T 0628/94 () of 23.10.1996

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1996:T062894.19961023
Datum der Entscheidung: 23 October 1996
Aktenzeichen: T 0628/94
Anmeldenummer: 87116035.4
IPC-Klasse: B05D 1/12
B05B 7/14
B05D 1/06
B05B 5/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Erhöhung der ausgegebenen Pulvermenge an einer Pulverbeschichtungsanlage sowie Pulverbeschichtungsanlage
Name des Anmelders: Präzisions-Werkzeuge AG
Name des Einsprechenden: Calistri, Nello
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (verneint);
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0002/83
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Anmeldung Nr. 87 116 035.4 wurde am 22. Januar 1992 das europäische Patent Nr. 0 268 126 erteilt.

II. Das Einspruchsverfahren gegen vorgenanntes Patent wurde seitens der Einspruchsabteilung am 28. April 1994 durch die am 17. Juni 1994 zugestellte Zwischenentscheidung im Sinne von Artikel 106 (3) EPÜ abgeschlossen.

III. Gegen diese Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung hat der Einsprechende - nachfolgend Beschwerdeführer - am 29. Juli 1994 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 20. Oktober 1994 begründet.

Er stellt den Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, weil ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vorliege und außerdem die Erfordernisse der Artikel 54 und 56 EPÜ zur Aufrechterhaltung des Patents nicht erfüllt seien.

IV. Die Patentinhaberin - nachfolgend Beschwerdegegnerin - widerspricht dem Vorbringen des Beschwerdeführers und beantragt die Aufrechterhaltung des Patents.

V. In der nach vorbereitender Mitteilung der Kammer am 23. Oktober 1996 durchgeführten mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdegegnerin die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Basis folgender, in der mündlichen Verhandlung überreichter Unterlagen:

Ansprüche: 1 bis 18;

Beschreibung: Sp. 1 mit 9 einschließlich eines Einschubes "AHA";

Zeichnungen: 4 Blatt mit Figuren 1 bis 5.

VI. Die unabhängigen Ansprüche 1 bzw. 7 dieses Antrags haben folgende Wortlaute:

"1. Verfahren zur Steuerung der pro Zeiteinheit ausgegebenen Pulvermenge, bei der das Pulver über eine Speiseleitung (3, 32) von einem Behälter (1, 30) einer Mischkammer (5, 55) zugespiesen wird, indem entlang der Speiseleitung (3, 32), durch Beschleunigung eines Gasstrahls (G), in der Mischkammer (5, 55) ein gegen die Kammer gerichtetes Druckgefälle ( p15) erzeugt wird und, durch Verzögerung des Pulver-Gas-Stromes, Druckrückgewinnung erzielt wird, um den Pulver-Gas-Strom durch eine Förderleitung (11) einer Beschichtungsanordnung (21) zuzuspeisen, und bei dem mittels einer Druckquelle (38) und einer am Behälter (1, 30) vorgesehenen Druckreguliervorrichtung (42), unabhängig von der Erzeugung des Gasstrahles (G) in der Mischkammer (5, 55), ein vom Umgebungsdruck abweichender statischer Druck (p1, p30) im Behälter (1, 30) erzeugt wird und mit diesem statischen Druck (p1, p30) die ausgegebene Pulvermenge gesteuert wird."

bzw.

"7. Pulverbeschichtungsanlage mit einem Pulverbehälter (1, 30), der über eine Leitung (3, 32) mit einer Mischkammer (5, 55) verbunden ist, in welche eine Fördergasdüse (7, 57) einmündet, um, durch Gasstrahlbeschleunigung, in der Mischkammer (5, 55) bezüglich des Behälters (1, 30) einen Unterdruck zu erzeugen, und aus welcher nach einem Druckrückgewinnungsabschnitt (61) eine Förderleitung (11) für das Gas-Pulver-Gemisch zu einer Beschichtungsanordnung führt und bei der durch eine mit dem Behälter (1, 30) verbundene Druckquelle (38) sowie eine am Behälter (1, 30) vorgesehene Druckreguliervorrichtung (42) ein von der Gasstrahlerzeugung unabhängiges Steuerglied für die pro Zeiteinheit an der Beschichtungsanordnung (21) ausgegebene Pulvermenge gebildet ist."

