European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1995:T045893.19950913 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 13 September 1995 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0458/93 | ||||||||
Anmeldenummer: | 86101958.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | C04B 28/14 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Kantenausbildung und Fugenfüller zum Verspachteln einer durch das Aneinanderstoßen zweier solcher Kanten gebildeten Fuge | ||||||||
Name des Anmelders: | Rigips GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Gebr. Knauf Westdeutsche Gipswerke | ||||||||
Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Verbesserung der mechanischen Eigenschaften einer ausgefüllten Fuge mit definierter Kantenausbildung - ja - Inventive step (yes) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung 86 101 958.6 wurde das europäische Patent Nr. 0 227 876 auf der Grundlage von zwei Ansprüchen erteilt.
Anspruch 1 lautet wie folgt:
Kantenausbildung und Fugenfüller zum Verspachteln einer durch das Aneinanderstoßen zweier solcher Kanten gebildeten Fuge von sogenannten Gipskartonplatten, dadurch gekennzeichnet, daß die Stirnfläche der Plattenkante ein zur Rückseite rechtwinklig stehendes Teil in einer Breite von 3 bis 4 mm bei 12,5 mm Plattendicke und eine sich anschließende viertelkreisförmige Abrundung mit einem Radius von 8 bis 10. mm aufweist, die in eine Abflachung mit einer Breite von 20 bis 40 mm auf der Ansichtsseite übergeht und einer Tiefe zur Normstärke an der Kante der Platte von 1 bis 3. mm, und daß eine so gebildete Fuge mit einem Fugenfüller folgender Zusammensetzung ausgefüllt ist
60. bis 90 Gew.-% Alpha-Gips
5. bis 35 Gew.-% feinteiliges Kalziumkarbonat
0,1 bis 0,4 Gew.-% eines Alkalisalzes einer Hydroxycarbonsäure
1,5 bis 2,0 Gew.-% Andicker in Form von Stärkeäther
0,3 bis 0,6 Gew.-% Wasserretentionsmittel in Form von Methylzellulose
2,5 bis 5,0 Gew.-% eines Gemisches eines Vinylpolymerisats und Polyvinylalkohol in Form eines Dispersionspulvers
0,5 bis 2,5 Gew.-% Fasern
und eine Beschleuniger/Verzögerer-Kombination sowie geringe Mengen eines Netzmittels und eines Polyelektrolyten, wobei bei Dickerwerden der Platte der Radius der Abrundung und die Abmessungen der Abflachung beibehalten werden, aber die Breite des senkrecht zur Rückseite stehenden Teils sich mit der Plattendicke verändert.
II. Gegen die Patenterteilung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Einspruch ein. Sie bezog sich in erster Instanz u. a. auf folgende für das weitere Verfahren von Bedeutung gebliebene Entgegenhaltungen:
(3) dem Werbeblatt "Sheetrock SW" von 1966
(6) US-A-3 297 601
(13) Erklärung des Herrn Fritz Failmezger, Schaumburg Illinois, USA, vom 12. Januar 1993 zur Zusammensetzung von Durabond 90.
III. Mit Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 9. März 1993, zur Post gegangen am 24. März 1993, wurde der Einspruch gemäß Artikel 102 (2) EPÜ zurückgewiesen.
Die Einspruchsabteilung begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Gegenstand des Streitpatentes unbestritten neu sei und, ausgehend von dem nächstkommenden Stand der Technik nach Dokument (3), auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Gemäß diesem Stand der Technik sei die Kantenausbildung einer Gipskartonplatte entsprechend dem geltenden Anspruch 1 bekannt. Als Fugenfüller werde hierzu Durabond* "90" vorgeschlagen, dessen Zusammensetzung sich von der in Anspruch 1 genannten durch die Verwendung von 1.5 bis 2.0. Gew.-% Stärkeether und 2.5 bis 5.0 Gew.-% eines Gemisches eines Vinylpolymerisates und Polyvinylalkohol in Form eines Dispersionspulvers unterscheide.
Der Fugenfüller gemäß Streitpatent löse durch die zusätzlichen Komponenten auch glaubhaft die Aufgabe einer Verbesserung der Verarbeitung, Maßhaltigkeit, Rißfreiheit und Elastizität der hiermit geschlossenen Fuge.
