T 0931/92 () of 10.8.1993

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1993:T093192.19930810
Datum der Entscheidung: 10 August 1993
Aktenzeichen: T 0931/92
Anmeldenummer: 87904495.6
IPC-Klasse: A61H 33/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hydro-Massagedüse zur Erzeugung eines Luftsprudels in einem Wasserbecken
Name des Anmelders: Schüssler, Günter
Name des Einsprechenden: HOESCH Metall + Kunststoffwerk GmbH & Co.
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(3)
Schlagwörter: Neuheit (ja); Auslegung des Anspruchs
Prioritätsrecht: ursprünglich eingereichte europäische Patentanmeldung
Alternativen innerhalb eines einzigen Stands der Technik
Novelty - yes
Novelty - prior European applications
Orientierungssatz:

Die in ein- und derselben Entgegenhaltung beschriebenen verschiedenen Ausführungsalternativen dürfen normalerweise nicht miteinander verbunden werden, um ein neues Gebilde herzustellen, das in bezug auf die Neuheit entgegengehalten werden kann, es sei denn, daß die Kombination in dieser Entgegenhaltung ausdrücklich erwähnt ist. Ist dies der Fall, so muß das neue Gebilde auch insofern vollständig sein, um dem Gegenstand des angefochtenen Anspruchs entgegengehalten werden zu können, als es keine zusätzlichen Umbildungen erforderlich machen darf (im Anschluß an T 305/87).

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0739/93
T 0867/93
T 0322/95
T 0496/96

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 87 904 495.6 (Veröffentlichungsnr. 0 290 476) wurde am 11. Juli 1987 als internationale Anmeldung PCT/DE 87/00311 (Veröffentlichungsnr. WO 88/01858) unter Inanspruchnahme der Prioritäten zweier deutscher Anmeldungen eingereicht.

II. Nach der Erteilung wurde gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt. Die Einspruchsabteilung hielt das Patent mit Zwischenentscheidung vom 11. August 1992 in geändertem Umfang mit 16 Ansprüchen aufrecht; der Hauptanspruch lautet wie folgt:

"Hydromassagedüse, mit einem Düsengehäuse (3) und mit wenigstens einer ersten, eine Mediumsauslaßöffnung (B) aufweisenden Mediumzuführung (8, 9a) für einen Treibstrahl und einer zweiten Mediumzuführung für einen Fangstrahl (10, 10a) zur Erzeugung eines Gemisches, das unter Nutzung der Venturiwirkung und/oder eines Gebläses in das Innenbecken (7) eingestrahlt wird, wobei das Gemisch aus der Zufuhrrichtung (A) radial abgelenkt wird in eine oder mehrere Richtungen bei einem beliebigen Einstrahlwinkel zwischen 0 und 90 Grad zur Montageebene (C-D), wobei ein Umlenkmittel (11, 13) sowohl den Treibstrahl (8, 9a) als auch den Fangstrahl (10, 10a) in etwa strömungsparallele Bahnen umlenkt, und der Mediumauslaßöffnung (B) eine Strahlablenkplatte (1, 50) vorgesetzt ist, die starr oder beweglich an das Düsengehäuse gelagert ist, so daß die Mischung der Medien nur nach der Umlenkung des Treibstrahls erfolgt."

III. Durch die Entscheidungsgründe bejahte die Einspruchsabteilung die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber der früheren europäischen Anmeldung (3) EP-A2-0 209 646, die einen Stand der Technik darstelle, der nach Artikel 54 (3) EPÜ zu berücksichtigen sei, sowie das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die Entgegenhaltungen EP-A-0 078 127 (1) und US-A-3 391 870 (2).

IV. Am 6. Oktober 1992 legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Beschwerde gegen diese Entscheidung ein; gleichzeitig entrichtete sie die Beschwerdegebühr und reichte eine Beschwerdebegründung ein.