VII. Der Beschwerdeführer hielt seinen Antrag auf Widerruf des Patents auch auf dessen vorgenannter Basis aufrecht und brachte zur Stützung seines Antrags folgende Argumente vor:

- die Begriffe "Steuerung" und "Steuerglied" gemäß Anspruch 1 bzw. 7 seien nicht aus den ursprünglich offenbarten Begriffen "Einstellen" bzw. "Erstellen" eines Behälterdruckes herleitbar;

- dies gelte auch für das Merkmal der Unabhängigkeit der Erzeugung des Behälterdrucks von der Erzeugung des Gasstrahls in der Mischkammer, weil die zeichnerische Offenbarung der Figur 2a keine genügende Stützung dafür hergebe und im übrigen aus dieser Schemazeichnung eine Verknüpfung der in Rede stehenden Gassysteme nicht ausgeschlossen sei; der Doppelpfeil in Figur 2a könne auch ein Indiz dafür sein, daß verschiedene Pulver einen für sie spezifischen Druck bräuchten;

- schließlich sei bei der Neufassung der Ansprüche 1 und 7 das Merkmal der Fluidleitung "36" weggelassen worden;

- die Ansprüche 1 bzw. 7 könnten somit den Rechtsbestand schon aus der Sicht des Artikels 123 (2) EPÜ nicht sichern;

- darüber hinaus beruhe das Verfahren gemäß Anspruch 1 bzw. die Pulverbeschichtungsanlage gemäß Anspruch 7 im Lichte der

(D2) GB-A-1 106 082

(D10) US-A-3 432 208 und

(B2) "Operation Manual SPS" der Fa. Precision Tools Ltd. vom 27. Juli 1984

nicht auf erfinderischer Tätigkeit;

- im einzelnen werde schon in (D2) ein statischer Druck im Pulverbehälter geschaffen, der die Pulveraustragsmenge bestimme; das Sicherheitsventil "43" stelle einen vorgegebenen Wert sicher, so daß die ausgegebene Pulvermenge gesteuert werde; was in (D2) fehle sei lediglich ein Fluidisierboden, obwohl das Fluidisieren per se in (D2) angesprochen sei; über getrennte Ventile sei auch bei (D2) eine Unabhängigkeit von Druckerzeugung im Behälter und Gasstrahlerzeugung gegeben;

- ein Fluidisierboden sei aber aus (D10) bekannt und zwar in Verbindung mit der Erzeugung eines Behälterdrucks und einer Druckregelvorrichtung "59"; da den zwei Luftleitungen jeweils ein Ventil zugeordnet sei, sei auch die beanspruchte Unabhängigkeit gemäß Anspruch 1 bzw. 7 gegeben;

- der Fachmann würde die (D2) und (D10) als übergeordneten Stand der Technik erkennen und mit dem Manual (B2) aus dem direkten Gebiet des Streitpatents in Verbindung bringen, da auch dort im Behälter ein Überdruck geschaffen werde, obwohl dort eine Druckreguliervorrichtung, die aber aus (D2) und (D10) bekannt sei, fehle; was in (B2) nicht aufscheine, sei die Wirkungsangabe, daß mit dem Behälterdruck die Pulvermenge steuerbar sei;

- zusammenfassend sei somit das Streitpatent auch in der in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer verteidigten Fassung zu widerrufen.

