T 0330/93 () of 22.5.1996

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1996:T033093.19960522
Datum der Entscheidung: 22 Mai 1996
Aktenzeichen: T 0330/93
Anmeldenummer: 85104160.8
IPC-Klasse: A61J 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Behälter für eine bicarbonathaltige Flüssigkeit
Name des Anmelders: Fresenius AG
Name des Einsprechenden: Baxter International Inc.
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 54(3)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (verneint)
Inventive step (no)
Amendments - change of category of claims
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/88
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 12. Februar 1993, mit der das Patent Nr. 0 161 471 mit der Begründung widerrufen worden ist, der Gegenstand der Ansprüche 1 gemäß dem Hauptantrag und den damals geltenden Hilfsanträgen 1 und 2 beruhe gegenüber dem aus den Druckschriften

(D1) US-A-4 396 383,

(D2) US-A-4 465 488,

(D3) WO-A-83/00430 und

(D6) The International Journal Of Artificial Organs, Vol. 6, No. 4, 1983, Seiten 217 und 218, T. S. Ing et al: "Preparation of bicarbonate-containing dialysate for peritoneal dialysis"

bekannten Stand der Technik auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

II. Im Beschwerdeverfahren wurden vom Beschwerdegegner unter anderem die Druckschriften D11 und D12 und vom Beschwerdeführer unter anderem die Anlagen 6 und 7 eingeführt und aus dem Prüfungsverfahren die Druckschrift D15 aufgegriffen:

(D11) The International Journal Of Artificial Organs, Vol. 8, No. 1, 1985, Seiten 57 und 58, M. Feriani et al: "Bicarbonate solutions for peritoneal dialysis: a reality",

(D12) DE-A-3 218 415,

(D15) EP-A-0 083 778,

(Anlage 6) The International Journal Of Artificial Organs, Vol. 8, No. 3, 1985, Seiten 121 bis 124, T. S. Ing: "Bicarbonate-buffered peritoneal dialysis" und

(Anlage 7) R. Voigt und M. Bornschein, Lehrbuch der pharmazeutischen Technologie, Verlag Chemie, 1975, Seiten 616 und 617.

Von den unter Punkt I und II aufgeführten Druckschriften sind D2, D11 und Anlage 6 im Intervall zwischen dem im Streitpatent beanspruchten Prioritätstag 6. April 1984 und dem Anmeldetag 4. April 1985 des Streitpatents, die übrigen vor dem Prioritätstag veröffentlicht worden.

III. Am 22. Mai 1996 fand vor der Beschwerdekammer eine mündliche Verhandlung statt. Während der Verhandlung legte der Beschwerdeführer einen neuen, elf Verwendungsansprüche umfassenden Hilfsantrag 1 vor, der dem mit Schriftsatz vom 10. April 1996 eingereichten Hauptantrag folgen soll und an den sich die ebenfalls mit diesem Schriftsatz eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 als Hilfsanträge 2 und 3 anschließen sollen. Dabei seien in Zeile 8 des Anspruchs 1 des geltenden Hilfsantrags 1 der Ausdruck "zur Bereitstellung" durch den Ausdruck "für die Bereitstellung" zu ersetzen sowie in den Ansprüchen 1 der geltenden Hilfsanträge 2 und 3 jeweils die Wörter "oder Metall" zu streichen.

IV. Die geltenden Ansprüche 1 lauten somit wie folgt:

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag:

"Behälter zur Bereitstellung einer bicarbonathaltigen Dialysier-, Substitutions- oder Infusionsflüssigkeit für die Peritonealdialyse, Hämofiltration bzw. Infusion, aufweisend einen ersten Behälterteil, der eine Säurelösung aufweist, und einen zweiten Behälterteil, der mit dem ersten Behälterteil über ein abgesperrtes, jedoch zu öffnendes Strömungsverbindungsteil verbunden ist und der mit einer bicarbonathaltigen Lösung gefüllt ist, wobei einer der Behälterteile wenigstens ein Auslaßrohr aufweist, das mit einem entfernbaren Verschluß versehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß der erste Behälterteil und der zweite Behälterteil in einer wenigstens zwei Kammern (12, 14) aufweisenden Beutelanordnung (10) aus einem organischen Polymerisat vorgesehen sind."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1:

