T 0541/94 () of 23.2.1996

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1996:T054194.19960223
Datum der Entscheidung: 23 Februar 1996
Aktenzeichen: T 0541/94
Anmeldenummer: 90103892.7
IPC-Klasse: B65D 41/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Dichtung für einen Behälterverschluß
Name des Anmelders: Alcoa Deutschland GmbH Verpackungswerke
Name des Einsprechenden: 0I) Crown Cork AG
0II/0III) Novembal (société Anonyme) und VV Internacional, S.A.
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
Schlagwörter: Unzureichende Offenbarung (nein)
Neuheit (nein)
Disclosure - sufficiency (yes)
Novelty (no)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0095/83
T 0153/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 90 103 892.7 ist am 26. August 1992 das europäische Patent Nr. 0 389 815 erteilt worden.

Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Behälterverschluß mit einer einen Boden und eine Seitenwand aufweisenden Wandung sowie einer Dichtungseinrichtung, die einstückig mit dem Behälterverschluß ausgebildet ist und die eine mit einer Stirnfläche des Behälters zusammenwirkende Axialdichtung und eine mit einer äußeren Mantelfläche des Behälters radial zusammenwirkende Dichtungslippe aufweist, der ein die Axialdichtung bildender Betätigungsarm zugeordnet ist, wobei Betätigungsarm (5,25,45,65) und Dichtungslippe (3,23,43,63) eine in sich starre Wippe (18,36,56,76) bilden, der zur Entkopplung eine eine Schwenkbewegung erleichternde Schwächungzone (17,37,77,59) der Wandung des Behälterverschlusses zugeordnet ist, der Betätigungsarm (5,25,45,65) mit dem Boden (15,35,55,75) zusammenfällt und die Seitenwand (11,31,51,71), der Boden (15,35,55,75) oder der Übergangsbereich zwischen Seitenwand (11,31,51,71) und Boden (15,35,55,75) im Bereich der Dichtungseinrichtung die Schwächungszone (17,37,77,59) aufweist."

Abhängige Ansprüche 2 bis 14 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Behälterverschlusses nach dem Anspruch 1.

II. Gegen das erteilte Patent haben die Beschwerdeführerinnen Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents wegen mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) sowie unvollständiger Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) beantragt.

Im Einspruchsverfahren ist zum Nachweis des Standes der Technik u. a. auf folgende Dokumente verwiesen worden:

(E1) US-A-4 276 989

(E6) DE-A-3 139 526

(E11) US-A-4 741 447

III. Mit einer in der mündlichen Verhandlung am 29. April 1994 verkündeten Entscheidung, schriftlich begründet zur Post gegeben am 30. Mai 1994, hat die Einspruchsabteilung die Einsprüche zurückgewiesen.

IV. Gegen diese Entscheidung haben die Beschwerdeführerin I (Einsprechende 0I) am 6. Juni 1994 und die Beschwerdeführerin II (Einsprechende 0II/0III) am 29. Juli 1994 Beschwerde eingelegt. Mit der Einlegung der Beschwerde haben die Beschwerdeführerinnen jeweils gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet.

Die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I ist am 24. September 1994, die der zweiten Beschwerdeführerin II am 3. Oktober 1994 eingegangen.

Beide Beschwerdeführerinnen beantragen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im vollen Umfang zu widerrufen.

V. In einem Bescheid gemäß Artikel 11 (2) VOBK vom 30. Mai 1995 stellte die Kammer fest, daß in der mündlichen Verhandlung zunächst zu erörtern sein werde, was unter den im Anspruch 1 verwendeten Begriffen "Betätigungsarm", "starre Wippe", "Schwächungszone" und "Entkopplung" im Lichte der Beschreibung zu verstehen sei. Nachdem der Sinngehalt dieser Begriffe ermittelt worden sei, werde zunächst die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach jedem der Dokumente E1, E6 bzw. E11 zu prüfen sein.

VI. Mit Schreiben vom 24. Juli 1995 erläuterte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die o. a. Begriffe und die nach ihrer Auffassung sich daraus ergebenden Unterschiede zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und dem entgegengehaltenen Stand der Technik. Sie beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen (Hauptantrag).