VIII. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefaßt werden:

- im Zusammenhang mit der Beurteilung nach Artikel 123 (2) EPÜ sei der Fachmann angesprochen, der z. B. aus dem Doppelpfeil der Figur 2a des Streitpatents ersehe, daß der Behälterdruck variabel sei, woraus weiter folge, daß mit diesem Parameter die Pulveraustragsmenge steuerbar sei;

- damit sei das Merkmal der Steuerung ebenso ursprungsoffenbart wie jenes bezüglich der Unabhängigkeit der Druckerzeugung im Behälter und der Gasstrahlerzeugung, die sich nicht nur aus Figur 2a, sondern auch aus dem weiteren Inhalt der Ursprungsunterlagen für den Fachmann zweifelsfrei ergäben; nur durch diese Konstellation lasse sich eine gegenseitige störende Beeinflussung von Leitungssystemen ausschließen;

- der Einwand des Beschwerdeführers gemäß Artikel 123 (2) EPÜ vermöge somit mit Blick auf das in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer überreichte Schutzbegehren nicht durchzugreifen;

- in der Frage der erfinderischen Tätigkeit sei auch noch auf die Druckschriften

(D6) US-A-3 746 254 und

(D3) DE-B-2 849 269

zu verweisen, da sie den Fachmann auf die bei Pulverbeschichtungsverfahren/anlagen wichtigen Pulver-Austrittsgeschwindigkeiten hinlenkten bzw. dem Fachmann die Lehre vermittelten als Mittel zur Mengeneinstellung des Pulvers ein Steuergas in der Mischkammer zu verwenden;

- diese Informationen aus (D6/D3) berücksichtigend sei nicht erkennbar, inwiefern (D2), (D10) und (B2) einzeln oder in Kombination auf das beanspruchte Verfahren bzw. die beanspruchte Anlage zum Pulverbeschichten hinlenken könnten;

- im Gegensatz zum Beanspruchten lehre (D2) einen getakteten Betrieb, bei dem der Pulverbehälter entweder auf oder zu sei und bei dem zwei Düsen periodisch geschaltet werden müßten; der Zusammenhang, wonach mit dem Druck des Pulverbehälters die Pulveraustrittsmenge steuerbar sei, werde in (D2) nicht erkannt; zudem könne von einer Unabhängigkeit der hier interessierenden Leitungssysteme nicht gesprochen werden und sei das Ventil "43" ein Sicherheitsventil, aber kein Steuerorgan für den statischen Druck im Behälter;

- (D10) sei schon deshalb für das Pulverbeschichten irrelevant, weil dort die Erzeugung extrem hoher Geschwindigkeiten eines Pulver/Gasstroms im Vordergrund stehe; dazu komme, daß die Mischkammer "25" keine Injektorkammer sei, vielmehr über einen Schieber "27" die Fördermenge beeinflußbar sei, was dem Beanspruchten zuwiderlaufe, weil dort in der Mischkammer mit Unterdruck gearbeitet werde; wie bei (D2) fehle auch bei (D10) die Unabhängigkeit von Dosier- und Förderluft, vgl. Leitungen "31, 33, 41";

- letzteres gelte auch für (B2), weil dort die Pulvermenge mit der Dosier- und Förderluft eingestellt werde; die Fluidisierluft werde hingegen bei (B2) nicht für die Druckeinstellung herangezogen;

- vorstehende Argumente zusammenfassend seien das Verfahren nach Anspruch 1 ebenso wie die Anlage nach Anspruch 7 vom Stand der Technik nicht nahegelegt, so daß das Streitpatent auf der Basis der geltenden Unterlagen aufrechtzuerhalten sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Erfordernisse gemäß Artikel 123 (2) EPÜ

2.1. Der geltende Anspruch 1 ist abgestellt auf ein "Verfahren zur Steuerung der ... Pulvermenge". Der Beschwerdeführer sieht in der Einführung des Begriffs "Steuerung" einen Verstoß gegen den Inhalt der Ursprungsunterlagen. Diesem Einwand vermag die Kammer aus den nachfolgenden Gründen nicht zu folgen.

