T 0082/96 () of 14.10.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T008296.19991014
Datum der Entscheidung: 14 October 1999
Aktenzeichen: T 0082/96
Anmeldenummer: 91100967.8
IPC-Klasse: D02G 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Überwachung der Fadenzugkraft
Name des Anmelders: BARMAG AG
Name des Einsprechenden: MURATA MACHINERY, LTD.
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents Nr. 0 439 183 Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünden.

Sie hat folgende Entgegenhaltungen berücksichtigt:

D1: DE-A-3 306 594

D3: EP-A-0 207 471.

II. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen (Hauptantrag) oder, hilfsweise, das Patent auf Basis des mit Schreiben vom 9. September 1999 eingereichten Anspruchs 1 aufrechtzuerhalten.

III. Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Anspruch 1 (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"Verfahren zur Überwachung der Fadenzugkraft des laufenden Fadens in der Texturierzone einer vielstelligen Falschzwirnkräuselmachine, mit den folgenden Merkmalen:

Die Fadenzugkraft wird laufend oder pulsierend gemessen (Meßsignal: U);

ein Alarmsignal (A) wird an der Meßstelle erzeugt, wenn ein den laufenden Mittelwert (MU) des laufenden Meßwert repräsentierendes Signal (VS) ein vorgegebenes Toleranzfeld zwischen einem oberen Grenzwert (GOVS) des Signals (VS) und einem unteren Grenzwert (GUVS) des Signals (VS) verläßt und/oder wenn ein aus dem Signal (VS) und dem laufenden Meßwert laufend gebildetes Differenzsignal (DU) ein zweites vorgegebenes Toleranzfeld zwischen einem oberen Grenzwert des Differenzwertes (GODU) und einem unteren Grenzwert des Differenzwertes (GDDU) verläßt, und mit dem kennzeichenden Merkmal:

Die Fadenspannung wird dadurch ausgeregelt, daß die Fadenspannung über ein Zeitfilter in ein Verstellsignal (VS) umgewandelt und durch das Verstellsignal (VS) die Größe und/oder die Komponentenverteilung der Reibkraft des Falschdrallgebers am Faden gesteuert wird; das Verstellsignal (VS) wird als das den laufenden Mittelwert (MU) des laufenden Meßwerts repräsentierende Signal zur Qualitätsüberwachung genutzt."

V. Zur Neuheit hat die Beschwerdeführerin folgendes vorgetragen:

Beim Verfahren gemäß Entgegenhaltung D1 werde die Fadenzugkraft auf einen konstanten Wert ausgeregelt. Der hierzu vorgesehene Fadenzugkraftmesser 8 sei in Figur 2 nur schematisch dargestellt. Die dort gezeigte Feder diene nur dazu, der auf die Meßrolle wirkenden Fadenzugkraft eine Gegenkraft entgegenzusetzen. Keinesfalls sei entnehmbar, daß mittels dieser Feder der Sollwert vorgegeben und im Fadenzugkraftmesser selbst ein Differenzsignal erzeugt und ausgegeben werde. Ebensowenig sei ein Filter erwähnt und schließlich werde im Grenzwertsignalgeber die Fadenzugkraft abgegriffen und nicht das Verstellsignal. Somit sei das patentgemäße Verfahren neu gegenüber D1.

Zur erfinderischen Tätigkeit führte sie aus, daß D1 als nächstkommender Stand der Technik anzusehen sei. Dieses Verfahren habe sich in der Praxis nicht bewährt, weil durch die Fadenzugkraftregelung Qualitätsprobleme nur kaschiert, aber nicht aufgedeckt würden. Das Abgreifen der Fadenzugkraft durch den Grenzwertsignalgeber 33 löse dieses Problem nicht, sondern diene nur dazu, extreme Abweichungen, die von der Regelung nicht ausgeglichen werden können, zu erfassen, was insbesondere erlaube, einem drohenden Fadenbruch durch Abschneiden des Fadens zuvorzukommen.

Diese Schwierigkeiten hätten zur Entwicklung des Verfahrens gemäß Entgegenhaltung D3 geführt, bei dem auf eine Regelung verzichtet wurde, das jedoch eine echte Qualitätsüberwachung ermögliche, indem sowohl Kurzzeit- wie auch Langzeitabweichungen erfaßt werden können.

Aufgabe der Erfindung sei deshalb, die durch Fadenspannungsschwankungen verursachten Fehler zu vermeiden und trotzdem eine Qualitätsüberwachung zu ermöglichen.

Die beanspruchte Lösung werde durch die Entgegenhaltungen D1 und D3 nicht nahegelegt, da sie keinerlei Anregung dazu gäben.

VI. Die Beschwerdegegnerin führte im wesentlichen folgendes aus:

D1 offenbare nicht nur alle im Oberbegriff von Anspruch 1 genannten Merkmale der ersten Verfahrensvariante, sondern auch die im Kennzeichen genannten Merkmale: infolge der Trägheit gebe der Fadenzugkraftmesser ein gefiltertes Signal ab, das im Verstärker in ein Verstellsignal umgewandelt werde, das durch den Grenzwertsignalgeber zur Qualitätsüberwachung genutzt werde. Somit fehle der ersten Verfahrensvariante die Neuheit.

