European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1997:T094593.19971029 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 October 1997 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0945/93 | ||||||||
Anmeldenummer: | 89115212.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | C01B 21/068 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Siliciumnitridpulver mit geringem Sauerstoffgehalt | ||||||||
Name des Anmelders: | BAYER AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (ja) - Ergebnis des Beispiels einer Entgegenhaltung nicht reproduzierbar. Novelty (yes) - example - no disclosure |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung 89 115 212.6 mit der Veröffentlichungsnummer 0 358 975 wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Der Entscheidung lagen die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 4 zugrunde. Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Si3N4-Pulver, dadurch gekennzeichnet, daß der Gesamtsauerstoffgehalt des Pulvers kleiner oder gleich 0,4 Gew.-% ist."
II. Die Prüfungsabteilung begründete ihre Entscheidung damit, daß Siliziumnitridpulver nach der Definition der Ansprüche 1 und 2 bereits aus der Entgegenhaltung EP-A-0 251 322 (D1) bekannt seien. Sie hat die von der Beschwerdeführerin durchgeführte Nacharbeitung des Beispiels 1 aus D1 nicht als Beweis dafür erachtet, daß die Angabe eines Si3N4-Pulvers mit einem Sauerstoffgehalt von 0,08 % in D1 als fehlerhaft angesehen werden müsse. Hierzu hat sie u. a. ausgeführt, daß bei der Nacharbeitung des Beispiels 1 den darin angegebenen Bedingungen nicht genau gefolgt worden seien. Die Tatsache, daß Sauerstoffgehalte von 0,3-0,4 Gew.-% durch eine nicht weiter definierte HCl/HF-Wäsche erhältlich seien, sei kein Hinweis dafür, daß der Wert von 0,08 % im Beispiel 1 nicht erzielt werden könne.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde erhoben und eine Begründung hierzu eingereicht. In der Beschwerdeschrift hat sie bestritten, daß die Nacharbeitung des Beispiels 1 wesentliche Unterschiede zur in D1 beschriebenen Vorgehensweise enthalte. Sie hat u. a. vorgetragen, daß weder in D1 noch in der vorliegenden Anmeldung Hinweise über einen Einfluß der metallischen Verunreinigungen auf den Sauerstoffgehalt bestünden. Die Nacharbeitungen hätten ergeben, daß die in D1 als Kontrollexperiment beschriebene HCl/HF-Wäsche im Resultat eindeutig falsch sei. Die Beschwerdeführerin hat außerdem mit der Begründung, daß dem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht entsprochen worden sei eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.
IV. In einem Bescheid der Kammer wurde der Beschwerdeführerin u. a. mitgeteilt, inwiefern die im Prüfungsverfahren eingereichte Nacharbeitung des Beispiels 1 sich wesentlich von den in D1 beschriebenen Bedingungen unterscheidet. Es wurde ferner darauf hingewiesen, daß Unklarheit darüber bestehe, ob die Nacharbeitung der als Kontrollexperiment beschriebenen HCl/HF-Wäsche unter den gleichen Bedingungen wie in D1 vorgenommen worden sei.
Die Beschwerdeführerin hat am 19. September 1997 und 28. Oktober 1997 jeweils eine neue Nacharbeitung des Beispiels 1 aus D1 eingereicht. Am 29. Oktober 1997 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche (Ansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 2) überreicht hat.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückgezogen. Sie hat außerdem vorgetragen, daß die zur Nacharbeitung des Beispiels 1 durchgeführten Versuche beweisen würden, daß die in D1 angegebenen Ergebnisse für einen Fachmann nicht zu erzielen seien. Die in allen Versuchen verwendenten fluorhaltigen Polymere seien nach Angabe des Polymerherstellers Oligomere, die sich bei der in D1 angegebenen Temperaturen zersetzen würden. D1 enthalte keinen präzisen Hinweis über das im Beispiel 1 eingesetzte Perfluoroligomer-Harz, bzw. über dessen Hersteller. Die Nacharbeitung der in D1 als Kontrollexperiment beschriebenen HCl/HF-Wäsche sei in 1992 unter den in D1 erwähnten Bedingungen durchgeführt worden. Ein Sauerstoffgehalt von 0,3-0,4 Gew.-% werde jedoch durch diese Wäsche nur dann erhalten, wenn zusätzliche in D1 nicht offenbarte Bedingungen eingehalten werden. Insbesondere sei die Reduzierung des Sauerstoffgehaltes im behandelten Endprodukt von Parametern wie HF-Gehalt, Temperatur und Zeit vor der Filtrierung abhängig.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage der Anmeldungsunterlagen in der ursprünglichen Fassung zu erteilen (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie, die Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf Grundlage der Anmelderunterlagen in der ursprünglichen Fassung (erster Hilfsantrag) oder auf Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 3 (zweiter Hilfsantrag) zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Es ist zu untersuchen, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung (Hauptantrag) durch die Offenbarung aus D1 neuheitsschädlich getroffen ist.