2.2. Es trifft zu, daß in den Ursprungsunterlagen im Zusammenhang mit der Erzeugung eines Überdrucks im Behälter die Worte "einstellen" bzw. "erstellen" verwendet werden. Eine Prüfung im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ darf aber nicht am Wortlaut der Ursprungsunterlagen kleben, vielmehr ist vom Fachmann der Gesamtinhalt derselben zu untersuchen, was u. a. auch die ursprünglichen Zeichnungen mit einschließt, z. B. Figur 2a und deren Doppelpfeil im Bereich des Parameters "p30". Der Text gemäß ursprünglicher Seite 6, Zeile 30 bis Seite 7, Zeile 2, wonach der Überdruck im Behälter zur Variation der Pulver-Fördermenge herangezogen werden kann, vgl. auch ursprüngliche Seite 17, Zeilen 3 bis 5, stützt die zeichnerische Offenbarung dahingehend, daß ein Zusammenhang zwischen Behälterüberdruck und Pulvermenge angesprochen ist, was nichts anderes bedeutet, als daß die pro Zeiteinheit ausgegebene Pulvermenge, vgl. Zeilen 1/2 des überreichten Anspruchs 1, über den statischen Druck im Behälter gesteuert wird, vgl. letzte vier Zeilen dieses Anspruchs 1. Da in den Ursprungsunterlagen keinerlei Aussagen über einen Zusammenhang von statischem Druck im Behälter und der Pulverart gemacht werden, scheidet nach Überzeugung der Kammer auch die Interpretation des Doppelpfeils in Figur 2a als Anpassung an das jeweilige Pulver aus, weil eine solche Interpretation, gewollt und nicht von den Ursprungsunterlagen gestützt ist.

2.3. Weiter bemängelt wurde seitens des Beschwerdeführers das Merkmal der Unabhängigkeit der Überdruck- und der Gasstrahlerzeugung. Zunächst ist in diesem Zusammenhang aber Figur 2a und ihr zugehöriger Text zu berücksichtigen, die beide keinerlei Basis ergeben, zu unterstellen, daß die in Rede stehenden Leitungen wirkverbunden sein könnten, vgl. auch ursprüngliche Seite 14, Zeilen 22 bis 27 bzw. Zeilen 15 bis 18.

Überdies spricht auch die Tatsache, daß die Mengensteuerung des Pulvers über den statischen Druck im Behälter erfolgt dafür, daß die Förderluft davon unabhängig ist; wäre dem nicht so, würden sich auch die Injektorverhältnisse und damit die Förderdrücke des Pulvers in der Mischkammer verstellen und die Mengesteuerung über den statischen Druck im Behälter wäre aufgehoben oder zumindest beeinträchtigt. Auch diese Überlegung verdeutlicht, daß die Ursprungsunterlagen eine Unabhängigkeit der in Rede stehenden Leitungen im Sinne hatten und nichts anderes.

2.4. Dem widerspricht auch nicht die Weglassung der Fluidleitung "36" aus Anspruch 1, da es für den Fachmann platt selbstverständlich ist, daß das Gebläse mit dem Pulverbehälter in Wirkverbindung steht, sei es durch die Fluidleitung "36" des Ausführungsbeispiels nach Figur 2a oder sonstwie. Die Beschwerdegegnerin ist demnach im Anspruch 1 nicht auf diese Fluidleitung einzuschränken gezwungen.

2.5. Zusammenfassend bleibt Anspruch 1 demnach im Rahmen des Artikels 123 (2) EPÜ und ist aus dieser Sicht nicht zu beanstanden.

2.6. Dies gilt auch für Anspruch 7 der die vorrichtungsmäßige Umsetzung der Schritte des Anspruchs 1 zum Inhalt hat, weil bei deren enger sachlicher Verknüpfung auf vorstehende Ausführungen zu Anspruch 1 zu verweisen ist.