Zur erfinderischen Tätigkeit führte sie aus, daß D1 als nächstkommender Stand der Technik anzusehen sei.

Ein Zeitfilter sei in D1 zwar nicht erwähnt. Infolge der Trägheit des Fadenzugkraftmessers werde jedoch ein gefiltertes Signal gebildet, und zwar ein Differenzsignal, da der Sollwert durch Vorgabe der Federkraft dem Fadenzugkraftmesser eingegeben werde. Da aber infolge der Regelung eine eindeutige Beziehung zwischen der Sollwertabweichung und dem vom Wandler abgegebenen Signal bestehe, habe das vom Grenzwertgeber erzeugte Signal dieselbe Aussagekraft wie das beim patentgemäßen Verfahren (erste Variante) ausgegebene Alarmsignal, d. h. es werde in gleicher Weise zur Qualitätsüberwachung genutzt und stelle somit eine naheliegende Alternative dar.

Die übrigen Verfahrensvarianten ergäben sich aus D3.

Entscheidungsgründe

1. Auslegung von Anspruch 1

Infolge der "und/oder"-Formulierung im Oberbegriff von Anspruch 1 umfaßt dieser Anspruch drei Verfahrensvarianten: ein Alarmsignal wird abgegeben, wenn

1. das Verstellsignal VS ein erstes Toleranzfeld verläßt

2. das Differenzsignal DU ein zweites Toleranzfeld verläßt

3. eines der beiden Toleranzfelder verlassen wird.

2. Neuheit

Die Beschwerdegegnerin hat die Neuheit der Verfahrensvariante 1) im Hinblick auf die Lehre der Entgegenhaltung D1 bestritten. Dem kann die Kammer nicht folgen.

Die Entgegenhaltung D1 beschreibt ein Verfahren zum Falschdralltexturieren eines synthetischen Fadens, bei dem die in der Texturierzone auftretenden Fadenzugkraftschwankungen ausreguliert werden. Dabei wird zunächst die Fadenzugkraft gemessen. Es mag nun sein, daß der in Figur 2 gezeigte Fadenzugkraftmesser (Drei-Rollen-Bauweise) mit einer gewissen Trägheit behaftet ist und somit ein "gefiltertes" Signal abgibt.

Darauf kommt es hier aber nicht an. Anspruch 1 des angegriffenen Patents schreibt vor, daß die laufend oder pulsierend gemessene Fadenspannung (Meßsignal U) über ein Zeitfilter in ein Verstellsignal VS umgewandelt wird. Ein derartiger Zeitfilter (im Sinne eines dazu konzipierten Bauelementes) ist aber in D1 nicht vorgesehen.

Vielmehr wird beim Verfahren nach D1 das Ausgangssignal des Fadenzugkraftmessers einem Verstärker zugeführt, dessen Ausgangssignal einem Wandler zugeführt wird, der das Verstellsignal erzeugt. Der zwischen Verstärker und Wandler angeordnete Grenzwertgeber greift somit das Eingangssignal des Wandlers ab, im Gegensatz zum patentgemäßen Verfahren (Variante 1), bei dem das Verstellsignal VS, d. h. das Ausgangssignal des Wandlers abgegriffen wird.

Allein schon diese Unterschiede begründen die Neuheit der Verfahrensvariante 1).

Die Neuheit der übrigen Verfahrensvarianten ist - zu Recht - nicht bestritten worden.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Die Kammer schließt sich der Auffassung der Parteien an, daß die Entgegenhaltung D1 den nächstkommenden Stand der Technik offenbart, obwohl der Oberbegriff von Anspruch 1 des angegriffenen Patents vom Dokument D3 ausgeht.

Wenn die Beschwerdeführerin auch vorgetragen hat, daß sich das Verfahren gemäß D1 in der Praxis nicht bewährt habe, ist diesem Dokument doch die klare und auch plausible Lehre zu entnehmen, daß bestimmte, durch Fadenspannungsschwankungen verursachte Qualitätsunterschiede (insbesondere hinsichtlich der Anfärbbarkeit) durch eine Fadenspannungsregelung vermieden werden können (Seite 3, Zeilen 16 bis 25).

Wie der Patentschrift, Spalte 1, Zeilen 24 bis 32 zu entnehmen ist, rühren die Schwierigkeiten daher, daß gewisse Fehlerursachen, wie z. B. fehlerhafte Temperaturführung in der Texturierzone, nicht nur zu Fadenspannungsschwankungen und den dadurch verursachten Garnfehlern führt, sondern auch zu zusätzlichen Garnfehlern. Diese zusätzlichen Garnfehler werden aber durch die Ausregelung der Fadenspannung nicht eliminiert, sondern verbleiben im Garn, so daß durch die Regelung allein eine einwandfreie Garnqualität nicht gewährleistet ist.

3.2. Daraus ergibt sich die Aufgabe (Spalte 1, Zeilen 33 bis 37), unter Beibehaltung der Fadenzugkraftregelung die Möglichkeit zu erhalten, auch eine Qualitätsüberwachung durchzuführen und zwar so, wie sie im Prinzip aus der Entgegenhaltung D3 bekannt ist.

