T 0531/96 (Prostaglandinderivate/SCHERING) of 20.6.2000

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T053196.20000620
Datum der Entscheidung: 20 Juni 2000
Aktenzeichen: T 0531/96
Anmeldenummer: 88730162.0
IPC-Klasse: C07C 405/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: 9-Halogen-(Z)-prostaglandinderivate, Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung als Arzneimittel
Name des Anmelders: SCHERING AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: SHOJI, Midori
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Ausführbarkeit der Offenbarung (ja) - allgemeines Fachwissen
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und erster Hilfsantrag (nein) - naheliegende Lösung; zweiter Hilfsantrag (ja) - nicht naheliegende Lösung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/93
T 0182/89
T 0671/94
T 0615/95
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 28. Februar 1996 verkündete und am 10. April 1996 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen.

Anspruch 1 des Streitpatents in erteilter Fassung lautete:

"9-Halogen-(Z)-Prostaglandinderivate der Formel I

FORMEL (I)

worin

Z den Rest

Hal ein alpha- oder ß -ständiges Chlor- oder Fluoratom,

R1 den Rest CH2OH oder

FORMEL

mit R2 in der Bedeutung eines Wasserstoffatoms, eines Alkyl-, Cycloalkyl-, Aryl- oder heterocyclischen Restes oder R1 den Rest

FORMEL

mit R3 in der Bedeutung eines Säurerestes oder des Restes R2 und

A eine -CH2-CH2-, eine trans-CH=CH- oder eine -C=C-Gruppe,

W eine freie oder funktionell abgewandelte Hydroxymethylengruppe oder eine freie oder funktionell abgewandelte

FORMEL

wobei die jeweiligen OH-Gruppen alpha- oder ß-ständig sein können,

D und E gemeinsam eine direkte Bindung oder

D eine geradkettige mit 1-10, eine verzweigtkettige mit 2-10 oder eine ringförmige Alkylengruppe mit 3-10 C-Atomen, die gegebenenfalls durch Fluoratome substituiert sein können, und

E ein Sauerstoff- oder Schwefelatom, eine direkte Bindung, eine -C=C- Bindung oder eine -CR6=CR7-Gruppe darstellt, wobei R6 und R7 sich unterscheiden und ein Wasserstoffatom, ein Chloratom oder eine C1-C4-Alkylgruppe bedeuten,

R4 eine freie oder funktionell abgewandelte Hydroxygruppe,

R5 ein Wasserstoffatom, eine Alkyl-, eine Halogen-substituierte Alkyl-, eine Cycloalkyl-, eine gegebenenfalls substituierte Aryl- oder eine heterocyclische Gruppe, und falls R2 die Bedeutung eines Wasserstoffatoms hat, deren Salze mit physiologisch verträglichen Basen bedeuten und deren Cyclodextrinchlathrate."

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß das Streitpatent die Herstellung der beanspruchten Verbindungen ausreichend offenbare und daß dem Stand der Technik nicht entnommen werden könne, daß die beanspruchten 3-Oxa-prostaglandinderivate gegenüber ihren 3-Methylenanaloga eine erhöhte thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung haben.

III. Während der mündlichen Verhandlung, die am 20. Juni 2000 stattfand, hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) drei Anspruchssätze mit jeweils drei Ansprüchen als ersten, zweiten und dritten Hilfsantrag eingereicht.

Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag war identisch mit dem erteilten Anspruch 1, mit der Ausnahme, daß D und E nur eine direkte Bindung und R5 nur eine geradkettige oder verzweigte Alkylgruppe mit 1-10 C-Atomen oder eine Cycloalkylgruppe, die 3-10 Kohlenstoffe im Ring enthält, darstellten.

Die Ansprüche gemäß dem zweiten Hilfsantrag lauteten:

"1. 9-Halogen-(Z)-Prostaglandinderivate der Formel I

FORMEL (I)

worin

Z den Rest

FORMEL

Hal ein alpha- oder ß-ständiges Chlor- oder Fluoratom,

R1 den Rest CH2OH oder

FORMEL

mit R2 in der Bedeutung eines Wasserstoffatoms, eines Alkyl-, Cycloalkyl-, Aryl- oder heterocyclischen Restes oder R1 den Rest

FORMEL

mit R3 in der Bedeutung eines Säurerestes oder des Restes R2 und

A eine -CH2-CH2-, eine trans-CH=CH- oder eine -C=C-Gruppe,

W eine freie oder funktionell abgewandelte Hydroxymethylengruppe oder eine freie oder funktionell abgewandelte

FORMEL

wobei die jeweiligen OH-Gruppen alpha- oder ß-ständig sein können,

D und E gemeinsam eine direkte Bindung,

R4 eine freie oder funktionell abgewandelte Hydroxygruppe,

R5 eine Cycloalkylgruppe, die 3-10 Kohlenstoffe im Ring enthält, und falls R2 die Bedeutung eines Wasserstoffatoms hat, deren Salze mit physiologisch verträglichen Basen bedeuten und deren Cyclodextrinchlathrate."