V. Am 10. August 1993 fand eine mündliche Verhandlung statt.

i) In ihren Schriftsätzen und im Verlauf der mündlichen Verhandlung machte die Beschwerdeführerin geltend, der Anspruch 1 sei bei Auslegung unter Berücksichtigung der in seinem Wortlaut enthaltenen Ungenauigkeiten und Alternativen gegenüber der Offenbarung der Entgegenhaltung (3) nicht neu.

Zwar gebe keine der in der Entgegenhaltung (3) beschriebenen Ausführungen für sich allein die Merkmale des Anspruchs 1 in ihrer Gesamtheit wieder, aber es sei gleichwohl zulässig, mehrere Ausführungsbeispiele ein und derselben Entgegenhaltung miteinander zu kombinieren, wenn in der Entgegenhaltung selbst eine solche Kombination nahegelegt werde. Dies sei im Kern die Aussage der Entscheidung T 305/87 (ABl. EPA 1991, 429) und der Richtlinien unter C-IV, 7.1. Davon ausgehend machte die Beschwerdeführerin geltend, daß die durch die Anlagen MB2 bzw. MB3 der Beschwerdebegründung veranschaulichten Kombinationen der Ausführungen gemäß den Abbildungen 10 und 13 einerseits und 12 und 18 andererseits aufgrund bestimmter Stellen der Beschreibung der Entgegenhaltung (3) implizit enthalten seien. Diese hergestellten Gebilde offenbarten jeweils alle Merkmale des Anspruchs 1 und könnten ihm mithin in bezug auf die Neuheit nach Artikel 54 (3) EPÜ entgegengehalten werden.

ii) Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) erwiderte, daß man die in den Anlagen MB2 und MB3 vorgeschlagenen Ausführungen nicht gelten lassen könne, denn die durch diese Anlagen veranschaulichten Kombinationen würden von der Entgegenhaltung (3) weder unmittelbar noch implizit offenbart, sondern seien das Ergebnis einer sehr liberalen und weiten Auslegung der Beschreibung, die im übrigen in keinem echten Zusammenhang mit den Merkmalen des Anspruchs 1 stehe. Darüber hinaus reichten die durch die Anlagen MB2 und MB3 veranschaulichten Ausführungen nicht aus, um den Gegenstand des Anspruchs 1 vorwegzunehmen, denn die wesentlichen Merkmale des Anspruchs, die Ablenkplatte und das Umlenkmittel, fehlten jeweils in diesen Kombinationen.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Die hinzugefügten Merkmale des Anspruchs 1 werden in der zugrundeliegenden PCT-Anmeldung durch die Figuren 1 bis 3 und ihre Beschreibung auf den Seiten 8 und 9 wirksam gestützt.

2.1. Die Beschwerdeführerin erhob Einwände gegen die Werte des Einstrahlwinkels des Gemischs, die zwischen 0 und 90° zur Montageebene C-D betrügen. Gemäß der zugrundeliegenden Anmeldung wird aber der Einstrahlwinkel durch die Ausrichtung der Einstrahlöffnungen 9 im Körper der Strahlablenkplatte 1 definiert. Das von der Düse erfaßte Gesamteinstrahlfeld beträgt also zwischen 0 und 180°, so daß ein Winkel von 0° (oder ein maximaler Winkel), wie in der Abbildung 1 dargestellt (vgl. Seite 8, Zeilen 18 bis 23), einer zur Montageebene annähernd parallelen Auslaßöffnung entspricht. Da aber die Ablenkplatte 1 im allgemeinen als Tellerventil ausgebildet und mithin symmetrisch gegenüber ihrer Axe ist, reicht es aus, den Einstrahlwinkel durch die Hälfte des Gesamtfelds zu definieren.

