T 0821/92 () of 22.5.1995

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1995:T082192.19950522
Datum der Entscheidung: 22 Mai 1995
Aktenzeichen: T 0821/92
Anmeldenummer: 87810042.9
IPC-Klasse: B60J 1/10
B61D 25/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Außenhaut von Fahrzeugen
Name des Anmelders: ALUSUISSE-LONZA SERVICES AG
Name des Einsprechenden: Mercedes-Benz AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit, Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0012/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 23. Januar 1987 angemeldete und am 19. August 1987 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 87 810 042.9 wurde am 13. September 1989 das europäische Patent Nr. 0 233 143 erteilt.

II. Der von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) am 9. Juni 1990 eingelegte, auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ (erfinderische Tätigkeit) und dabei im wesentlichen auf die Druckschriften

D1: DE-A-3 344 180

D2: FR-A-1 197 209

gestützte Einspruch führte zum Widerruf des Patents mangels Klarheit der zu jenem Zeitpunkt geltende unabhängigen Ansprüche 2 und 3 durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 17. Juli 1992, wobei die am 16. Juli 1992 beim EPA mit Schreiben der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) vom 15. Juli 1992 eingereichten, geänderten Unterlagen für das Patent und die hierzu vorgelegten Anträge in der Entscheidung unberücksichtigt geblieben sind.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) bei gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr und Vorlage der Beschwerdebegründung am 29. August 1992 Beschwerde eingelegt.

IV. In einem Bescheid der Beschwerdekammer vom 28. Februar 1994 wurde auf Mängel in den damals geltenden Unterlagen des nachgesuchten Patents hingewiesen.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit folgender Fassung:

a) Hauptantrag:

Beschreibung:

Seiten 1, 3, 5, 9, 9a und 10, eingegangen am 18. April 1994,

Seite 1a, eingegangen am 27. August 1992,

Seiten 2, 6 bis 8, eingegangen am 16. Juli 1992,

Seiten 4 und 11 der ursprünglichen Unterlagen, mit der in der Mitteilung gemäß Regel 51 (4) vom 24. November 1988 durch die Prüfungsabteilung vorgenommenen Änderung auf Seite 11, Zeile 11 der Beschreibung

Patentansprüche:

Nr. 1 bis 7 und 8 (teilweise), eingegangen am 18. April 1994,

Nr. 8 (teilweise), 9 und 10, eingegangen am 27. August 1992,

Zeichnungen:

Figuren 1, 2 und 4 bis 7 der Patentschrift, Figur 3, eingegangen am 27. August 1992.

b) Hilfsantrag

Ansprüche:

Nr. 1 bis 6 und 7 (teilweise), eingegangen am 18. April 1994

Nr. 7 (teilweise), sowie Nr. 8 und 9, eingegangen am 27. August 1992

Der Anspruch 1 nach dem Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Aussenhaut von Fahrzeugen, insbesondere zur Beförderung von Personen auf Schiene, mit genau fluchtend einstellbarer, fest montierter Fensterverglasung (34), welche mittels an den Seitenwand- (10) bzw. den Pfostenprofilen (76) lösbar befestigter Fensterrahmenprofile (14) über eine verdrehsichere Verschraubung in einer hinterschnittenen Längsnut (16, 58, 78) gehaltert ist, dadurch gekennzeichnet, dass mit einer Schraubbewegung in der Länge kontinuierlich verstellbare Mittel (20) zum Verankern der Fensterrahmenprofile (14) an den Seitenwand- (10) bzw. Pfostenprofilen (76) montiert sind, welche Mittel (20) ein Positionierungsteil aus einem Schraubenkopf (18, 60) mit einer Verdrehsicherung (22), einen Gewindestift (24) und eine Festziehmutter (28) mit Unterlagscheibe (26) sowie einen längenverstellbaren Teil aus zwei beidseitig einer Profilfahne (12) auf dem Gewindestift aufgebrachten Schraubenmuttern (30, 32, 62, 64) umfassen."

