European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1996:T095194.19960529 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 Mai 1996 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0951/94 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91110221.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | H01R 13/642 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Mehrpolige Gerätesteckvorrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | F. Wieland Elektrische Industrie | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Gegenstand des Anspruchs Interpretation des Anspruchs Interpretation der Entgegenhaltungen Erfinderische Tätigkeit (ja) Claims - subject of Claims - interpretation of documents Inventive step (yes) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 91 110 221.8. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung wurde damit begründet, daß der Gegenstand der Ansprüche nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber folgendem Stand der Technik beruhe:
D1: DE-A-2 807 016,
D2: EP-A-0 279 359,
D3: DE-A-1 929 326.
Die Kammer hat auch folgendes, in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung zitiertes Dokument berücksichtigt:
D4: DE-A-3 108 744.
II. Der Beschwerdeführer beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, und ein Patent aufgrund der Anmeldungsunterlagen in der ursprünglichen Fassung zu erteilen.
III. Anspruch 1 lautet:
"1. Mehrpolige, codierte, vorzugsweise dreipolige Gerätesteckvorrichtung mit an den Gehäusen angeformten, die Stifte bzw. Buchsenkontakte überragenden Berührungsschutzhülsen, wobei die die Buchsenkontakte umschließenden Berührungsschutzhülsen in die die Stifte mit Abstand umgebenden Berührungsschutzhülsen einschiebbar sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Berührungsschutzhülsen (5) die Buchsenkontakte (4) eng umschließen, daß die Berührungsschutzhülsen (5) der Buchsenkontakte (4) vorne im Überstandsbereich (7) über die Buchsenkontakte (4) auf den Außendurchmesser der Stiftkontakte (3) eingeengt sind und daß die äußere Kontur der Berührungsschutzhülsen (5) der Buchsenkontakte (4) formschlüssig und paßgenau der inneren Kontur der Berührungsschutzhülsen (2) der Stiftkontakte (3) entspricht."
Anspruch 2 ist vom Anspruch 1 abhängig.
IV. Die Argumente des Beschwerdeführers lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Das Dokument D1 gebe nicht den Oberbegriff des Anspruchs 1 wieder, sondern genau eine umgekehrte Lösung, bei der die Berührungsschutzhülsen der Stifte in die Berührungsschutzhülsen der Buchsenkontakte einschiebbar seien. Beim Dokument D2 stelle sich die Frage des Berührungsschutzes und der Verhinderung des Zusammensteckens des Buchsenteils mit Stiften anderer Steckverbindungen überhaupt nicht und sei deshalb dort auch in keiner Weise angesprochen. Die Hülse (12) des Buchsenkontakts bei der Steckvorrichtung nach D2 sei im Innendurchmesser um 50 % größer als der Außendurchmesser des Buchseneinlageteils, wodurch ersichtlich sei, daß das Merkmal des Kennzeichens des Patentanspruchs 1, wonach die Berührungsschutzhülsen die Buchsenkontakte eng umschließen, nicht vorhanden sei.
Die engste Stelle der Hülse (12) des Buchsenkontakts nach D2 zeige einen größeren Durchmesser als die Bohrung (26) zur Positionierung des Stiftkontakts (42) oder (44) des elektrischen oder optischen Steckers. Daraus folge, daß das Merkmal des Kennzeichnens des Anspruchs 1, wonach die Berührungsschutzhülsen (5) der Buchsenkontakte (4) vorne im Überstandsbereich (7) über die Buchsenkontakte (4) auf den Außendurchmesser der Stiftkontakte (3) eingeengt sind, aus D2 nicht zu entnehmen sei.
Das kennzeichnungsgemäße Merkmal, wonach die äußere Kontur der Berührungsschutzhülsen (5) der Buchsenkontakte (4) formschlüssig und paßgenau der inneren Kontur der Berührungsschutzhülsen (2) der Stiftkontakte (3) entspricht, sei ebenfalls den Dokumenten D1 bis D3 nicht entnehmbar, was auch von der angefochtenen Entscheidung nicht behauptet werde.
