T 0246/96 () of 23.11.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T024696.19991123
Datum der Entscheidung: 23 November 1999
Aktenzeichen: T 0246/96
Anmeldenummer: 90123285.0
IPC-Klasse: B23G 5/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 511 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Gewinde-Zirkularfräser
Name des Anmelders: Ernst Reime GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Joh. & Ernst Link GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Inventive step (yes)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 432 621 Beschwerde eingelegt.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber den Dokumenten

D1: DE-C-3 810 884 und

D2: "Maschinenmarkt", Würzburg, 85, 1979 76, Seite 1521

nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Fräser zum Zirkularfräsen einer Gewindebohrung ins Volle ohne Vorbohren eines Kernloches

- mit um eine zentrale Aussparung (4) herum gruppierten Stirnschneiden (5) zum Erzeugen des Kernloches,

- mit an den Stirnschneidenbereich in Axialrichtung (10) anschließendem Schaftfräsbereich (9) mit Schaftschneiden (7) und mit

- an den Schaftfräsbereich (9) anschließenden, in einer zur Fräserachse (3) rechtwinklig verlaufenden Umfangsebene (11-13) positionierten Umfangszähnen (16-18) mit Umfangsschneiden (15) zum Erzeugen der Gewindegänge

dadurch gekennzeichnet,

- daß in mehreren, vorzugsweise in drei axial um das Maß (14) der Gewindesteigung voneinander beabstandeten Umfangsebenen (11-13) i. wes. die gleiche Profilform, aber unterschiedliche Flanken- und Außendurchmesser aufweisende Umfangszähne (16-18) angeordnet sind,

- wobei in derselben Umfangsebene (11-13) liegende Umfangszähne (16-18) dasselbe Zahnprofil aufweisen, und

- daß der Flanken- und der Außendurchmesser der Umfangszähne (16, 17) mit zunehmendem Axialabstand ihrer Umfangsebenen (11, 12) von den Stirnschneiden (5) bis zu einer Umfangsebene (13) ansteigt, deren Umfangszähne (18) eine der Endform des Gewindes entsprechende Größe aufweisen."

II. Am 23. November 1999 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, an deren Ende die Antragslage wie folgt war:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder hilfsweise die Aufrechterhaltung in geändertem Umfang auf der Grundlage der mit Schreiben vom 21. Oktober 1999 eingereichten Anlagen T1 bis T3.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

III. Die Beschwerdeführerin machte unter anderem geltend, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht vorweggenommen werde. Insbesondere beträfen die Druckschriften D1 und D2 zwei voneinander verschiedene Zerspanungstechniken. Gemäß D1 werde das Innengewinde durch Fräsen erzeugt, gemäß D2 dagegen mittels eines Gewindebohrers. Aufgrund dieses Unterschieds würde der Fachmann niemals die Lehre dieser beiden Druckschriften kombinieren. Darüber hinaus lägen den Druckschriften D1 und D2 unterschiedliche Aufgabenstellungen zugrunde. Während D1 auf die Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit bei Innengewindefräsen (wie auch im angefochtenen Patent) abziele, beabsichtige D2 den Verschleiß von Gewindebohrern zu vermeiden. Die Hauptursache für die zu lösenden Probleme werde in D2 in dem Vorhandensein des Anschnitts gesehen (siehe Fig. 1 von D2), so daß lediglich der Verzicht auf die Freiwinkel der Zähne gelehrt werde. Da Gewindefräsen jedoch keinen Anschnitt hätten, gäbe es für den Fachmann keine sachliche Verbindung zwischen den Lehren der Druckschriften D1 und D2.