"2. Verfahren zur Herstellung der 9-Halogen-(Z)-prostaglandinderivate der Formel I gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man in an sich bekannter Weise eine Verbindung der Formel II,

FORMEL (II)

worin Z1 den Rest

FORMEL

bedeutet, die 9-OH-Gruppe alpha-oder ß-ständig sein kann und

R9 den Rest

FORMEL

mit R10 in der Bedeutung von Alkyl, Cycloalkyl, Aryl oder heterocyclischer Rest oder den Rest

FORMEL

mit R3 in der Bedeutung eines Säurerestes, eines Alkyl-, Cycloalkyl-, Aryl- oder eines heterocyclischen Restes darstellt und A, D, E und R5 die bereits oben angegebenen Bedeutungen haben, nach vorherigem Schutz freier OH-Gruppen in R4 und W.

a) über einen intermediären Sulfonsäureester mit einem Halogenid der allgemeinen Formel III,

R8X (III),

worin R8 die Bedeutung Lithium, Natrium, Kalium oder Tetraalkyl- bzw. Trialkylbenzyl-ammonium mit Alkyl als gesättigten C1-C6-Rest und X die Bedeutung Fluor oder Chlor hat oder

b) mit dem Reagenz Diethylaminoschwefeltrifluorid (DAST) zu Verbindungen der Formel I, worin Hal ein alpha- oder ß-ständiges Fluoratom ist oder mit Tetrachlorkohlenstoff bzw. Hexachlorethan/Triphenylphosphin zu Verbindungen der Formel I, worin Hal ein alph- oder ß-ständiges Chloratom ist, umsetzt und anschließend in beliebiger Reihenfolge geschützte Hydroxygruppen freisetzt und/oder freie Hydroxygruppen verestert oder verethert und/oder Doppelbindungen hydriert und/oder eine veresterte Carboxylgruppe

FORMEL

verseift und/oder eine freie Carboxylgruppe (R2 = H) in ein Amid

FORMEL

oder Salz überführt und/oder eine freie oder veresterte Carboxylgruppe

FORMEL

reduziert und/oder eine freie Carboxylgruppe (R2=H) in ein Salz überführt."

"3. Arzneimittel, bestehend aus einer oder mehreren Verbindungen gemäß Anspruch 1 und üblichen Hilfs- und Trägerstoffen."

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat geltend gemacht, daß der erste, zweite und dritte Hilfsantrag verspätet eingereicht worden seien und somit nicht mehr berücksichtigt werden sollten.

Die Beschwerdeführerin hat ferner bestritten, daß das beanspruchte Verfahren ausreichend offenbart sei, da in der ursprünglich eingereichten Anmeldung, auf der das Streitpatent beruht, in der Herstellung der Verbindungen der Formel II die Bedingungen der Lindlar-Hydrierung der Dreifachbindung zur 5,6-cis-Doppelbindung neben einer 13,14-Dreifachbindung nicht beschrieben seien und eine solche selektive Hydrierung am Prioritätstag auch nicht zum allgemeinen Fachwissen gehört habe.

Weiterhin hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, daß den Dokumenten

(A-4) GB-A-1 269 657,

(A-5) US-A-3 936 487,

(A-6) US-A-3 980 694,

(A-7) Journal of Medicinal Chemistry, 1986, Vol. 29, No. 3, Seiten 313 bis 317,

(A-8) EP-A-0 011 591,

(A-9) EP-A-0 055 208,

(A-12) US-A-4 579 958,

(B-1) Annual Reports in Medicinal Chemistry, 1976, Vol. 11, Seiten 80, 81 und 86,

(B-2) Journal of Medicinal Chemistry, 1977, Vol. 20, Seiten 1551 bis 1557,

(C-1) G. Bundy, F. Lincoln, N. Nelson, J Pike and W. Schneider, Ann. N.Y Acad. Sci., 180, 76 (1971) und

(C-6) Journal of Medicinal Chemistry, 1983, Vol. 26, Seiten 790 bis 799

zu entnehmen sei, daß durch die Substitution der Methylengruppe in der 3-Stellung von Prostaglandinen durch eine Oxagruppe eine bessere Wirksamkeit und eine längere Wirkungsdauer erreicht werden könnten. Es sei somit zu erwarten gewesen, daß die beanspruchten 9-Halogen-3-oxa-Prostaglandinderivate den aus den Dokumenten

(A-1) EP-A-0 030 377,

(A-2) EP-A-0 069 696 und

(A-3) WO-A-86/05488

bekannten 9-Halogen-Prostaglandinderivate überlegen sein würden.