Von den noch genannten Entgegenhaltungen betreffe lediglich Dokument (6) einen Fugenfüller mit einem Dispersionspulver gemäß Streitpatent auf Gipsbasis, der, obwohl nicht expressis verbis erwähnt, auch Polyvinylalkohol enthalte. Ferner könne in (6) ein Teil des Polyvinylacetates durch Stärke ersetzt werden. Stärkeether finde anerkanntermaßen bei der Gipsverarbeitung Anwendung, es gebe aber weder eine Anregung für dessen Einsatz in einem Fugenfüller noch für den beanspruchten begrenzten Mengenanteil oder gar einen Zusammenhang mit der beanspruchten Kantenausbildung. Dokument (6) könne lediglich ein Mengenanteil von nicht mehr als 5 Gew.-% entnommen werden.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei weiterhin zu berücksichtigen, daß Dokument (6) neben einer Vielzahl anderer Veröffentlichungen, die auf Fugenfüller gerichtet sind, zu sehen sei und daß die in Verbindung mit Dokument (3) bekannten Fugenfüller keinen Hinweis auf eine Zusammensetzung, wie in Dokument (6) beschrieben, enthielten.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde erhoben.
Im Verlaufe des schriftlichen Verfahrens und während der mündlichen Verhandlung am 13. September 1995 hat die Beschwerdeführerin u. a. vorgetragen, daß Anspruch 1 offensichtlich unrichtig gegenüber dem bekannten Stand der Technik abgegrenzt sei. Hierdurch werde der durchschnittliche Gewerbetreibende, der kein Patentfachmann sei, über den tatsächlichen Schutzumfang des Gegenstandes des Streitpatentes getäuscht. In der geltenden Form sei jedenfalls nicht ersichtlich, daß die Kantenausbildung aus Dokument (3) bereits bekannt sei. Ferner sei der Beschreibung zum Streitpatent nicht zu entnehmen, daß der beanspruchte Fugenfüller im wesentlichen in Dokument (6) vorbeschrieben sei und lediglich bestimmte Anteile von Stärkeether, Methylcellulose, Vinylpolymerisat und Polyvinylalkohol in der Zusammensetzung als vermeintliche Erfindung gelten könnten.
Was die erfinderische Tätigkeit betreffe, so sei nicht erkennbar, warum der Fachmann gehindert sein sollte, die Lehren der Dokumente (3) und (6) zu kombinieren. Die in Dokument (6) konkret beschriebene Zusammensetzung sei keinesfalls nur zur Anwendung in speziellen Einzelschichten oder gar ausschließlich zum Aufbau des obersten Fugenbereiches geeignet, also auf eine Abschlußfüllung beschränkt, sondern allgemein zur Gesamtfüllung der aus (3) bekannten Fuge geeignet. Demzufolge sei auch unerheblich, daß Durabond 90 in (3) eine Vorfüllerfunktion zugeordnet sei. Obwohl Dokument (6) zugegebenermaßen Stärkeether nicht expressis verbis erwähne, sei die Anwendung von Stärkeether, Vinylpolymerisat und Polyvinylalkohol neben Cellulosederivaten, wie Methylcellulose, in einem Fugenfüller auf Gipsbasis dem Fachmann z. B. aus Dokument
(16) dem Wacker Datenblatt zu "Vinnapas- Dispersionspulver 50/25 VLZ" vom Juli 1982,
als am Prioritätstag des Streitpatentes üblicher Zusatz speziell zur Verbesserung von Fugenfüllern nahegelegt.
Insbesondere zeige Dokument (16) ergänzend, daß 2 bis 20. % Dispersionspulver zur Anwendung kommen sollten. Da nicht nur Dokument (6) konkrete Prozentangaben zur Zusammensetzung enthalte, sondern auch die mengenmäßige Zusammensetzung der Komponenten des in Dokument (3) empfohlenen Durabond 90 bekannt sei, wie u. a. durch Dokument (13) nachgewiesen, wisse der Fachmann in jedem Falle, in welchen Anteilen er die bekannten Fugenfüllerkomponenten zu kombinieren habe, um zum Gegenstand des Streitpatentes zu gelangen. Dem stehe nicht entgegen, daß für Durabond 90, bedingt durch spezielle anwendungstechnische Vorgaben eine gewisse Bandbreite der prozentualen Zusammensetzung nachgewiesen sei, da der Fachmann wisse, wie er die Zusammensetzung an konkrete Einsatzbedingungen, z. B. an extremes Klima, anzupassen habe und daraus üblicherweise variierende Verkaufsprodukte resultierten. Die Verwendung von Stärkeether mit Methylcellulose in Gipsmischungen gehe ebenfalls aus Dokument
(17) der DE-A-3 302 988,
hervor. Diesem Stand der Technik könne eine Menge an veretherter Quellstärke von 0.05 bis 1.5 % entnommen werden sowie ein Mischungsverhältnis Quellstärke zu Methylcellulose von 3:1 bis 1:9, wodurch dann die entsprechenden Anteile im Streitpatent nahegelegt seien.