Bei dieser Sachlage könne dem beanspruchten Gegenstand die erfinderische Tätigkeit nicht abgesprochen werden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
2.1. Das Dokument D4 offenbart eine dreipolige, codierte Steckverbindung mit an den Gehäusen (7, 1) angeformten, die Stifte (6) bzw. Buchsenkontakte (5) überragenden Berührungsschutzhülsen, wobei die die Buchsenkontakte (5) umschließenden Berührungsschutzhülsen (4) in die die Stifte (6) mit Abstand umgebenden Berührungsschutzhülsen einschiebbar sind (siehe Figuren 1, 2, 4 und 5). Die Berührungsschutzhülsen der Buchsenkontakte sind nicht vorne im Überstandsbereich über die Buchsenkontakte auf den Außendurchmesser der Stiftkontakte eingeengt. Es ist aus D4 nicht zweifelsfrei zu entnehmen, daß die Berührungsschutzhülsen die Buchsenkontakte eng umschließen, oder daß die äußere Kontur der Berührungsschutzhülsen der Buchsenkontakte formschlüssig und paßgenau der inneren Kontur der Berührungsschutzhülsen der Stiftkontakte entspricht.
2.2. Die Kammer stellt fest, daß D4 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt, und daß dieser Stand der Technik dem Oberbegriff des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung entspricht. Aus keinem der Dokumente D1 bis D4 und aus keinem der anderen in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung genannten Dokumente ist eine Gerätesteckvorrichtung bekannt, die alle Merkmale des Anspruchs 1 aufweist. Somit ist der Gegenstand dieses Anspruchs neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Vom Stand der Technik gemäß D4 ausgehend, liegt der vorliegenden Anmeldung die Aufgabe zugrunde, eine Gerätesteckvorrichtung dieser Gattung so auszugestalten, daß ein noch sicherer Berührungsschutz für die Buchsenkontakte gewährleistet wird, eine gefahrbringende Verwechslung mit genormten Haushalts- oder Gerätesteckvorrichtungen sicher vermieden wird und eine Reihe unverwechselbarer Gerätesteckvorrichtungen gleicher Bauart zur Verfügung steht.
3.2. Nach Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung wird die Lösung dieser Aufgabe durch eine Gerätesteckvorrichtung mit folgenden Merkmalen erreicht:
Merkmal A: die Buchsenkontakte (4) sind von den Berührungsschutzhülsen (5) eng umschlossen,
Merkmal B: die Berührungsschutzhülsen (5) der Buchsenkontakte (4) sind vorne im Überstandsbereich (7) über die Buchsenkontakte (4) auf den Außendurchmesser der Stiftkontakte (3) eingeengt,
Merkmal C: die äußere Kontur der Berührungsschutzhülsen (5) der Buchsenkontakte (4) entspricht formschlüssig und paßgenau der inneren Kontur der Berührungsschutzhülsen (2) der Stiftkontakte (3).
3.3. Obwohl - angesichts der durch die Codierung angestrebten Sicherheit gegen Verwechslung - die Ausgestaltung der aus D4 bekannten Gerätesteckvorrichtung mit dem Merkmal C naheliegend sein mag, sind die weiteren Maßnahmen gemäß den Merkmalen A und B auf dem Hintergrund des zitierten Standes der Technik nicht ohne erfinderische Umgestaltung der bekannten Vorrichtung zu verwirklichen. Zu Merkmal A ist zu bemerken, daß bei der Montage der aus D4 bekannten Gerätesteckvorrichtung mit Widerhaken versehene Buchsenkontakte durch eine Einengung von rückwärts in die Schutzhülse geschoben werden. Danach spreizen sich die Widerhaken auf. Die Buchsenkontakte sind demnach so geformt, daß nach dem Einführung Freiraum zum Aufspreizen verbleibt. Selbstverständlich brauchen auch die Widerhaken Freiraum innerhalb der Schutzhülsen, um sich aufspreizen zu können. Zu Merkmal B ist anzumerken, daß sich gemäß D4 die Buchsenkontakte - soweit ersichtlich - bis zum offenen Ende der Berührungsschutzhülsen erstrecken.