Die Beschwerdeführerin hat auch argumentiert, daß eine bessere pharmakologische Wirkung nur für Verbindungen, in denen D und E eine direkte Bindung und R5 eine Cyclohexylgruppe darstellen, nachgewiesen worden sei und daß nicht angenommen werden dürfe, daß eine solche Wirkung auch bei den übrigen beanspruchten Verbindungen auftrete.

V. Die Beschwerdegegnerin hat erwidert, einem Fachmann genüge der Hinweis im Streitpatent auf eine Lindlar-Hydrierung, um die Verbindungen der Formel II durch eine selektive Hydrierung herstellen zu können.

Die Beschwerdegegnerin war auch der Meinung, daß der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem zitierten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, da der Fachmann im Hinblick auf einen widersprüchlichen Stand der Technik vielmehr davon habe ausgehen müssen, daß die von der 3-Methylen-Verbindung erzielte Wirkung durch die Einführung einer 3-Oxa-gruppe drastisch reduziert werde.

Als Nachweis einer erhöhten thrombozytenaggregationshemmenden und blutdrucksenkenden Wirkung der im Beispiel 2 des Streitpatents beschriebenen Verbindung (Beispiel 9 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung) gegenüber der im Beispiel 2 des Dokumentes (A-3) beschriebenen Verbindung, hat die Beschwerdegegnerin auf die im "Informative Material-1", Advances in Prostaglandin, Thromboxane and Leukotriene Research, Ravens Press, New York, Vol. 21, Seiten 591-594 (1990) enthaltenen Angaben sowie auf die nachfolgenden Daten verwiesen, die während des Prüfungsverfahrens, mit Schreiben vom 22. Juli 1991, eingereicht worden sind:

FORMEL

Weiterhin hat die Beschwerdegegnerin auf die in den Tabellen 1 und 2 des Dokumentes (B-3), d. h. die englische Übersetzung von WO 94/02457, zitierten pharmakologischen Daten und auf die während des Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 13. Januar 1995 eingereichten pharmakologischen Daten für die nachfolgenden Testverbindungen verwiesen:

FORMEL

Schließlich hat die Beschwerdegegnerin geltend gemacht, die Beschwerdeführerin habe den Nachweis nicht erbracht, daß es unter den beanspruchten Verbindungen auch solche gebe, die keine bessere pharmakologische Wirkung haben.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 299 914.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der folgenden Dokumente eingereicht in der mündlichen Verhandlung:

a) Anspruch 1 bis 3 als erster Hilfsantrag; oder

b) Anspruch 1 bis 3 als zweiter Hilfsantrag; oder

c) Anspruch 1 bis 3 als dritter Hilfsantrag.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Ausreichende Offenbarung

Im ersten Absatz auf Seite 14 der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung (Seite 9, Zeilen 25 bis 27, des Streitpatentes) ist angeführt, daß die als Ausgangsmaterial dienenden Verbindungen der Formel II mit einer 9alpha-Hydroxygruppe durch Lindlar-Hydrierung erhalten werden können.

Da der Patentanmeldung keine weitere Auskunft über die Lindlar-Hydrierung zu entnehmen ist, war die Beschwerdeführerin der Meinung, die Patentanmeldung enthalte nicht genügend Informationen, wie die selektive Hydrierung der Dreifachbindung zur 5,6-cis-Doppelbindung neben der 13,14-Dreifachbindung durchzuführen sei. Somit enthalte die Patentanmeldung keine hinreichenden Informationen zur Durchführung des gesamten Verfahrens zur Herstellung der beanspruchten Prostaglandinderivate der Formel I.

Um die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ zu erfüllen, muß eine europäische Patentanmeldung genügend Informationen enthalten, damit ein Fachmann anhand seines allgemeinen Fachwissens die der beanspruchten Erfindung innewohnende technische Lehre erkennen und entsprechend ausführen kann (siehe G 2/93, ABl. EPA 1995, 275, Entscheidungsgrund 4). Somit stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob das allgemeine Fachwissen es einem Fachmann ermöglichen würde die Bedingungen der selektiven Hydrierung der Dreifachbindung zur 5,6-cis-Doppelbindung neben der 13,14-Dreifachbindung ohne erfinderisches Zutun auszuführen.

Zur Stützung ihres Vorbringens, daß eine solche selektive Hydrierung nicht zum allgemeinen Fachwissen gehöre, hat die Beschwerdeführerin auf die in der Spalte 26, Zeile 60 bis Spalte 27, Zeile 7 und im Schema C des Dokumentes (A-5) beschriebene Hydrierung hingewiesen, in der die Hydrierung der 5,6-Dreifachbindung in 3-Oxa-prostaglandinderivaten sowohl zu einer 5,6- als auch zu einer 13,14-Ethylengruppe führt.

