T 0670/94 () of 24.2.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T067094.19990224
Datum der Entscheidung: 24 Februar 1999
Aktenzeichen: T 0670/94
Anmeldenummer: 89121795.2
IPC-Klasse: B65H 67/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum automatischen Transport von in Behältern abgelegtem Textilmaterial
Name des Anmelders: MASCHINENFABRIK RIETER AG
Name des Einsprechenden: Trützschler GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die am 23. Juni 1994 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Patent Nr. 0 371 417 Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß der genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegenstünde.

Sie hat u. a. folgende Entgegenhaltungen berücksichtigt:

E1: DE-A-3 532 172

E4: DD-C-52 999

E5: DE-A-3 644 537.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

III. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 15 lauten in der erteilten Fassung wie folgt:

"1. Verfahren zum Fördern von in Behältern (7, 8) abgelegtem Textilmaterial einer Textilmaterial abgebenden Maschine zu einer Textilmaterial aufnehmenden Maschine mittels eines selbstfahrenden Transportfahrzeuges (F), dessen Fahrsteuerung von einer zentralen Steuereinheit (Z) erfolgt, die mit der Textilmaterial abgebenden (K1-K3) und der Textilmaterial aufnehmenden Maschine (S1, S2) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerung des Transportfahrzeuges (F) zur Rückführung der von der Textilmaterial aufnehmenden Maschine (S1, S2) abzuführenden Behältern (7) zur Textilmaterial abgebenden Maschine (K1-K3) anhand von an die Steuereinheit (Z) abgegebenen Steuersignalen von der zentralen Steuereinheit (Z) erfolgt und dass in dem Fahrweg des Transportfahrzeuges (F) von der Textilmaterial aufnehmenden Maschine (S1, S2) zur Textilmaterial abgebenden Maschine (K1-K3) eine Prüfstation (L) zur Überprüfung des Inhaltes und/oder des Zustandes des bzw. der auf dem Transportfahrzeug (F) befindlichen Behälters (58), bzw. Behältern vorgesehen ist und die Prüfstation (L) mit der Steuereinheit (Z) in Verbindung steht."

"15. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, mit einer zentralen Steuereinheit (Z), welche mit einem selbstfahrenden Transportfahrzeug (F) und Textilmaterial abgebenden und Textilmaterial aufnehmenden Maschinen (K1-K3, S1, S2) in Verbindung steht, wobei Behälter mit Textilmaterial von dem Transportfahrzeug von der Textilmaterial abgebenden Maschine (K1-K3) zur Textilmaterial aufnehmenden Maschine (S1, S2) überführt werden, dadurch gekennzeichnet, dass in dem Fahrzeug des Transportfahrzeuges (F) von der Textilmaterial aufnehmenden Maschine (S1, S2) zur Textilmaterial abgebenden Maschine (K1-K3) eine mit der Steuereinheit (Z) verbundene Prüfstation (L) angeordnet ist, welche mit Mitteln zur Überprüfung des Inhaltes und/oder des Zustands der auf dem Transportfahrzeug (F) befindlichen Behälter (58) vorgesehen ist."

V. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Infolge der "und/oder"-Formulierung in Anspruch 1 umfasse dieser drei Verfahrensvarianten, wobei die Variante "Zustandsprüfung" durch die Entgegenhaltung E1 nahegelegt sei: beim dort beschriebenen Transportsystem müßten die Kannen ebenfalls systematisch auf ihren Zustand überprüft werden und dies könne nur auf dem Rückweg erfolgen. Dies werde durch die Entgegenhaltung E5 noch bestätigt.

Die Variante "Inhaltsprüfung" werde durch die E4 nahegelegt, denn auch dort werde eine solche Prüfung auf dem Rückweg vorgenommen und diene demselben Zweck, nämlich der automatischen Behebung von Bandbrüchen an der Textilmaterial aufnehmenden Maschine.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Wesentlich sei das funktionelle Zusammenwirken zwischen den Merkmalen von Anspruch 1 bzw. 15, welches vorsehe, daß die Steuerung der Rückführung des Transportwagens in Abhängigkeit des in der Prüfstation erzielten Ergebnisses reagiere. Dieser Grundgedanke sei in keiner der angezogenen Entgegenhaltungen nahegelegt.