2.2. Gegenüber der Fassung des erteilten Anspruchs 1 wurden in der strittigen Fassung die Wörter "wobei ein Umlenkmittel (11, 13) sowohl den Treibstrahl (8, 9a) als auch den Fangstrahl (10, 10a) in etwa strömungsparallele Bahnen umlenkt" hinzugefügt; expressis verbis fehlen sie im ursprünglichen Text. In der zugrundeliegenden Anmeldung werden die Umlenkmittel 11, 13 durch "führende Wandung" (Anspruch 1), durch "strahlverteilende Vorrichtung" (Anspruch 2) oder auch durch "Strahlausformung" (Zeichenerklärung, Seite 18) oder "Ausbildung" (Seite 8, Zeile 38 bis Seite 9, Zeile 3) definiert. Für die Kammer liegt es auf der Hand, daß die verschiedenen Bezeichnungen für dieses Umlenkmittel von geringer Bedeutung sind und daß zunächst auf seine Funktion abzustellen ist; diese besteht darin, wie dies eindeutig aus dem Text der Seite 8, Zeile 24 bis Seite 9, Zeile 3 und aus der Zeichenerklärung auf Seite 18, Bezugsnummern 11. und 13 hervorgeht, eine Umlenkung zu bewirken. Die Parallelströmung der Medien stellt sich somit als das Ergebnis ihrer jeweils gleichzeitigen Umlenkung durch die Umlenkmittel und der Nutzung des Prinzips der Wasserpumpe dar, wonach der Treibstrahl den Fangstrahl mitnimmt; dies geht auch aus der Beschreibung, Seite 13, Zeilen 25 bis 27. und aus der Darstellung der Abbildung 1 (aus den konzentrischen Rohren 8 und 10 austretende Pfeile) hervor.

2.3. Die Kammer ist mithin davon überzeugt, daß der Anspruch 1 in Übereinstimmung mit Artikel 123 (2) EPÜ nicht in der Weise geändert worden ist, daß sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Da darüber hinaus die im Anspruch 1 vorgenommenen Klarstellungen einer Beschränkung des Schutzes entsprechen, sind auch die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ erfüllt.

3. Stand der Technik (Art. 54 (3) EPÜ)

3.1. Die zugrundeliegende PCT-Anmeldung nimmt die Priorität der beiden am 10. September 1986 bzw. am 14. März 1987 eingereichten deutschen Anmeldungen P 3 630 806.4 und P 3 708 391.0 in Anspruch.

Aus dem Vergleich der Texte der zugrundeliegenden PCT- Anmeldung und dieser deutschen Erstanmeldungen geht hervor, daß die früheste Priorität (10.09.1986) wirksam für alle Teile der Anmeldung in Anspruch genommen wird, die sich auf die Beschreibung der Ausführungen gemäß den Abbildungen 1 bis 4 beziehen, einschließlich der Merkmale des Anspruchs 1 und ihrer durch Ausdrücke wie "und/oder" eingeführten Alternativen. Die jüngste Priorität (14.03.1987) wird wirksam für die Teile in Anspruch genommen, die sich auf die Beschreibung der Abbildungen 5 bis 7 beziehen. Die Teile hingegen, die sich auf die Beschreibung der Abbildungen 8 bis 10 beziehen, fallen unter keine der Prioritätsunterlagen; ihr Datum der Wirksamkeit ist somit der Tag der Einreichung der Euro- PCT-Anmeldung (11.07.1987).

3.2. Unter diesen Umständen stellt die Entgegenhaltung (3), bei der es sich um eine frühere europäische Anmeldung handelt, die am 28. Januar 1987 veröffentlicht worden ist, d. h. zwischen dem frühesten Prioritätstag (10.09.1986) und dem Anmeldetag des Patents (11.07.1987), einen Stand der Technik dar, der dem Gegenstand des Anspruchs 1 nach Artikel 54 (3) EPÜ, d. h. ausschließlich in bezug auf die Neuheit, entgegengehalten werden kann.

4. Auslegung des Anspruchs 1

Die Erfindung besteht im wesentlichen darin, zwei Medien mittels zweier konzentrischer Rohre gleichzeitig einzustrahlen, so daß der Treibstrahl nach dem Prinzip der Wasserpumpe den Fangstrahl mitnimmt, wobei die durch diese Anordnung erzeugte Venturiwirkung genutzt wird. Darüber hinaus werden die beiden Medien parallel durch geeignete Umlenkmittel umgelenkt, damit die Strömung zunächst innerhalb der Düse laminar ist und die Gemischbildung praktisch erst an der radialen Auslaßöffnung der Düse erfolgt.

