European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1993:T089292.19930624 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 24 Juni 1993 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0892/92 | ||||||||
Anmeldenummer: | 85302769.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | G03C 7/26 | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Konica | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Agfa-Gevaert | ||||||||
Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | Gemäß Artikel 113 (1) EPÜ muß die Einspruchsabteilung den Beteiligten ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme geben, nachdem die Beschwerdekammer eine Sache zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage neuen Beweismaterials an sie zurückverwiesen hat, und zwar auch dann, wenn im vorangegangenen Beschwerdeverfahren zu diesem neuen Beweismaterial bereits Stellung genommen worden ist (Nr. 2.1 der Entscheidungsgründe). | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Abschluß des Einspruchsverfahrens nach Zurückverweisung ohne vorherige Mitteilung - Verfahrensmangel | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 0 160 469 wurde am 2. November 1988 mit zehn Ansprüchen auf die europäische Patentanmeldung Nr. 85 302 769.6 erteilt. Am 13. Februar 1989 wurde Einspruch erhoben und der Widerruf des Patents in vollem Umfang wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit beantragt. Mit Telefax vom 19. April 1990, das am 27. April 1990 schriftlich bestätigt wurde, reichte die Patentinhaberin neue Ansprüche 1 bis 9 und eine entsprechend geänderte Beschreibung ein. Sie beantragte ferner eine mündliche Verhandlung für den Fall, daß die Einspruchsabteilung nicht bereit sei, das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten. Mit Zwischenentscheidung vom 19. Dezember 1990 erhielt die Einspruchsabteilung das Patent in geändertem Umfang aufrecht. Infolgedessen fand keine mündliche Verhandlung statt.
Am 8. Februar 1991 reichte die Einsprechende eine Beschwerde mit einer Begründung ein, die sich ausschließlich auf sechs bisher noch nicht angeführte Druckschriften stützte. Während des Beschwerdeverfahrens legte die Patentinhaberin in einem Schriftsatz die Gründe dar, weshalb die verspätet eingereichten Druckschriften ihres Erachtens der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang nicht entgegenstünden.
Mit der Entscheidung T 110/91 vom 24. April 1992, die den Beteiligten am 5. Mai 1992 zugestellt wurde, verwies die Kammer die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der neu entgegengehaltenen Druckschriften an die Einspruchsabteilung zurück. In dieser Entscheidung äußerte die Kammer zwar Zweifel daran, ob der dann beanspruchte Gegenstand im Hinblick auf die neuen Entgegenhaltungen noch neu sei, traf jedoch hierzu keine Entscheidung, um den Beteiligten Gelegenheit zu geben, diese Frage in zwei Instanzen prüfen zu lassen. Aus demselben Grund entschied sie auch nicht über den Antrag der Patentinhaberin auf Kostenfestsetzung, obwohl sie von der von der Einsprechenden vorgetragenen Begründung für die verspätete Vorlage der Druckschriften nicht überzeugt war.
II. Im Anschluß daran widerrief die Einspruchsabteilung das Patent mit Entscheidung vom 31. Juli 1992 ohne weitere Mitteilung oder Aufforderung zur Stellungnahme an die Beteiligten, da sie den beanspruchten Gegenstand im Hinblick auf die neuen Entgegenhaltungen zwar für neu, aber nicht für erfinderisch hielt. Die von der Patentinhaberin unter Hinweis auf die verspätete Vorlage der neuen Druckschriften beantragte Kostenfestsetzung wurde ebenfalls abgelehnt.
III. Gegen diese Entscheidung legte die Patentinhaberin am 23. September 1992 unter Entrichtung der entsprechenden Gebühr Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung ging am 27. November 1992 ein.
IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) machte geltend, daß die Art und Weise, in der die Sache nach ihrer Zurückverweisung durch die Kammer von der Einspruchsabteilung gehandhabt worden sei, gegen Artikel 101 (2) EPÜ verstoße, da im vorliegenden Fall eine Entscheidung getroffen worden sei, ohne daß die Beteiligten zur Stellungnahme aufgefordert worden wären. Auch habe die ursprünglich von ihr beantragte mündliche Verhandlung niemals stattgefunden, so daß ein Verstoß gegen Artikel 116 (1) EPÜ und mithin ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege.
Sie reichte außerdem zusammen mit den Ergebnissen weiterer Vergleichsuntersuchungen einen Satz von acht neuen Ansprüchen ein. Der neue Anspruch 1 enthielt die wesentlichen Merkmale der Ansprüche 1 und 5, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen (und den erteilten Ansprüchen 1, 2 und 6 entsprechen). Anhand dieser weiteren Versuchsergebnisse - so die Beschwerdeführerin - werde sofort deutlich, daß die in der angefochtenen Entscheidung genannten Gründe auf den Gegenstand der neuen Ansprüche nicht mehr zuträfen.
V. Die Beschwerdegegnerin gab an, daß sie zu der Beschwerdebegründung nicht Stellung nehmen wolle.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der neuen Ansprüche. Weiterhin beantragt sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ.
Die Beschwerdegegnerin stellte keine Anträge.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist zunächst darüber zu entscheiden, ob es in dem Verfahren, das im Anschluß an die Zurückverweisung vor der Einspruchsabteilung stattfand, zu einem wesentlichen Verfahrensmangel kam, wie die Beschwerdeführerin behauptet.