3. Neuheit

Nach Neufassung der unabhängigen Ansprüche 1 bzw. 7 wurde ein Neuheitseinwand nicht mehr erhoben, so daß dieser Punkt in Übereinstimmung mit der Kammerauffassung in der mündlichen Verhandlung nicht mehr zu diskutieren war und sich auch in der Entscheidung ins Detail gehende Erörterungen erübrigen.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Bei gegebener Neuheit der Gegenstände von Anspruch 1 bzw. 7 ist noch die Frage zu untersuchen, ob diese Gegenstände im Sinne von Artikel 56 EPÜ auf erfinderischer Tätigkeit beruhen oder nicht. Die Kammer kommt diesbezüglich zu nachfolgendem Ergebnis:

4.2. Anspruch 1

4.2.1. Die einteilige Anspruchsfassung verdeutlicht, daß die Abgrenzung gemäß Zwischenentscheidung über das hinausgeht was eine im Verfahren befindliche Druckschrift, z. B. (D2), hergibt.

4.2.2. In Figur 1 der EP-B1-0 268 126 ist der bisherige, nächstkommende Stand der Technik wiedergegeben. Dort ist der Behälterdruck gleich dem Atmosphärendruck und damit im Prinzip unveränderlich, so daß mit diesem Parameter kein Einfluß auf das Beschichtungsergebnis zu nehmen ist.

4.2.3. Hiervon ausgehend liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, vgl. Absatz 2 des Einschubes "AHA" in Spalte 3 der geltenden Beschreibung, ein Verfahren zur Steuerung der pro Zeiteinheit an einer Pulverbeschichtungsanlage ausgegebenen Pulvermenge bzw. eine Pulverbeschichtungsanlage hierfür anzugeben (vgl. auch nachstehende Ausführungen zu Anspruch 7).

4.2.4. Die Lösung des verfahrenstechnischen Aspektes vorstehender Aufgabe im Sinne des Anspruchs 1 basiert auf dem statischen Druck des Behälters als dem Parameter für die Mengesteuerung des Pulvers, wobei dafür Sorge getragen ist, daß die Erzeugung dieses statischen Drucks im Behälter von der Gasstrahlerzeugung unabhängig ist; als Mittel für die Erzeugung des statischen Drucks sind gemäß Anspruch 1 eine Druckquelle "38" und eine am Behälter vorgesehene Druckreguliervorrichtung "42" vorgesehen, dergestalt, daß damit die ausgegebene Pulvermenge gesteuert wird.

Mit diesem Mittel gemäß Anspruch 1 an der Hand sind gleichmäßige Beschichtungsdicken erzielbar.

4.2.5. Ex post gesehen mag es auf der Hand liegen, den statischen Druck im Behälter zu erhöhen, um die Pulvermenge zu vergrößern. Selbst diese rein physikalische Betrachtungsweise ergibt aber nicht die Lehre des Anspruchs 1, weil dies allenfalls ein Baustein davon ist. Wirklich wertvoll wäre hingegen eine Anweisung im Stand der Technik, die den Zusammenhang der Pulvermengensteuerung allein über den statischen Druck im Behälter manifestiert. Wie Abschnitt 3 zur Neuheit erhellt, ist eine solche Lehre aber nicht im gesamten, hier zu berücksichtigenden Stand der Technik gegeben und - wie nachfolgende Ausführungen verdeutlichen - auch nicht nahegelegt.

4.2.6. Zur (D2) hat der Beschwerdeführer aus dem Absatz Seite 2, Zeile 97 ff hergeleitet, daß im Zusammenhang mit dem Druckanstieg im Behälter die Mengenerhöhung an ausgegebenem Pulver steuerbar sei. Das läßt aber unberücksichtigt, daß im angesprochenen Absatz der (D2) auch das Fluidisieren des Pulvers erwähnt wird und demnach nicht klar ist, was aus wem resultiert ("As a result ...", vgl. Seite 2, Zeile 102 von (D2)).