Entscheidungsgründe

1. Auslegung von Anspruch 1

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß Anspruch 1 infolge der "und/oder"-Formulierung drei Verfahrensvarianten enthalte: entweder werde nur eine Inhaltsprüfung oder nur eine Zustandsprüfung durchgeführt oder immer beides.

Dem kann die Kammer nicht folgen: der Beschreibung ist klar zu entnehmen, daß nur eine Art von Prüfstation vorgesehen ist, die aber je nach Situation (und auf Befehl der zentralen Steuerung) entweder nur die eine oder die andere Prüfung oder gegebenenfalls beide vornimmt. So ist z. B. vorgesehen, daß, wenn bei der (zuerst vorgenommenen) Inhaltsprüfung ein ein Mindestmaß übersteigender Kannenstock festgestellt wird, die Kanne direkt an eine Strecke transportiert wird, d. h. die Zustandsprüfung unterbleibt (Spalte 7, Zeilen 11 bis 17).

2. Die Neuheit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 und der Vorrichtung nach Anspruch 15 ist von der Beschwerdeführerin - nach Überzeugung der Kammer zu Recht - nicht bestritten worden.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Die Kammer schließt sich der Auffassung der Parteien an, daß die Entgegenhaltung E1 den nächstkommenden Stand der Technik offenbart. Diese Entgegenhaltung beschreibt ein Verfahren zum Fördern von Kannen von Karden zu Strecken gemäß Oberbegriff von Anspruch 1 und ist in der Beschreibung der Patentschrift eingehend und in zutreffender Weise gewürdigt.

Dabei wird festgestellt, daß dieses bekannte Transportsystem nicht vollautomatisch arbeitet, sondern im Gegenteil noch zahlreiche manuelle Eingriffe erforderlich macht. Insbesondere beschreibt E1 nicht, wie Bandbrüche an der Faserband verarbeitenden Maschine (Strecke) behoben werden und wie defekt gewordene Kannen erfaßt und ausgeschieden werden können.

3.2. Daraus ergibt sich die Aufgabe, den Transport der Kannen vollautomatisch durchzuführen und die notwendigen manuellen Eingriffe auf ein Minimum zu beschränken, wobei solche Eingriffe erst nach größeren Zeitabständen erforderlich sind und der Austausch der Kannen in kurzen Zeitabständen erfolgen kann (Spalte 1, Zeile 57 bis Spalte 2, Zeile 6 der Patentschrift).

3.3. Nach Überzeugung der Kammer wird diese Aufgabe durch die kennzeichnenden Merkmale von Anspruch 1 bzw. Anspruch 15 gelöst.

3.4. Gemäß dem ersten kennzeichnenden Merkmal wird die Rückführung der Kannen durch die zentrale Steuereinheit organisiert. Hierzu sagt E1 in der Tat nichts aus. Es wird dort zwar ausführlich beschrieben, wie der Transport der Kannen von der Karde zur Strecke erfolgt und durch die zentrale Steuereinheit organisiert wird. Zur Rückführung der Kannen ist lediglich gesagt, daß sie ebenfalls mittels der Transportfahrzeuge erfolgt und zwar entweder auf direktem Wege oder über einen Puffer (Spalte 2, Zeilen 57 bis 59).

3.5. Nun dürfte es - für sich betrachtet - naheliegend sein, die Steuerung der Rückführung der Kannen durch die zentrale Steuereinheit vorzunehmen. Jedoch ist dieses Merkmal im Zusammenhang mit dem zweiten kennzeichnenden Merkmal zu sehen, d. h. die rückzuführenden Kannen werden zunächst einer im Rückweg befindlichen Prüfstation zugeführt. Je nach Ergebnis der Inhalts- und/oder Zustandsprüfung wird die Kanne dann weiter zur Karde oder zurück zur Strecke oder zu einer Sammelstelle für defekte Kannen geführt.