Da die in diesem Dokument, d. h. einer Patentschrift, enthaltenen Informationen weder das allgemeine Fachwissen, sei es auf dem Gebiet der Prostaglandine oder der Hydrierungstechniken in der präparativen organischen Chemie, darstellen können, noch mittels einschlägigen Fachbücher oder ähnlichen als zum allgemeinen Fachwissen gehörend belegt wurden, ist diese Offenbarung nur zum Nachweis geeignet, daß bei den dort beschriebenen speziellen Hydrierungsbedingungen eine selektive Hydrierung nicht stattfindet (siehe z. B. T 671/94 vom 11. Juni 1996, Punkt 5.1.1, Absatz 4 der Entscheidungsgründe - nicht veröffentlicht im ABl. EPA). Dieses Dokument belegt daher nicht, daß der Fachmann nicht gewußt hat, wie selektive Hydrierungen ausgeführt werden. Vielmehr geht aus den im Schema D des Dokumentes (A-5) gezeigten Reaktionen hervor, daß selektive Hydrierungen sehr wohl bekannt waren. Dort wird nämlich die Hydrierung einer Dreifachbindung zur 5,6-cis-Doppelbindung neben einer 13,14-Doppelbindung in 3-Oxa-prostaglandinderivaten beschrieben.

Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA obliegt dem Einsprechenden der Beweis, daß, nach Abwägen der Wahrscheinlichkeit, ein fachkundiger Leser des Patents anhand seines allgemeinen Fachwissens nicht in der Lage ist, die Erfindung auszuführen (siehe T 182/89; ABl EPA 1991, 391; Entscheidungsgrund 2). Da ein solcher Beweis im vorliegenden Fall nicht vorliegt und zudem nicht ersichtlich ist, woraus die Kammer schließen könnte, daß der Hinweis auf die Lindlar-Hydrierung im Streitpatent zur praktischen Ausführung der beanspruchten Erfindung durch den Fachmann nicht ausreichend ist, kommt die Kammer zum Schluß, daß eine nicht ausreichende Offenbarung der Erfindung von der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht worden ist.

3. Hauptantrag

3.1. Erfinderische Tätigkeit

3.1.1. Es wurde nicht bestritten, daß die auf der Seite 2, Zeilen 5 bis 10, des Streitpatents erwähnten Dokumente (A-1), (A-2) und (A-3) den einschlägigen Stand der Technik darstellen.

Die Dokumente (A-1) und (A-2) offenbaren 9-Chlor- beziehungsweise 9-Fluor-prostaglandinderivate die eine hervorragende Wirkungsspezifität, eine bessere Wirksamkeit und eine längere Wirkungsdauer als natürliche Prostaglandine besitzen und besonders für die orale Applikation geeignet sind (Dokument (A-1): Seite 1, Zeilen 16 bis Seite 2, Zeile 34 und Seite 11, Zeile 21 bis Seite 12, Zeile 25; beziehungsweise Dokument (A-2): Seite 1, Zeile 25 bis Seite 2, Zeile 32 und Seite 13, Zeile 9 bis Seite 14, Zeile 27).

Weiterhin offenbaren die beiden Dokumente, daß einige der dort beschriebenen Verbindungen sowohl blutdrucksenkend als auch hemmend auf die Plättchenaggregation wirken [(A-1), Seite 12, Zeilen 26 bis 29; und (A-2), Seite 14, Zeilen 29 bis 32].

Dokument (A-3) offenbart eine bestimmte Gruppe von 9-Halogen-prostaglandinderivaten, nämlich 9-Halogen-15-cycloalkyl-prostaglandinderivate, die inter alia blutdrucksenkend wirken und die Plättchenaggregation hemmen (Seite 3, erster Absatz und Seite 6, dritter bis fünfter Absatz).

3.1.2. Dem Streitpatent ist auf der Seite 10, Zeilen 4 bis 8, zu entnehmen, daß (5Z,13E)-(9R,11R,15S)-9-Chlor-3-oxa-15-cyclohexyl-11, 15-dihydroxy-16,17,18,19,20-pentanor-5,13-prostadiensäure den Blutdruck nach i.V.-Gabe im Vergleich zu der aus Dokument (A-3) bekannten (5Z,13E)-(9R,11R,15S)-9-Chlor-15-cyclohexyl-11, 15-dihydroxy-16,17,18,19,20-pentanor-5,13-prostadiensäure mehr als doppelt so gut senkt. Dies hat die Beschwerdeführerin nicht bestritten. Sie hat auch nicht bestritten, daß aus den mit Schreiben vom 22. Juli 1991 eingereichten pharmakologischen Daten hervorgeht, daß das erfindungsgemäße ZK 118 182 eine höhere thrombozytenaggregationshemmende Wirkung als das im Dokument (A-3) beschriebene ZK 110 841 hat (vgl. Punkt V oben).