"Verwendung einer Beutelanordnung aus einem organischen Polymerisat, die eine erste Kammer und eine zweite Kammer aufweist, die mit der ersten Kammer über ein abgesperrtes, jedoch zu öffnendes Strömungsverbindungsteil verbunden ist, wobei eine der Kammern wenigstens ein Auslaßrohr aufweist, das mit einem entfernbaren Verschluß versehen ist, zur Aufnahme einer Säurelösung in der ersten Kammer und zur Aufnahme einer bicarbonathaltigen Lösung in der zweiten Kammer für die Bereitstellung einer bicarbonathaltigen Dialysier-, Substitutions- oder Infusionsflüssigkeit für die Peritonealdialyse, Hämofiltration bzw. Infusion."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2:

"Behälter zur Bereitstellung einer bicarbonathaltigen Dialysier-, Substitutions- oder Infusionsflüssigkeit für die Peritonealdialyse, Hämofiltration bzw. Infusion, aufweisend einen ersten Behälterteil, der eine Säurelösung aufweist, und einen zweiten Behälterteil, der mit dem ersten Behälterteil über ein abgesperrtes, jedoch zu öffnendes Strömungsverbindungsteil verbunden ist und der mit einer bicarbonathaltigen Lösung gefüllt ist, wobei der Behälter aus organischen Polymeren besteht und einer der Behälterteile wenigstens ein Auslaßrohr aufweist, das mit einem entfernbaren Verschluß versehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß der erste Behälterteil und der zweite Behälterteil in einer wenigstens zwei Kammern (12, 14) aufweisenden Beutelanordnung (10) aus einer Innenfolie aus einem organischen Polymeren mit geringer Wasserdampf- und Kohlendioxiddurchlässigkeit und aus mindestens einer die Durchlässigkeiten der Innenfolie senkenden Außenfolie aus organischen Polymeren vorgesehen sind und das Auslaßrohr am bicarbonathaltigen zweiten Behälterteil angeordnet ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3:

"Behälter zur Bereitstellung einer bicarbonathaltigen Dialysier-, Substitutions- oder Infusionsflüssigkeit für die Peritonealdialyse, Hämofiltration bzw. Infusion, aufweisend einen ersten Behälterteil, der eine Säurelösung aufweist, und einen zweiten Behälterteil, der mit dem ersten Behälterteil über ein abgesperrtes, jedoch zu öffnendes Strömungsverbindungsteil verbunden ist und der mit einer bicarbonathaltigen Lösung gefüllt ist, wobei der Behälter aus organischen Polymeren besteht und einer der Behälterteile wenigstens ein Auslaßrohr aufweist, das mit einem entfernbaren Verschluß versehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß der erste Behälterteil und der zweite Behälterteil in einer wenigstens zwei Kammern (12, 14) aufweisenden Beutelanordnung (10) aus einem Laminat aus einer Innenfolie aus einem organischen Polymeren mit geringer Wasserdampf- und Kohlendioxiddurchlässigkeit und aus mindestens einer die Durchlässigkeiten der Innenfolie senkenden Außenfolie aus organischen Polymeren vorgesehen sind, wobei das Laminat eine Wasserdampfdurchlässigkeit nach DIN 53122 von höchstens 1 und eine Kohlendioxiddurchlässigkeit von höchstens 20 cm3/m2 x Tag x bar Druckdifferenz aufweist, und das Auslaßrohr am bicarbonathaltigen zweiten Behälterteil angeordnet ist."

V. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis

der Ansprüche 1 bis 11 gemäß Hauptantrag oder

der Ansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag 1 oder

der Ansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 2 oder

der Ansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag 3.