VII. Es wurde am 23. Februar 1996 mündlich verhandelt.

In der mündlichen Verhandlung überreichte die Beschwerdegegnerin jeweils einen neuen Anspruch 1 nach einem ersten und einem zweiten Hilfsantrag, auf deren Basis sie hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang beantragte.

Der Anspruch 1 nach dem ersten Hilfsantrag enthält gegenüber dem erteilten Anspruch 1 das zusätzliche Merkmal, daß

"die Dichtungslippe (3,23,43,63) eine Anlagefläche (7,27,47,67) und der Betätigungsarm (5,25,45,65) eine Abschlußfläche (13,33,53,73) aufweist, und Abschlußfläche (13,33,53,73) und Anlagefläche (7,27,47,67) einen Winkel von 90 einschließen."

Der Anspruch 1 nach dem zweiten Hilfsantrag ist noch durch das weitere Merkmal ergänzt, daß

"Abschlußfläche (13,33,53,73) und Anlagefläche (7,27,47,67) direkt aneinander grenzen."

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Die angefochtene Entscheidung sei im wesentlichen damit begründet worden, daß die entgegengehaltenen Behälterverschlüsse keine entkoppelte "starre Wippe" im Sinne des erteilten Anspruchs 1 aufwiesen. Es gehe aber eindeutig aus dem technischen Zusammenhang hervor, daß auch die nach der Lehre des Streitpatents hergestellten Behälterverschlüsse keine "starre Wippe" im wörtlichen Sinne enthalten könnten, weil sie sonst funktionsunfähig wären. Weil die Patentschrift den Fachmann nicht in die Lage versetze, einen Behälterverschluß mit einer anspruchsgemäßen starren Wippe auszustatten, sei ihr Offenbarungsgehalt unzureichend.

Wenn man aber davon ausgehe, wie dies die Beschwerdegegnerin nunmehr tue, daß es sich lediglich um eine "relativ starre Wippe" handle, so seien derartige Wippen offensichtlich auch bei den entgegengehaltenen Behälterverschlüssen vorhanden. Diese aus den Dokumenten E1, E6, bzw. E11 bekannten Behälterverschlüsse wiesen auch sonst sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 1 auf und funktionierten nach der in der Patentschrift angegebenen Weise zur Erhöhung der Dichtkraft aufgrund einer Schwenkbewegung der Wippe. Dem so interpretierten Gegenstand des erteilten Anspruchs mangele es daher an der erforderlichen Neuheit.

IX. Die Beschwerdegegnerin widersprach den Ausführungen der Beschwerdeführerinnen und machte dabei im wesentlichen folgendes geltend:

Beim erfindungsgemäßen Behälterverschluß bildeten die Axialdichtung und die Dichtungslippe ein in sich im wesentlichen starres Element, das gegenüber den anderen Bereichen des Verschlusses verlagerbar sei, wobei die beiden Dichtungsteile - innerhalb der Grenzen des verwendeten Materials - weitgehend ihre Relativstellung zueinander behielten. Der Begriff "starre Wippe" bezeichne folglich ein Dichtungselement, welches bei einer Kraftbeaufschlagung in axialer Richtung aufgrund einer dadurch hervorgerufenen Schwenkbewegung eine entsprechende Verstärkung des Dichtungsdrucks in radialer Richtung mit sich bringe. Hierbei fungiere die Axialdichtung als "Betätigungsarm" der Wippe. Um die Schwenkbewegung der Wippe zu erleichtern, sei es notwendig, die Wippe mehr oder weniger von den anderen Teilen des Behälterverschlusses zu entkoppeln. Hierzu sei eine Schwächungszone vorgesehen. Darunter sei nicht unbedingt eine Materialschwächung durch verringerte Wandungsdicke zu verstehen, sondern auch jede andere Möglichkeit, um der Wippe gegenüber den anderen Teilen des Behälterverschlusses eine Verlagerungsmöglichkeit zu schaffen. Es sei für den Fachmann aus dem Zusammenhang ohne weiteres ersichtlich, daß insbesondere die Begriffe "starre Wippe" und "Entkopplung" nicht im absoluten Sinne zu verstehen seien. Die Verwendung dieser Begriffe könne ihm somit keine Schwierigkeiten bereiten, die Gesamtlehre des Patents in die Tat umzusetzen.