Nach der durch die Abbildungen 1 bis 3 des Patents veranschaulichten beanspruchten Ausführung führt ein erstes zentrales Rohr 8 den Treibstrahl zu und grenzt mit seiner Außenseite zusammen mit dem Düsengehäuse 3 ein zweites peripheres Rohr 10 ab, das den Fangstrahl zuführt. Eine Strahlablenkplatte 1 ist der Auslaßöffnung der konzentrischen Rohre transversal vorgesetzt, damit das Gemisch vorzugsweise radial gegenüber der Zuführrichtung der Medien, d. h. parallel zur Montageebene C-D des Gehäuses, abgelenkt wird. Die Strahlablenkplatte kann starr oder beweglich an das Düsengehäuse gelagert und als Tellerventil ausgebildet sein.

Die Einstrahlrichtung des Gemischs hängt von der Neigung der den Körper der Ablenkplatte durchlaufenden Einstrahlöffnungen 9 ab; aus der Beschreibung der Abbildungen und dem Wortlaut des Anspruchs 1 geht aber deutlich hervor, daß eine radiale Auslaßöffnung beabsichtigt ist ("wobei das Gemisch ... radial abgelenkt wird"), was einem nahe bei 0° liegenden Einstrahlwinkel entspricht.

Ein weiteres Umlenkmittel 11, 13 ist für die Umlenkung sowohl des Treib- als auch des Fangstrahls vorgesehen. Je nachdem, ob dieses Mittel auf der Leitung 8 (Abb. 1, 2) oder auf der Ablenkplatte 1 (Abb. 3) angeordnet ist, lenkt es in erster Linie das äußere bzw. das innere Medium um. Aber dieses Mittel trägt auch dazu bei, gleichzeitig das andere Medium umzulenken; in der Abbildung 1 stellt nämlich das Mittel 11 einen Trennflansch zwischen den beiden Medien dar, der es dem inneren Medium ermöglicht, sich auszuweiten; in die Abbildung 3 ist die abgeschrägte Rampe 13 gegenüber den zwei Medien synchron angeordnet. In beiden Fällen sind die Verbindung und die jeweilige Lage der Rohre 8, 10, der Ablenkplatte 1 und des Umlenkmittels 11, 13 dergestalt, daß einem wesentlichen Merkmal der Erfindung zufolge (vgl. Seite 8, Zeilen 30 bis 37) der Treibstrahl und der Fangstrahl gleichzeitig in annähernd parallele Richtungen kontrolliert umgeleitet werden, so daß ihre Vermischung erst nach der Umlenkung des Treibstrahls (der das vorherrschende Medium ist) und sogar, wenn der Druck recht stark ist, erst außerhalb der radialen Einstrahlöffnungen erfolgt (vgl. Seite 9, Zeilen 31 bis 33).

Dem Argument der Beschwerdeführerin, das ursprünglich nicht erwähnte Umlenkmittel dürfe für die Beurteilung der Neuheit nicht berücksichtigt werden, kann sich die Kammer nicht anschließen. Dieses Mittel ist durch eine strukturelle Definition wirksam in den strittigen Anspruch eingeführt worden (vgl. Nr. 2). Schon aufgrund seines bloßen Vorhandenseins kann es somit unabhängig von seiner relativen Bedeutung gegenüber den übrigen beanspruchten Mitteln nicht vernachlässigt werden, denn die Neuheit ist grundsätzlich streng zu beurteilen.

