T 0631/94 (Formmaschine) of 28.3.1995

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1995:T063194.19950328
Datum der Entscheidung: 28 März 1995
Aktenzeichen: T 0631/94
Anmeldenummer: 89100553.0
IPC-Klasse: B22C 13/06
Verfahrenssprache: DE
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Fassungen: OJ | Published
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: WAGNER SINTO
Name des Einsprechenden: Künkel-Wagner (Beitretender)
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: Mit der Abgabe an die interne Poststelle des EPA ist eine im schriftlichen Verfahren ergangene Entscheidung über die Einstellung des Einspruchsverfahrens öffentlich existent und damit erlassen. Wird von den Parteien, die an dem Verfahren, das zu dieser Entscheidung geführt hat, beteiligt waren, keine Beschwerde erhoben, ist zu diesem Zeitpunkt das Einspruchsverfahren abgeschlossen und danach kein Beitritt auf der Grundlage von Artikel 105 EPÜ mehr möglich.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 105
Schlagwörter: Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers - unzulässig
Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers - unzulässig
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0004/91
G 0012/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1143/00
T 1032/10

Sachverhalt und Anträge

I. Am 20. Juni 1994, gab der Formalprüfer der Einspruchsabteilung eine Entscheidung über die Einstellung des Einspruchsverfahrens an die interne Poststelle des EPA zur Zustellung an die Parteien ab.

II. Die Entscheidung wies das aufgestempelte Datum vom 23. Juni 1994 auf und wurde am gleichen Tag durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein an die Parteien gesandt.

III. Am 23. Juni 1994, reichte die Beschwerdeführerin eine begründete Beitrittserklärung ein und, "sofern das Einspruchsverfahren durch Beschluß abgeschlossen sein sollte, dieser Beschluß allerdings noch nicht rechtskräftig sei", erhob sie Beschwerde gegen einen solchen Beschluß. Die Beschwerdeführerin bezahlte gleichzeitig alle entsprechenden Gebühren.

IV. Nachdem die Einspruchsabteilung die Akte ohne eigene Stellungnahme an die Beschwerdekammer des EPA weitergeleitet hatte, teilte die Geschäftsstelle der zuständigen Kammer der Beschwerdeführerin mit, daß gemäß der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer in der Sache G 4/91 (ABl. EPA 1993, 707) und G 12/91 (ABl. EPA 1994, 285) das Verfahren vor der Einspruchsabteilung vor Eingang der Beitrittserklärung abgeschlossen gewesen sei. Da der einzige Verfahrensbeteiligte (Patentinhaber) keine Beschwerde eingelegt habe, seien die Beitrittserklärung und die Beschwerde wirkungslos.

V. Nach dieser Mitteilung hielt die Beschwerdeführerin ihre Auffassung, daß der Beitritt rechtzeitig erklärt worden sei, aufrecht und machte geltend, daß - ungeachtet der Tatsache, daß das Verfahren zum Erlaß der Entscheidung am 20. Juni 1994 und somit vor dem Tag der Einreichung der Beitrittserklärung abgeschlossen gewesen sei - der Erlaß der Entscheidung erst am Tage der Absendung, d. h. dem 23. Juni 1994, erfolgt sei.

Darüber hinaus seien in dem Europäischen Patentregister sowie in dem EPIDOS-Informations-Register die Einträge: "Einstellung des Einspruchsverfahrens/ Termination of Opposition Procedure/Clôture de la procédure d'opposition" und "Opposition proceedings closed (R. 60) dispatch/legal effect day" jeweils mit dem Datum vom 23. Juni 1994 verbunden. Dieses offizielle Datum sei das einzige Datum, das der Öffentlichkeit und daher auch der Beitretenden in diesem Zusammenhang kundbar geworden sei, und müsse deshalb als gültig angesehen werden. Aus diesem Grund seien die Beitrittserklärung und die Beschwerde, die am 23. Juni 1994 eingereicht wurden, rechtzeitig eingelegt.