2.1 Für die Entscheidung dieser Frage ist vor allem Artikel 113 (1) EPÜ maßgebend, der alle Verfahren vor dem EPA regelt und deshalb auch den Bedeutungsgehalt des Wortes "erforderlich" in Artikel 101 (2) EPÜ bestimmt, auf den sich die Beschwerdeführerin beruft (vgl. auch Entscheidung T 669/90, ABl. EPA 1992, S. 739, Nummer 2.3 der Entscheidungsgründe).
In Artikel 113 (1) EPÜ heißt es, daß die Entscheidungen des EPA nur auf Gründe gestützt werden dürfen, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Wenn festgestellt werden kann, daß die Beteiligten objektiv gesehen von der Entscheidung und den ihr zugrunde liegenden Gründen und Beweismitteln überrascht wurden, so heißt dies, daß ihnen keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden ist. Mit anderen Worten erhält nach Auffassung der Kammer der in diesem Artikel gebrauchte Ausdruck "sich äußern können" erst in Verbindung mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Anspruch auf angemessenes Gehör Bedeutung. Im Lichte dieser Grundsätze wird jedoch klar, daß von einer Gelegenheit zur Stellungahme nicht die Rede sein kann, wenn, wie im vorliegenden Fall, auf eine Zurückverweisung durch eine Beschwerdekammer zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage neuen Beweismaterials der Widerruf des Patents sofort erfolgt, d. h. ohne daß ein Zwischenbescheid vorausgeht, in dem die Fortsetzung des Verfahrens angekündigt wird. Damit die Beteiligten sich äußern können, müssen sie zuvor ausdrücklich gefragt werden, ob sie - möglichst innerhalb einer gesetzten Frist - eine Stellungnahme abzugeben wünschen oder ob die Schriftsätze, in denen sie - wie im vorliegenden Fall - bereits im Verlaufe des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens ausführlich Stellung genommen haben, als vollständig anzusehen sind. Nachdem für das weitere Verfahren die vorliegenden Anträge gelten, sollte bei dieser Gelegenheit auch geklärt werden, ob etwaige ursprünglich - d. h. vor Unterbrechung des Einspruchsverfahrens durch das Beschwerdeverfahren - gestellte Anträge (z. B. ein Antrag auf mündliche Verhandlung) aufrechterhalten, geändert oder zurückgenommen werden oder ob weitere Anträge gestellt werden.
Aus diesem Grund ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, daß der sofortige Abschluß des Einspruchsverfahrens im Anschluß an die Zurückverweisung nicht im Einklang mit den Bestimmungen des Artikels 113 (1) EPÜ stand und deshalb einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ darstellte, so daß die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist. Da die Beschwerde eindeutig durch diesen wesentlichen Verfahrensmangel verursacht wurde, entspricht auch die Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Billigkeit.
2.2 Obwohl dies für die Zwecke dieser Entscheidung nicht unbedingt erforderlich ist, hat die Kammer auch das Argument der Beschwerdeführerin geprüft, daß der ursprüngliche Antrag auf mündliche Verhandlung nach der Zurückverweisung wieder aufgelebt und deshalb rechtswirksam, aber von der Einspruchsabteilung nicht berücksichtigt worden sei, was gegen Artikel 116 (1) EPÜ verstoße.
Unter den gegebenen Umständen ist die Kammer der Auffassung, daß das Verfahren "zur weiteren Entscheidung" im Anschluß an eine Zurückverweisung durch die Kammer zumal dann als Fortsetzung des ursprünglichen Einspruchsverfahrens anzusehen ist, wenn die ursprüngliche Zwischenentscheidung zur Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang von der Beschwerdekammer aufgehoben worden und deshalb nicht mehr rechtswirksam ist. Infolgedessen sind die ursprünglichen Anträge der Patentinhaberin, die diese zu keinem Zeitpunkt zurückgenommen oder geändert hat, nämlich ihr Hauptantrag auf Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der zusammen mit der Erwiderung auf den Einspruchsschriftsatz eingereichten Ansprüche und der Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung, nach der Zurückverweisung wieder aufgelebt, so daß die Einspruchsabteilung eine die Patentinhaberin beschwerende Entscheidung nicht hätte treffen dürfen, ohne ihr zuvor Gelegenheit zur Äußerung gegeben zu haben (Art. 116 (1) EPÜ).
3. Da die Einspruchsabteilung keine Gelegenheit hatte, den neuen Anspruchssatz anhand der zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ergebnisse der Vergleichsversuche zu prüfen, hat die Kammer beschlossen, die materiellrechtlichen Fragen in Zusammenhang mit der Patentierbarkeit nicht zu untersuchen, sondern von ihrem Ermessen gemäß Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch zu machen und die Sache erneut zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, um den Beteiligten wiederum Gelegenheit zu geben, diese Fragen von zwei Instanzen prüfen zu lassen.
4. Die Kammer bedauert es, daß die Sache nochmals ohne abschließende Entscheidung in den materiellrechtlichen Fragen zurückverwiesen werden muß. Sie fügt deshalb erklärend hinzu, daß das Streben nach Straffung der Verfahren vor dem EPA - das von ihr ausdrücklich unterstützt wird - nicht zu Lasten des Anspruchs der Beteiligten auf ein "faires" Verfahren gehen darf.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der am 19. November 1992 eingereichten Ansprüche an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.
3. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.