3.1.3. Obwohl die Beschwerdeführerin auch nicht bestritten hat, daß mit den mit Schreiben vom 13. Januar 1995 eingereichten pharmakologischen Daten nachgewiesen wurde, daß die erfindungsgemäßen Verbindungen B und E in der Untersuchung des Augeninnendrucks bei Kaninchen und bei Cynomolgus-Affen den entsprechenden Methylenderivaten (Verbindung A beziehungsweise F) überlegen waren, hat sie bezweifelt, daß eine Reduzierung des Augeninnendrucks der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zu entnehmen war. Somit könnten diese Daten ihrer Ansicht nach nicht als Nachweis einer besseren Wirkung dienen.

Da jedoch die Beschwerdeführerin das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, daß die Reduzierung des Augeninnendrucks ein Indiz für die Senkung des Blutdrucks ist, nicht widerlegen konnte, war sie auch nicht in der Lage glaubhaft zu machen, daß die Reduzierung des Augeninnendrucks kein zulässiger Indikator für die Senkung des Blutdrucks darstellt.

3.1.4. Dokument (B-3) wurde erst nach dem Anmeldungstag veröffentlicht und betrifft eine Patentanmeldung, die nicht im Namen der Beschwerdegegnerin eingereicht wurde. Deswegen hat die Beschwerdeführerin bestritten, daß die dort zitierten pharmakologischen Daten als Nachweis einer besseren Wirkung verwendet werden dürfen.

Das EPÜ enthält jedoch keine Vorschriften, und somit keine Einschränkungen, welche Dokumente als Nachweis eines in einem Patent oder einer Patentanmeldung erwähnten Effekts zulässig sind. Dabei ist nur die technische Information wesentlich, nicht jedoch die Herkunft oder das Veröffentlichungsdatum des vorgelegten Dokuments.

Aus der Tabelle 1 des Dokuments (B-3) geht unbestreitbar hervor, daß das erfindungsgemäße 3-Oxa-9-deoxy-9ß- chloro-16,17,18,19,20-pentanor-15-cyclohexyl-13,14-hydro-PGF2 gegenüber dessen 3-Methylenanalogon eine erhöhte thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung hat.

3.1.5. Die Beschwerdegegnerin hat somit aber nur glaubhaft gemacht, daß die 9-Halogen-(Z)-Prostaglandinderivate der Formel I in denen A eine -CH2-CH2-, eine trans-CH=CH- oder eine -C=C-Gruppe, D und E gemeinsam eine direkte Bindung und R5 eine Cyclohexylgruppe darstellen gegenüber deren 3-Methylenanaloga eine erhöhte thrombozytenaggregationshemmende Wirkung und blutdrucksenkende Wirkung haben.

Es bleibt daher noch zu untersuchen, ob eine erhöhte thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung auch für 9-Halogen-(Z)-Prostaglandinderivate der Formel I, in denen D und E nicht gemeinsam eine direkte Bindung und R5 eine andere Gruppe als Cyclohexyl darstellen, angenommen werden darf.

Aussagen über Struktur-Wirkung bei strukturellen Änderungen sind jedoch nicht zuverlässig zu treffen, wie die Beschwerdegegnerin selbst in Punkt 2.1.4 ihres Schreibens vom 30. April 1997 einräumte. Vielmehr gibt es starke Anhaltspunkte dafür, daß die Wirkung durch die Natur des Substituenten in der 15-Position beeinflußt wird. Dokument (C-7) ist nämlich zu entnehmen, daß PGD2-Derivaten, die eine 15-Cyclohexylgruppe enthalten, eine höhere thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung haben als solche, die eine Alkylgruppe enthalten (siehe Seite 683, 2. Satz und Tabelle I).

Einschlägige Vergleichsbeispiele, die eine verbesserte Wirkung für andere Gruppen als 15-Cyclohexyl zeigen würden, sind weder im Streitpatent noch in den nachgereichten Versuchen enthalten.

Die Kammer kommt daher zum Schluß, daß eine erhöhte thrombozytenaggregationshemmende und/oder blutdrucksenkende Wirkung nicht für alle beanspruchte Verbindungen glaubhaft gemacht worden ist.

Daraus folgt insbesondere für den Hauptantrag, daß Dokument (A-3) nicht den nächstkommenden Stand der Technik darstellt und daß die zu lösende Aufgabe gegenüber Dokument (A-1) und (A-2) als nächstkommenden Stand der Technik lediglich darin gesehen werden kann, weitere Prostaglandinderivate mit ähnlicher Wirkung als die dort beschriebenen 9-Chlor- bzw. 9-Fluor-prostaglandinderivate zur Verfügung zu stellen.

