T 0690/96 () of 10.12.1998

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1998:T069096.19981210
Datum der Entscheidung: 10 Dezember 1998
Aktenzeichen: T 0690/96
Anmeldenummer: 88102800.5
IPC-Klasse: H05K 13/00
H05K 3/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorichtung zur Behandlung von elektrischen Leiterplatten
Name des Anmelders: Gebr. Schmid GmbH & Co.
Name des Einsprechenden: Atotech Deutschland GmbH
FSL Finishing Services Ltd.
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
European Patent Convention 1973 Art 114
Schlagwörter: Ausführbarkeit (bejaht)
Zulässigkeit eines im Beschwerdeverfahren angeführten Dokuments (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0156/84
T 0258/84
T 0273/84
T 0326/87
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende IV) legte gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die Einsprüche gegen das Europäische Patent Nr. 0 329 807 mit der Anmeldenummer 88 102 800.5 zurückzuweisen, Beschwerde ein.

II. In das Einspruchsverfahren wurden Gründe nach Artikel 100 b), nämlich Ausführbarkeit, und nach Artikel 100 a) EPÜ, nämlich fehlende Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Patents, eingeführt.

III. Die Druckschriften

IV/D12: US-A-4 622 917,

IV/D13: EP-B-0 212 253,

IV/D14: Galvanotechnik 74, Nr. 10 (1983), S. 1259-1264, und

IV/D15: Müller, G. Chemische Bohrlochreinigung von Multilayern mit Schwefelsäure. VDI/VDE "Leiterplatte 86", Fachtagung Karlsruhe, Ber. S. 66-73,

wurden von der Beschwerdeführerin erstmalig in der Beschwerdebegründung genannt.

IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Ansicht mit, daß dem Fachmann durch das Patent mindestens ein Weg zur Ausführung der Erfindung aufgezeigt wäre und daß sich die diesbezüglichen Einwendungen der Beschwerdeführerin auf die Klarheit der Ansprüche und nicht auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ bezögen. Ferner müßte die Druckschrift DIV/12 wegen ihrer Relevanz voraussichtlich zugelassen werden.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen, hilfsweise die Sache zur weiteren Prüfung der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit an die erste Instanz zurückzuverweisen. Ferner beantragte sie eine mündliche Verhandlung für den Fall, daß diesem Antrag auf Zurückverweisung nicht stattgegeben werden sollte.

Die Einsprechenden I und II hatten während des Einspruchsverfahrens ihre Einsprüche zurückgezogen. Die Verfahrensbeteiligte (Einsprechende III) hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent mit folgenden Patentunterlagen aufrechtzuerhalten:

Hauptantrag: Unterlagen wie erteilt;

Hilfsantrag I: Beschreibung und Ansprüche 1 bis 8 gemäß dem auf den 3. April 1997 datierten Brief; Figuren wie erteilt;

Hilfsantrag II: Beschreibung und Ansprüche 1 bis 7 gemäß dem auf den 3. April 1997 datierten Brief; Figuren wie erteilt.

Sie beantragte ferner, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, falls eine Entscheidung den Widerruf des Patentes beinhalten würde.

VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin werden wie folgt zusammengefaßt:

Der Einwand mangelnder Ausführbarkeit der technischen Lehre des Patents wird nicht weiter aufrechterhalten.

Die erst im Beschwerdeverfahren genannte Druckschrift IV/D12 steht den Gegenständen der (erteilten) Ansprüche 1. und 2 neuheitsschädlich entgegen und ist daher wegen ihrer vorrangigen Relevanz trotz des späten Vorbringens im weiteren Verfahren zu berücksichtigen. Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 3 sind auch noch IV/D13 bis IV/D15 relevant.

VIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin werden wie folgt zusammengefaßt:

Die Patentschrift enthält eine für die Nacharbeitbarkeit ausreichende Beschreibung des Inhalts der Ansprüche.

Die erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgelegten Dokumente sind nicht während der Einspruchsfrist und damit nicht rechtzeitig genannt worden. Sollten diese Dokumente dennoch von Amts wegen zu berücksichtigen sein, wäre ggf. die Sache zur Vermeidung eines Instanzenverlust an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Offenbarung der Erfindung (Artikel 100 b) EPÜ)

Nach Überprüfung des angegriffenen Patents ist die Kammer zu der Ansicht gelangt, daß dieses die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann. Da die ausreichende Offenbarung der Erfindung nicht mehr strittig ist, ist es nicht erforderlich, die Gründe für diese Ansicht im einzelnen darzulegen.

3. Verspätetes Vorbringen von Beweismitteln (Artikel 114 EPÜ)

3.1. Entsprechend Artikel 114 (1) EPÜ muß das EPA den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln, wobei es weder auf das Vorbringen noch auf die Anträge der Beteiligten beschränkt ist; jedoch muß es Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht berücksichtigen (siehe Artikel 114 (2) EPÜ). Im Spannungsfeld dieser zwei Absätze des Artikels 114 hat der Absatz (1) Vorrang vor dem Absatz (2) (vgl. z. B. die Entscheidung T 0156/84, ABl. EPA 1988, 372). Wichtigstes Kriterium bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer verspätet eingereichten Druckschrift ist deren Relevanz, also ihre Beweiskraft gegenüber den bereits eingeführten Beweismitteln bzw. die Frage, ob sie für den Ausgang des Verfahrens voraussichtlich entscheidend sein würde oder nicht (vgl. z. B. die Entscheidung T 0258/84, ABl. EPA 1987, 119).

3.2. Die erst im Beschwerdeverfahren vorgelegte Druckschrift IV/D12 scheint so relevant zu sein, daß sie die Neuheit der Gegenstände des erteilten (einzigen unabhängigen) Anspruchs 1 und des (abhängigen) Anspruchs 2 in Frage stellt. Sie ist anscheinend auch deutlich relevanter als der im Einspruchsverfahren genannte Stand der Technik.

Die Druckschriften IV/D13 bis IV/D15 scheinen im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 3 von Bedeutung zu sein.

3.3. Deshalb kann die Einführung der Druckschriften IV/D12 bis IV/D15 in das Verfahren trotz des späten Vorbringens nicht abgelehnt werden.

4. Da die Dokumente IV/D12 bis IV/D15 erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegt worden sind, aber hinreichend relevant sind, um den Bestand des Patents zu gefährden, und damit kein Instanzenverlust entsteht, verweist die Kammer in Ausübung der Befugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ die Sache an die erste Instanz zurück (vgl. die Entscheidungen T 0326/87, ABl. EPA 1992, 522, T 0258/84, ABl. EPA 1987, 119, und T 0273/84, EPA ABl. 1986, 346).

5. Gemäß den Anträgen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin sollte dann mündlich verhandelt werden, wenn die Sache nicht an die erste Instanz zur weiteren Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit zurückverwiesen würde bzw. wenn die Entscheidung den Widerruf des Patentes beinhaltete. Da beides nicht zutrifft, war es nicht notwendig, vor dieser Entscheidung eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung mit der Auflage zurückverwiesen, das Verfahren auf der Grundlage der Unterlagen gemäß den Anträgen der Beschwerdegegnerin (vgl. Punkt VI.) und unter Beachtung der Punkte 2. und 3.3. der Entscheidungsgründe fortzusetzen.

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