VI. Während der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung, stützte sich die Beschwerdeführerin im wesentlichen auf ihr schriftliches Vorbringen. Sie machte dabei insbesondere geltend, daß gemäß der Entscheidung G 12/91 der Zeitpunkt der Abgabe der Entscheidung durch die Formalprüfungsstelle des EPA dem Zeitpunkt der Beendigung der sachlichen Debatte in der mündlichen Verhandlung und die Verkündung der Entscheidung im mündlichen Verfahren der Zustellung der Entscheidung im schriftlichen Verfahren entsprächen. Der Zeitpunkt des Erlasses einer Entscheidung sei der Zeitpunkt der Verkündung bzw. Aufgabe zur Post zum Zwecke der Zustellung, im vorliegenden Falle also der 23. Juni 1994. Daher sei der Beitritt rechtzeitig eingereicht und damit wirksam erfolgt.

VII. Die Beschwerdegegnerin machte ihrerseits geltend, daß das Verfahren zum Erlaß der Entscheidung der Einspruchsabteilung am 20. Juni 1994 abgeschlossen worden sei und daher die Beitrittserklärung ebenso unwirksam sei, wie die Beschwerde unzulässig sei.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin, die Entscheidung vom 23. Juni 1994 aufzuheben und die Sache zur weiteren Behandlung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (Hauptantrag) und hilfsweise der Großen Beschwerdekammer folgende Rechtsfrage vorzulegen:

"Ist eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren schon erlassen, wenn sie von der Formalprüfungsstelle der Abteilung an die interne Poststelle des EPA zum Zweck der Zustellung abgegeben wird, in der Regel 3 Tage vor ihrem Datum?"

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und die Kosten für die mündliche Verhandlung der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.

IX. Nach Beendigung der sachlichen Debatte teilte der Vorsitzende der Beschwerdekammer den Parteien mit, daß die Entscheidung schriftlich erlassen werde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde wurde gegen eine mit Beschwerde anfechtbare Entscheidung eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde rechtzeitig bezahlt und die Beschwerdebegründung wurde innerhalb der in Artikel 108 EPÜ angegebenen Fristen eingereicht. Ferner enthält die Beschwerdeschrift einen Antrag, der die angefochtene Entscheidung und den Umfang angibt, in dem ihre Änderung oder Aufhebung begehrt wird.

2. Die Voraussetzungen der Artikel 106, 108 und der Regel 64 Buchstabe b EPÜ sind somit erfüllt. Die Beschwerde kann jedoch erst dann als zulässig betrachtet werden, wenn auch die Voraussetzungen des Artikels 107 EPÜ erfüllt sind.

3. Gemäß Artikel 107 EPÜ steht "die Beschwerde denjenigen zu, die an dem Verfahren beteiligt waren, das zu der Entscheidung geführt hat, ...".

4. Gemäß Artikel 105 (1) EPÜ kann der vermeintliche Patentverletzer nach Ablauf der Einspruchsfrist dem Einspruchsverfahren beitreten. Die Große Beschwerdekammer hat in der Entscheidung G 4/91 aus diesem Artikel das Erfordernis abgeleitet, daß der Beitritt des vermeintlichen Verletzers gemäß Artikel 105 EPÜ voraussetzt, daß ein Einspruchsverfahren zum Zeitpunkt der Beitrittserklärung anhängig ist.

5. Im vorliegenden Falle wurde die angefochtene Entscheidung von dem Formalsachbearbeiter der Einspruchsabteilung am 20. Juni 1994, mit dem Datum vom 23. Juni 1994 versehen, zur internen Poststelle des EPA gegeben. An letzterem Tag, d. h. am 23. Juni 1994, ist die Übergabe an die Post zum Zwecke der Zustellung an die Patentinhaberin und die Einsprechende durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein erfolgt. Am gleichen Tag, d. h. am 23. Juni 1994, wurde die Beitrittserklärung der Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Bezahlung der Einspruchsgebühr eingereicht.