IV. Die Beschwerdegegnerin trug folgende Argumente vor:

Bei dem Gewindefräser gemäß D1 seien die Umfangsschneiden 62 nur in einer Umfangsebene angeordnet; dadurch seien die Schneiden, die das vollständige Gewindeprofil herstellten, einem sehr hohen Verschleiß ausgesetzt. Aus der nachgelieferten Seite 1520 der Druckschrift D2 gehe hervor, daß die Schneiden von Gewindebohrern einem erhöhten Verschleiß unterworfen seien. Dem Fachmann stehe zur Abhilfe die den Figuren 7 und 8 auf Seite 1521 der Druckschrift D2 dargestellte Lösung zur Verfügung. Diese in der Druckschrift D2 offenbarte Spanaufteilung im Anschnitt sei ohne weiteres auf den Innengewindefräser gemäß Druckschrift D1 übertragbar. Die Anwendung dieser bekannten Maßnahmen zum gleichen Zweck und mit den gleichen Wirkungen bei einem Fräser sei für den Fachmann naheliegend. Da es bekannt sei, die Zerspanungsleistung auf mehrere Gewindeschneidzähne zu verteilen, war es bei der Übertragung auf Gewindefräser selbstverständlich, mehrere Umfangsebenen vorzusehen und den in derselben Umfangsebene liegenden Gewindeschneidzähnen des Gewindefräsers dasselbe Zahnprofil zuzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

Die Neuheit des Fräsers gemäß Patentanspruch 1 ist offensichtlich gegeben; sie wurde weder im Einspruchsverfahren noch im Beschwerdeverfahren bestritten, so daß sich ein näheres Eingehen hierauf erübrigt.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Die Erfindung nach dem angefochtenen Patent betrifft einen Fräser zum Zirkularfräsen einer Gewindebohrung ins Volle mit Stirnschneiden und Schaftschneiden des Stirnschneidenbereiches zum Erzeugen eines Kernloches sowie mit an den Schaftfräsebereich sich anschließenden Umfangszähnen mit Umfangsschneiden zum Erzeugung der Gewindegänge. Diese Umfangsschneiden sind in einer zur Fräseachse rechtwinklig verlaufenden Umfangsebene angeordnet.

3.2. Als Stand der Technik ist in der Beschreibung der Streitpatentschrift u. a. die dem Gegenstand des Anspruchs 1 am nächsten kommende Druckschrift D1 angegeben, aus der ein Gewindefräser mit allen Merkmalen im Oberbegriff des Anspruchs 1 bekannt ist.

Bei dem bekannten Gewindefräser sind alle Umfangszähne identisch, d. h. sie haben alle gleiche Außendurchmesser und gleiche Flankendurchmesser. Darüber hinaus sind sie auf nur einer Umfangsebene angeordnet und bilden einen einzelnen Zahnkranz.

Mit diesem bekannten Werkzeug werden im selben Vorschub sowohl das Kernloch als auch das zu erzeugende Innengewinde zirkular gefräst. Da der Mantel des Kernlochs durch den nachfolgenden Innengewinde-Fräservorgang im selben Vorgang noch umgeformt wird, ist die Oberflächengüte des Mantels des Kernlochs von geringerer Bedeutung als die Oberflächengüte des fertigen Innengewindes. Deshalb wird die maximale Arbeitsgeschwindigkeit von der Zerspanungkapazität des die Feinarbeit leistenden Zahnkranzes bestimmt.

3.3. Ausgehend von diesem Stand der Technik kann die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, die Arbeitsgeschwindigkeit des Werkzeuges nicht an der begrenzten Zerspanungskapazität des Innengewinde-Fräskranzes, sondern an der nach Kenntnis des Fachmannes höheren Zerspanungskapazität des kernlochformenden Werkzeugteils zu orientieren und das mit möglichst geringen technologischen Aufwand. Dadurch wird zwangsläufig die Arbeitsgeschwindigkeit des Fräsers erhöht.

3.4. Diese Aufgabe wird gemäß dem Kennzeichen des Patentanspruchs dadurch gelöst,

i) daß im mehreren, vorzugsweise in drei axial um das Maß (14) der Gewindesteigung voneinander beanstandeten Umfangsebenen (11-13) i. wes. die gleiche Profilform, aber unterschiedliche Flanken- und Außendurchmesser aufweisende Umfangszähne (16-18) angeordnet sind,

ii) wobei in derselben Umfangsebene (11-13) liegende Umfangszähne (16-18) dasselbe Zahnprofil aufweisen, und

iii) daß der Flanken- und der Außendurchmesser der Umfangszähne (16,17) mit zunehmendem Axialabstand ihrer Umfangsebenen (11, 12)von den Stirnschneiden (5) bis zu einer Umfangsebene (13) ansteigt, deren Umfangszähne (18) eine der Endform des Gewindes entsprechende Größe aufweisen.