Diesem Anspruch schließen sich abhängige Ansprüche 2 bis 10. an.

VI. Die zur Verteidigung des Patentbegehrens von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die im Bescheid der Beschwerdekammer gerügten unklaren Punkte und Widersprüche in den geänderten Unterlagen des Streitpatents seien beseitigt worden. Nach der Lehre der D1 erfolge die mit der Außenwand fluchtende Einstellung der Verglasung durch das Einlegen verschieden dicker Kalibrierblättchen, was auch bei nur stellenweiser Nichtbündigkeit eine Demontage der gesamten Scheibe nötig mache. Eine Justierung bei montierter Fensterverglasung sei also nicht möglich. Die Druckschrift D2 betreffe nicht das Einstellen einer Scheibe auf Fluchten mit der Außenhaut eines Schienenfahrzeugs (wie beim Streitpatent), sondern in erster Linie das Schwenken einer Automobilscheibe um eine in ihrem mittleren Bereich angebrachte Drehachse. Somit vermöge auch die D2 das Streitpatent nicht nahezulegen.

VII. Die Einsprechende hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Im Einspruchsverfahren (Eingabe vom 11. Juni 1991) hat sie erklärt, daß von ihrer Seite kein weiteres Interesse an einem Widerruf des Schutzrechts bestehe.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Prozessuale Fragen (Art. 113 EPÜ)

Im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der mit Schreiben vom 15. Juli 1992 am 16. Juli 1992 und somit einen Tag vor dem der angefochtenen Entscheidung aufgestempelten Datum (17. Juli 1992) eingegangenen Anträge und geänderten Unterlagen des Patents stellt die Kammer folgendes fest.

Nach der Entscheidung G 12/91 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 1994, 285) ist das Verfahren für den Erlaß einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren mit dem Tag der Abgabe der Entscheidung durch die Formalprüfungsstelle der Abteilung an die interne Poststelle des EPA zum Zwecke der Zustellung abgeschlossen. Diese Abgabe der Entscheidung durch die Formalprüfungsstelle erfolgt mit Aufstempelung eines um drei Tage vordatierten Datums. Somit ist leicht feststellbar, ab wann das Verfahren zum Erlaß einer Entscheidung als abgeschlossen gilt. Durch interne Amtsanweisung ist auch sichergestellt, daß zwischen der Aufstempelung des Absendedatums und der Abgabe zur Post immer drei Tage liegen (vgl. Punkt 9.1 der Entscheidung G 12/91).

Somit gilt als Abschluß des Verfahrens für den Erlaß einer schriftlichen Entscheidung immer das drei Tage vor dem Stempelaufdruck liegende Datum.

Im vorliegenden Fall war somit aufgrund des auf der Entscheidung aufgestempelten Datums vom 17. Juli 1992 das Verfahren am 14. Juli 1992 abgeschlossen. Das am 16. Juli 1992 eingegangene Schreiben der Beschwerdeführerin konnte demgemäß bei der Abfassung der Entscheidung nicht mehr berücksichtigt werden. Die angefochtene Entscheidung entspricht somit den Anforderungen von Artikel 113 EPÜ.

3. Hauptantrag

3.1. Zulässigkeit der geänderten Unterlagen

3.1.1. Ansprüche

a) Artikel 123 (2) EPÜ

Der geltende Anspruch 1 enthält mit Ausnahme des Merkmals "im Schraubenkopf drehbaren (Gewindestift)" alle Merkmale aus den ursprünglichen, unverändert erteilten Ansprüchen 1 und 2. Die weiteren, darüber hinaus im geltenden Anspruch 1 aufgeführten Merkmale "... fest montierter" (Zeile 9), "über eine verdrehsichere Verschraubung in einer hinterschnittenen Längsnut (...) gehaltert ist" (Zeilen 11 bis 13) und "kontinuierlich (verstellbare Mittel)" (Zeile 17) sowie "beidseitig einer Profilfahne (12)" (Zeile 24) sind aus den Figuren, der Beschreibung und dem ursprünglichen Anspruch 8 ableitbar.