V. Die Beschwerdegegnerin hat dem widersprochen. Sie hat eingeräumt, daß die im Streitpatent beanspruchte Kantenausbildung nicht mehr neu sei. Nach ihrer Auffassung würde jedoch der Fachmann, ausgehend von Dokument (3) als nächstkommenden Stand der Technik, das dort als sogenannten Vorfüller eingesetzte Produkt Durabond 90 aufgrund der unterschiedlichen Verwendungsangabe nicht mit der aus Dokument (6) bekannten Abschlußfüllung einer Fuge in der Zusammensetzung kombinieren, da eine Gesamtfüllmasse ganz andere Eigenschaften aufweisen müsse als ein Vorfüller. Die Zusammensetzung des Füllers gemäß Streitpatent sei so gewählt, daß sich seine besonderen mechanischen Eigenschaften (Elastizität, Rißfestigkeit, Maßhaltegenauigkeit) gerade in Verbindung mit der beanspruchten speziellen Kantenausbildung zeigten. Dies sei durch umfangreiche Versuche mit anderen Kantenausbildungen empirisch ermittelt worden. Im übrigen könne aus den genannten Prozentbereichen der Zusammensetzung des bekannten Durabond-Füllers nicht eindeutig auf die Zusammensetzung der ursprünglichen Abmischung der Komponenten geschlossen werden. Da ferner das Datenblatt gemäß Dokument (16) in Zusammenhang mit den Begriffen "Joint-Filler" und Spachtelmassen keine Hinweise auf mechanische Eigenschaften wie Rißfestigkeit enthielte und völlig offenließe, wie die genannte organische Bindemittelmasse verwendet werden solle oder wie das Dispersionspulver zusammengesetzt sei sowie Gips lediglich in Verbindung mit Zement und Kalkhydrat erwähnt werde, sei nicht ersichtlich, unter welchen Umständen der Fachmann besagtes Datenblatt mit den Lehren von (3) und (6) kombinieren würde. Dokument (17) streife bestenfalls den beanspruchten Fugenfüller mit zwei seiner Stoffe.
Was den formalen Einwand der unzutreffenden Abgrenzung betreffe, so sei es für die Erfindung als Ganzes unerheblich, welche einzelnen Bestandteile des Anspruches als bekannt gelten könnten. Ferner könne patentrechtlich nicht zwischen Gewerbetreibendem und übrigem Fachmann unterschieden werden.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 227 876; hilfsweise den Patentanspruch 1 in einer gegen den Stand der Technik abgegrenzten Form zu formulieren, und in der Patentschrift den im Einspruchsverfahren zusätzlich angefallenen, dem Patentgegenstand nahekommenden Stand der Technik abzuhandeln.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Da die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 in der erteilten Fassung nicht mehr in Frage gestellt wurde und die Kammer auch keinen Grund sieht, diese anzuzweifeln, erübrigen sich nähere Ausführungen hierzu.
3. Der Gegenstand des Streitpatentes betrifft eine durch Aneinanderstoßen zweier geometrisch definierter Kanten von Gipskartonplatten gebildete Fuge, wobei der durch die Fugenbildung bedingte Raum mit einem Fugenfüller vorgegebener Zusammensetzung ausgefüllt ist und demzufolge einen Verbund von mindestens zwei aneinanderstoßenden Gipskartonplatten mit ausgefülltem Fugenraum.
3.1. Als nächstkommender Stand der Technik wurde von den Parteien und der Einspruchsabteilung Dokument (3) in Betracht gezogen. Die Kammer sieht keinen offensichtlichen Grund, dem nicht zu folgen.