3.5. Das technische Ergebnis der im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 aufgeführten konstruktiven Merkmale i) bis iii) ist das Vorhandensein von mehreren parallelen Umfangsebenen, wobei das Profil aller Umfangszähne einer Umfangsebene gleich ist und die Flanken- und Außendurchmesser der Umfangszähne in Axialrichtung von den Stirnschneiden ausgehend zunehmen, wobei die vom Stirnende am weitestem abgelegene Umfangsebene die Fertigschneide enthält. Diese Ausgestaltung hat den Vorteil, daß die Zerspanungsleistung so verteilt ist, daß die Schnittgeschwindigkeit der einzelnen Umfangszähne wesentlich erhöht wird, ohne die Zähne zu überlasten. Dadurch werden die Bearbeitungszeiten im Vergleich zu der Arbeitsweise gemäß D1 stark reduziert.

3.6. Der zur Verfügung stehende Stand der Technik gibt dem Fachmann keine Anregung, die erfindungsgemäße Fräser vorzusehen:

3.6.1. Die Druckschrift D2 betrifft eine Abhandlung über Probleme bei den bekannten Gewindebohrern zur Herstellung von Innengewinden. Die Druckschrift geht von der Feststellung aus, daß trotz geringer Spandicken und niedriger Schnittgeschwindigkeiten die Gewindebohrer einem hohen Verschleiß unterliegen und daß die nicht abgeschnittene Spanwurzel beim Zurückschrauben zwischen Werkstück und Freifläche eingeklemmt werden und sogar aufschweißen kann. Die Ursache hierfür ist in dem Anschnitt zu sehen.

Als erster Denkansatz zur Vermeidung dieser Probleme wird in dieser Druckschrift vorgeschlagen, die Zerspanungsarbeit aufzuteilen, indem man den Anschnitt so gestaltet, daß sich symmetrische, dachförmige Spanquerschnitte ergeben (siehe Seite 1521, Bild 7 und 8). Die praktische Fertigung eines Gewindebohrers nach diesem Denkansatz wird jedoch als problematisch eingeschätzt. Ein weiterer Entwicklungsvorschlag, um diese Fehler zu vermeiden müßte dahin gehen, das Aufschweißen auf der Freifläche zu vermeiden. Da die Vermeidung des Rücklaufs durch Ausspannen des Bohrers mit erhöhten Fehlzeiten verbunden und damit unrealistisch wäre, wird als durchführbare Lösung empfohlen, auf den Freiwinkel zu verzichten, was einen wesentlich schmaleren Schneidstollen als bisher erfordern würde. Damit wäre jedoch der Nachteil verbunden, daß der Gewindebohrer nur begrenzt nachschleifbar wäre.

3.6.2. Wie oben dargestellt, betrifft Dokument D2 ein anderes Werkzeug zur Herstellung von Innengewinden mit einer Arbeitsgeschwindigkeit, die der eines Innenfräsers nicht vergleichbar ist. Daraus ergeben sich bei Innenfräsern eine andere Kinematik, andere Schneidvorgänge, andere Nachteile, andere Aufgabenstellungen und andere Lösungsansätze. Der Fachmann hat demnach keine Veranlassung, die spezifische Lehre von D2 in Betracht zu ziehen, um sein demgegenüber andersgelagertes Problem zu lösen.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdegegnerin keine Fräserkonstruktion als bekannt nachgewiesen hat, bei dem die Schneidleistung in irgendeiner Weise auf mehrere axial versetzte Ebenen verteilt ist.

3.7. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).

Die abhängigen Patentansprüche 2 bis 9 betreffen besondere Ausführungsformen der Erfindung gemäß Patentanspruch 1 und haben daher gleichfalls Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.

Quick Navigation