Das gezielte Herausgreifen des vorgenannten Sachverhalts aus (D2) wird aber der Gesamtlehre der (D2) nicht gerecht, die schon dadurch dem beanspruchten Verfahren zuwiderläuft, daß die Unabhängigkeit von statischem Druck und Gasstrahlerzeugung fehlt. (D2) ist darüber hinaus auch gattungsfremd, weil sie sich mit einem Förderproblem beschäftigt, nämlich von Staub oder von Schlamm, was gemäß (D2) mit zwei Düsen im Injektorbereich und zyklisch erfolgt, indem ein Schieber "27" am oberen Behälterbereich offen oder zu ist und wahlweise eine oder beide Düse(n) tätig ist/ sind. So gesehen klingt die Problematik des Streitpatents in (D2) nicht an, so daß ohne Kenntnis der Erfindung (D2) aus sich heraus nicht auf das Verfahren gemäß Anspruch 1 hinlenkt.

4.2.7. Wie (D6), vgl. Spalte 2, Zeile 33 ff, erhellt, sind beim Pulverbeschichten den Partikelgeschwindigkeiten enge, nicht mit reinen Pneumatikförderern von Staub vergleichbare Grenzen gesetzt, so daß (D2) im Gegensatz zu den Ausführungen des Beschwerdeführers keinen übergeordneten Stand der Technik im Hinblick auf das Pulverbeschichten darstellt.

4.2.8. In noch höherem Maße als bei (D2) wird bei (D10) deutlich, daß dort im Gegensatz zur Lehre des Anspruchs 1 ein Hochgeschwindigkeitsförderer angesprochen ist, vgl. Spalte 2, Zeile 61 ("extremely high pressure ...") der (D10), der nicht auf ein Injektorprinzip in der Mischkammer angewiesen ist und auch insoweit deutlich vom Beanspruchten abliegt. Eine Förderung von Pulver wird bei (D10) über den Schieber "27" ermöglicht und zwar dann, wenn der Druck im Pulverbehälter "17" größer als der Druck in der Mischkammer "25" ist. Nicht wegzudiskutieren war mit Blick auf den Beschwerdeführer auch die fehlende Unabhängigkeit der Erzeugung des statischen Drucks im Behälter und des Gasstrahls beim Gegenstand der (D10), womit eine weitere wesentliche Verfahrensmaßnahme des Anspruchs 1 dort nicht verwirklicht ist. Dem Merkmal der Unabhängigkeit von Erzeugung des statischen Drucks im Behälter und des Gasstrahls kommt bei Anspruch 1 deshalb so große Bedeutung zu, weil der statische Druck die Einflußgröße für die zu steuernde ausgetragene Pulvermenge ist und jede Koppelung mit anderen Leitungssystemen möglicherweise Rückwirkungen ergeben könnte, die das gewählte Steuerungskonzept in Frage stellen.

Ohne Kenntnis der Erfindung ist nicht erkennbar, warum ein Fachmann, der (D10) überhaupt in seine Überlegungen einbezieht, von derem Schieberprinzip abgehen sollte, wollte er die Pulvermenge verändern.

4.2.9. Das erst im Beschwerdeverfahren in das Verfahren eingebrachte Manual (B2) betrifft eine Pulverbeschichtungsanlage und damit das unmittelbare technische Gebiet des Streitpatents, es führt aber ebenfalls nicht auf die Lehre gemäß Anspruch 1 hin, weil dort die Pulvermenge über die Dosier- und die Förderluft eingestellt wird, vgl. Seite 5, Absatz 4 ("Die Dosierung der Pulvermenge erfolgt über die Förderluft und Dosierluft ...") bzw. Seite 16 "Einstellung der Luftregler am Fördergerät" bzw. Seite 17, Absatz 1 ("Die Pulvermenge kann ... Förderdruck und Dosierung eingestellt werden.") bzw. Seite 22, Abschnitt 6.4.6 ("Förderregler defekt ...") was wiederum in direktem Widerspruch zum Beanspruchten steht. Die Fluidisierluft wird bei (B2) erkennbar nicht zur Druckerzeugung im Behälter herangezogen.