5. Neuheit

5.1. Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Neuheitsprüfung insoweit strenge Maßstäbe anzulegen, als die zum Stand der Technik gehörenden Druckschriften für den beanspruchten Gegenstand neuheitsschädlich sind, wenn dieser unmittelbar und eindeutig aus einer Entgegenhaltung hervorgeht, einschließlich der Merkmale, die für den Fachmann vom Inhalt mit erfaßt sind. Allerdings ist es nicht richtig, die Lehre einer Druckschrift dahingehend auszulegen, daß sie allgemein bekannte Äquivalente, die in der Entgegenhaltung nicht offenbart sind, einschließt; dies gehört in die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit (T 167/84, ABl. EPA 1987, 369 und Richtlinien C-IV, 7.2).

Im vorliegenden Fall wurde die Neuheit des Anspruchs 1 nicht unmittelbar bestritten, da keine der zahlreichen Ausführungen der Entgegenhaltung (3) die Merkmale des Anspruchs 1 in ihrer Gesamtheit wiedergibt. Es reicht im übrigen die Feststellung aus, daß keine der zwanzig Abbildungen der älteren Druckschrift mit der Abbildung 1 des Patents identisch ist.

5.2. Davon ausgehend und um die Neuheit des Anspruchs 1 anfechten zu können, stützte sich die Beschwerdeführerin auf die oben genannte Entscheidung T 305/87 (vgl. Nr. V i)) derselben Beschwerdekammer, wonach es zur Beurteilung der Neuheit eines Anspruchs gegenüber einer älteren Entgegenhaltung mit jeweils spezifischen Ausführungsarten (hier: ein Katalog) zulässig sein soll, verschiedene Bestandteile der jeweils spezifischen Ausführungsarten in der gleichen Druckschrift miteinander zu verbinden, sofern darin selbst eine solche Verbindung von Merkmalen nahegelegt wird (Nr. 5.3 der Entscheidungsgründe).

Auf dieser Grundlage hält die Beschwerdeführerin zwei neue Ausführungen entgegen, die auf den Anlagen MB2 und MB3 dargestellt sind und sich aus der Kombination der Ausführungen nach den Abbildungen 10 und 13 bzw. 12 und 18. der Entgegenhaltung (3) ergeben. Die Beschwerdeführerin rechtfertigt diese neuen Ausführungen mit Angaben aus der Beschreibung der betreffenden Abbildungen, die durch implizit enthaltene Merkmale auf der Grundlage des technischen Allgemeinwissens des Fachmanns ergänzt würden. Die Beschreibung der Entgegenhaltung (3), in ihrer Gesamtheit betrachtet, deute sogar auf die generelle Möglichkeit hin, alle Bestandteile der verschiedenen Ausführungsalternativen miteinander zu verbinden.

5.3. Im Anschluß an ihre oben genannte Entscheidung T 305/87 muß die Kammer hier klarstellen, daß die verschiedenen Ausführungsalternativen, die in einer Entgegenhaltung geltend gemacht werden, mehr oder weniger unabhängig und vollständig beschrieben werden können. Dies kann von der ausführlichen Beschreibung eines neuen Ausführungsbeispiels, das sich aus demselben Funktionsprinzip ergibt, bis zu einer einfachen Alternative (oder einem einfachen Äquivalent) zu einem einzigen Bestandteil der Kombination gehen. Im ersten Fall ist die Alternative in der Regel Gegenstand eines bedeutenden Absatzes der Beschreibung mit entsprechender Zeichnung und gegebebenfalls eines oder mehrerer Ansprüche. Im zweiten Fall wird in der Beschreibung nur kurz auf die Alternative hingewiesen, und sie kann unmittelbar in ein und denselben Anspruch eingeführt werden. Diese Fälle kommen häufig vor und sind im Übereinkommen (R. 30 (2)) und in den Richtlinien (C-III, 3.7. und C-IV, 5.3) geregelt.