Bei dem Stand der Technik nach dem Dokument E1 verlagerten sich die Axialdichtung und die Dichtungslippe relativ zueinander, so daß das Prinzip der "starren Wippe" hier nicht erfüllt sei. Aus dem Dokument E6 gehe eindeutig hervor, daß die Dichtungslippe schwenkbar gegenüber der Axialdichtung angeordnet sei, so daß auch hier nicht von einer "starren Wippe" ausgegangen werden könne. Aus Spalte 3, Zeilen 16 bis 36 in Verbindung mit Figur 2 des Dokuments E11 werde deutlich, daß diese bekannte Dichtungsausbildung keine Wippenfunktion besitze, sondern radial ausgelenkt werde. Demzufolge sei dort eine ganz andere Konstruktion als beim Gegenstand der Erfindung gegeben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden entsprechen den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie sind daher zulässig.

2. Auslegung des erteilten Anspruchs 1

Die Kammer ist zu der Auffassung gelangt, daß eine sachgerechte Auslegung des Anspruchs 1 auf der Basis der Angaben in der Streitpatentschrift und der Erläuterungen der Beschwerdegegnerin zu den darin verwendeten Begriffen, (vgl. Abschnitt IX oben) erfolgen kann. Danach müssen die Axialdichtung und die Dichtungslippe derart zu einem Element ("starre Wippe") vereinigt sein, und dieses Element muß derart flexibel ("entkoppelt") mit den anderen Teilen des Behälterverschlusses verbunden sein, daß die beim Aufschrauben des Behälterverschlusses durch die Stirnfläche des Behälters in die Axialdichtung eingeleitete Kraft eine Schwenkbewegung des Elements hervorruft, die eine deutliche Erhöhung der Anpreßkraft der Dichtungslippe gegen eine Mantelfläche des Behälters bewirkt. Zur Entkopplung der "starren Wippe" ist eine besondere Formgebung bzw. eine Materialschwächung in den Übergangsbereichen zwischen der "starren Wippe" und der Seitenwand oder dem Boden des Behälterverschlusses nicht unbedingt erforderlich. Sie kann vielmehr durch die elastische Verformung des Bodens als Ganzes gewährleistet werden, vgl. das Ausführungsbeispiel nach Figur 5 der Patentschrift.

3. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)

Die Einwände der Beschwerdeführerinnen bezüglich des Einspruchsgrunds der unzureichenden Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) konzentrieren sich darauf, daß es technisch unmöglich sei, in einen einteilig aus Kunststoff hergestellten Behälterverschluß eine "starre Wippe" zu integrieren. Dies folge allein daraus, daß das als "starre Wippe" bezeichnete Element ringförmig sei, so daß dessen erstrebte Schwenkbewegung mit einer Streckung dessen radial innenliegender Bereiche bzw. einer Stauchung dessen radial außenliegender Bereiche einhergehen müsse. Die sogenannte "Wippe" könne folglich nicht absolut starr sein. Diese Einwände, die, wenn man von einer "starren Wippe" im üblichen Sinne ausgeht, durchaus ihre technische Berechtigung haben, sind aber bei sachgerechter Auslegung des Anspruchs 1, vgl. Punkt 2 oben, nicht stichhaltig.

Die Beschwerdeführerinnen haben nicht vorgetragen, und es ist auch hierfür kein Grund ersichtlich, daß der Fachmann nicht in der Lage wäre, nach der Lehre des Patents Behälterverschlüsse herzustellen, die entsprechend den Überlegungen in Punkt 2 oben ausgebildet sind und entsprechend der erstrebten Wirkungsweise funktionieren.

Die Erfindung ist somit in dem Patent so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann.

4. Stand der Technik

4.1. Dokument E1 beschreibt einen einteilig aus Kunststoff hergestellten Behälterverschluß mit einer axial sowie einer radial wirkenden Dichtung. Die Axialdichtung besteht aus einem an der Unterseite des Verschlußbodens gebildeten ringförmigen Element mit zwei Dichtungslippen. Zwischen der Axialdichtung und der Seitenwand des Verschlusses ist am Verschlußboden ein ringförmiger Steg gebildet, der beim Aufschrauben des Verschlusses auf einen Behälter eine dünne von der Seitenwand des Verschlusses radial nach innen ragende Dichtungslippe gegen die äußere Mantelfläche des Behälters anpreßt. Anhand der Figur 2 wird erklärt, wie ein weiteres Aufschrauben des Verschlusses, nachdem die Axialdichtung an der Stirnfläche des Behälters anliegt, zu einer Verschwenkung des Steges nach innen und einer Erhöhung der Anpreßkraft gegen die radiale Dichtungslippe führt. Ein ähnlicher Effekt wird anhand der Figur 3 beschrieben, bei der erhöhter Innendruck in dem Behälter eine Aufwölbung des Verschlußbodens hervorruft, die ebenfalls zu einer Verschwenkung des Steges nach innen führt.

