T 0012/97 (Dialysierlösung/BARTZ) of 28.1.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T001297.20000128
Datum der Entscheidung: 28 Januar 2000
Aktenzeichen: T 0012/97
Anmeldenummer: 91100318.4
IPC-Klasse: A61K 33/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bicarbonat und Calcium enthaltende Infusions- und Dialysierlösung
Name des Anmelders: Bartz, Volker
Name des Einsprechenden: FRESENIUS AG
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
Schlagwörter: Neuheit - nein - alle Lösungsparameter und Stabilitätskriterien vorbeschrieben
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 91 100 318.4 wurde das europäische Patent Nr. 0 437 274 mit acht Ansprüchen erteilt. Die Ansprüche 1 und 2 lauten wie folgt:

"1. Infusions- und Dialysierlösung, enthaltend Bicarbonat und Calciumionen und gegebenenfalls weitere Elektrolyte und Zusatzstoffe, wobei der pH-Wert in einem vorgegebenen Bereich um 7 gehalten wird, dadurch gekennzeichnet, daß die gebrauchsfertige Infusions- und Dialysierlösung einen Gehalt eines physiologischen Puffergemisches aus einem organischen Puffersystem und gegebenenfalls einer anorganischen Base oder Säure in einer Konzentration von 10 bis 200 mmol/l aufweist, der den CO2-Partialdruck in dieser Infusions- und Dialysierlösung konstant über 87.8 x 102 Pa (66 mm Hg) hält, und daß der Bicarbonationengehalt wenigstens 30. mmol/l beträgt.

2. Infusions- und Dialysierlösung, enthaltend Bicarbonat und Calciumionen und gegebenenfalls weitere Elektrolyte und Zusatzstoffe, wobei der pH-Wert in einem vorgegebenen Bereich um 7 gehalten wird, dadurch gekennzeichnet, daß die gebrauchsfertige Infusions- und Dialysierlösung einen Gehalt eines physiologischen Puffergemisches aus einem organischen Puffersystem und gegebenenfalls einer anorganischen Base oder Säure in einer Konzentration von 10 bis 200 mmol/l aufweist, der den pH-Wert dieser Infusions- und Dialysierlösung konstant im Bereich von 6,8 bis 7,6 hält, und daß der Bicarbonationengehalt wenigstens 30 mmol/l beträgt."

II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Artikel 100 a) und 100 b) EPÜ wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes des Streitpatents sowie wegen mangelnder Ausführbarkeit der dem Streitpatent zugrundeliegenden Erfindung Einspruch eingelegt.

III. Die Einspruchsabteilung hat mit der am 25. November 1996 zur Post gegebenen Entscheidung den Einspruch gemäß Artikel 102 (2) EPÜ zurückgewiesen.

Die Einspruchsabteilung hat unter anderem ausgeführt, daß insbesondere keine der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen "eine Infusions- und Dialysierlösung offenbart, die einen konstanten CO2-Partialdruck über 87.8. x 102 Pa zeigt bzw. den pH-Wert konstant im Bereich von 6,8 bis 7,6 hält".

Da der bekannte Stand der Technik auch keine Anregung gebe, mittels eines höheren Gehaltes an organischem Puffersystem besagten konstanten CO2-Partialdruck bzw. pH-Wert einzustellen, könne dem Gegenstand des Streitpatentes nicht nur die notwendige Neuheit sondern auch erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden.

IV. Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben und in der Begründung unter Nennung der zusätzlichen Entgegenhaltung

(11) EP-A-0 277 868

den Einwand mangelnder Neuheit des Gegenstandes der Ansprüche 1 und 2 des Streitpatents aufrechterhalten.

Die mangelnde Neuheit dieser Ansprüche ergebe sich insbesondere aus der in den Tabellen 2 und 7 der Entgegenhaltung (11) offenbarten Dialysierlösung, wobei aus der Hydrogencarbonatmenge der Einwaage und der in Lösung vorliegenden Menge an dissoziierten Hydrogencarbonationen der CO2-Partialdruck der fertigen Lösung bestimmbar sei.

V. Der Beschwerdegegner (Inhaber des Streitpatents) hat zu der Beschwerdebegründung nicht Stellung genommen und im Schreiben datiert 19. Dezember 1997, eingegangen am 23. Dezember 1997 mitgeteilt, daß er sich auf das erstinstanzliche Vorbringen und den Beschluß der Einspruchsabteilung beziehe.