VI. Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VII. Der Beschwerdeführer hat zur Begründung des Haupt- und 1. Hilfsantrags schriftlich und mündlich im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Ausgehend von dem aus der Druckschrift D6 bekannten, dem beanspruchten Gegenstand am nächsten kommenden Stand der Technik, gemäß dem zur Vermeidung der Gefahr der Ausfällung von Calciumcarbonat zwei Lösungen, nämlich eine bicarbonathaltige Lösung in einer Glasspritze und eine saure, Calcium enthaltende Lösung in einem Plastikbeutel, getrennt gelagert und erst unmittelbar vor der Dialyse zur Herstellung der bicarbonathaltigen Dialyselösung gemischt werden, sei es für den Fachmann nicht naheliegend gewesen, die bicarbonathaltige Lösung nicht in einem starrwandigen Glas- oder Kunststoffbehälter, sondern in der einen Kammer einer wenigstens zwei Kammern aufweisenden Beutelanordnung aus einem organischen Polymerisat anzuordnen. Gegen diese Lagerung von bicarbonathaltigen Lösungen in Polymerbeuteln habe vielmehr in der Fachwelt ein Vorurteil bestanden. Der Fachmann hätte erwartet, daß das bei der Langzeitlagerung von bicarbonathaltiger Lösung durch die Zersetzung des Bicarbonats freigewordene CO2 in erheblichem Umfang durch die polymere Beutelwand hindurchdiffundiere, wodurch sich die Zusammensetzung der Lösung verändere, und zusätzlich im Beutel einen Innendruck aufbaue, der zum Platzen des Beutels führen könne.

Aus der Druckschrift D6 gehe hervor, daß nach dem Mischen der sauren mit der bicarbonathaltigen Lösung die Dialysierflüssigkeit einen pH-Wert von 7,33 aufweise und ein CO2-Partialdruck von etwa 75 Torr in der Flüssigkeit vorliege. Die Fachwelt habe verkannt, daß die beim Gegenstand des Streitpatents verwendete bicarbonathaltige Lösung nur einen CO2-Partialdruck von etwa 15,5 Torr habe, da bei einem pH-Wert von 7,8 bis 8,2 gearbeitet werde. Die aus dem Stand der Technik, beispielsweise aus der Druckschrift D1, bekannten Doppelkammerbeutel aus Kunststoffmaterial dienten der Lagerung von druckfreien Lösungen und würden vom Fachmann nicht zur Lagerung von bicarbonathaltigen Lösungen, die zwangsläufig zu einem bestimmten Innendruck führten, herangezogen werden. Hätte die Verwendung der bekannten Doppelkammerbeutel nahegelegen, hätte der Autor der Druckschrift D6 sicherlich die bicarbonathaltige Lösung anstelle in der ungünstigen Glasspritze in einem leichter zu handhabenden Polymerbeutel untergebracht. Das Argument der Einspruchsabteilung und des Beschwerdegegners, daß der Einsatz eines Beutelsystems für den Fachmann auf der Hand gelegen habe, beruhe auf einer unzulässigen Retrospektive bei Kenntnis des Gegenstands des Streitpatents.

Bezüglich der Hilfsanträge 2 und 3 führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, daß den in diesen Anträgen beanspruchten Gegenständen der aus der Druckschrift D11 bekannte Stand der Technik am nächsten komme. Die aus dieser Druckschrift nicht bekannten Merkmale, nämlich daß die Wandung des Doppelkammerbeutels aus einer polymeren Innenfolie mit geringer Wasserdampf- und Kohlendioxiddurchlässigkeit und aus einer die Durchlässigkeiten der Innenfolie senkenden polymeren Außenfolie bestehe und daß das Auslaßrohr am mit bicarbonathaltiger Lösung gefüllten Beutelteil angeordnet sei, so daß sich die bicarbonathaltige Lösung proximal zum Patienten befinde, würden durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht nahegelegt werden.