3.4. Bei der aus D1 bekannten, mit Kodierungselementen versehenen, elektrischen Steckverbindung wird die Aufgabe gelöst, eine unbeabsichtigte Trennung von Stecker- und Buchsenteil (1 bzw. 2) zu verhindern (siehe Rasthalterungen (13) und (14) in den Figuren 2 bis 4). Aus Figur 3 ist ersichtlich, daß im Gegensatz zum Oberbegriff des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung die Schutzhülsen des Steckerteils in die Schutzhülsen des Buchsenteils einschiebbar sind, was die Übernahme der Merkmale A, B und C bei dieser Steckverbindung grundsätzlich ausschließt.
3.5. Dokument D2 beschreibt eine einzelpolige Steckvorrichtung für elektrische oder optische Signale. Der Steckerstift (42) bzw. (44) ist wesentlich länger als die Hülse (43) bzw. (45) (Figuren 8 und 9), so daß die kurze Hülse (43) bzw. (45) nicht als eine Berührungsschutzhülse im Sinne der vorliegenden Anmeldung angesehen werden kann. Es kann auch nicht davon die Rede sein, daß die Hülse des Buchsenteils den Buchsenkontakt "eng" umschließt. Der Innendurchmesser der vorderen Einengung der Hülse des Buchsenkontakts ist größer als der Innendurchmesser der Bohrung (26) und damit notwendigerweise auch größer als der Außendurchmesser des Steckerstifts. Auch wenn der Kontaktmantel (15) des Buchsenteils formschlüssig mit der metallischen Hülse (43) des Steckerteils ist, so ist die Hülse (43) jedenfalls keine Berührungsschutzhülse im Sinne der Anmeldung. Da also keines der Merkmale A, B und C in D2 offenbart ist, kann dieses Dokument dem Fachmann überhaupt keine Anregung geben, die Steckvorrichtung nach D4 oder D1 so zu ändern, daß sie die Merkmale A, B und C aufweist.
3.6. Dokument D3 beschreibt einen Industriestecker. Der in den Figuren 1 und 2 dargestellte Steckerteil enthält fünf Kontaktstifte, welche in die entsprechenden Berührungsschutzhülsen der Buchsenkontakte des Sockelsteckers nach den Figuren 3 und 4 passen. Die Steckerstifte haben keine eigenen Berührungsschutzhülsen, und der Raum zwischen den Schutzhülsen der Buchsenkontakte liegt innerhalb des Sockels und ist von außen nicht zugänglich. Das Merkmal C ist also nicht vorhanden. Figur 4 zeigt zwar, daß die Buchsenkontakte und deren Schutzhülsen den Merkmalen A und B entsprechen. Jedoch ist insbesondere die Struktur des Steckerteils des in D3 beschriebenen Industriesteckers grundsätzlich anders als die Struktur des Steckerteils der Gerätesteckvorrichtung gemäß Dokument D4 oder D1, so daß es nicht naheliegend ist, ohne Vorkenntnis der vorliegenden Anmeldung und ohne Anregung aus dem Stand der Technik, nur die innere Gestaltung der Buchsenkontakthülsen gemäß den Merkmalen A und B des aus D3 bekannten Steckers - unbesehen von deren äußerer Gestaltung - auf den aus D4 bekannten Stecker zu übertragen. Dabei würde der nach D4 erzielte Vorteil, nämlich eine extrem einfache Montage, verloren gehen.
3.7. Zusammenfassend ist die Kammer der Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht. Das gleiche gilt, aufgrund seiner Rückbeziehung auf Anspruch 1, für den abhängigen Anspruch 2.
4. Die Anmeldung genügt den Erfordernissen des EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, ein Patent mit den Anmeldungsunterlagen in der ursprünglich eingereichten Fassung zu erteilen.