Zur Beurteilung einer gegen die Neuheit verwendeten älteren Druckschrift ist es zulässig, ein oder mehrere Bestandteile, die eine Alternative bilden, in ein Ausführungsbeispiel aufzunehmen (oder darin zu ersetzen), um ein neues entgegenhaltbares Gebilde herzustellen, sofern diese Alternative in der Entgegenhaltung ausdrücklich erwähnt ist und in unmittelbarer Beziehung mit der umzubildenden Ausführung steht. Umgekehrt ist es, wie es zutreffend in den Richtlinien (Kapitel C-IV, 7.2 letzter Satz) heißt, "nicht richtig, ... allgemein bekannte Äquivalente, die in dem Dokument nicht offenbart sind, einzuschließen". Dieser Satz ist von größter Bedeutung, denn er weist auf die Grenzen der in demselben Absatz der Richtlinien (erster Satz) erwähnten "impliziten Merkmale" hin, die der Fachmann in die betreffende Ausführung aufnehmen darf. Selbst wenn das Äquivalent "allgemein bekannt ist", d. h. zum Allgemeinwissen des Fachmanns gehört, ist seine Aufnahme somit nicht zulässig, wenn es nicht ausdrücklich in der Entgegenhaltung erwähnt ist. Darüber hinaus muß die Aufnahme der Alternative unmittelbar und für sich betrachtet vollständig sein. Denn wenn der Austausch zusätzliche Umbildungen erfordert, dann fallen diese Umbildungen in den Bereich einer erfinderischen Tätigkeit und haben mit der Neuheit nichts mehr zu tun.

Die vorstehenden Überlegungen werden nun auf die von der Beschwerdeführerin angefochtenen Kombinationen angewandt.

5.4. Die auf der Anlage MB2 vorgeschlagene Ausführung ist eine Kombination der Ausführungen nach den Abbildungen 10 und 13. der Entgegenhaltung (3).

Die Ausführung gemäß der Abbildung 10 (Seiten 12 und 13) bezieht sich auf eine Düsenkombination, die ein zentrales Rohr 11 für die Zuführung von Luft aus einem Kanal 4 und einen konzentrischen Ringkanal 29, der den luftführenden Kanal umgibt, für die Zuführung von Wasser aus einem Kanal 3 umfaßt. Der Querschnitt des Ringkanals 29 läßt sich durch Verstellen eines Rings 10 mit konischer Innenbohrung verändern, damit die Wasserdurchflußmenge und somit das Mischungsverhältnis am Auslaß des Rohrs 11 verändert werden können. Die Auslenkung des Strahls erfolgt durch eine tauschbare Lenkstrahldüse 22 mit einer kugelartigen Oberfläche, die durch einen Trägerflansch 9 und einen Schraubring 12 gehalten wird. Bei dieser Konstruktion liegt es auf der Hand, daß die Mischung in der Kammer zwischen dem Auslaß des Rohrs 11 und dem Einlaß der Lenkstrahldüse 22 erfolgt, denn es ist kein Mittel zur Umlenkung oder getrennten Führung der Medien vorgesehen.

Nach einer Alternative gemäß der Abbildung 8 derselben Entgegenhaltung kann die Vorrichtung mit einem Rückschlagventil 56 ausgerüstet sein, das direkt in die Lenkstrahldüse 22 oder anstelle des Rings 10 eingebaut ist. Dieser Bestandteil ändert jedoch nichts an der allgemeinen Funktionsweise des Ganzen. Die Beschreibung der Abbildung 10 enthält keine Angabe, die es erlauben würde, Bestandteile der Abbildung 13 hierin aufzunehmen.

Die Ausführung gemäß der Abbildung 13 (Seite 14) umfaßt auch ein zentrales Luftzuführrohr 11, in dessen Verlängerung eine tauschbare Düse 13 eingebaut ist, die über ein Schraubgewinde in einer Teilkugel 15 geführt ist. Eine elastisch am äußeren Umfang der Düse montierte O-Ringdichtung 76 ermöglicht ohne Druck die Sperrung des Ringkanals 29, durch den die Wasserzufuhr erfolgt. In der Beschreibung der Abbildung 13 wird ausdrücklich auf die Abbildung 10 verwiesen (vgl. Seite 14, Zeile 29), um die summarische Ausführung gemäß der Abbildung 13 durch die Art der Befestigung der in der Abbildung 10 dargestellten Düse, d. h. durch den Trägerflansch 9 und den Schraubring 12, zu ergänzen.