VIII. Der Beschwerdegegner hat den Ausführungen des Beschwerdeführers widersprochen. Insbesondere hat er darauf hingewiesen, daß bei der kontinuierlichen ambulanten Peritonealdialyse (CAPD) nur Beutel als Behälter für die Aufnahme der bicarbonathaltigen Lösung und der Säurelösung eingesetzt werden könnten. Der für die Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe zuständige Fachmann sei nicht der Mediziner, sondern der Verpackungsfachmann, der nach Ermittlung der Eigenschaften der zu verpackenden Substanz, nämlich der bicarbonathaltigen Lösung, die auf dem Markt befindlichen Materialien im Hinblick auf ihre Eignung ausprobieren werde. Derartige Tests könnten aber keine erfinderische Tätigkeit begründen. Bei der Beurteilung, ob die in den Hilfsanträgen 2 und 3 beanspruchten Gegenstände auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten, sei insbesondere der aus den Druckschriften D11, D12 oder D15, D2 und Anlage 7 bekannte Stand der Technik zu berücksichtigen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist identisch mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruch 1 gemäß Hauptantrag. Er unterscheidet sich von dem erteilten Anspruch 1 durch Ersatz des Wortes "Behälteranordnung" durch das Wort "Beutelanordnung". Diese Änderung ist im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zulässig.

Dem Gegenstand des Anspruchs 1 kann die beanspruchte Priorität der italienischen Patentanmeldung Nr. 85 554A/84 vom 6. April 1984 zugestanden werden, so daß die eingangs unter Punkt I und II genannten Druckschriften D2, D11 und Anlage 6 keinen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) und (3) EPÜ bilden.

2.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem nächstkommenden, aus der Druckschrift D6 bekannten Stand der Technik zwar neu, er beruht aber aus den folgenden Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.3. In der Druckschrift D6 wird eine Behälteranordnung zur Durchführung der Peritonealdialyse mit bicarbonathaltiger Dialysierflüssigkeit beschrieben. Diese Anordnung besteht aus einem ersten Behälterteil in Form eines Plastikbeutels, der eine Säurelösung enthält, und einem zweiten Behälterteil in Form einer Glasspritze, die eine bicarbonathaltige Lösung enthält. Beide Behälterteile sind mittels eines Plastikschlauchs verbunden. Im zweiten Behälterteil ist ein Gummistopfen vorgesehen, der mittels einer Nadel durchstechbar ist, so daß nach Durchstechen des Stopfens eine Vermischung der in der Glasspritze enthaltenden Bicarbonatlösung mit der im Plastikbeutel enthaltenen Säurelösung erfolgen kann. Am Plastikbeutel befindet sich ein mit einem Verschluß versehenes Auslaßrohr zum Peritonealraum des Dialysepatienten.

2.4. Wie aus Spalte 2, Zeilen 27 bis 33 der Streitpatentschrift hervorgeht, ist der Einsatz dieser bekannten Behälteranordnung jedoch nicht für die kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse (CAPD) geeignet, da hier üblicherweise ein Beutel am Körper des Patienten getragen wird, der zur Abgabe der frischen Dialysierflüssigkeit über ein Schlauchsystem in den Peritonealraum des Patienten und zur Aufnahme der verbrauchten Dialysierflüssigkeit dient.

2.5. Der Erfindung liegt daher nach Spalte 2, Zeilen 34 bis 40 der Streitpatentschrift die Aufgabe zugrunde, die bekannte Behälteranordnung so fortzubilden, daß sie problemlos bei der CAPD, Hämofiltration oder Infusion eingesetzt werden kann, ohne daß die Gefahr besteht, daß sich die Zusammensetzung der bicarbonathaltigen Lösung praktisch verändert.

2.6. Diese Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch gelöst, daß der erste Behälterteil und der zweite Behälterteil in einer wenigstens zwei Kammern aufweisenden Beutelanordnung aus einem organischen Polymerisat vorgesehen sind. Bei der beanspruchten Lösung wid also, anders als bei der aus der Druckschrift D6 bekannten Behälteranordnung, die bicarbonathaltige Lösung nicht in einer Glasspritze, sondern in einer Beutelanordnung aus organischem Polymerisat untergebracht, und es werden beide getrennt zu lagernden Lösungen in den Kammern eines Doppel- oder Mehrkammerbeutels aus organischen Polymeren vorgesehen.