2.1. D1 offenbart ein Verfahren zur Behandlung von Siliziumnitridpulver, das die Entfernung der auf der Oberfläche des Pulvers vorhandenen Oxide ermöglicht. Gemäß diesem Verfahren wird das Siliziumnitridpulver mit einem pulverigen, fluorhaltigen Polymer gemischt und diese Mischung wird in einer nicht oxidierenden Atmosphäre so erhitzt, daß die auf der Oberfläche des Siliziumnitridpulvers vorhandenen Oxide zu gasförmigen Fluoriden umgewandelt werden, die entfernt werden. Diese thermische Behandlung wird insbesondere bei Temperaturen von 500 bis 1300 C durchgeführt. Die Abreicherung von Sauerstoff aus dem sauerstoffhaltigen Si3N4-Pulver wird dadurch erzielt, daß die durch die thermische Zersetzung des Polytetrafluorethylen-Harzes erzeugten Gase, wie z. B. C2F4, mit den Metalloxiden reagieren und dabei Metallfluoride bilden, die entweder gasförmig oder sublimierbar sind und als Gas entfernt werden. Im Beispiel 1 wird ein Si3N4-Pulver mit einem Sauerstoffgehalt von 2,1 Gew.-% mit einem "Perfluor-Oligomer-Harz" gemischt und die Mischung einer thermischen Behandlung bei einer Temperatur von 600 C unterworfen, wobei die Temperatur anschließend auf 900 C erhöht wird. Der Sauerstoffgehalt des erhaltenen Siliziumnitridpulvers ist erheblich reduziert und beträgt 0,08 Gew.-%. (vgl. Zusammenfassung; Seite 2, Zeilen 15-25 und 52-53; Seite 3, Zeilen 1-7 und 22-50; Seite 4, Beispiel 1; Seite 5, Tabelle 1; Ansprüche 1, 2, 6. und 10). D1 offenbart daher ein Siliziumnitridpulver, dessen Sauerstoffgehalt innerhalb des im Anspruch 1 angegebenen Bereiches liegt.
Nach der Beschwerdeführerin führe jedoch die Nacharbeitung des Beispiels 1 zu einem Siliziumnitridpulver dessen Sauerstoffgehalt nicht 0,08 Gew.-% sondern einen höheren Wert als die beanspruchte untere Grenze von 0,4 Gew.-% betrage. Dieses Beispiel sei nicht reproduzierbar und somit nicht neuheitsschädlich.
2.2. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer kann ein Produkt durch eine schriftliche Beschreibung nur als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht gelten, wenn die dem Fachmann vermittelte Information so vollständig ist, daß er die in der Beschreibung offenbarte technische Lehre, unter Zuhilfenahme des allgemeinen Fachwissens ausführen kann (vgl. T 0026/85, ABl. EPA 1990, 22, Punkt 8; T 0206/83, ABl. EPA 1987, 5, Punkt 2). Im vorliegenden Falle stellt sich daher die Frage, ob der Fachmann unter Zuhilfenahme des allgemeinen Fachwissens die in D1 offenbarte Herstellung eines Siliziumnitridpulvers mit einem Sauerstoffgehalt von 0,08 Gew.-% hätte reproduzieren können.
2.3. Die am 28. Oktober 1997 eingereichten Versuche zur Nacharbeitung des Beispiels 1 führen trotz thermischer Behandlung in Gegenwart des Fluorpolymers und Entfernung der Zersetzungs- und Reaktionsgase zu keiner Absenkung des Sauerstoffgehaltes. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zum Hinweis im Beispiel 1 von D1, wonach diese Behandlung eine erhebliche Reduzierung des Sauerstoffgehaltes ermöglicht. Diese Versuche wurden jedoch unter den gleichen Bedingungen (Temperatur, Verlauf und Dauer der Erhitzung, Evakuierungsdruck, Stufen und Stufenreihenfolge) wie in D1 durchgeführt. Ferner hat das Siliziumnitrid-Ausgangspulver die gleiche durchschnittliche Partikelgröße und den gleichen Sauerstoffgehalt wie das in D1 verwendete Pulver. Die Gehalte an Verunreinigungen Fe, Al, Mg, und Ca sind zwar leicht höher als diejenigen des Ausgangspulvers gemäß D1, jedoch kann das eingesetzte Si3N4-Ausgangspulver als repräsentativ für das Ausgangspulver gemäß D1 betrachtet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, i) daß ein bezüglich aller Verunreinigungen identisches Pulver nur schwer reproduzierbar ist, und ii) daß bei den am 19. September 1997 eingereichten Versuchen ein Si3N4-Ausgangspulver dessen Gehalte an Fe, Al, Mg und Ca im Gegenteil niedriger als im Ausgangspulver gemäß D1 ist, eingesetzt wurde, und daß bei diesen Versuchen der in D1 beschriebene Effekt einer drastischen Abreicherung des Sauerstoffsgehaltes ebenfalls nicht erzielt wurde.