VI. Mit Bezug auf die hilfsweisen Anträge sowohl der Beschwerdeführerin als auch des Beschwerdegegners hat die Kammer für den 25. Januar 2000 eine mündliche Verhandlung anberaumt.

VII. Der Beschwerdegegner hat mit Schreiben, datiert 14. Oktober 1999, eingegangen am 15. Oktober 1999, seinen Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und mitgeteilt, daß er an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.

VIII. Am 20. Januar 2000 hat die Kammer die Parteien benachrichtigt, daß der anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben worden sei.

IX. Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents beantragt.

Der Beschwerdegegner hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die von der Beschwerdeführerin erstmalig in der Beschwerdebegründung genannte Entgegenhaltung (11) offenbart in Verbindung mit den Ausführungsbeispielen, vgl. insbesondere Beispiel 2, praktisch zeitkonstante pH-Wertangaben und Hydrogencarbonationenkonzentrationen über mehrere Monate als Stabilitätskriterien für Dialysierlösungen und kann somit eindeutig als Antwort auf die Neuheitsbegründung der Einspruchsabteilung gesehen werden, gemäß der der im Verfahren befindliche Stand der Technik solche Angaben nicht aufweise. Die Entgegenhaltung (11) ist somit bezüglich dieses Offenbarungsgehaltes als relevanter als alle anderen zuvor in diesem Verfahren genannten Entgegenhaltungen anzusehen. Überdies hatte der Beschwerdegegner nach Aktenlage mehr als zwei Jahre, also genügend Zeit zur Entgegenhaltung (11) Stellung zu nehmen. Unter diesen Umständen sieht die Kammer keinen Grund, die Entgegenhaltung (11) für die vorliegende Entscheidung unberücksichtigt zu lassen.

3. Die Entgegenhaltung (11) betrifft Dialysierlösungen, mit bis zu 18 Monaten nachgewiesener Stabilität, wobei in diesem Zeitraum weder pH-Wert- noch Calcium-, Magnesium- und Bicarbonationenveränderungen zu verzeichnen sind, so daß gebrauchsfertige Lösungen ohne Carbonatpräzipitate vorliegen (vgl. insbes. Anspruch 1 sowie Beispiel 2, Seite 12, Zeilen 48 bis 55, in Verbindung mit den Angaben der Tabelle 7).

Gemäß Tabelle 7 weist die Lösung nach Zubereitung in gebrauchsfertiger Form einen pH-Wert von 7,1 auf und enthält 32,8 mmol/l Bicarbonationen, 1,74 mmol/l Calciumionen sowie 50,5 mmol/l Glycylglycin als organisches Puffersystem. Der pH-Wert dieser Lösung schwankt innerhalb der aufgelisteten Meßperiode von 18. Monaten um maximal 0,1 pH-Einheiten.

Die Beschwerdeführerin hat zwar mit der Beschwerdebegründung ein Fachbuch eingereicht, das zeigt, daß Glycylglycin, als organisches Puffersystem mit allen physikalisch chemischen Daten dem Fachmann vor dem Prioritätstag des Streitpatents bekannt war, die Kammer ist jedoch überzeugt, daß im Rahmen der vorliegenden Entscheidung ein Verweis auf einen druckschriftlichen Stand der Technik hierzu nicht erforderlich ist, da die entsprechenden Eigenschaften von Glycylglycin vor dem Prioritätstag des Streitpatents dem allgemeinem Fachwissen zuzurechnen sind.

Da Anspruch 2 des Streitpatents weder auf definierte Dissoziationskonstanten bzw. pK-Werte des einzusetzenden organischen Puffersystems eingeschränkt ist, noch Absolutschwankungen der pH-Werteinheiten vorgibt, kann die Kammer nur dem Sachvortrag der Beschwerdeführerin folgen und schließen, daß der beanspruchte Gegenstand neuheitsschädlich durch den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (11) vorweggenommen wird und demzufolge den Erfordernissen des Artikels 54 (1) EPÜ nicht genügt.

4. Aus diesen Gründen erübrigt es sich, auf den Sachvortrag der Beschwerdeführerin zu mangelnder Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 näher einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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