Diese Lösung ergibt sich nach Überzeugung der Kammer für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

2.7. Wie der Beschwerdeführer auf Seite 2 der Beschwerdebegründung vom 18. Juni 1993 ausgeführt hat, könnten bei der CAPD aus Gründen der Patientenfreundlichkeit nur Beutel als Behälter für die zu lagernden Lösungen eingesetzt werden, d. h. Behältersysteme, die einerseits flexibel und zusammenfallend und andererseits leicht seien. Diese Eigenschaften würden, nach den weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers, das Handling durch den Patienten begünstigen, da in einer Großzahl von Fällen der Beutel nach dem Entleeren der CAPD-Lösung im Peritonealraum direkt am Körper des Patienten getragen werde und danach die gebrauchte Dialysierlösung wieder aufnehme. Demzufolge seien also weder starre noch schwere Behälter bei der CAPD-Behandlung einsetzbar.

Im Hinblick auf dieses Wissen, daß bei der CAPD nur Beutel als Behälter eingesetzt werden können, wird der Mediziner, der vor der unter Punkt 2.5 genannten Aufgabe steht, die bekannte Behälteranordnung so fortzubilden, daß sie problemlos bei der CAPD eingesetzt werden kann, zu klären versuchen, ob die bicarbonathaltige Lösung, die bei der in der Druckschrift D6 im Zusammenhang mit einem klinischen Einsatz beschriebenen Behälteranordnung in einer Glasspritze gelagert war, auch in einem Beutel über lange Zeit gelagert werden kann. Er wird dabei, wie der Beschwerdegegner zu Recht dargelegt hat, zur Klärung dieser Frage den Verpackungsfachmann als zuständigen Fachmann zu Rate ziehen. Dieser wird nach den Eigenschaften der zu verpackenden Substanz fragen und feststellen, welche Eigenschaften das Verpackungsmaterial haben muß. Im Hinblick auf den sich bei bicarbonathaltigen Lösungen einstellenden CO2-Partialdruck und die Gefahr der Änderung der Zusammensetzung der Lösung bei Diffusion des durch Zersetzung des Bicarbonats freigewordenen CO2 durch die Beutelwand und die notwendige Langzeitlagerung der bicarbonathaltigen Lösung sind diese Materialeigenschaften vor allem geringe Kohlendioxid- und Wasserdampfdurchlässigkeit. Der Verpackungsfachmann wird dann aus der Literatur diejenigen Materialien heraussuchen, die diese Eigenschaften aufweisen, und dabei unschwer beispielsweise auf Polyvinylidenchlorid (PVDC) stoßen, das sich als Verpackungsmaterial nach Tabelle 91 auf Seite 617 der Anlage 7 durch sehr geringe Kohlendioxid- und Wasserdampfdurchlässigkeit und ausgezeichnete Sterilisationsfähigkeit auszeichnet und im übrigen auch im Streitpatent in Spalte 5, Zeilen 12 und 13. als einsetzbares Beutelmaterial genannt ist. Der Fachmann erkennt somit, daß es Polymere gibt, die derartige Eigenschaften haben, daß sie als Beutelmaterial zur Langzeitlagerung von bicarbonathaltigen Lösungen dienen können, und wird zur Überprüfung und Bestätigung dieser Erkenntnis routinemäßige Versuche mit auf dem Markt befindlichen Materialien durchführen. Eine erfinderische Tätigkeit ist mit dieser Erkenntnis nicht verbunden.

