T 0864/94 () of 6.7.1995

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1995:T086494.19950706
Datum der Entscheidung: 06 Juli 1995
Aktenzeichen: T 0864/94
Anmeldenummer: 89104164.2
IPC-Klasse: F16C 13/00
F16C 32/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hydrostatisch innenabgestützte Walze
Name des Anmelders: Eduard Küsters Maschinenfabrik GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung (bejaht)
Inventive step - (yes) after amendment
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0743/05

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 9. März 1989 angemeldete europäische Patent- anmeldung Nr. 89 104 164.2 mit der Veröffentlichungsnummer 0 338 236 wurde durch Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 16. Mai 1994 zurückgewiesen.

Der Entscheidung lagen die ursprünglich eingereichten Unterlagen (Hauptantrag) sowie als Hilfsantrag eine mit der Eingabe vom 30. Dezember 1992 eingereichte, geänderte Fassung der Unterlagen zugrunde.

Die Entscheidung wurde damit begründet, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, bzw des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag zwar jeweils neu sei, jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, da er sich für einen Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, gemäß den Dokumenten

D1: EP-A-0 252 251 und

D2: CH-A-577 598

ergebe.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) am 4. Juli 1994 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet.

Die Beschwerdebegründung ging am 17. August 1994 ein.

III. In einem Bescheid zur Vorbereitung einer hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung hat die Kammer noch auf die im Recherchenbericht genannte EP-A-0 225 827 (D5) hingewiesen und Zweifel bezüglich der Neuheit des beanspruchten Gegenstands gegenüber der dort offenbarten Vorrichtung geäußert.

Ferner wies die Kammer darauf hin, daß die Druckschrift D5 auch bezüglich der erfinderischen Tätigkeit von Bedeutung sein könnte, da es bei bestehendem Kundenwunsch naheliegen dürfte, die aus D5 bekannte Walze als heizbare Walze auszuführen und dabei von der aus der D2 bekannten Maßnahme Gebrauch zu machen. Wenn ein neuer Anspruch auf eine beheizte Walze gerichtet werde, stelle sich somit die Frage, ob eine erfinderische Tätigkeit vorliege.

IV. Am 6. Juli 1995 fand eine mündlichen Verhandlung statt. Während dieser Verhandlung überreichte die Beschwerdeführerin ein neu formuliertes Patentbegehren (Patentansprüche 1 bis 4 und eine angepaßte Beschreibung) und beantragte, die Zurückweisungsentscheidung der Vorinstanz aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage dieser Unterlagen zusammen mit den ursprünglichen Zeichnungen zu erteilen.

Anspruch 1 in der geltenden Fassung lautet:

"1. Hydrostatisch innenabgestützte Walze (100, 200) mit einer umlaufenden, den arbeitenden Walzenumfang bildenden Hohlwalze (2),

mit einem die Hohlwalze (2) der Länge nach durchgreifenden, ringsum Abstand vom Innenumfang (8) der Hohlwalze (2) belassenden, undrehbaren Querhaupt (1), mit mehreren in einer oder mehreren Reihen längs des Querhauptes (1) an diesem abgestützten, mittels einer Druckflüssigkeit gegen den Innenumfang der Hohlwalze (2) anpreßbaren hydrostatischen Stützelementen (10), welche in ihrer Anlagefläche gegen den Innenumfang (8) der Hohlwalze offene, ringsrum berandete Lagertaschen (20) aufweisen, die mit Druckflüssigkeit füllbar sind, die den Anpreßdruck auf den Innenumfang (8) der Hohlwalze (2) überträgt,

mit einer jedem Stützelement (10) zugeordneten, mit Druckflüssigkeit füllbaren Druckkammer (25) zum Anpressen des jeweiligen Stützelements (10) an den Innenumfang (8) der Hohlwalze (2) mit einer einstellbaren Kraft und mit einer Heizeinrichtung (27) für die den Lagertaschen (20) zugeführte Druckflüssigkeit,

dadurch gekennzeichnet,

daß bei mindestens einem Stützelement (10) die Druckkammer (25) von den Lagertaschen (20) getrennt und für die den Lagertaschen (20) zugeführte Druckflüssigkeit eine Mengenregeleinrichtung (30) vorgesehen ist, die bei allen Gegendrücken stets eine konstante Menge an Druckflüssigkeit abgibt".

V. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung sei es, auf einfache Weise die Liniendruckverteilung und die Temperaturverteilung längs der Hohlwalze völlig unabhängig voneinander einstellbar zu machen. Die bekannten Vorrichtungen ermöglichten weder eine solche unabhängige Regelung, noch seien ihnen Hinweise in dieser Richtung zu entnehmen, denn eine unabhängige Beeinflussung von Liniendruckverteilung und Temperaturverteilung habe bis zum Anmeldetag generell nicht zur Debatte gestanden.

Die D2 zeige zwar eine unabhängige Einstellung der Temperatur an einzelnen Gruppen von Stützelementen, jede Veränderung der Anpreßkraft beeinflusse jedoch auch die Menge der aus den Lagertaschen ausströmenden Flüssigkeit, so daß für die Einhaltung einer bestimmten Walzentemperatur die Flüssigkeitstemperatur nachgeregelt werden müsse.