Bei den am 28. Oktober 1997 eingegangenen Versuchen wurde als fluorhaltiges Harz entweder (a) ein pulveriges Tetrafluorethylen-Polymerpulver vom Typ Hostaflon der Firma Dyneon, Gendorf, oder (b) ein Tetrafluorethylen-Ethylen-Copolymer vom Typ ET-62 356CM 662 629 der Firma Gyneon Gendorf, beide mit einer durchschnittlichen Partikelgröße von 1 µm, verwendet. Gemäß D1 wird als fluorhaltiges Harz mindestens ein Harz aus der Gruppe Polytetrafluorethylen-Harz, Tetrafluorethylen-Hexafluorpropylen-Copolymer, Tetrafluorethylen-Perfluoralkylvinylether-Copolymer und Tetrafluorethylen-Ethylen-Copolymer benutzt. Insbesondere wird im Beispiel 1 ein "Perfluoroligomer-Harz" mit einem Partikelgröße von 1 µm eingesetzt, das nicht weiter definiert ist (siehe Anspruch 2; Seite 3; Seite 4, Zeile 44). Auf die Frage der Kammer, ob das Tetrafluorethylen-Polymerpulver (a) ein "Perfluoroligomer-Harz" im Sinne der Lehre aus D1 darstellt, hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt, daß dieses Produkt nach Angabe dessen Hersteller ein Perfluoroligomer-Harz sei, das sich unter den in D1 angegebenen Temperatur- und Druckbedingungen zersetze. In Abwesenheit gegenteiliger Beweise hierzu und unter Berücksichtigung dessen, daß das im Beispiel 1 zugesetzte Perfluoroligomer-Harz nicht weiter definiert ist und daher von der Beschwerdeführerin ausgewählt werden mußte, wird besagte Bestätigung der Beschwerdeführerin akzeptiert.
Aus den vorangegangenen Überlegungen folgt, daß der am 28. Oktober 1997 eingereichte Versuch der Beschwerdeführerin mit dem Tetrafluorethylen-Polymerpulver (a) als tatsächliche Nacharbeitung des Beispiels 1 aus D1 betrachtet werden kann. Diese Nacharbeitung, die als Doppelversuch zur Absicherung des Befundes durchgeführt wurde, zeigt, daß weder die im Beispiel 1 offenbarte drastische Reduzierung des Sauerstoffgehaltes des Si3N4-Pulvers von 2,1 Gew.-% auf 0,08 Gew.-% von dem Fachmann reproduziert werden konnte, noch ein Wert innerhalb des beanspruchten Bereiches erzielt werden konnte.
In bezug auf die zusätzlichen Versuche mit dem Fluorpolymer (b) hat die Beschwerdeführerin auch bestätigt, daß es sich um ein Oligomer handelt. Das Tetrafluorethylen-Ethylen-Copolymer (b) gehört zwar nicht zur Gruppe der Perfluorpolymere, jedoch ist es im Anspruch 2 als Alternative zu den Perfluorpolymeren aufgeführt. Diese zwei Versuche mit dem Fluorpolymer (b), die unter den im Beispiel 1 angegebenen Bedingungen vorgenommen wurden, haben ebenfalls nicht zu einer Absenkung des Sauerstoffgehaltes auf Werte von 0,4 Gew.-% geführt.
Bei den am 28. Februar 1992 eingereichten Versuchen mit vier verschiedenen Fluorpolymeren wurden ein anderes Si3N4-Ausgangspulver und andere Temperaturbedingungen als im Beispiel 1 verwendet. Die ausgewählten Fluorpolymere und Temperaturbedingungen sind jedoch in den Ansprüchen 2, 10 und 11 als bevorzugt aufgeführt. Die am 19. September 1997 eingereichten vier Versuche wurden unter den gleichen Druck- und Temperaturbedingungen wie im Beispiel 1 aber mit einem anderen Si3N4-Ausgangspulver durchgeführt. Auch bei diesen acht Versuchen konnte eine Absenkung des Sauerstoffgehaltes der Si3N4-Ausgangspulver bis in den beanspruchten Bereich von 0,4 Gew.-% nicht erreicht werden, da die Reduzierung nur in geringem Umfang, nämlich in günstigsten Fällen von 2,3 % auf 2,1 % oder von 1,3 % auf 0,8 %, erfolgte.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Versuche der Beschwerdeführerin ist die Kammer nicht überzeugt, daß ein eventueller Ersatz des Perfluorpolymers (a) durch die im Anspruch 2 aufgeführten Perfluorpolymere (Tetrafluorethylen-Hexafluorpropylen-Copolymer oder Tetrafluorethylen-perfluoralkylvinylether-Copolymer) bei der Nacharbeitung vom 28. Oktober 1997 eine Reduzierung des Sauerstoffgehaltes von 2,1 auf einen Wert von 0,4 Gew.-% ermöglichen würde.