3.1.6. Es bleibt somit zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die streitpatentgemäße Aufgabe durch die gemäß Hauptantrag beanspruchten Prostaglandinderivate zu lösen.

3.1.7. Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, daß das beanspruchte Verfahren durch den Stand der Technik nicht nahegelegt werde. Einerseits seien in den Dokumenten (A-4), (A-5) und (A-6) keine pharmakologischen Daten angegeben bzw. in den Dokumenten (A-8) und (A-9) die pharmakologischen Wirkungen nur pauschal erwähnt, andererseits gehe aus dem Dokument (A-7) (der Absatz in der linken und rechten Spalte auf der Seite 313), aus Dokument (A-12) (die Tabelle in Spalte 16), aus Dokument (B-1) (der letzte Absatz auf Seite 80), aus Dokument (B-2) (die Tabelle 1) und aus Dokument (C-1) (der zweite Absatz auf Seite 79) hervor, daß für die 3-Oxa-prostaglandinderivate eine weniger gute Wirkung als für deren entsprechenden 3-Methylenanaloga zu erwarten wäre.

Dem kann die Kammer jedoch nicht zustimmen. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Prostaglandinderivate ist die Frage wesentlich, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe insbesondere dadurch zu lösen, die 3-Methylengruppe in den aus den Dokumenten (A-1) und (A-2) bekannten Prostaglandinderivaten durch eine 3-Oxa-gruppe zu ersetzen.

Da die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe aber darin besteht, weitere Prostaglandinderivate bereitzustellen, die eine analoge Wirkung als die aus den Dokumenten (A-1) und (A-2) bekannten Prostaglandinderivate haben (siehe Punkt 3.1.5 oben), stellt sich die Frage nicht, ob ein Fachmann erwarten konnte, daß die 3-Oxa-analoga der aus den Dokumenten (A-1) und (A-2) bekannten Prostaglandinderivate eine stärkere oder eine schwächere Wirkung als deren 3-Methylenanaloga haben würden. Vielmehr stellt sich die Frage, ob ein Fachmann eine ähnliche Wirkung erwarten konnte.

Einerseits geht aus den Dokumenten (A-4), Seite 8, Zeilen 46 bis 53; (A-5), Spalte 19, Zeilen 27 bis 39; und (A-6), Spalte 16, Zeilen 7 bis 20, hervor, daß die 3-Oxa-analoga von natürlichen Prostaglandinen die biologische Aktivität der entsprechenden natürlichen Prostaglandine haben und andererseits ist keinem der zitierten Dokumenten ein Hinweis zu entnehmen, daß 3-Oxa-Prostaglandinderivate die biologische Wirkung der entsprechenden 3-Methylenanaloga nicht haben würde. Somit hatte ein Fachmann keinen Anlaß zu bezweifeln, daß die 9-Halogen-prostaglandinderivate und deren analogen 3-Oxa-Verbindungen eine ähnliche biologische Wirkung haben würden.

Die Kammer kommt daher zum Schluß, daß die beanspruchten Prostaglandinderivate der Formel I durch den Stand der Technik nahegelegt werden.

4. Zulässigkeit der Hilfsanträge

Die Hilfsanträge, die sich vom Hauptantrag in den Definitionen von D, E und R5 unterscheiden, wurden während der mündlichen Verhandlung eingereicht, nachdem für die Beschwerdegegnerin erkennbar war, daß wenig Aussicht bestand, daß eine erfinderische Tätigkeit für den Hauptantrag anerkannt werden konnte, und daß insbesondere eine erhöhte thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung nur für eine beschränkte Gruppe von Verbindungen der Formel I mit bestimmten A-W-D-E-R5-Ketten glaubhaft gemacht worden war. Da es sich bei den Hilfsanträgen somit um erstzunehmende Versuche zur Ausräumung erhobener Einwände handelt, sind die während der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsanträge zulässig.

5. Erster Hilfsantrag

5.1. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ

Anspruch 1 stützt sich auf den ursprünglich eingereichten Anspruch 1 und die Definitionen der Alkyl- und Cycloalkylgruppen, wie sie im ersten Satz des letzten Absatzes auf der Seite 5 und im ersten Satz des dritten Absatzes auf der Seite 6 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung beschrieben worden sind.

Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, daß, durch die Einschränkung der Definitionen von D, E und R5, Anspruch 1 das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfülle.

Die Einschränkung einer oder mehrerer Listen von in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbarten alternativen Definitionen für Substituenten einer chemischen Formel verstößt jedoch nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ, da eine solche Einschränkung nicht zu einer spezifischen Kombination von Substituenten führt, sondern lediglich den übrigen Gegenstand als eine generische Liste von alternativen Definitionen definiert, welche Listen sich von den ursprünglichen Listen nur durch deren Umfang unterscheiden (siehe Entscheidung T 615/95 vom 16. Dezember 1997, Entscheidungsgrund 6).