Gemäß diesem Dokument (einseitiges Werbeblatt SHEETROCK* SW) wird eine neue, funktional verbesserte Kantenkonfiguration für schönere Trockenwandkonstruktionen präsentiert. Überschrieben ist diese Angabe mit dem Verweis auf eine feuerfeste Gipskartonwand einer Dicke von einhalb Zoll und sich verjüngender Kante. Hierzu wird in einem Schnittbild ohne Bemaßung die sich durch Aneinanderstoßen zweier erkennbar sich verjüngender und abgerundeter Kanten entsprechender Wandplatten gebildete Fuge mit einer durch eine dünne durchgezogene Linie angedeuteten Füllung gezeigt und diese Darstellung als eine mit Durabond 90 vorgefüllte neue SW Kante umschrieben. Schlagwortartig wird dann u. a. als Eigenschaft eine festere Fugenverbindung, Minimierung der Fugendeformation, eine einheitliche Kantenbildung und flache Fugen ohne Kronenbildung hervorgehoben.
3.2. Da die Beschwerdegegnerin nicht zu widerlegen vermochte, daß die in der Erklärung gemäß Dokument (13) aufgeführten Komponenten im angegebenen prozentualen Bereich als Zusammensetzung unter der Bezeichnung Durabond 90 vor dem Prioritätstag des Streitpatentes uneingeschränkt verfügbar waren, ist für den in (3) genannten Vorfüller Durabond 90 folgende Zusammensetzung als offenbart vorgesehen:
Calciumsulfat-Hemihydrat (Alpha-Gips)......... 55-90 Gew.-%
Glimmer- und Tonfüllmaterial................... 1-20 Gew.-%
feinteiliger Kalkstein (Calciumcarbonat)....... 0-25 Gew.-%
feinteiliger Polyvinylalkohol/Plastifikator....0.5-5 Gew.-%
Abbinderegulatoradditive (Verzögerer)/Beschleuniger
hydrolisiertes Protein
Zitronensäure
Kaliumsulfat.................................. 0.2-2 Gew.-%
Andicker/Wasserretentionsmittel
Methylhydroxypropylcellulose Quellstärke (vorverkleisterte Stärke)....................................... 0.1-4 Gew.-%
Schutzstoffe (Konservierungsstoffe)........... 0-0.1 Gew.-%
3.3. Da die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer im Zusammenhang mit der Erwiderung zum nächstkommenden Stand der Technik nach (3) eingeräumt hat, daß die im Streitpatent beanspruchte Kantenausbildung nicht neu ist, kann die Kammer ohne weitere Begründung davon ausgehen, daß dem Schnittbild gemäß (3) Fugenabmessungen zugrundeliegen, wie sie der geltende Anspruch 1 des Streitpatentes fordert.
3.4. Die dem Streitpatent zugrundeliegende technische Aufgabe kann daher darin gesehen werden, speziell für die Dokument (3) zugrundeliegende Kantenausbildung einen Fugenfüller bereitzustellen, der zu verbesserten mechanischen Eigenschaften führt, die insbesondere die Rißbildung des Füllmaterials in der ausgefüllten Fuge vermeiden (vgl. auch Streitpatentschrift, Spalte 1, Zeilen 36 bis 38).
Diese Aufgabe soll gemäß Anspruch 1 durch eine Fugenfüllerzusammensetzung auf Gipsbasis gelöst werden, die neben anderen Komponenten 1.5 bis 2 Gew.-% Andicker in Form von Stärkeether und 2.5 bis 5 Gew.-% eines Gemisches eines Vinylpolymerisats und Polyvinylalkohol in Form eines Dispersionspulvers enthält (siehe Punkt I. oben).
Mit Bezug auf die Erläuterungen im Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 45 bis 56, hat die Beschwerdegegnerin ergänzend ausgeführt, eine umfangreiche Testserie habe gezeigt, daß bei Füllungen von Fugen unterschiedlicher Kantenausbildung gerade die beanspruchte Kombination des Fugenfüllers mit den darauf abgestimmten definierten Abmessungen der Kantenausbildung zu verbesserten mechanischen Eigenschaften führt.
Die Beschwerdeführerin hat demgegenüber nichts vorgelegt, was Zweifel daran hätte wecken können, daß die angegebenen vorteilhaften Eigenschaften tatsächlich eintreten. Daher ist die Kammer überzeugt, daß die bestehende Aufgabe auch tatsächlich gelöst wurde.