Der geltende Anspruch 2 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 4, wobei zusätzlich das in Verbindung mit der isolierenden Verstellbüchse (62) der Figur 6 offenbarte Merkmal "oder längenverstellbares Teil" mit aufgenommen ist.

Die geltenden Ansprüche 3 bzw. 4 lassen sich aus der Figur 1 bzw. den Figuren 2, 4, 6 und 7 ableiten. Die neuen Ansprüche 5 bis 10 stimmen im wesentlichen mit den ursprünglichen Ansprüchen 5 bis 10 überein.

Die Ansprüche 1 bis 10 entsprechen somit den Anforderungen von Artikel 123 (2) EPÜ.

b) Artikel 123 (3) EPÜ

Der geltende Anspruch 1 beinhaltet nicht die beiden folgenden, im erteilten Anspruch 1 enthaltenen Textstellen "und Straße" (Spalte 6, Zeilen 28, 29 der Patentschrift) und "nach dem Einstellen" (Spalte 6, Zeilen 36, 37 der Patentschrift.

Der erteilte Anspruch 1 bezieht sich auf eine "Außenhaut von Fahrzeugen, insbesondere zur Beförderung von Personen auf Schiene und Straße ...", während sich der geltende Anspruch 1 auf eine "Außenhaut von Fahrzeugen, insbesondere zur Beförderung von Personen auf Schiene ...." bezieht. Die erstgenannte Weglassung schränkt somit den ohnehin fakultativen Hinweis auf ein konkretes Anwendungsgebiet ein und führt deshalb offensichtlich zu keiner Erweiterung des Schutzumfangs.

Die an zweiter Stelle genannte Textstelle "nach dem Einstellen" gibt im erteilten Anspruch 1 die Lehre, daß die verstellbaren Mittel (20) zum Verankern der Fensterrahmenprofile (14) an den Seitenwand- (10) bzw. Pfostenprofilen (76) offensichtlich erst "nach dem Einstellen" verdrehsicher montiert sind. Im erteilten Anspruch 1 ist die verdrehsichere Montage nicht weiter definiert, wohingegen der geltende Anspruch 1 die folgenden Bestandteile des Verankerungsmittels (20) aufzählt:

"welche Mittel (20) ein Positionierungsteil aus einem Schraubenkopf (18, 60) mit einer Verdrehsicherung (22), einen Gewindestift (24) und eine Festziehmutter (28) mit Unterlagsscheibe (26) sowie einen längenverstellbaren Teil aus zwei beidseitig einer Profilfahne (12) auf dem Gewindestift aufgebrachten Schraubenmuttern (30, 32, 62, 64) umfassen".

Durch die Wortfolge "mit einer Verdrehsicherung (22)" in Verbindung mit "Festziehmutter (28)" kommt im geltenden Anspruch 1 zum Ausdruck, daß eine verdrehsichere Halterung nach dem Verspannen der Schraubpaarungen erfolgt. Ein solches Verspannen der Schraubpaarungen kann jedoch offensichtlich nur nach Beendigung der Einstellverschiebungen stattfinden. Die vom Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 geforderten, nach dem Einstellen verdrehsicheren Verankerungsmittel sind somit im geltenden Anspruch 1 in einer näher bestimmten und somit eingeschränkten Form enthalten.

Die Weglassung der genannten Textstellen aus dem erteilten Anspruch 1 führt somit nicht zu einer unzulässigen Erweiterung des Schutzumfangs. Der Anspruch 1 erfüllt daher auch die Anforderungen von Artikel 123 (3) EPÜ.