6. Die Beantwortung der Frage, ob am 23. Juni 1994 noch ein Einspruchsverfahren anhängig war, ist somit für die zu treffende Entscheidung von besonderer Bedeutung:

Im Bejahungsfalle wäre der Beitritt rechtzeitig erfolgt, und die Beschwerde wäre daher zulässig, da der Beitretende als Einsprechender am Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, beteiligt gewesen wäre (Art. 105 (2) EPÜ). Ansonsten wäre die Beitrittserklärung verspätet eingegangen und damit wirkungslos. In diesem Falle wäre die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, da sie von jemandem eingereicht worden wäre, der an dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, nicht beteiligt war.

7. In der Entscheidung G 12/91 der Großen Beschwerdekammer wurde festgestellt (Punkt 9.3.):

"Mit der Abgabe durch die Formalprüfungsstelle an die interne Poststelle zum Zweck der Zustellung verläßt die Entscheidung die Akten und ist damit dem Einwirkungsbereich der Abteilung entzogen. Zu diesem Zeitpunkt ist das Verfahren für den Erlaß der Entscheidung im schriftlichen Verfahren vor der Abteilung abgeschlossen."

8. Die Entscheidung G 4/91 (Punkt 7, 2. und 3. Absatz) stellt darüber hinaus fest, daß das Verfahren zu dem Zeitpunkt abgeschlossen ist, zu dem die Einspruchsabteilung eine abschließende Entscheidung getroffen hat, mit der Folge, daß sie nicht mehr befugt ist, diese Entscheidung zu ändern.

9. Die angefochtene Entscheidung wurde ausweislich des entsprechenden Eintrags auf der Entscheidungskopie in der Akte am 20. Juni 1994 an die interne Poststelle des Amtes abgegeben. Damit war das Verfahren für den Erlaß dieser Entscheidung abgeschlossen.

Im mündlichen Verfahren ist eine Entscheidung mit ihrer Verkündung öffentlich existent und somit erlassen. Sie kann von der Stelle, die sie erlassen hat, nicht mehr geändert werden. Diese Voraussetzungen sind beim schriftlichen Verfahren spätestens mit der Zustellung der Entscheidung gegeben (G 12/91, Punkt 2). Die gleichen Voraussetzungen liegen jedoch bereits dann vor, nachdem die Entscheidung an die interne Poststelle des EPA übergeben worden ist. Ab diesem Zeitpunkt ist der Inhalt der Entscheidung, z. B. durch Akteneinsicht, öffentlich existent.

Nach den von der Großen Beschwerdekammer aufgeführten Kriterien war daher nach dem 20. Juni 1994 die Entscheidung bereits erlassen und, da von den am Verfahren, das zu dieser Entscheidung geführt hatte, beteiligten Parteien keine Beschwerde erhoben wurde, auch das Einspruchsverfahren abgeschlossen.

10. Da somit die Beitrittserklärung der Beschwerdeführerin nicht wirksam geworden ist, ist auch die Beschwerde unzulässig.

11. Wie die obigen Ausführungen zeigen, ist die Anwendung der sich aus der Entscheidung G 4/91 ergebenden Prinzipien auf den vorliegenden Fall eindeutig. Es liegt somit kein Grund vor, die Frage der Beschwerdeführerin der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

12. Die Beschwerdegegnerin hat eine Entscheidung über die Verteilung der Kosten beantragt. Die Kammer kann nicht erkennen, daß die Beschwerdeführerin die ihr zustehenden legitimen Rechte in mißbräuchlicher oder exzessiver Weise in Anspruch genommen und damit der Beschwerdegegnerin willkürlich Kosten verursacht hat, deren Erstattung der Billigkeit entsprechen würde.

Der Antrag, der Beschwerdegegnerin die Kosten für die mündliche Verhandlung zu erstatten, ist somit abzulehnen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag, eine Frage an die Große Beschwerdekammer vorzulegen, wird abgelehnt.

3. Der Antrag, die Kosten der Beschwerdegegnerin für die mündliche Verhandlung der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, wird abgelehnt.

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