Die Kammer räumt somit ein, daß die auf der Anlage MB2 dargestellte Ausführung implizit und ausreichend von der Entgegenhaltung (3) offenbart ist, und zwar nach den ausdrücklich in dieser Druckschrift gemachten Angaben. In der Konstruktion MB2 erkennt die Kammer jedoch nicht die beanspruchten wesentlichen Mittel, nämlich Ablenkplatte und Umlenkmittel, die eine radiale, parallele und gleichzeitige Umlenkung der Medien ermöglichen. In der Ausführung gemäß der Anlage MB2 kann der zentrale Luftstrahl nicht stark umgelenkt werden, da zum einen das Rohr 11 und die Düse 13 hintereinander gelagert sind und zum anderen der Durchmesser des Rohrs wesentlich geringer ist als der der Düse und da ferner die Beweglichkeit der Düse durch den Schraubring 12 stark begrenzt wird.

Darüber hinaus kann die Dichtung 76 entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht mit der Ablenkplatte des Patents gleichgesetzt werden. Man kann zwar der Auffassung sein, daß in der MB2-Ausführung das durch den Ringkanal 29 ankommende Wasser in gewissem Maße durch die Dichtung 76 umgelenkt wird, aber diese Umlenkung ist gegen die Düsenaxe gerichtet und begünstigt somit die Mischung mit der Luft innerhalb der Düse, während die Strahlen in der beanspruchten Ausführung parallel nach außen ausgerichtet sind, um eine vorzeitige Mischung der Medien gerade zu vermeiden. Aus dem Vorstehenden geht hervor, daß sich diese beiden Funktionsweisen widersprechen. Die Konstruktion nach MB2 kann somit den Gegenstand des Anspruchs 1 weder in seiner Struktur noch in seiner Funktionsweise vorwegnehmen.

5.5. Die auf der Anlage MB3 vorgeschlagene Ausführung ist eine Kombination der Ausführungen nach den Abbildungen 12 und 18. der Entgegenhaltung (3).

In der Beschreibung der Abbildung 12 (Seite 14) sieht eine Alternative vor, die Vorrichtung mit dem bereits in der Ausführung gemäß der Abbildung 8 verwendeten Rückschlagventil 56 zu versehen; diese Alternative hat aber mit den beanspruchten Merkmalen nichts zu tun.

Zur Begründung der Kombination der Ausführungen gemäß den Abbildungen 12 und 18 berief sich die Beschwerdeführerin auf den letzten Satz der Beschreibung der Abbildung 12 (Seite 14, Zeilen 18 bis 19), wo es wie folgt heißt: "Auch diese Ausgestaltung einer erfindungsgemäßen Düsenkonstruktion ermöglicht den Austausch der Strahlausformeinrichtung." Die Beschwerdeführerin sieht darin einen Anreiz, die Düse 13 und den Düsenträger 14 aus der Abbildung 12 durch den mit Unterbrechungen versehenen Deckel 75 aus der Abbildung 18 zu ersetzen.

Die Kammer teilt diese Auffassung nicht, denn der Begriff "Strahlformeinrichtung" bezeichnet im allgemeinen eine Lenkstrahldüse, die die Möglichkeit bietet, die Wasserdurchflußmenge, die Strahlauslenkung und die Strahlausformung des Gemisches am Düsenausgang zu verändern (vgl. Seite 8, Zeilen 30 bis 34). Der oben zitierte Satz findet sich im übrigen fast gleichlautend in der Beschreibung der Abbildungen 5, 8, 9, 10, 16 und 17. Die Kammer vermag in dieser allgemein gefaßten Erklärung keinen Anreiz dafür zu sehen, das in der Abbildung 18 verwendete besondere Mittel zu wählen, denn einerseits enthält die Beschreibung der Abbildung 12 keine ausdrückliche Verweisung weder auf dieses besondere Mittel noch auf die Abbildung 18, und andererseits bietet sich dem Fachmann eine Vielzahl von Alternativen an (vgl. Seite 8, Zeile 35). Die Kombination der Ausführungen gemäß den Abbildungen 12 und 18 ist somit nicht implizit enthalten.

