T 0024/95 (Oxidationshaarfärbemittel/WELLA) of 21.10.1998

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1998:T002495.19981021
Datum der Entscheidung: 21 October 1998
Aktenzeichen: T 0024/95
Anmeldenummer: 90108017.6
IPC-Klasse: A61K 7/13
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Oxidationshaarfärbemittel
Name des Anmelders: Wella Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Goldwell AG
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit - nein - keine Auswahl aus zwei unabhängigen Listen
Beanspruchte Komponenten-Kombination für eine bestimmte Farbtongebung vorbeschrieben
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0012/81
T 0181/82
T 0296/87
T 0763/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0019/97

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 90 108 017.6 betreffend Oxidationshaarfärbemittel wurde das europäische Patent Nr. 0 400 330 auf der Grundlage von sieben Ansprüchen erteilt. Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Mittel zur oxidativen Färbung von Haaren mit einem Gehalt an einer Entwicklersubstanz-Kupplersubstanz-Kombination, dadurch gekennzeichnet, daß es als Entwicklersubstanz 2-(2,5-Diaminophenyl)ethanol oder dessen physiologisch verträgliches, wasserlösliches Salz enthält, und die Kupplersubstanz ausgewählt ist aus Resorcin, 2-Methylresorcin, 4-Chlorresorcin, 3,4-Methylendioxyphenol, 3-Aminophenol und N-(2-Hydroxyethyl)-3,4-methylendioxyanilin oder deren physiologisch verträglichen wasserlöslichen Salzen."

II. Gegen das erteilte Patent wurde unter Hinweis auf Artikel 100 a) EPÜ Einspruch eingelegt und dieser sowohl mit mangelnder Neuheit als auch mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes des Streitpatentes begründet. Der Einspruch stützte sich u. a. auf die Entgegenhaltungen:

(2) DE-A-3 627 398 und (6) DE-A-3 430 513.

III. Der Einspruch wurde im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz, datiert vom 6. Januar 1997, zurückgenommen.

IV. Die Einspruchsabteilung hat das Patent mit der am 11. November 1994 zur Post gegebenen Entscheidung widerrufen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, daß das beanspruchte Mittel zur oxidativen Färbung von Haaren gegenüber dem Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (2) nicht mehr neu sei.

Diese Entgegenhaltung beschreibe, wie in Anspruch 1 des Streitpatentes gefordert, ein Mittel zur oxidativen Färbung von Haaren auf der Basis einer Entwickler- Kupplersubstanz-Kombination, wobei unter sechs namentlich aufgeführten Entwicklersubstanzen auch 2-(2,5-Diaminophenyl)ethanol genannt sei und im Text sich dann wörtlich anschließe:

"Diese Entwicklersubstanzen ergeben mit geeigneten Kupplersubstanzen unter Einwirkung eines Oxidationsmittels die Haarfärbung. So erhält man mit den Kupplersubstanzen Resorcin, 2-Methylresorcin oder 4-Chlorresorcin naturblond bis hellbraun gefärbte Haare,.... ."

Da Anspruch 1 des Streitpatentes weitere Kupplersubstanzen nicht ausschließe, sei es unerheblich, daß die Entgegenhaltung (2) noch eine weitere obligatorische Kupplersubstanz vorsehe. Ferner stelle der Gegenstand des Streitpatentes gegenüber der Entgegenhaltung (2) keine Auswahl aus einer Liste von Kupplersubstanzen dar, vielmehr zeige der Stand der Technik nach der Entgegenhaltung (2) bei gleicher Farbgebung eine individualisierte Offenbarung der Entwicklersubstanz 2-(2,5-Diaminophenyl)ethanol mit jeder einzelnen der dort genannten Kupplersubstanzen.

V. Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben und im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens neben vier Hilfsanträgen einen neuen Hauptantrag eingereicht, dessen Anspruch 1 sich von Anspruch 1 in der erteilten Fassung lediglich durch die Ergänzung unterscheidet:

"1. Mittel zur oxidativen Färbung von Haaren mit einem Gehalt an einer Entwicklersubstanz-Kupplersubstanz-Kombination, dadurch gekennzeichnet, daß es....enthält..., nicht jedoch 3-(2',2',2'-Trifluorethyl)amino-phenol enthält."

Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 betreffen jeweils ein "Nichtsensibilisierendes und nicht mutagenes Mittel zur oxidativen Färbung von menschlichen Haaren..." ; Anspruch 1 des vierten Hilfsantrages ist auf die Verwendung eines solchen Mittels gerichtet.

Am 21. Oktober 1998 hat eine mündliche Verhandlung vor der Kammer stattgefunden. Der schriftliche und mündliche Vortrag der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefaßt werden:

Eine neuheitbegründende Auswahl des beanspruchten Gegenstandes im Lichte des Standes der Technik nach der Entgegenhaltung (2) sei bereits dadurch gegeben, daß dieser Stand der Technik die Bereitstellung neuer Farbnuancen durch den Einsatz von 3-(2',2',2'-Trifluorethyl)amino-phenol als essentielle Kupplersubstanz zusätzlich zu den übrigen dort genannten Kupplersubstanzen betreffe und Allergie- sowie Mutagenitätsprobleme dort überhaupt nicht angesprochen seien. Darüber hinaus fänden sich in der Entgegenhaltung (2) insgesamt keine Hinweise auf bevorzugte Eigenschaften der lediglich listenförmig aufgeführten Entwicklersubstanzen und der ebenfalls nur listenförmig aufgeführten Kupplersubstanzen. Von der Offenbarung einer Individualisierung einzelner Substanzkombinationen könne also nicht gesprochen werden. Ferner sei dem Fachmann vor dem Prioritätstag des Streitpatentes die mögliche Existenz von für Paraallergiker nicht sensibilisierend wirkenden Entwicklersubstanzen gar nicht bewußt gewesen. Er hätte also im Hinblick auf den Stand der Technik gar keine Auswahl in Erwägung gezogen. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern stehe die Offenbarung jeweils listenförmig aufgeführter Komponentenalternativen einer Individualisierung der Kombination bestimmter Komponenten aus unterschiedlichen Listen nicht neuheitsschädlich entgegen. Insbesondere sei auf die Rechtsprechung zu verweisen, gemäß der bereits eine Auswahl einer Komponente aus zwei Alternativen als neuheitsbegründend angesehen werde. Um weiteren Diskussionen aus dem Wege zu gehen, sei die zusätzliche Kupplersubstanz 3-(2',2',2'-Trifluorethyl)amino-phenol in Anspruch 1 des geltenden Hauptantrages von der Zusammensetzung ausgeschlossen worden.

Nach Befragung von seiten der Beschwerdekammer hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß die Angaben auf Seite 2, Zeile 60 bis Seite 3, Zeile 2 der Entgegenhaltung (2) als Würdigung des allgemein bekannten Standes der Technik anzusehen seien und daß die dort zur Erzielung naturblond bis hellbraun gefärbter Haare genannten Kupplersubstanzen Resorcin, 2-Methylresorcin und 4-Chlorresorcin allgemein als Gruppe für eine solche Farbgebung bekannt seien.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent auf der Grundlage des mit Schreiben, datiert vom 16. September 1998, eingereichten Hauptantrages oder auf der Grundlage einer der vier mit Schreiben, datiert vom 8. März 1995, eingereichten Anträge aufrechtzuerhalten, wobei der vorherige Hauptantrag vom 8. März 1995 zu Hilfsantrag 1 und die dortigen Hilfsanträge 1, 2 und 3 zu den Hilfsanträgen 2, 3 und 4 werden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Abgesehen von der im Beschwerdeverfahren eingefügten Ergänzung, die darauf gerichtet ist, daß das beanspruchte Mittel 3-(2',2',2'-Trifluorethyl)amino-phenol nicht enthalten soll, entspricht Anspruch 1 gemäß Hauptantrag im Wortlaut sowohl dem Anspruch 1 in der ursprünglichen als auch in der erteilten Fassung. Ob die vorgenommene Ergänzung im vorliegenden Fall als ein im Rahmen von Artikel 123 (2) EPÜ zulässiger Disclaimer betrachtet werden könnte, kann dahingestellt bleiben, da der Hauptantrag, wie nachstehend aufgezeigt, auch mit besagter Anspruchsergänzung nicht patentfähig ist.