4. Zu untersuchen verbleibt somit, ob die beanspruchte Lösung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
4.1. Wie aus den voranstehenden Ausführungen unter 3.1 und 3.2 ersichtlich, unterscheidet sich die Zusammensetzung von Durabond 90, welches in Dokument (3) als Material zur Vorfüllung des durch das Aneinanderstoßen der im Schnitt gezeigten Kanten einer Gipskartonplatte gebildeten Fugenraumes vorgeschlagen wird, von der im Streitpatent beanspruchten Zusammensetzung im wesentlichen durch den Einsatz der Komponenten Stärkeether und Vinylpolymerisat/Polyvinylalkohol-Dispersionspulver und den hierfür vorgegebenen Mengenanteilen.
Die Kammer kann dem Vortrag der Beschwerdeführerin dahingehend zustimmen, daß der Fachmann im Hinblick auf die Analysenangaben zum bekannten Durabond 90 Füllermaterial bei der Konzeption eines weiteren Füllers in der Zusammensetzung sicherlich ein handelsübliches Dispersionspulver auf der Basis eines Mischpolymerisates enthaltend Vinylpolymere bzw. Polyvinylalkohol vorsehen würde. Aber abgesehen davon, daß Dokument (3) einschließlich der Offenbarung der Vorfüllerzusammensetzung nach Dokument (13) keine Anregung enthält, eine der genannten Komponenten vorteilhaft zu modifizieren, also z. B. eine Veretherung der vorverkleisterten Stärke in Betracht zu ziehen oder ein besonderes Augenmerk auf die Mengenverhältnisse bestimmter Komponmenten zu legen, findet sich in diesem Stand der Technik auch nicht der geringste Hinweis, daß bestimmte Komponenten einen Einfluß auf die mechanischen Eigenschaften der Fugenfüllung in Abhängigkeit von der Kantenausbildung haben könnten. Insbesondere ist nicht erkennbar, unter welchen Umständen einzig die Werbeangabe, daß die neue funktional verbesserte Kantenkonfiguration mit dem speziellen Füller Durabond 90 auch die gewünschten guten Eigenschaften bei gefüllter Fuge zeigen, den Fachmann veranlassen sollten, weitere Versuche in Richtung der Lehre des Streitpatentes durchzuführen.
4.2. Die Beschwerdeführerin hat hierzu argumentiert, daß das Naheliegen der beanspruchten Füllerzusammensetzung nicht ausschließlich unter Bezugnahme auf die speziellen Angaben zu Durabond 90 gesehen werden müsse, sondern die Lehre von Dokument (6), wodurch in allgemeinster Form die wesentlichen Merkmale des in Rede stehenden Füllers vorweggenommen seien, berücksichtigt werden müsse. Dem kann die Kammer insoweit zustimmen, daß Dokument (6) in der Tat nicht, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet, auf Zusammensetzungen, die z. B. nur für eine oberste Füllschicht geeignet sind, eingeschränkt ist, sondern der Fachmann die dort beschriebenen möglichen Füllerzusammensetzungen auch allgemein zum vollständigen Ausfüllen einer Fuge in Erwägung ziehen würde (vgl. insbes. Spalte 4, Zeile 38 bis Spalte 5, Zeile 7). Zur allgemeinen Anwendbarkeit des Fugenfüllers wird dort auf unterschiedlichste Beschleuniger- und Verzögereradditive wie z. B. auch Kaliumsulfat und Natriumcitrat, verwiesen und gleichfalls der Einsatz aller bekannten Standardfüllstoffe zur Optimierung u. a. der Konsistenzeigenschaften der Zusammensetzung vorgeschlagen und darüber hinaus die Möglichkeit des Einsatzes weiterer Additive wie z. B. Methylcellulose als Andicker, Benetzungsmittel allgemein sowie anderer üblicher konventioneller Zusätze angeregt. In einer bevorzugten Zusammensetzung des Füllers wird dann vorgeschlagen, Polyvinylacetatbinder durch kostengünstige, sogenannte trockene, teilumgesetzte, vorverkleisterte Stärke (dry partially converted pregelled starch), die bei niederen Temperaturen und unter Trocknungsbedingungen bei niederer Feuchte die Bindungsverhältnisse günstig beeinflussen soll, zu substituieren, und zwar bis zu einem maximalen Mengenverhältnis von 1:1, wobei als Vorgabe niedere Anteile an Stärke allgemein zu bevorzugen sind (vgl. Spalte 5, Zeilen 19 bis 27). Gemäß den konkreten Mengenangaben in der Tabelle in Spalte 3, Zeilen 39 bis 55, entspricht dies einem Anteil von maximal 5 Gew.-% besagter Stärke in der Zusammensetzung. Zur näheren Bestimmung des einzusetzenden Produktes wird dann als mögliches Herstellungsverfahren eine Umsetzung unmodifizierter Maisstärke mit verdünnter Schwefelsäure bis zu einem Teilabbau der Stärkepartikel, anschließender Neutralisation mit Soda, gefolgt von einer Vorgelatinierung und abschließender Schnelltrocknung zu einem Endprodukt mit 25.8 % Kaltwasserlöslichkeit und 7.6. % Feuchtigkeit angegeben. Es werden gleichfalls handelsübliche Stärkeprodukte ähnlicher Eigenschaft als geeignet angesehen (vgl. Spalte 5, Zeilen 28 bis 48).