3.3. Bei dem aus D3 bekannten Verfahren wird die Fadenzugkraft in der Texturierzone laufend gemessen und einem Filter zugeführt, in dem ein laufender Mittelwert gebildet wird. Ein Alarmsignal wird erzeugt (siehe Anspruch 1 von D3), wenn

a) der laufende Mittelwert ein erstes Toleranzfeld verläßt

b) ein aus dem Momentanwert und dem laufenden Mittelwert gebildetes Differenzsignal ein zweites Toleranzfeld verläßt

c) eines der beiden Toleranzfelder verlassen wird.

3.4. Die Beschwerdegegnerin hat nun vorgetragen, daß auch beim Verfahren gemäß Entgegenhaltung D1 eine Qualitätskontrolle durchgeführt werde. Dabei geht sie davon aus, daß der Sollwert bereits dem Fadenzugkraftmesser 8 (Fig. 2 von D1) eingegeben werde, so daß dieser ein Differenzsignal abgebe.

3.5. Dem ist nicht zu folgen. In der D1 ist zwar mehrmals erwähnt, daß ein Sollwert vorgegeben wird, jedoch ist nicht angegeben, wo dieser Sollwert beim Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 eingegeben wird. Auf Seite 7, Zeilen 6 bis 8 heißt es zwar, daß die Meßrolle 27. mit einer vorgegebenen Kraft am Faden anliegt (gemäß Fig. 2 eine Feder). Eine solche Kraft muß jedoch in jedem Fall vorgegeben werden, um den gespannten Faden auszulenken, wobei die gemessene Auslenkung ein Maß für die Fadenzugkraft darstellt, wie der oben zitierten Stelle ebenfalls entnommen werden kann.

Es ist somit nicht klar erkennbar und auch nicht mit der normalen Regelungs-Praxis vereinbar, daß der Sollwert bereits dem Meßsensor, hier also dem Fadenzugkraftmesser eingegeben wird und dieser somit ein Differenzsignal abgibt, zumal der Sollwert beim Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 auch an anderer Stelle eingegeben werden könnte, z. B. dem Wandler 29.

3.6. Daß das vom Fadenzugkraftmesser abgegebene Signal nicht gefiltert wird, wurde schon in Punkt 2 oben dargelegt. Vielmehr wird dieses Signal einem Verstärker und dessen Ausgangssignal einem Wandler zugeführt, der seinerseits das Verstellsignal ausgibt. Selbst wenn man davon ausgeht, daß infolge der Regelung eine eindeutige Beziehung zwischen dem Ausgangssignal des Verstärkers und dem vom Wandler ausgegebenen Verstellsignal besteht, so ist dies nur solange der Fall, als die Regelung normal funktioniert, d. h. solange sie die auftretenden Fadenzugkraftschwankungen auszugleichen vermag. Wenn aber dieser normale Fall infolge massiver Störungen nicht mehr gegeben ist, wird die Fadenzugkraft trotz der Regelung entsprechend ansteigen oder abfallen. Gemäß der Lehre von D1 (Seite 8, Zeilen 3 bis 11) soll der Grenzwertsignalgeber 33 genau diese Situation erfassen, d. h. ein Signal abgeben, wenn die Fadenzugkraft gewisse Maximal- und/oder Minimalwerte überschreitet.

3.7. Demgegenüber arbeitet das patentgemäße Verfahren anders: dadurch, daß das Verstellsignal abgegriffen wird, kann bereits dann ein Signal erzeugt werden, solange die Regelung noch normal arbeitet. Diese Maßnahme ist aber entscheidend für die Lösung der Aufgabe: dadurch können die in Punkt 3.1 oben erwähnten zusätzlichen Garnfehler erfaßt werden, wegen der Filterung jedoch nur Langzeitfehler. Zu dieser Maßnahme gibt D1 jedoch keine Anregung, denn dort werden derartige Fehler durch die Regelung überdeckt.

Ebensowenig gibt die D3 einen Hinweis in diese Richtung, da dort keine Regelung vorgesehen ist und die Qualitätskontrolle direkt auf der Messung der Fadenzugkraft beruht.

Die Verfahrensvariante 1) von Anspruch 1 beruht somit auf erfinderischer Tätigkeit.

3.8. Gemäß den Verfahrensvarianten 2) und 3) wird zwecks Erfassung von kurzzeitigen Garnfehlern aus dem Momentanwert der Fadenzugkraft und dem Verstellsignal ein Differenzsignal gebildet und abgegriffen. Da aber auch diese Maßnahme auf der Verwendung des Verstellsignals aufbaut, wird sie durch die D3 nicht nahegelegt und beruht somit ebenfalls auf erfinderischer Tätigkeit.

3.9. Dasselbe trifft auch hinsichtlich der abhängigen Ansprüche 2 und 3 zu.

4. Bei dieser Sachlage braucht auf den Hilfsantrag nicht eingegangen zu werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in der erteilten Form aufrechterhalten.

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