Die in der D5 offenbarte Hohlwalze werde nicht beheizt, sondern gekühlt, damit die durch Reibung entstehende Erwärmung ein bestimmtes Niveau nicht überschreiten könne. Es sei hier nichts gesagt über die Regelung der Pumpe für die hydrostatischen Lager, so daß der Fachmann auch in dieser Hinsicht aus dieser Druckschrift keine Anregungen zur Lösung des gestellten Problems in Richtung der beanspruchten Vorrichtung entnehmen könne.

Bei der von der Einspruchsabteilung für besonders relevant gehaltenen D1 gehe es insbesondere darum, ein hydraulisches Stützelement zu schaffen, welches besonders bei höheren Druckkräften einen niedrigeren Energieverbrauch habe. Zwar sei auch hier eine getrennte Zufuhr von Drucköl für die Anpreßmittel und die Lagertaschen vorhanden, eine Beheizung dieser Walze sei jedoch überhaupt nicht angesprochen. Angesichts der unterschiedlichen Aufgabenstellungen dieser Druckschrift und der Anmeldung habe der Fachmann keinen Grund, irgendwelche aus der D1 bekannten Maßnahmen für die Lösung des hier gestellten Problems zu verwenden, zumal dort wegen der gemeinsamen, die Lagerpumpe enthaltenden Zuleitung nicht von einer echten Entkoppelung von Liniendruckverteilung und Temperaturverteilung gesprochen werden könne.

Bei Berücksichtigung des tatsächlich für einen Fachmann, der die Erfindung nicht kenne, zur Verfügung stehenden Offenbarungsgehalts der in Rede stehenden Druckschriften sei auch sonst kein Weg erkennbar, der vom Stand der Technik in naheliegender Weise zur beanspruchten Vorrichtung führe.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Anspruch 1 enthält im wesentlichen alle Merkmale des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1. Die hinzugefügten Merkmale betreffen zusätzlich eine Beheizung, sowie eine Mengenregeleinrichtung für die Druckflüssigkeit, so daß den Lagertaschen bei allen Gegendrücken eine konstante Menge der Druckflüssigkeit zugeführt wird. Diese Merkmale sind auf Seite 11, Zeilen 21 bis 28 bzw. Seite 12, letzter Absatz, der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart.

Das Merkmal "unabhängig von den anderen Stützelementen" (einstellbare Kraft) in dem ursprünglichen Anspruch 1 wurde gestrichen (siehe vorletzten Absatz des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1), da keine der offenbarten Ausführungsformen der Anmeldung eine solche unabhängige Einstellung der Kraft in bezug auf jedes Stützelement ermöglicht.

2.2. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 4, wobei die Ansprüche 2 und 3 im Einklang mit dem Gegenstand des nun geltenden Anspruchs 1 auf eine Heizeinrichtung für die den Lagertaschen zugeführte Druckflüssigkeit eingeschränkt wurden.

2.3. Die neuen Ansprüche geben somit keinen Anlaß zu einem Einwand nach Artikel 123 (2) EPÜ.

3. Neuheit

Die Neuheit des Gegenstandes nach Anspruch 1 folgt daraus, daß keines der ermittelten Dokumente eine hydrostatisch innenabgestützte Walze mit einer umlaufenden, den arbeitenden Walzenumfang bildenden Hohlwalze offenbart, bei der die den hydrostatischen Lagertaschen zugeführte Druckflüssigkeit beheizt und bei allen Gegendrücken stets in konstanter Menge abgegeben wird.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Nächstkommender Stand der Technik ist die in der D2 offenbarte Durchbiegungsausgleichwalze, die die Gesamtheit der Merkmale des Oberbegriffes des Anspruchs 1 offenbart.

Obwohl es nach der Aussage in Spalte 4, Zeilen 11 bis 16 der D2 möglich ist, Temperatur und Druck unabhängig voneinander einzustellen, folgt aus der offenbarten konstruktiven Ausführung des bekannten hydrostatischen Drucklagers, daß eine Änderung der Liniendruckverteilung immer auch eine Änderung der Temperaturverteilung nach sich zieht.

Wird nämlich die Liniendruckverteilung verändert, indem an einer bestimmten Gruppe von Stützelementen der Druck der Druckflüssigkeit erhöht wird, dann strömt bei diesen Stützelementen zwischen Rand und Innenumfang der Hohlwalze mehr Druckflüssigkeit ab als vorher. Dadurch wird im Bereich dieser Stützelemente mehr Wärme auf den Innenumfang der Hohlwalze übertragen und die Temperaturverteilung längs der Hohlwalze geändert. Eine Kompensation dieses Effekts ist zwar möglich durch Nachregeln der von den Heizelementen abgegebenen Leistung (Regelkreis 68, 70, 69 in Figur 5), eine solche Regelung ist jedoch verhältnismäßig langsam. Eine wirkliche Entkopplung von Temperatur- und Druckverteilung ist also nicht gegeben (siehe auch Spalte 1, Zeile 30 bis Spalte 2, Zeile 34 der Beschreibung).