Zu diesem Zweck ist gemäß dem dritten kennzeichnenden Merkmal die Prüfstation mit der zentralen Steuereinheit verbunden.

3.6. Dieses Lösungskonzept wird durch die E1 nicht nahegelegt, da - wie bereits erwähnt - diese Entgegenhaltung keine Hinweise zur Prüfung der Kannen auf Inhalt und/oder Zustand und zur Steuerung der Rückführung der Kannen enthält.

3.7. Die Beschwerdeführerin hat zwar vorgetragen, daß es unerläßlich und daher praxisüblich sei, die Kannen regelmäßig auf Zustand und Inhalt zu prüfen und daß bei einem Transportsystem gemäß E1 diese Prüfung logischerweise nur auf dem Rückweg vorgenommen werden könne.

Dem widerspricht aber die Aussage von E1, daß die Kannen entweder auf direktem Wege oder über einen Puffer zurückgeführt werden sollen. Es ist somit nicht ersichtlich, wie in diesem Fall eine systematische Zustandsprüfung der Kannen vorgenommen werden kann. Keinesfalls kann der Fachmann der E1 irgendwelche Hinweise entnehmen, dabei in der patentgemäßen Weise vorzugehen. Im übrigen enthält die E1 auch keine Hinweise auf eine Inhaltsprüfung.

3.8. Ferner hat die Beschwerdeführerin die Entgegenhaltung E5 angeführt. Diese beschreibt eine Vorrichtung zur Prüfung der Zentrizität von Kannen. Es ist zwar erwähnt, daß diese Prüfung ein Kannentransporter übernehmen oder in einer Kannen-Reservestation erfolgen könne, und zwar bevorzugt bei leerer Kanne (Spalte 2, Zeilen 26 bis 30). Daraus läßt sich lediglich entnehmen, die Zustandsprüfung auf dem Rückweg der Kannen vorzunehmen, nicht aber die Rückführung der Kannen durch eine zentrale Steuereinheit vorzunehmen und dabei die Zustandsprüfung mit der Inhaltsprüfung zu kombinieren.

3.9. Eine Inhaltsprüfung ist lediglich in Entgegenhaltung E4 beschrieben, allerdings im Zusammenhang mit einer völlig anders aufgebauten Transportvorrichtung, bei der die Kannen mittels Förderbändern von einer ersten zu einer zweiten Strecke befördert werden. Eine zentrale Steuereinheit ist nicht vorgesehen. Bei Fehlen eines Bandes am Einlauf der zweiten Strecke infolge Bandbruches oder Leerlaufens wird die betreffende Kanne gegen eine Reservekanne ausgetauscht und auf den rückführenden Transportweg gebracht. In diesem Weg ist eine eine Inhaltsprüfung vornehmende Prüfstation vorgesehen. Noch nicht geleerte Kannen werden wieder zur zweiten Strecke zurückgeführt und das Band automatisch wieder angelegt.

Nun dient gemäß der Beschreibung des Streitpatents die Inhaltsprüfung ebenfalls der automatischen Behebung von Bandbrüchen und zwar in analoger Weise wie in E4 beschrieben, jedoch gibt E4 keine Anregung dazu, dies beim Verfahren gemäß E1 in der beanspruchten Weise zu verwirklichen.

Im übrigen enthält E4 keinerlei Angaben zur Zustandsprüfung der Kannen, so daß auch E4 den Gedanken, beide Prüfungen zu kombinieren, nicht nahelegt.

3.10. Das Verfahren nach Anspruch 1 beruht somit auf erfinderischer Tätigkeit.

Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Vorrichtung nach Anspruch 15, da sie durch den Verfahrensmerkmalen entsprechende Vorrichtungsmerkmale gekennzeichnet ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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