2.8. Die Argumente des Beschwerdeführers, daß in der Fachwelt ein Vorurteil gegen die Lagerung von bicarbonathaltigen Lösungen in Polymerbeuteln bestanden und die Fachwelt verkannt habe, daß bei den in Frage kommenden bicarbonathaltigen Lösungen mit dem pH-Wert von 7,8 bis 8,2 lediglich ein CO2-Partialdruck von etwa 15 Torr und damit nur ein geringes Druckproblem vorliege, können aus den vorstehend genannten und aus folgenden Gründen von der Kammer nicht akzeptiert werden. Es ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Aussage bezüglich des Druckproblems im Widerspruch steht zu dem Hinweis in der Streitpatentschrift (Spalte 2, Zeilen 17 bis 21) und in der Beschwerdebegründung auf einen Innen- bzw. Überdruck, der zu einem Platzen des Behälters führen könne. Ferner wird, ausweislich der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegten Versuchsergebnisse, im Streitpatent nicht nur im pH-Bereich von 7,8 bis 8,2, sondern auch im pH-Bereich von 7,6 bis 8,1 gearbeitet. Im übrigen ist, wie der Beschwerdegegner dargelegt hat, dem Fachmann durchaus bekannt, welche CO2-Partialdrücke sich bei bestimmten pH-Werten der zu lagernden bicarbonathaltigen Lösungen einstellen, die zudem zusammen mit den Säurelösungen so gewählt werden, daß nach dem Mischen der beiden Lösungen der pH-Wert der Dialysierflüssigkeit etwa im physiologischen Bereich liegt. Schließlich wußte der Fachmann bereits aus der Druckschrift D6, Seite 217, rechte Spalte, letzter Absatz in Verbindung mit der linken Spalte, letzter Absatz, daß eine bicarbonathaltige Dialysierflüssigkeit selbst bei einem CO2-Partialdruck von etwa 75 Torr für eine bestimmte Zeit stabil in einem Polymerbeutel gelagert werden kann.

2.9. Das weitere, im Kennzeichen des Anspruchs 1 enthaltene, zur Lösung der Aufgabe beitragende Merkmal, das die Anordnung der beiden Lösungen in einem Doppel- oder Mehrkammerbeutel betrifft, wird durch den Stand der Technik, wie er beispielsweise aus der Druckschrift D1 bekannt ist, nahegelegt. Diese Druckschrift (siehe insbesondere die Zusammenfassung auf der Titelseite) empfiehlt nämlich eine Lagerung in einem Doppel- oder Mehrkammerbeutel vor allem von solchen Lösungen, die, wie auch im Fall des Streitpatents, erst kurz vor dem Einsatz zu einer medizinischen Flüssigkeit vermischt werden dürfen, da diese über längere Zeit nicht lagerfähig ist.

Der Einwand des Beschwerdeführers, daß die bekannten Doppelkammerbeutel lediglich der Lagerung von druckfreien Lösungen dienten und deshalb nicht zur Lagerung von bicarbonathaltigen Lösungen mit einem bestimmten Innendruck herangezogen würden, läßt unberücksichtigt, daß, wie vorstehend dargelegt, bei der Lagerung von bicarbonathaltigen Lösungen mit dem in Frage kommenden pH-Wert nur geringe Drücke vorliegen und die zumindest kurzfristige Lagerung von bicarbonathaltiger Dialysierflüssigkeit unter Druck in Polymerbeuteln bereits aus der Druckschrift D6 bekannt ist.

2.10. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Hilfsantrag 1

3.1. Während der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag einen eine Beutelanordnung aufweisenden Behälter für einen bestimmten Zweck betrifft, ist der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 auf die Verwendung der Beutelanordnung für diesen Zweck gerichtet. Diese Änderung der Anspruchskategorie wird im Hinblick auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 2/88 (ABl. EPA 1990, 93) als zulässig angesehen.

3.2. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Verwendung ist wie beim Hauptantrag von der Druckschrift D6 als nächstkommendem Stand der Technik auszugehen. Da der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, von der Formulierung als Verwendungsanspruch abgesehen, keine anderen Merkmale als der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag enthält, gelten die unter Punkt 2 gemachten, auch den speziellen Verwendungszweck für die CAPD berücksichtigenden Ausführungen über eine fehlende erfinderische Tätigkeit entsprechend auch für den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1.