3.1. Nach dem Wortlaut von Anspruch 1 soll das beanspruchte Mittel eine Kombination einer Entwicklersubstanz, und zwar 2-(2,5-Diaminophenyl)ethanol, mit einer Kupplersubstanz enthalten, wobei die Kupplersubstanz eine aus einer Gruppe von sechs spezifisch genannten Substanzen oder deren physiologisch verträglichen wasserlöslichen Salzen ist. Im Anspruch spezifisch genannt sind die Kuppler Resorcin, 2-Methylresorcin, 4-Chlorresorcin, die, wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, als Gruppe für die Erzielung naturblond bis hellbraun gefärbter Haare allgemein bekannt sind. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist deshalb nicht lediglich eine individualisierte Kombination punktueller Einzelkomponenten, sondern muß vielmehr als Kombination einer einzelnen Entwicklerkomponente mit als eine Gruppe anzusehenden Kupplerkomponenten aufgefaßt werden.

3.2. Die neuheitsschädliche Vorwegnahme eines solchen Anspruchsgegenstandes durch einen bekannten Stand der Technik erfordert daher nicht zwingend die individualisierte Offenbarung einer Kombination zweier punktuell beschriebener Substanzen, sondern ist auch bereits dann gegeben, wenn der Stand der Technik mit einer dem Anspruchsgegenstand gleichen generischen Definition die Kombination von 2-(2,5-Diaminophenyl)ethanol als Entwicklersubstanz mit z. B. der voranstehend erwähnten Gruppe vorbeschreibt.

4.1. Die Entgegenhaltung (2) beschreibt, daß in der Haarfärbepraxis bei Anwendung von Oxidationsstoffen die Farbstoffe durch oxidative Kupplung von Entwicklersubstanzen und Kupplersubstanzen im Haarschaft und damit einhergehend die Farbnuancen erzeugt werden. Neben der Aufzählung von vier als üblich angesehenen Entwicklersubstanzen wird unmittelbar anschließend auf Seite 2, Zeile 65, beginnend ausgeführt:

"Eine gewisse Bedeutung haben auch 2,5-Diaminobenzylalkohol und 2-(2',5'-Diamino)phenyl-ethanol erlangt. Diese Entwicklersubstanzen ergeben mit geeigneten Kupplersubstanzen unter Einwirkung eines Oxidationsmittels die Haarfärbung. So erhält man mit den Kupplersubstanzen Resorcin, 2-Methyl-resorcin oder 4-Chlorresorcin naturblond bis hellbraun gefärbte Haare, ..... ."

4.2. Die zitierte Passage aus der Entgegenhaltung (2), einer deutschen Offenlegungsschrift, stellt deren Beschreibungseinleitung dar. Die Beschwerdeführerin hat eingeräumt, daß solche Offenlegungsschriften in der Beschreibungseinleitung den am Anmeldetag der Patentanmeldung bekannten Stand der Technik würdigen, dies zwar im für die Erfindung wesentlichen Rahmen, jedoch getrennt und unabhängig von der Darstellung der Erfindung. Davon geht auch die Kammer aus.