4.2. Der einteilig aus Kunststoff hergestellte Behälterverschluß nach dem Dokument E6 weist im Übergangsbereich zwischen dem Boden und der Seitenwand des Verschlusses ein Dichtungselement auf, das sowohl eine Axialdichtung als auch eine radial wirkende Dichtungslippe aufweist. Die Dichtungslippe ist, sich im Durchmesser verjüngend, von einem Basisteil des Dichtungselements schräg nach innen gerichtet, wobei ihr kleinster Durchmesser etwas geringer ist als der Außendurchmesser der Behältermündung. Der Kunststoff, aus dem der Verschluß besteht, weist derartige Elastizitätseigenschaften auf, daß die Dichtungslippe zur Aufnahme der Behältermündung nach außen aufweitbar ist. Fakultativ kann zusätzlich eine Innendichtung vorgesehen sein, die mit der Innenfläche der Behältermündung zusammenwirkt. Im letzten Absatz, Seite 10, wird ausgesagt, daß die Dichtungslippe derart steif mit dem Verschlußboden verbunden ist, daß sie durch die beim Entstehen von Innendruck auftretende Wölbung des Bodens an die Außenwand der Behältermündung preßbar ist. Je stärker dabei der Verschluß auf die Behältermündung aufgeschraubt wird bzw. je mehr sich der Verschlußboden bei diesem Vorgang wölbt, desto mehr wird die Dichtungslippe auf die Außenwand der Behältermündung angepreßt.

4.3. Das Dokument E11 beschreibt einen einteilig aus Kunststoff hergestellten Behälterverschluß mit einer Dichtungsanordnung in Gestalt eines an der Unterseite des Verschlußbodens gebildeten ringförmigen Elements. Das Element weist einen Basisteil mit viereckigem Querschnitt auf, von dem eine sich axial erstreckende Dichtungslippe vorspringt, die mit der äußeren Mantelfläche des Behälters zusammenwirkt. Die freie Fläche des Basisteils neben der Dichtungslippe bildet eine Axialdichtung, die mit der Stirnfläche des Behälters zusammenwirkt. Der innere Durchmesser der Dichtungslippe ist annähernd gleich dem kleinsten Außendurchmesser der Behältermündung, der wegen der Toleranzen zu erwarten ist, wobei die innere Seite des freien Endes der Dichtungslippe abgerundet ist, um das Einführen einer Behältermündung mit größerem Außendurchmesser zu erleichtern. Hierbei wird die Dichtungslippe etwas verformt. Laut Spalte 3, Zeilen 16 bis 21 ist die radiale Breite des Basisteils mehr als zweimal größer als die Breite der Dichtungslippe, um eine Auslenkung der Dichtungslippe beim Aufschrauben des Verschlusses weitgehend zu verhindern.