Bei dieser Sachlage vermag die Kammer nicht der Argumentation der Beschwerdeführerin folgen, daß durch die in Dokument (6) beschriebene Teilhydrolyse unmodifizierter Maisstärke zu einem Stärkeabbauprodukt auch die hierzu unterschiedliche Teilsubstituierung von Wasserstoffatomen einzelner Hydroxygruppen durch Alkyl- und/oder Aryl(alkyl)gruppen zu veretherten Stärkeprodukten nahegelegt wäre. Demzufolge zeigt Dokument (6) zwar daß dem Stärkeeinsatzprodukt im Hinblick auf Kostenersparnis und Abbindeeigenschaften bei speziellen Umgebungsbedingungen eine besondere Bedeutung beizumessen ist, ein Einfluß von Stärkeether in Verbindung mit einer oder mehrerer der übrigen Komponenten der Zusammensetzung bezüglich verbesserter mechanischer Eigenschaften der ausgefüllten Fuge in Abhängigkeit von einer speziellen Kantenausbildung der Gipskartonplatte ist aber weder diesem Stand der Technik alleine noch in Verbindung mit der Lehre von Dokument (3) zu entnehmen.
4.3. In Zusammenhang mit dem Naheliegen des Einsatzes von Stärkeether in Verbindung mit einem handelsüblichen Dispersionspulver auf Vinylmischpolymerisatbasis hat die Beschwerdegegnerin nicht bestritten, daß aus Dokument (16) ein Einsatz dieser Komponenten als sogenannter Joint-Filler als allgemein üblich angesehen werden kann. Allerdings offenbarte dieser Stand der Technik in Form eines Materialdatenblattes nur, daß neben sogenannten Vinnapas-Dispersionspulvern als Bindemittel noch Cellulosederivate, Stärkeether oder Polyvinylalkohol mitverwendet werden können und daß die optimale Menge an Dispersionspulver, je nach gewünschter Festigkeit, u. a. bei einem Gehalt an Gips oder Anhydrit, bei 10 % bis 20 % gerechnet auf anorganisches Bindemittel liegt. Aufgrund der Angaben in Dokument (16) ist dem Fachmann somit zwar zweifelsohne die Möglichkeit an die Hand gegeben, anstatt z. B. vorverkleisterter Stärke gemäß Dokument (6) bzw. Dokument (13) in Verbindung mit Dokument (3) neben anderen geeigneten handelsüblichen Stärkederivaten u. a. auch Stärkeether in einem Fugenfüller einzusetzen, was die Beschwerdeführerin zurecht vorgetragen hat, es findet sich jedoch nicht der geringste Hinweis, daß der Fachmann einen solchen Austausch im Hinblick auf die bestehende Aufgabe auch tatsächlich vorgenommen hätte (cf. T 0002/83, ABl. EPA 1984, 265, insbes. Punkt 7 der Entscheidungsgründe).