4.2.10. Wie (D3) und ihre Spalte 3, Zeilen 54 bis 60 bzw. Figur 1 verdeutlichen, erfolgt die Steuerung der Pulvermenge nicht über den statischen Druck im Behälter, sondern über ein zusätzliches Steuergas, das im Injektorbereich eintritt; insoweit liegt die Lehre von (B2) etwa auf der Linie von (D3) und ist insgesamt nicht dazu angetan, den Fachmann auf die Lehre des Anspruchs 1 hinzulenken.

4.2.11. Im vorgegebenen Fall ergibt auch eine gleichzeitige Betrachtung der Lehren gemäß (D2), (D10) und (B2) kein anderes Bild, weil dann miteinander unvereinbare Prinzipen aufeinanderprallen, etwa Pneumatikförderer, bei denen hohe Partikelgeschwindigkeiten im Raume stehen, und Pulverbeschichtungsanlagen, bei denen die Partikelgeschwindigkeiten nicht auf viel Durchsatz, sondern auf einen guten Auftragungswirkungsgrad ausgerichtet sind.

Selbst dann, wenn der Fachmann diese gleichzeitige Betrachtung vornehmen würde, bliebe der zusammengefaßte Stand der Technik wesentliche Aspekte des geltenden Anspruchs 1 schuldig, wie die Steuerung der Pulvermenge allein durch den statischen Druck im Behälter bzw. die Unabhängigkeit der Erzeugung dieses statischen Drucks von der Gasstrahlerzeugung.

4.2.12. Die Argumentationskette des Beschwerdeführers vermag aus den vorstehend genannten Gründen nicht durchzugreifen. Nach Auffassung der Kammer wird der relevante Stand der Technik durchweg gewollt ausgelegt, nämlich in Richtung, was der Fachmann hätte daraus entnehmen können und nicht in Richtung, was der Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung daraus entnommen hätte, vgl. diesbezüglich T 2/83, ABl. EPA 1984, 265.

4.2.13. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beruht - vorstehende Ausführungen zusammenfassend - bei gegebener Neuheit auch auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 bzw. 100 a) EPÜ, so daß dieser Anspruch rechtsbeständig ist.

4.3. Anspruch 7

4.3.1. Anspruch 7 ist auf eine Pulverbeschichtungsanlage gerichtet. Seine tragenden Merkmale sind die des Anspruchs 1, nämlich Steuerung der Pulvermenge über den statischen Druck im Behälter, wozu vorrichtungsmäßig ein Steuerglied, das von der Gasstrahlerzeugung unabhängig ist, sowie eine mit dem Behälter verbundene Druckquelle und eine Druckreguliervorrichtung am Behälter vorgesehen sind.

4.3.2. Da die technischen Lehren der Ansprüche 1 und 7 eng miteinander verknüpft sind, erübrigt sich eine erneute Diskussion der Frage der erfinderischen Tätigkeit; es ist vielmehr auf die diesbezüglichen Ausführungen gemäß Anspruch 1 zu verweisen.

4.3.3. Im Ergebnis ist die Pulverbeschichtungsanlage gemäß Anspruch 7 vom hier zu berücksichtigenden Stand der Technik nicht nahegelegt, so daß auch dieser Anspruch rechtsbeständig ist.

5. Die in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer insgesamt überreichten Unterlagen sind für die Aufrechterhaltung des Streitpatents in eingeschränkter Fassung geeignet, da sie den wesentlichen Vorschriften des EPÜ entsprechen. Dem Antrag auf Widerruf des dergestalt eingeschränkten Patents von seiten des Beschwerdeführers konnte damit nicht gefolgt werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen, mit der Auflage, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen (vgl. Abschnitt V) aufrechtzuerhalten.

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