander seien.

Dieses Merkmal entspreche nicht den Bewegungen gemäß den Ausführungsbeispielen nach Spalte 5, Zeilen 32 bis 45, Spalte 7, Zeile 44 bis Spalte 8, Zeile 6 und Figuren 1, 2, 4 und 8 bis 11 des angefochtenen Patents, wonach beim Entrastvorgang, d. h. während der Überführung der Mine von der Schreibstellung in die Rückzugsstellung, das auslenkbare Bauteil zu Beginn des Entrastvorganges sich in der gleichen Ebene bewege wie während des Verrastvorganges und erst anschließend in einer zur Ebene des Verrastvorganges senkrechten Ebene geführt werde.

Beide Ausführungsbeispiele der Erfindung gemäß der Beschreibung und den Zeichnungen zeigten also, daß zwar die Verrastbewegung des elastisch auslenkbaren Bauteils nur in einer Ebene verlaufe, die Entrastbewegung dagegen aber mehreren Ebenen zugeordnet sei, worunter sich dieselbe Ebene, in der das Bauteil beim Verrastvorgang bewegt werde, befinde.

Der Gegenstand des Anspruchs 1, der als wesentliches Merkmal beinhalte, daß dem Verrast- und Entrastvorgang ausschließlich unterschiedliche Bewegungsebenen des auslenkbaren Bauteils zugeordnet seien, stehe daher im Widerspruch zu den Ausführungsbeispielen des Patents und sei technisch nicht realisierbar.

2.2. Die Kammer kann sich dieser Ansicht der Einspruchsabteilung aus folgenden Gründen nicht anschließen:

Der Wortlaut des Merkmals des Anspruchs 1 des erteilten Patents

"daß den Verrast- bzw. Entrastbewegungen des elastisch auslenkbaren Bauteils jeweils unterschiedliche Ebenen zugeordnet sind"

sagt nicht aus, daß während des gesamten Entrastvorganges das auslenkbare Bauteil ausschließlich in einer einzigen Ebene bewegt wird. Was mit dem Ausdruck "Verrast- bzw. Entrastbewegungen" gemeint ist, erschließt sich dem Fachmann, der gemäß Artikel 69 EPÜ zur Auslegung des Anspruchs 1 die Beschreibung heranzieht, beim Lesen der Beschreibung der Ausführungsbeispiele und Betrachten der diesbezüglichen Zeichnungen des Patents.

Hieraus entnimmt der Fachmann, daß das auslenkbare Bauteil während des Verrastvorganges, d. h. während der Überführung der Mine in die Schreibposition, in einer einzigen Ebene, nämlich der Zeichenebene der Figuren 1 und 2, bewegt wird (vgl. die Patentschrift, Spalte 5, Zeilen 3 bis 31 und Figuren 1 und 2).

Des weiteren entnimmt der Fachmann der Beschreibung des Ausführungsbeispiels gemäß den Figuren 1 und 2 in Spalte 5, Zeilen 32 bis Spalte 6, Zeilen 6, daß während des Entrastvorganges, d. h. während der Überführung der Mine in die Rückzugsstellung, das auslenkbare Bauteil nach einer anfänglichen Bewegung in der Zeichenebene der Figuren 1 und 2 anschließend, während des eigentlichen Rückhubes der Mine, in einer zu der Zeichenebene der Figuren 1 und 2 senkrechten Ebene bewegt wird. Der Fachmann erfährt aus der genannten Textstelle des Patents auch, daß das Einsetzteil und das auslenkbare Bauteil speziell ausgebildete Kurventeile und Schaltzähne aufweisen, welche die im Anspruch 1 beanspruchten, unterschiedlichen Ebenen zugeordneten Verrast- bzw. Entrastbewegungen des auslenkbaren Bauteils bewirken und daß die hierdurch hervorgerufene Entrastbewegung des Bauteils den eigentlichen Rückhub der Mine begleitet.

2.3. Die Kammer kann daher weder einen Widerspruch zwischen dem Wortlaut des Anspruchs 1 und der Beschreibung der Ausführungsbeispiele noch einen Mangel an Offenbarung zur Ausführbarkeit der Erfindung erkennen.

Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ ist daher nicht gerechtfertigt.

3. Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ)

3.1. Neuheit

Vom nächstkommenden Stand der Technik gemäß der Entgegenhaltung E6 unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 durch folgende Merkmale:

a) daß die Schalteinrichtung ein innerhalb des Schaftes fest angeordnetes Einsetzteil aufweist,

b) mit welchem das elastisch auslenkbare Bauteil der Betätigungseinrichtung verrastbar ist und

c) daß den Verrast- bzw. Entrastbewegungen des genannten Bauteils jeweils unterschiedliche Ebenen zugeordnet sind.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu.

3.2. Erfinderische Tätigkeit

3.2.1. Aufgabe und Lösung

Die gegenüber dem Stand der Technik gemäß E6 neuen Merkmale lösen die Aufgabe, die Mechanik der Schalteinrichtung fertigungstechnisch und im Hinblick auf eine einfache Montage zu verbessern und eindeutig geführte Schaltbewegungen zu ermöglich (vgl. Spalte 1, Zeilen 14 bis 18 und Zeilen 46 bis 53 der Patentschrift).

3.2.2. Der Stand der Technik gibt keinen Hinweis auf den Gegenstand des Anspruchs 1 mit den oben genannten Merkmalen (a), b) und c)).

Bei dem Schreibgerät gemäß E6 wird eine elastisch auslenkbare Schaltstange zur Verrastung und Entrastung in Vertiefungen bzw. Nuten in der Schaftwandung bewegt, wobei sie zum Verrasten in Längsrichtung entlang des Schaftes und zum Entrasten kurvenförmig auf der Schaftwandung bewegt wird. Den Verrast- bzw. Entrastbewegungen der Schaltstange jeweils unterschiedliche Ebenen zuzuordnen, wäre mit dem Schaltprinzip der Schaltstange gemäß E6 nicht vereinbar.

Die Entgegenhaltungen E1 und E5 weisen zwar Schalteinrichtungen auf, bei denen eine Schaltstange während des Verrast- bzw. Entrastvorganges Bewegungen in zueinander senkrechten Ebenen ausführt. Jedoch werden hierbei die Bewegungen der Schaltstange nicht durch ein im Schaft montierbares Einsetzteil festgelegt, sondern durch Steuerkurven, die als Durchbrüche in der Schaftwandung gebildet sind. Derartige Durchbrüche sind fertigungstechnisch jedoch aufwendig.

Daher führt auch eine Zusammenschau der Lehren der Entgegenhaltungen E1, E5 und E6 den Fachmann nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1.

3.2.3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

Das gleiche gilt auch für die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 10, welche vorteilhafte Weiterbildungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 betreffen.

3.3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt daher eine patentfähige Erfindung im Hinblick auf Artikel 52 (1) EPÜ dar, so daß auch der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ nicht durchgreift.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.

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