5. Neuheit

Nach Auffassung der Kammer bildet das aus dem Dokument E6 bekannte, aus einer Axialdichtung und einer radial wirkenden Dichtungslippe bestehende Dichtungselement eine "starre Wippe" im Sinne des erteilten Anspruchs 1, wobei beim Aufschrauben des Behälterverschlusses die Axialdichtung als "Betätigungsarm" für die Wippe fungiert, um eine Schwenkbewegung derselben hervorzurufen. Diese Wirkungsweise geht eindeutig aus den Ausführungen im letzten Absatz, Seite 10 dieses Dokuments hervor. Die Dichtungslippe kann nämlich beim Aufschrauben des Verschlusses bzw. bei Aufwölbung von dessen Boden durch Innendruck nur mit erhöhter Kraft gegen die Behältermündung gepreßt werden, wenn das Dichtungselement als Ganzes eine Schwenkbewegung ausführt. Dies deshalb, weil die Dichtungslippe steif mit dem die Axialdichtung aufweisenden Basisteil des Dichtungselements verbunden und lediglich über dieses an die Seitenwand bzw. den Boden des Verschlusses angeschlossen ist. Es ist offensichtlich, daß eine derartige Schwenkbewegung des Dichtungselements hierzu eine ausreichende "Entkopplung" desselben von der Seitenwand und dem Boden des Verschlusses voraussetzt. Die Kammer kann sich der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht anschließen, daß die das Einführen der Behältermündung ermöglichende Aufweitbarkeit der Dichtungslippe dagegen spricht, daß das Dichtungselement als eine "starre Wippe" im Sinne des vorliegenden Anspruchs 1 zu betrachten ist. Diese Aufweitbarkeit ist lediglich auf die inhärente Elastizität des Kunststoffes, aus dem der Verschluß hergestellt ist, zurückzuführen (vgl. z. B. den vorletzten Absatz der Seite 6 des Dokuments E6), wobei auch davon ausgegangen werden muß, daß die Dichtungslippe des beanspruchten Verschlusses eine entsprechende Verformbarkeit aufweisen muß, da diese eine Voraussetzung für eine Schwenkbewegung der "starren Wippe" ist, vgl. Punkt 3 oben.

Der aus dem Dokument E6 bekannte Behälterverschluß weist somit sämtliche Merkmale des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 auf. Der Gegenstand dieses Anspruchs ist folglich nicht neu (Artikel 52 (1) und 54 EPÜ).

Was den Behälterverschluß nach dem Dokument E11 betrifft, ist - lediglich der Vollständigkeit halber - zu bemerken, daß in diesem Dokument - im Gegensatz zu Dokument E6 - von einer Verschwenkung der Dichtungslippe beim Aufschrauben des Verschlusses bzw. Aufwölbung dessen Bodens - nicht gesprochen wird. Bei dem beschriebenen Dichtungselement ist es aber offensichtlich, daß infolge der durch die Seitenwand bzw. den Boden des Verschlusses und die Stirnfläche des Behälters in das Dichtungselement eingeleiteten Kräfte dieses zwangsläufig verschwenkt wird. Diese Wirkungsweise war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Dokuments E11 dem Fachmann aus den Dokumenten E1 und E6 grundsätzlich bekannt. Auch bezüglich des Dokuments E11 hat die Beschwerdegegnerin vorgetragen, daß die dort angesprochene Aufweitung der Dichtungslippe beim Einführen der Behältermündung dagegen spreche, daß das Dichtungselement eine "starre Wippe" bilde. Es gelten aber zu diesem Thema dieselben technischen Überlegungen, wie sie oben bezüglich des Dokuments E6 angestellt wurden. Hinzu kommt die Aussage in Dokument E11, daß das Dichtungselement eine die Auslenkung der Dichtungslippe verhindernde Gestaltung aufweist, was eindeutig in die Richtung einer "starren Wippe" weist.

Es ist daher ergänzend festzustellen, daß dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auch gegenüber dem Stand der Technik nach dem Dokument E11 die Neuheit fehlt.

Das erteilte Patent kann somit keinen Bestand haben.

6. Hilfsanträge

Die Gegenstände der Ansprüche 1 nach den beiden Hilfsanträgen unterscheiden sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag jeweils lediglich durch zusätzliche Merkmale, die dem Stand der Technik ohne weiteres entnommen werden können. Insbesondere gehen sie aus dem Dokument E11 hervor, das schon den erteilten Anspruch 1 vorwegnimmt.

Nach geltender Rechtsprechung können erst in einer mündlichen Verhandlung vorgelegte Anträge (geänderte Unterlagen) nur dann zugelassen werden, wenn für die verspätete Vorlage ein triftiger Grund vorliegt (T 95/83, ABl. EPA 1985, 75) und wenn die Änderungen zu einem eindeutig gewährbaren Patentbegehren führen (T 153/85, ABl. EPA 1988, 1).

An beiden Veraussetzungen mangelt es im vorliegenden Fall, weshalb die beiden Hilfsanträge nicht zulässig sind und somit für eine Diskussion dieser Anträge im einzelnen keine Grundlage besteht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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