4.3. Unabhängig von der Bestätigung der Beschwerdeführerin, daß die Kupplersubstanzen Resorcin, 2-Methylresorcin und 4-Chlorresorcin dem Fachmann als Gruppe zur Erzielung naturblond bis hellbraun gefärbter Haare bekannt sind, was sich im übrigen in den im Streitpatent enthaltenen Ausführungsbeispielen widerspiegelt, hat sich die Kammer auch anhand des im Verfahren befindlichen weiteren druckschriftlichen Standes der Technik - vgl. z. B. die Entgegenhaltung (6), Seite 5, Zeilen 21 bis 28 zu üblichen Kupplersubstanzgruppen für eine bestimmte Farbtongebung, insbesondere jedoch die Zeilen 26 bis 28. - davon überzeugt, daß immer dann, wenn diese mit den genannten Kupplerkomponenten definierte Gruppe zur Charakterisierung besagter Farbtönung herangezogen wird, diese als eine Einheit zu verstehen ist. Die Kammer ist deshalb davon überzeugt, daß die zitierte Passage der Entgegenhaltung (2) den am Anmeldetag der zugrundeliegenden Patentanmeldung bekannten Stand der Technik zutreffend beschreibt.

Eine Auswahl des beanspruchten Entwicklers und der korrespondierenden Kupplersubstanz aus zwei unabhängigen Listen, die gemäß der Entscheidung T 12/81 "Diastereomere" (ABl. 1982, 296, 13. der Gründe) und dieser folgend, gemäß den von der Beschwerdeführerin herangezogenen Entscheidungen T 181/82 "Spiroverbindungen/CIBA-GEIGY" (ABl. EPA 1984, 401, 9. der Gründe) und T 296/87 "Enantiomere/HOECHST" (ABl. EPA 1990, 195, 6.1 der Gründe) als neuheitsbegründend anerkannt werden könnte, liegt daher nicht vor. Auch die zu diesen Entscheidungen von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage der Offenbarung eines in individualisierter Form beanspruchten Stoffes durch eine generische Stoffoffenbarung - oder wie in dem der zitierten Entscheidung T 296/87 zugrundeliegenden Fall der Offenbarung eines zuvor nicht getrennten Racematgemisches - und die mit der Entscheidung T 763/89 in diesem Zusammenhang angesprochene Problematik des erforderlichen Abstandes von im Stand der Technik "spezifisch offenbarten" Bereichs- bzw. Homologengrenzen stellen sich daher im vorliegenden Fall nicht. Vielmehr ist die voranstehend aufgezeigte Offenbarung der Entgegenhaltung (2) nach Auffassung der Kammer als eine individualisierte Offenbarung jeder der genannten Entwicklersubstanzen, also auch 2-(2',5'-Diamino)phenyl-ethanol mit der Kupplersubstanzgruppe Resorcin, 2-Methylresorcin und 4-Chlorresorcin für die definierte Farbtongebung naturblond bis hellbraun als Einheit zu verstehen.

Da das Mittel gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages als Kupplersubstanz alle Kupplersubstanzen der in der Entgegenhaltung (2) hierzu für die Farbtönung naturblond bis hellbraun als Ganzheit individualisierten Gruppe Resorcin, 2-Methylresorcin, 4-Chlorresorcin umfaßt, wird der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages durch den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (2) neuheitsschädlich vorweggenommen.

4.4. Die neuheitsschädliche Vorwegnahme des beanspruchten Mittels bleibt auch davon unberührt, daß gemäß den Angaben im Streitpatent durch das als nunmehr nicht mehr neu nachgewiesene Haarfärbemittel ein bestimmter physiologischer Effekt zu beobachten ist, und zwar das nicht sensibilisierende Verhalten des Haarfärbemittels bei der Anwendung durch sogenannte Paraallergiker, einhergehend mit festgestellter Nichtmutagenität des Mittels. Ein zweckgebundener Stoffanspruch wäre im Hinblick auf Artikel 54 (5) EPÜ nur im Rahmen einer sogenannten ersten medizinischen Indikation möglich. Eine solche Situation liegt im vorliegenden Fall mit Bezug auf ein Haarfärbemittel unstreitig nicht vor.