Die Ausführung gemäß der Abbildung 18 besitzt einen Deckel 75, der mit der Ablenkplatte 1 aus der Abbildung 1 des Patents vergleichbar ist, denn das austretende Medium wird radial umgelenkt, d. h. parallel zur Montagewand. Diese Ausführung ist jedoch nur für ein einziges Medium vorgesehen. Die Beschwerdeführerin berief sich auf den Absatz auf Seite 16, Zeilen 33 bis 34, wonach das Medium Luft, Wasser oder ein Wasser-/Luftgemisch sein kann. Es liegt aber auf der Hand, daß das Gemisch am Düseneingang bereits gebildet ist und daß es sich immer noch um ein einziges Medium im Sinn einer einzigen Strömung ohne jegliche Trennung handelt.

Die Beschwerdeführerin berief sich auch auf den folgenden Absatz, wo es wie folgt heißt: "Selbstverständlich kann auch diese (Düse) ausgestattet sein mit Details vorausgehend beschriebener Düsen, sie kann eingesetzt werden in ein Kanalsystem oder in ein Rohranschlußsystem." Ihr zufolge sollen es diese Angaben ermöglichen, die Ausführung gemäß der Abbildung 18 mit dem Kanalsystem gemäß der Abbildung 12 miteinander zu verbinden. Die Kammer vermag auch diesem Argument nicht zu folgen, denn die "Details" sind in der Beschreibung nicht angegeben, und der Ausdruck "in ein Kanalsystem oder in ein Rohranschlußsystem" bezieht sich lediglich auf das allgemeine Zuführsystem für Wasser und Luft oberhalb der eigentlichen Düse (vgl. Seite 4, Zeilen 10 bis 23 und Seite 8, Zeilen 35 bis 37). Daraus folgt, daß die Angaben in der Beschreibung der Abbildung 18 ebenfalls unzureichend sind, um darin eine implizite Kombination der Abbildungen 12 und 18 festzustellen.

Selbst wenn die auf der Anlage MB3 dargestellte Kombination zugelassen worden wäre, so wäre sie trotzdem immer noch unvollständig, um den Gegenstand des Anspruchs 1. offenbaren zu können. Denn wenn eine radiale Umlenkung des Gemischs am Ausgang dieser Konstruktion erzielt werden kann, so ist doch kein Mittel vorgesehen, um eine gleichzeitige und parallele Umlenkung der Medien zu gewährleisten, so daß die Strömung vor dem Abfluß verwirbelt wäre. Ein einfacher Vergleich der Anlage MB3 mit der Abbildung 1 des Patents reicht aus, um festzustellen, daß auf dem zentralen Rohr der Ausführung MB 3 ein Umlenkmittel nicht vorhanden ist.

5.6. Aus allen diesen Gründen ist die Kammer der Überzeugung, daß die in der Entgegenhaltung (3) beschriebenen Ausführungen jede für sich und in Kombination, wenn dies möglich wäre, die Merkmale des Anspruchs 1 in ihrer Gesamtheit sowohl von ihrer Struktur als auch von ihrer Funktion her nicht offenbaren. Infolgedessen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 im Sinn des Artikels 54 (1) und (3) EPÜ neu.

6. Erfinderische Tätigkeit

In Bezug auf das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit folgt die Kammer der Einspruchsabteilung, die zu Recht festgestellt hat, daß die Entgegenhaltungen (1) und (2) keine Hinweise auf die mit dem in Rede stehenden Patent beanspruchte Lösung geben.

Auch die Beschwereführerin hat keine Einwände gegen die erfinderische Tätigkeit vorgebracht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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