Unter diesen Umständen und in Abwesenheit gegenteiliger Beweise kommt die Kammer zu der Schlußfolgerung, daß weder das im Beispiel 1 angegebene Ergebnis vom Fachmann unter Zuhilfenahme des allgemeinen Fachwissens am relevanten Datum von D1 reproduziert werden kann noch ein Sauerstoffgehalt innerhalb des beanspruchten Bereiches ( 0,4 Gew.-%) erzielt werden kann. Daher wird dieses Beispiel für das beanspruchte Si3N4-Pulver gemäß Anspruch 1 nicht als neuheitsschädlich betrachtet.
2.4. D1 offenbart auf Seite 5 eine HCl/HF-Wäsche als Kontrollexperiment, in der das Si3N4-Ausgangspulver mit einem Sauerstoffgehalt von 2,1 Gew.-% für 30 Minuten in einer überschüssigen Menge einer 50 Vol.-% HCl/HF Lösung dispergiert wird, die Dispersion filtriert, und das Produkt mit Ethanol gewaschen und dann getrocknet wird (vgl. Seite 5, Zeilen 1-25). Nach D1 führt diese HCl/HF-Wäsche zu einem behandelten Si3N4-Pulver mit einem Sauerstoffgehalt von 2,8 Gew.-%. Dieser Sauerstoffgehalt liegt eindeutig außerhalb des im Anspruch 1 beanspruchten Bereiches.
Die Beschwerdeführerin hat im Laufe des Prüfungsverfahrens ausgeführt, daß dieses Ergebnis falsch sei. Von der Anmelderin durchgeführte Experimente würden eindeutig zeigen, daß über eine derartige Wäsche Si3N4-Pulver mit einem Sauerstoffgehalt von 0,3-0,4 Gew.-% erhältlich seien (siehe Eingabe vom 24. September 1992).
Da die von der Beschwerdeführerin erhaltenen Werte im beanspruchten Bereich liegen, wurde in der mündlichen Verhandlung die Frage erörtert, ob der Fachmann bei der Durchführung der in D1 beschriebenen HCl/HF-Wäsche nicht zwangsläufig zu Si3N4-Pulvern mit Sauerstoffgehalten von 0,3-0,4 Gew.-% gelangt. Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung anhand der Reaktionen, einerseits, zwischen SiO2 und HF, und anderseits, zwischen SiF4 und H2O mit Bildung von SiO2 und H2SiF6 erklärt, daß Sauerstoffgehalte von 0,3-0,4 Gew.-% durch die besagte Wäsche nur dann erhalten werden, wenn zusätzliche, in D1 nicht offenbarte Bedingungen bezüglich des HF-Gehaltes, der Temperatur und der Zeit vor der Filtrierung eingehalten werden. Nach der Beschwerdeführerin haben diese Parameter einen Einfluß auf das gebildete Siliziumoxid (Gelbildung, Partikelgröße, Agglomerierung auf die Si3N4-Partikeln) und infolgedessen auch auf den Sauerstoffgehalt des behandelten Si3N4-Pulvers. Die Kammer sieht keine Veranlassung diese glaubhaften Erklärungen in Frage zu stellen. Daraus ist zu schließen, daß die Durchführung der in D1 beschriebenen HCl/HF-Wäsche nicht zwangsläufig zu einem Si3N4-Pulver mit einem Sauerstoffgehalt von 0,3-0,4 Gew.-% führt, und daher, besagte HCl/HF-Wäsche nicht neuheitsschädlich ist.
2.5. Aus alledem folgt, daß in Abwesenheit gegenteiliger Beweise der Gegenstand des Anspruchs 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung gegenüber D1 als neu betrachtet wird.
3. Sowohl in der angefochtenen Entscheidung als auch in den zwei Bescheiden der Prüfungsabteilung wurde nur die Neuheit der Stoffansprüche gegenüber D1 geprüft. Es ist aus der Akte nicht zu entnehmen, daß die Neuheit des beanspruchten Si3N4-Pulvers gegenüber den anderen im Recherchenbericht zitierten Entgegenhaltungen geprüft und die Frage der erfinderischen Tätigkeit bereits untersucht wurden. Unter diesen Umständen hält es die Kammer nicht für angezeigt, diese Sachverhalte selbst zu untersuchen und macht von ihrer Befugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf Grundlage der Anmeldungsunterlagen in der ursprünglichen Fassung zurückverwiesen.