Dem Argument des Beschwerdeführers, daß die Autoren der Druckschrift D6 die bicarbonathaltige Lösung statt in der ungünstigen Glasspritze sicherlich in einem leichter zu handhabenden Polymerbeutel untergebracht hätten, wenn die Verwendung der bekannten Doppelkammerbeutel für den beanspruchten Zweck nahegelegen hätte, kann sich die Kammer nicht anschließen. Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß die Forschergruppe um T. S. Ing, dem Mitautor der Druckschrift D6, in dieser Druckschrift - ebenso wie in den vor dieser Druckschrift veröffentlichten, vom Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 10. April 1996 genannten Anlagen 1 bis 4 - die Bereitstellung der bicarbonathaltigen Dialysierflüssigkeit und die medizinischen Aspekte bei deren Einsatz in der Peritonealdialyse im klinischen Bereich untersucht hat. Der Einsatz in der kontinuierlichen ambulanten Peritonealdialyse war nicht Gegenstand dieser Untersuchungen. Deshalb stellte sich dieser Forschergruppe auch nicht das Problem der patientenfreundlichen Lagerung der bicarbonathaltigen Lösung, sondern die Forschergruppe verwendete sterile bicarbonathaltige Lösungen, wie sie seinerzeit auf dem Markt waren (siehe beispielsweise Druckschrift D6, Seiten 217, linke Spalte, zweiter Absatz).

3.3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht somit ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4. Hilfsanträge 2 und 3

4.1. Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 2 und 3 genügen den Vorschriften des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ. Die die Wasserdampf- und Kohlendioxiddurchlässigkeit der Innen- und Außenfolie bzw. des Laminats betreffenden Merkmale basieren auf den Ausführungen auf Seite 8, zweiter und fünfter Absatz der ursprünglichen Beschreibung und dem ursprünglichen Anspruch 9. Das Merkmal, daß das Auslaßrohr am mit bicarbonathaltiger Lösung gefüllten Behälterteil angeordnet ist, findet im ursprünglichen Anspruch 4 seine Stütze. Diese Merkmale bewirken eine Einengung des Schutzbereichs.

4.2. Den Ansprüchen 1 kann jedoch die beanspruchte Priorität der italienischen Patentanmeldung Nr. 85 554A/84 vom 6. April 1984 nicht zugestanden werden. Denn die die Durchlässigkeiten und die Anordnung des Auslaßrohrs betreffenden Merkmale sind in der englischen Übersetzung der italienischen Prioritätsanmeldung nicht offenbart worden. Es gilt also lediglich der 4. April 1985 als Tag der europäischen Patentanmeldung mit der Konsequenz, daß die Druckschriften D2, D11 und Anlage 6 einen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ darstellen.

4.3. Es besteht Übereinstimmung zwischen den Parteien und der Kammer darin, daß der den Gegenstand der Ansprüche 1 am nächsten kommende Stand der Technik aus der Druckschrift D11 bekannt ist. Diese auf die italienische Prioritätsanmeldung Nr. 85 554A/84 und die Erfinder des Streitpatents zurückgehende Druckschrift offenbart einen Doppelkammerbeutel für denselben Einsatzzweck wie in den Ansprüchen 1 angegeben. Dieser Doppelkammerbeutel, der, wie für den Fachmann selbstverständlich (siehe Seite 122, zwölfte bis vierzehnte Zeile des zweiten Absatzes der Anlage 6, die unter der Ziffer 9 die Druckschrift D11 zitiert), aus Polymeren besteht, weist die im Oberbegriff der Ansprüche 1 genannten konstruktiven Merkmale auf und enthält in der einen Kammer eine Säurelösung und in der anderen Kammer eine bicarbonathaltige Lösung.

Der Druckschrift D11 können jedoch nicht deutlich die in den Ansprüchen 1 enthaltenen Merkmale entnommen werden, daß (a) der Beutel aus einer Innen- und Außenfolie, bzw. einem Laminat, mit bestimmten Eigenschaften besteht und daß (b) die bicarbonathaltige Lösung in derjenigen Kammer enthalten ist, die das Auslaßrohr trägt (diese Lösung befindet sich also beim Einsatz proximal zum Patienten).