Die Ansprüche 2 und 3 stimmen mit den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2 und 3 überein. Durch die Beschränkung, daß D und E nur gemeinsam eine direkte Bindung darstellen, und durch die Streichung einer Anzahl von Gruppen in der Definition von R5 geht der Schutzbereich der Ansprüche nicht über den der Ansprüche des Streitpatents in der erteilten Fassung hinaus. Gegen die Ansprüche 1 bis 3 bestehen somit keine Einwände nach Artikel 123 (2) oder (3) EPÜ.

5.2. Erfinderische Tätigkeit

Da Anspruch 1 noch immer Prostaglandinderivate, in denen R5 eine Alkylgruppe darstellt, umfaßt, ist eine erhöhte oder verbesserte thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung aus den in Punkt 3.1.5 oben beschriebenen Gründen nicht für den ganzen beanspruchten Bereich glaubhaft gemacht. Somit erfüllt auch dieser Anspruch aus den bereits in Punkt 3.1.7 dargelegten Gründen nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit.

6. Zweiter Hilfsantrag

6.1. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ

Anspruch 1 stützt sich auf den ursprünglich eingereichten Anspruch 1 und die Definitionen der Cycloalkylgruppen, wie sie im ersten Satz des dritten Absatzes auf der Seite 6 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung beschrieben worden sind.

Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, daß durch die Einschränkung der Definitionen von D, E und R5 Anspruch 1 das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt sei.

Dem kann die Kammer jedoch aus den bereits unter Punkt 5.1 oben angegebenen Gründen nicht zustimmen.

Die Ansprüche 2 und 3 stimmen mit den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2 und 3 überein. Durch die Beschränkung, daß D und E nur gemeinsam eine direkte Bindung darstellen, und durch die Streichung einer Anzahl von Gruppen in der Definition von R5 geht der Schutzbereich der Ansprüche nicht über den der Ansprüche des Streitpatents in der erteilten Fassung hinaus. Gegen die Ansprüche 1 bis 3 bestehen somit keine Einwände nach Artikel 123 (2) oder (3) EPÜ.

6.2. Erfinderische Tätigkeit

6.2.1. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß eine erhöhte thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung der beanspruchten Prostaglandinderivate gegenüber deren bekannten 3-Methylenanaloga nur für die 9-Halogen-(Z)-Prostaglandinderivate der Formel I, in denen A eine -CH2-CH2-, eine trans-CH=CH- oder eine -C=C-Gruppe, D und E gemeinsam eine direkte Bindung und R5 eine Cyclohexylgruppe darstellen, nachgewiesen worden sei und daß nicht angenommen werden dürfe, daß eine erhöhte thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung auch mit 9-Halogen-(Z)-Prostaglandinderivaten der Formel I, in denen R5 eine andere Cycloalkylgruppe darstelle, die 3 bis 10 Kohlenstoffe im Ring enthalte, erreicht werde. Einen Beweis zur Stützung dieses Vorbringens hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht erbracht.

Da die Beschwerdeführerin nicht belegen konnte, daß die Anzahl der Kohlenstoffatome im Cycloalkylring auf die thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung einen Effekt haben könnte, und auch kein Nachweis erbracht wurde, daß Prostaglandinderivate der Formel I, in denen R5 eine andere Cycloalkylgruppe als Cyclohexyl darstellt, keine erhöhte thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung haben, ist die Kammer der Auffassung, daß eine thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung für den ganzen beanspruchten Gegenstand glaubhaft gemacht wurde. Für die Kammer ist dabei entscheidend, daß es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß die für die Cyclohexylgruppe nachgewiesene verbesserte Wirkung nicht repräsentativ ist für die gesamten erfindungsgemäßen Cycloalkylgruppen mit 3 bis 10. Kohlenstoffatomen im Ring.

6.2.2. Es ist unbestritten, daß, als Folge der Einschränkung des beanspruchten Gegenstandes auf bestimmte 15-Cycloalkylderivate, nunmehr Dokument (A-3) den nächstkommenden Stand der Technik darstellt.

Dokument (A-3) offenbart 9-Halogen-15-Cycloalkylprostaglandinderivate, die blutdrucksenkend und hemmend auf die Plättchenaggregation wirken (Seite 3, erster Absatz und Seite 6, vierter und fünfter Absatz).

Ausgehend von Dokument (A-3) ist aufgrund der Ausführungen unter Punkt 6.2.1 die streitpatentgemäße Aufgabe darin zu sehen, Prostaglandinderivate bereitzustellen, die eine höhere thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung haben als die bekannten 9-Halogen-15-Cycloalkyl-prostaglandine.