4.2. Die der Anmeldung zugrunde liegende Aufgabe ist darin zu sehen, die aus der D2 bekannte Walze so auszugestalten, daß auf einfache Weise die Liniendruckverteilung und die Temperaturverteilung längs der Hohlwalze unabhängig voneinander eingestellt werden können (siehe Spalte 3, Zeilen 18 bis 22 der Anmeldung).

4.3. Diese Aufgabe wird durch den in Anspruch 1 wiedergegebenen Gegenstand gelöst.

Durch die Trennung der den Lagertaschen zugeführten Druckflüssigkeit von der der Druckkammer zugeführten Druckflüssigkeit bei gleichzeitiger Mengenkonstantregelung der den Lagertaschen zugeführten Druckflüssigkeit ändert sich bei einer Änderung der Stützkraft des Stützelementes die über dessen Rand abströmende Druckflüssigkeitsmenge nicht mehr, was sonst, wenn diese Menge vom Stützdruck abhängig wäre, zu einer ungewollten Änderung der übertragenen Wärmemenge führte (siehe Spalte 3, Zeilen 23 bis 43 der Anmeldung).

4.4. Der Gedanke, die den Lagertaschen zugeführte Druckflüssigkeit von der der Druckkammer zugeführten Druckflüssigkeit zu trennen und mit einer Mengenkonstantregelung zu versehen, ist zwar aus der D1 bekannt. Jedoch wird mit diesen Maßnahmen dort ein völlig anderes Ziel angestrebt, nämlich, ein hydrostatisches Stützelement zu schaffen, welches insbesondere bei höheren Druckkräften, wie sie z. B. beim Walzen von Metall auftreten, einen niedrigeren Energieverbrauch hat. Dabei tritt insbesondere das Problem der Wärmeübertragung auf die Walze überhaupt nicht in Erscheinung, da eine Beheizung der Walze direkt oder mittels der abströmenden Druckflüssigkeitsmenge weder offenbart noch nahegelegt wird, so daß der Fachmann dieser Druckschrift keinen Hinweis zur Lösung des gestellten Problems entnehmen konnte.

Im übrigen ist auch bei diesem Stand der Technik eine gewisse gegenseitige Beeinflussung der für die Einstellung der Stützkraft des Stützelements benötigten Druckflüssigkeitsmenge und der den Lagertaschen zugeführten Druckflüssigkeitsmenge nicht auszuschließen, da beide Zweige von derselben volumetrischen Pumpe gespeist werden.

4.5. Nach Auffassung der Kammer konnte der Fachmann, ausgehend von der D2, auch nicht erwarten, durch Verbindung mit der Lehre von D1 einen Vorteil hinsichtlich der Einstellung des Liniendruck- und Temperaturprofils zu erzielen (siehe Punkt 23 der angefochtenen Entscheidung), denn die D2 ermöglicht bereits eine gewisse unabhängige Einstellung dieser Parameter und weder die D1 noch die D2 enthalten irgendwelche Hinweise, die den Fachmann auf die bestehenden Beschränkungen des aus D2 bekannten Systems oder ihre genauen technischen Ursachen aufmerksam machen.

4.6. Die D5 zeigt zwar eine vollständige Trennung von Druckflüssigkeitszufuhr zu den Stützelementen und deren Lagertaschen. Hier sind jedoch weder eine Beheizung der Druckflüssigkeit noch eine Mengenregelung der den hydrostatischen Lagern zugeführten Druckflüssigkeit offenbart. Diese Druckschrift kann dem Fachmann also ebenfalls nichts zur Lösung des mit der Beheizung der Druckflüssigkeit zusammenhängenden Problems vermitteln.

4.7. Den weiteren, im europäischen Recherchenbericht genannten Dokumenten, die zum Teil auch beheizte Walzen offenbaren, sind ebenfalls keine Hinweise zu einer wirklichen Entkopplung von Temperatur- und Druckverteilung mittels der vorgeschlagenen Maßnahmen oder auch nur zu den Mechanismen der Wärmeübertragung auf die Walze (vgl. Punkt 4.1, oben) zu entnehmen.

5. Zusammenfassend kommt die Kammer daher zu dem Ergebnis, daß der ermittelte Stand der Technik, insbesondere die Druckschriften D1, D2, und D5 jede für sich oder in Kombination, sowie in Verbindung mit dem einem Fachmann zu unterstellenden Wissen, dem Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf das Erfordernis der erfinderische Tätigkeit nicht patenthindernd entgegensteht (Artikel 56 EPÜ), so daß auf der Basis des vorliegenden Anspruchs 1 ein Patent erteilt werden kann.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 und sind ebenfalls gewährbar (Regel 29 (3) EPÜ).

Die angepaßte Beschreibung entspricht den Vorschriften von Regel 27 EPÜ und ist für die Erteilung des Patents geeignet.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüchen 1 bis 4, der in der mündlichen Verhandlung überreichten Beschreibung und den ursprünglich eingereichten Figuren zu erteilen.

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