European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1994:T079093.19940715 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 Juli 1994 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0790/93 | ||||||||
Anmeldenummer: | 88106178.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | H02M 3/156 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | B | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Gleichspannungsversorgungsschaltung | ||||||||
Name des Anmelders: | TRILUX-LENZE GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Zuständigkeit des Formalprüfers Berichtigungsantrag nach der Mitteilung gemäß Regel 51(6) EPÜ, aber vor der Erteilung des Patents Formalities officer - competence of Request for correction after communication under Rule 51(6) EPC Substantial procedural violation (yes) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 8. Juli 1993 über die Erteilung des europäischen Patents Nr. 296 327 gemäß Artikel 97 (2) EPÜ.
II. Der Patentinhaber (Anmelder) erklärte am 12. Februar 1993 sein Einverständnis mit der am 11. November 1992 mitgeteilten Fassung der Anmeldungsunterlagen gemäß Regel 51 (4) EPÜ. Die Mitteilung gemäß Regel 51 (6) EPÜ wurde am 22. Februar 1993 abgesandt. Am 5. Mai 1993 wurden die Erteilungs- und Druckkostengebühren entrichtet und eine Übersetzung der Patentansprüche eingereicht. Am 21. Juni 1993 reichte der Patentinhaber einen auf Regel 88 EPÜ gestützten Berichtigungsantrag mit der Begründung ein, daß Anspruch 1 nicht mit Figur 1 übereinstimme. Gleichzeitig wurde ein geänderter Anspruch 1 eingereicht.
III. Die Entscheidung über die Erteilung des Patents wurde dem Patentinhaber am 8. Juli 1993 zugestellt mit der Angabe, daß der Hinweis über die Erteilung im europäischen Patentblatt am 18. August 1993 bekanntgemacht würde, was tatsächlich auch geschah. Am 26. Juli 1993 fand eine telefonische Rücksprache zwischen dem Patentinhaber und dem Formalprüfer der Prüfungsabteilung statt, in der der Formalprüfer mitteilte, daß dem Berichtigungsantrag nicht stattgegeben werden könne, weil das Druckexemplar schon zur Druckerei abgesandt worden sei.
IV. In der Beschwerdebegründung macht der Patentinhaber (Beschwerdeführer) geltend, daß die Entscheidung über die Erteilung des Patents zu Unrecht ergangen ist. Er hat in diesem Zusammenhang unter anderem auf Ziffer 4 der Mitteilung des Vizepräsidenten der GD 2 vom 20. September 1988 über die Behandlung von Anträgen auf Änderung der Anmeldungsunterlagen nach Absendung der Mitteilung gemäß Regel 51 (4) EPÜ (ABl. EPA 1989, 43) in Verbindung mit dem Beschluß des Präsidenten des EPA vom 14. Dezember 1992 über den Abschluß der technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung (ABl. EPA 1993, 55) hingewiesen. Der Patentinhaber trägt vor, der Erteilungsbeschluß hätte erst ergehen dürfen, nachdem zuvor über den abhängigen Berichtigungsantrag entschieden worden sei. Die Nichtberücksichtigung des Berichtigungsantrags könne nicht damit begründet werden, daß bei seinem Eingang (21.06.1993) die technischen Vorbereitungen für den Druck der europäischen Patentschrift bereits abgeschlossen gewesen seien. Denn es wäre fehlerhaft, wenn die technischen Vorbereitungen für den Druck der Patentschrift abgeschlossen wären, bevor die Entscheidung über die Erteilung des Patents überhaupt erlassen wurde (08.07.1993). Das Übergehen des Berichtigungsantrags stelle einen Verfahrensmangel dar. Ein weiterer Verfahrensmangel liege darin, daß trotz Einlegung einer Beschwerde die Veröffentlichung der Patentschrift und des Hinweises auf die Patenterteilung stattgefunden habe, und damit die aufschiebende Wirkung der Beschwerdeeinlegung mißachtet wurde (vgl. T 1/92, ABl. EPA 1993, 685).
V. Der Patentinhaber beantragt,
1. die Entscheidung über die Erteilung des europäischen Patents vom 8. Juli 1993 aufzuheben;
2. im europäischen Patentblatt bekanntzugeben, daß die Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents Nr. 296327 vom 18. August 1993 unberücksichtigt zu bleiben hat, und die Entscheidung vom 8. Juli 1993 über die Erteilung dieses Patents unwirksam ist;
3. die europäische Patentanmeldung Nr. 88106178.2 an die Prüfungsabteilung zur weiteren Prüfung zurückzuverweisen;
4. die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
VI. Der Präsident des EPA wurde von der Kammer gemäß Artikel 12a der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern eingeladen, eine schriftliche Stellungnahme zu dem Fall abzugeben. Er hat unter anderem vorgetragen, daß der Formalprüfer für die Bearbeitung des Berichtigungsantrags nicht zuständig gewesen sei und ihn daher an die Prüfungsabteilung hätte weiterleiten müssen.