Zur Lösung dieser Aufgabe werden gemäß Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags die 9-Halogen-3-oxa-15-cycloalkyl-prostaglandinderivate der Formel I vorgeschlagen.

Wie den Ausführungen unter Punkt 6.2.1 zu entnehmen ist, besteht kein Zweifel daran, daß damit die gestellte Aufgabe auch tatsächlich gelöst wird.

6.2.3. Es bleibt somit zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die streitpatentgemäße Aufgabe durch die im Anspruch 1 beanspruchten Verbindungen zu lösen.

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß eine erhöhte thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung bei den beanspruchten Prostaglandinderivaten gegenüber den aus Dokument (A-3) bekannten zu erwarten war, da aus den Dokumenten (A-4), (A-5) und (A-6) bekannt war, daß 3-Oxa-Prostaglandinderivate eine längere Wirkung als die entsprechenden Methylenanaloga haben.

Dem kann die Kammer jedoch nicht zustimmen. Sowohl dem Dokument (A-4) (Seite 8, Zeile 58 bis Seite 9, Zeile 4) als dem Dokument (A-5) (Spalte 19, Zeilen 22 bis 39) und dem Dokument (A-6) (Spalte 16, Zeilen 28 bis 43) ist nur zu entnehmen, daß, im Vergleich mit ihren 3-Methylenanaloga, mit den 3-Oxa-prostaglandinderivaten eine spezifischere Wirkung und eine längere Aktivität erreicht werden. Da jedoch diesen Dokumenten hinsichtlich einer thrombozytenaggregationshemmenden und blutdrucksenkenden Wirkung von Prostaglandinderivaten nichts zu entnehmen ist, können die nun als Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe beanspruchten Prostaglandinderivate durch die Lehren dieser Dokumente nicht nahegelegt werden.

Weiterhin stand der Fachmann einem nicht-einheitlichen Stand der Technik ohne erkennbare Lehre gegenüber. So konnte er dem Dokument (A-7) entnehmen, daß durch die Substitution der 3-Methylengruppe durch eine 3-Oxa-gruppe die Aktivität von Prostacyclinen verringert wird (Seite 313, rechter Spalte, Zeilen 1 bis 6). Aus Dokument (A-9) geht hervor, daß durch Substitution der Methylengruppe in der 3-Position des Carbacyclins durch Sauerstoff eine längere Wirkungsdauer, größere Selektivität und bessere Wirksamkeit erzielt werden können (Seite 2, Zeilen 5 bis 8). Dem Dokument (A-12) konnte der Fachmann entnehmen, daß die dort beschriebenen 3-Oxa-5-fluoro-prostacyclinderivate eine erhöhte thrombozytenaggregationshemmende Wirkung haben, ohne daraus schließen zu können, ob die erhöhte Wirkung durch die 3-Oxa-gruppe, die 5-Fluorgruppe, oder durch beides, erreicht wird (Spalte 9, Zeilen 46 bis 51). Aus dem letzten Satz auf der Seite 80 des Dokuments (B-1) geht hervor, daß 3-Oxa-PGE1 weniger aktiv ist als PGE1. Dokument (B-2) besagt, daß die dort beschriebenen 3-Oxa-prostaglandinderivate eine bessere Bronchodilatatoraktivität haben als die Methylenanaloga (Seite 1553, linke Spalte, Zeilen 16 und 17). Aus Dokument (C-1) geht hervor, daß 3-Oxa-PGE1 in der glatten Muskelaktivität weniger aktiv sind als PGE1 (Seite 79, zweiter Absatz). Dokument (C-6) ist zu entnehmen, daß 5-Oxa-PGD1 eine höhere thrombozytenaggregationshemmende Wirkung hat als PGD1.

Somit konnte ein Fachmann dem Stand der Technik nicht entnehmen, daß durch die Substitution der Methylengruppe in 3-Position durch einen Sauerstoff die thrombozytenaggregationshemmende und blutdrucksenkende Wirkung von Prostaglandinderivaten erhöht werden könnte. Die nun beanspruchten Prostaglandinderivate wurden daher durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt.

6.2.4. Das Verfahren zur Herstellung der 9-Halogen-(Z)-prostaglandinderivate der Formel I gemäß Anspruch 2 und die Arzneimittel gemäß Anspruch 3 werden vom erfinderischen Konzept des Anspruchs 1 mitgetragen; sie haben daher zusammen mit diesem Anspruch ebenfalls Bestand (Artikel 56 EPÜ).

6.2.5. Der Aufrechterhaltung des Patentes im Umfang des zweiten Hilfsantrages steht daher nichts im Wege.

7. Dritter Hilfsantrag

Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, die Gewährbarkeit des dritten Hilfsantrags zu prüfen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 3 gemäß dem zweiten Hilfsantrag und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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