4.4. Das vorstehend genannte Unterscheidungsmerkmal (a) dient der Lösung der Teilaufgabe, die Lagerstabilität für die bicarbonathaltige Lösung zu verbessern. Das Unterscheidungsmerkmal (b) dient der Lösung der weiteren, von der ersten Teilaufgabe unabhängigen Teilaufgabe, die Patientensicherheit zu erhöhen.

4.5. Die Wahl des Beutelmaterials gemäß Merkmal (a) kann nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen werden. Die Notwendigkeit einer geringen Kohlendioxiddurchlässigkeit des Beutelwerkstoffs zur Erhöhung der Lagerstabilität für die bicarbonathaltige Lösung ist, wie bereits unter Punkt 2.7 dargelegt, dem Fachmann geläufig. Die Feststellung einer oberen Grenze für diese Durchlässigkeit gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 stellt dabei nur ein aus dieser Notwendigkeit resultierendes Desideratum dar. Entsprechendes gilt auch für die Wasserdampfdurchlässigkeit, denn es ist bei der Langzeitlagerung von medizinischen Lösungen allgemein bekannt, daß zur Vermeidung von Konzentrationsänderungen der Lösungen das Beutelmaterial höchstens eine geringe Permeabilität für Wasserdampf besitzen darf.

Wie unter Punkt 2.7 ausgeführt, offenbart die Tabelle 91 auf Seite 617 der Anlage 7 einige polymere Materialien mit geringer Wasserdampf- und Kohlendioxiddurchlässigkeit. Die Seite 617 dieser Anlage lehrt aber auch im vorletzten Absatz, daß eine allgemeine Methode zur Verringerung der Permeabilität die Anwendung von Verbundfolien darstellt. Es werden dort Verbundmaterialien genannt (Polyethylen-Polyamid, Polyethylen-PVC), die auch gemäß dem Streitpatent (siehe Spalte 5, zweiter und fünfter Absatz) als Beutelmaterialien eingesetzt werden. Geeignete Verbundfolien für die Aufbewahrung von CAPD-Lösungen oder Infusionslösungen sind ebenfalls aus den Druckschriften D12 (siehe insbesondere die Seiten 1 und 5) und D15 (siehe insbesondere die Seiten 10 und 11) bekannt. Im übrigen räumt der Beschwerdeführer in der Streitpatentschrift selbst ein, daß es sich bei den gemäß Streitpatent zu verwendenden Laminaten um auf dem Markt erhältliche Materialien handelt (sowohl das Streitpatent als auch die Druckschrift D15 erwähnen beispielsweise "Flexovac V 7144").

Aus dem Vorstehenden folgt, daß die Folienanordnung gemäß Merkmal (a) naheliegend ist.

4.6. Es mag dahingestellt bleiben, ob das die Lagerung der bicarbonathaltigen Lösung in der Auslaßkammer betreffende Merkmal (b) nicht bereits durch die Druckschrift D11 nahegelegt wird, weil die dort als Beispiel genannten Mengen von 500 ml Säurelösung und 1500 ml bicarbonathaltiger Lösung in dem in Figur 1 abgebildeten Doppelkammerbeutel sicher so verteilt werden, daß sich die größere Menge, nämlich die bicarbonathaltige Lösung, in der größeren Kammer, also der Auslaßkammer befindet.

Zumindest kann dieses Merkmal im Hinblick auf die Lehre der Druckschrift D2, Spalte 5, Zeilen 13 bis 16, wonach aus Sicherheitsgründen in einem Zweikammerbeutel die harmlosere Lösung proximal zum Patienten anzuordnen ist, keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit leisten.

4.7. Die Gegenstände der Ansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 2 und 3 beruhen somit gleichfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Verwendung dreier Druckschriften (D11, Anlage 7 und D2) zum Nachweis des Naheliegens ist im Hinblick auf die Unabhängigkeit der genannten Teilaufgaben und deren Lösungen gerechtfertigt.

5. Die Ansprüche 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 sind daher im Hinblick auf Artikel 52 (1) und 56. EPÜ nicht gewährbar. Den Haupt- und Hilfsanträgen kann deshalb nicht stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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