4.4. Das von der Beschwerdeführerin zuletzt noch herangezogene Dokument (17) betrifft Maschinenputz bzw. Handputzmassen auf Gipsbasis, also Gipsmischungen zum großflächigen Auftragen auf zu verputzende Untergründe. Zur Verbesserung des Wasserrückhaltevermögens (- retentionsvermögens) der Putzmassen nach dem Anmachen, wird neben nichtionischen Celluloseethern wie Methylcellulose mit diesbezüglich als bekannt dargestellter Wirkung als zusätzliche Komponente Quellstärkeether vorgeschlagen, und zwar in definiertem Mischungsverhältnis zur Methylcellulosekomponente und in einer Menge von 0.05 % bis 1.5 % bezogen auf Gips. Die Putzmasse soll sich sowohl mit der Putzmaschine als auch mit der Kelle leicht verarbeiten lassen und auch bei stark saugenden Untergründen wie Gipskartonplatten kein Aufbrennen zeigen und somit Rißbildung vermeiden (vgl. Seite 1, Zeilen 5 bis 15; Seite 5 vollständig; Beispiel 3, insbes. Seite 9, Zeilen 20 bis 22 sowie Ansprüche 1 bis 4).
Obwohl Dokument (17) eine Rißbildung der Putzmasse expressis verbis erwähnt, wird diese dort erklärtermaßen durch unerwünschte Wasserabgabe an den zu verputzenden Untergrund hervorgerufen, also durch mangelndes Wasser beim Abbindevorgang und somit auf einen chemischen Vorgang zurückgeführt, wohingegen aus den Angaben in der Streitpatentschrift Spalte 2, erster Absatz, sowie den zusätzlichen Erläuterungen der Beschwerdeführerin glaubhaft hervorgeht, daß der Fachmann die Rißbildung an der ausgefüllten Fuge zwischen zwei Gipskartonplatten auf mechanische oder thermische Spannungen zurückführt, die sowohl als Zug-, aber auch als Druckkräfte auf die Fuge einwirken. Es ist daher nicht ersichtlich, unter welchen Umständen der Fachmann zur Lösung der bestehenden Aufgabe, die unwiderlegt auf mechanische Gegebenheiten in Abhängigkeit von verschiedenen Kantenausbildungen zurückzuführen ist, auf einen Lösungsvorschlag, der auf der chemischen Problematik gemäß Dokument (17) beruht, zurückgreifen würde. Die Beschwerdeführerin hat zu einer Übertragung der Lehre von Dokument (17) auf den übrigen genannten Stand der Technik unter Bezugnahme auf die den Dokumenten demgegenüber zugrundeliegenden unterschiedlichen Fragestellungen jedenfalls nichts vorgetragen.
4.5. Die Vielzahl der anderen im Prüfungs-, Einspruchs- und Beschwerdeverfahren noch genannten Dokumente stehen der Lehre des Streitpatentes ferner als die voranstehend diskutierten und bedürfen daher keiner weiteren Erörterung.
4.6. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Anspruches 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht. Das gleiche gilt für den abhängigen Anspruch 2, der lediglich weitere Ausgestaltungen des Gegenstandes von Anspruch 1 betrifft.
5. Im vorliegenden Fall ist das Patent ungeändert geblieben. Daher kann ein Mangel nach Artikel 84 nur dann Gegenstand der Prüfung werden, wenn er zugleich unter einen der in Artikel 100 zugelassenen Einspruchsgründe einzuordnen ist. Eine fehlerhafte Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik nach Artikel 84 in Verbindung mit Regel 29 (1) EPÜ ist ein lediglich formaler Mangel, da die beanspruchte Erfindung durch alle Merkmale in Oberbegriff und kennzeichnendem Teil definiert wird. Daher ist die Gesamtheit der Merkmale für die Beurteilung der Schutzvoraussetzungen und der Schutzwirkungen maßgebend (T 13/84, ABl. EPA 1986, 253; Schulte, 5. Auflage 1994, § 35 PatG, Rdnr. 51f, mit weiteren Nachweisen). Demzufolge kann eine Abgrenzung, die einen tatsächlich gegebenen Stand der Technik unberücksichtigt läßt, unter keinen der Einspruchsgründe in Artikel 100 EPÜ eingeordnet werden. Dasselbe gilt für die gerügten Lücken in der Darstellung des Stands der Technik in der Beschreibung nach Regel 27 (1) b) EPÜ. Die Beschwerdeführerin hat selbst nicht behauptet, daß sich aus der Darstellung der Erfindung Mängel ergäben, die substantieller Natur wären und etwa unter Artikel 100 b) in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ eingeordnet werden könnten. Demzufolge kann dem Hilfsantrag der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.