Der Präsident trägt weiter vor, daß aufgrund seines auf Artikel 10 und Regel 48 (1) EPÜ gestützten Beschlusses vom 14. Dezember 1992 die technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung mit dem Ende des Tages als abgeschlossen gelten, der sieben Wochen vor dem Ablauf des 18. Monats nach dem Anmelde- oder Prioritätstag liege. Ein entsprechender Beschluß für die Veröffentlichung der europäischen Patentschrift sei jedoch nicht vorgesehen. Für die Verhinderung der Veröffentlichung der Patentschrift auch noch nach Abschluß der technischen Vorbereitungen enthielten die Richtlinien eine flexible Regelung in Teil C-VI, 15.5a. Die Entscheidung über die Patenterteilung werde dem Anmelder erst nach Abschluß der technischen Vorbereitungen für den Druck der Patentschrift zugestellt (Richtlinien C-VI, 15.5). Zwar sei eine Verhinderung der Veröffentlichung in Ausnahmefällen auch dann noch möglich. Eine Berichtigung nach Erlaß des Erteilungsbeschlusses sei aber nicht mehr möglich. Im vorliegenden Fall konnte der Patentinhaber damit rechnen, daß die Prüfungsabteilung seinen am 21. Juni 1993 eingereichten Berichtigungsantrag gemäß Regel 88 EPÜ in Bearbeitung nehme und die Entscheidung über die Patenterteilung unterbleibe.
Allerdings sieht der Präsident in dem Antrag vom 21. Juni 1993 eigentlich einen Änderungsantrag im Sinne der Regel 86 (3) EPÜ. Jedoch sei auch im "Regel 51 (6)- Stadium" das Prüfungsverfahren wieder aufzunehmen, wenn der Antrag des Anmelders einen neuen Sachverhalt darstelle, der die Patenterteilung in der vorgeschlagenen Fassung ausschließe.
VII. Der Patentinhaber hat sich über die Stellungnahme des Präsidenten des EPA geäußert und er hat seine o. g. Anträge aufrecht erhalten.
Entscheidungsgründe
1. Die Kammer stimmt der Auffassung des Präsidenten des EPA zu, daß im vorliegenden Fall der Patentinhaber damit rechnen konnte, daß die Prüfungsabteilung den am 21. Juni 1993 eingereichten Berichtigungsantrag in Bearbeitung nehmen sollte und die Entscheidung über die Erteilung des Patents zunächst unterbleiben sollte. Unabhängig davon, ob dieser Antrag als ein Berichtigungsantrag gemäß Regel 88 EPÜ oder ein Änderungsantrag gemäß Regel 86 (3) EPÜ (vgl. G 7/93 vom 13. Mai 1994; wird veröffentlicht) anzusehen ist, und unabhängig auch von den sachlichen Voraussetzungen einer Stattgabe des Antrags, ist der Patentinhaber deswegen durch die Nichtberücksichtigung des Antrags vor der Entscheidung über die Erteilung des Patents beschwert im Sinne des Artikels 107, Satz 1 EPÜ. Die Beschwerde ist somit zulässig.
2. Der Grund für die o. g. Nichtberücksichtigung des Antrags des Patentinhabers vom 21. Juni 1993 ist offensichtlich darin zu sehen, daß der Formalprüfer seine Zuständigkeit überschritten und den Erlaß der Entscheidung über die Erteilung des Patents beschlossen hat, obwohl er, wie vom Präsidenten in seiner Stellungnahme dargelegt, den Antrag an die Prüfungsabteilung weiterleiten hätte müssen. Die Zuständigkeit der Formalprüfer basiert auf Regel 9 (3) EPÜ, nach der der Präsident des EPA mit der Wahrnehmung einzelner den Prüfungs- oder Einspruchsabteilungen obliegender Geschäfte, die technisch oder rechtlich keine Schwierigkeiten bereiten, auch Bedienstete betrauen kann, die keine technisch vorgebildeten oder rechtskundigen Prüfer sind. In den Mitteilungen des Vizepräsidenten der DG 2 vom 15. Juni 1994 bzw. 1. Februar 1989 (ABl. EPA 1984, 317 und 1989, 178) ist geregelt, für welche solche Geschäfte die Formalprüfer zuständig sind. Aus den Punkten 9 und 23 dieser Mitteilungen folgt, daß ein Formalprüfer den Erlaß der Entscheidung, durch die das europäische Patent erteilt wird (Regel 51 (11) EPÜ), nur in klaren Fällen beschließen kann und daß die Entscheidung über die Berichtigung von Mängeln in der Beschreibung, den Patentansprüchen und der Zeichnungen der Anmeldung immer der Prüfungsabteilung selbst obliegt.
3. Es muß somit festgestellt werden, daß das Verfahren vor der ersten Instanz wesentliche Mängel aufweist, was die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Angelegenheit an diese Instanz zur weiteren Entscheidung rechtfertigt (Artikel 111 (1) EPÜ; Artikel 10 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern). Die vom Patentinhaber angesprochene Frage der Bedeutung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde erübrigt sich damit. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht nach Ansicht der Kammer in diesem Fall der Billigkeit (Regel 67 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung vom 8. Juli 1993, das europäische Patent Nummer 296327 zu erteilen, wird aufgehoben.
2. Im europäischen Patentblatt ist bekanntzugeben, daß die Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents Nr. 296327 vom 18. August 1993 unberücksichtigt zu bleiben hat, und die Entscheidung vom 8. Juli 1993 über die Erteilung dieses Patents unwirksam ist.
3. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des Antrags vom 21. Juni 1993 an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.
4. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.