4.5. Da die zitierte Passage der Entgegenhaltung (2) als eine von der in der Entgegenhaltung (2) beschriebenen Erfindung gesonderte Darstellung des am Anmeldetag bekannten Standes der Technik zu sehen ist, kann auch der Umstand, daß die in Entgegenhaltung (2) offenbarte Erfindung selbst auf den Einsatz der Kupplersubstanz 3-(2',2',2'-Trifluorethyl)amino-phenol gerichtet ist, keine Auswirkung auf einen Neuheitsvergleich des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Hauptantrages gegenüber besagter Würdigung des Standes der Technik haben. Deshalb kann auch die in Anspruch 1 des geltenden Hauptantrages in der Form eines Disclaimers vorgenommene Einfügung, daß das Mittel zur oxidativen Färbung von Haaren "nicht jedoch 3-(2',2',2'-Trifluorethyl)amino-phenol enthält", die Neuheit von Anspruch 1 nicht begründen.

4.6. Die Kammer kann deshalb zu keinem anderen Schluß gelangen, als die Entscheidung der Einspruchsabteilung hinsichtlich des Hauptantrages im Ergebnis zu bestätigen.

5. Die von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung noch vorgelegten Hilfsanträge 1 bis 4. können als Antwort auf die in der Entscheidung der Einspruchsabteilung aufgeführten Einwände gewertet werden, so daß die Kammer keinen Grund sieht, diese Anträge als verspätetes Vorbringen zurückzuweisen.

6. Sämtliche Hilfsanträge umfassen allerdings die Beanspruchung eines nicht sensibilisierenden und nicht mutagenen Mittels bzw. dessen Verwendung, sowie, mit Ausnahme von Hilfsantrag 2, die ergänzend spezifizierende Funktionalität, daß das Mittel nur nicht sensibilisierende und nicht mutagene Entwickler- und Kupplersubstanzen enthält, was in dieser Form von der Beschwerdeführerin erstmalig im Beschwerdeverfahren geltend gemacht wird.

6.1. Da sämtliche Hilfsanträge weiterhin die bezüglich der im Mittel vorhandenen möglichen Komponenten offene Formulierung "...mit einem Gehalt an..." aufweisen, hat die Kammer erhebliche Bedenken, ob diese Anspruchsergänzungen, die als einschränkende Merkmale gedacht scheinen, in der vorliegenden allgemeinen, d. h. breiten Formulierung durch den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung gedeckt sind. Denn sie beinhalten z. B. nicht sensibilisierende Eigenschaften sämtlicher im beanspruchten Mittel technisch möglicher Komponenten für die Vielzahl der bei unterschiedlichsten Patientengruppen möglichen unterschiedlichsten Sensibilisierungsformen bzw. Allergien.

6.2. Darüber hinaus erfordert die erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer aufgeworfene Problematik der Anspruchsfassungen gemäß den Hilfsanträgen neben deren Prüfung gemäß den Artikeln 83, 84. und 123 EPÜ nicht nur die Prüfung der Neuheit des beanspruchten Mittels gemäß Artikel 54 EPÜ, sondern auch die der erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ.

6.3. Deshalb erscheint es der Kammer sachdienlich, von ihrer Befugnis unter Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch zu machen und die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen. Der Einspruchsabteilung sollte im Rahmen ihrer Kompetenz auch die Frage überlassen bleiben, ob die im Beschwerdeverfahren erstmalig geltendgemachte offenkundige Vorbenutzung, zu der die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben, datiert vom 16. September 1998, auf den Seiten 7 bis 9, eingehend Stellung genommen hat, als verfahrensrelevant angesehen und geprüft werden muß.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Behandlung zurückverwiesen.

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