3.1.2. Beschreibung

Die Beseitigung von ursprünglich in der Beschreibung vorhandenen, offensichtlichen Unklarheiten und Widersprüchen verstößt unter Zugrundelegung der Gesamtoffenbarung der ursprünglichen Unterlagen einschließlich der Zeichnungen nicht gegen die Anforderungen von Artikel 123 (2) EPÜ.

3.2. Neuheit, Aufteilung des Anspruchs 1 in Oberbegriff und Kennzeichen

Die Merkmale nach dem Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 sind aus dem Stand der Technik nach D1 bekannt. Bei der aus D1 bekannten Vorrichtung wird jedoch abweichend von der Lehre nach dem Streitpatent die fluchtende Einstellung der Fensterverglasung mittels Ausgleichsscheiben (42) mit wählbarer Dicke vorgenommen. Die im Kennzeichen des Anspruchs 1 des Streitpatents aufgeführten Merkmale sind aus der D1 nicht bekannt. Demgemäß ist der geltende Anspruch 1 gegenüber der D1 richtig abgegrenzt.

Die Druckschrift D2 betrifft die Einstellung eines in einer Fahrzeugtür angeordneten Fensterrahmens (3), dessen Relativlage zu Türe nach den Ausführungsbeispielen gemäß Figuren 5 und 6 über in Längsrichtung kontinuierlich verstellbare Mittel veränderbar ist. Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 des angefochtenen Patents unterscheidet sich jedoch dadurch von dieser bekannten Fensterrahmeneinstellung, daß bei ihm die kontinuierlich verstellbaren Mittel in einer hinterschnittenen Längsnut geführt und durch die längenverstellbare Schraubverspannung festlegbar sind, wodurch auch eine Verschiebung in der Scheibenebene möglich ist. Beim Stand der Technik nach D2 weisen die in den Figuren 5 und 6 gezeigten Profilstützen (5) hingegen keine hinterschnittenen Längsnuten auf, sondern es ist unter Ausschaltung einer Verstellung in der Scheibenebene (vgl. auf Seite 3, in der linken Spalte, im Absatz 3 den letzten Satz) offensichtlich eine Befestigung eines mit Innengewinde versehenen Blockes (19) (Figur 5) bzw. einer Mutter (Figur 6) an der Innenfläche der Profilstützen vorgesehen.

Die Ausführungsbeispiele nach der D2 weisen somit nicht alle Merkmale aus dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents auf. Darüber hinaus enthält keine der aus der D2 bekannten Einstellvorrichtungen einen Positionierungsteil, der aus einem Schraubenkopf mit Verdrehsicherung und einer gegen den Schraubenkopf wirkenden Festziehmutter besteht. Die Verstellvorrichtung nach der D2 unterscheidet sich somit auch hinsichtlich der in ihr gezeigten "verstellbaren Mittel" vom Gegenstand nach dem Streitpatent.

Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 ist daher unbestritten neu.

3.3. Erfinderische Tätigkeit

Aus den Ausführungen zur Neuheit folgt, daß selbst eine Zusammenfassung der Lehren nach den Druckschriften D1 und D2 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents führen könnte, denn die einstellbaren Mittel sowohl nach der D1 als auch nach der D2 unterscheiden sich konstruktiv von denen des Streitpatents. Nach der D2 (Figur 6) kann zwar auch eine kontinuierliche Verstellung der Fensterverglasung (Rahmen 3) quer zur Fensterebene vorgenommen werden, jedoch ist es mit den gezeigten Verstellmitteln nicht möglich, eine Verschiebung in Richtung der Fensterebene zu erzeugen, wie das beim Streitpatent der Fall ist.

Da die aus dem Stand der Technik nach den Druckschriften D1 und D2 bekannten Verstellmittel für eine Lageveränderung der Fensterscheibe sich konstruktiv und funktionell vom nachgesuchten Gegenstand unterscheiden, führen sie den Fachmann nicht in naheliegender Weise zu der beanspruchten Lehre gemäß Anspruch 1.

Die Kammer kommt folglich zu dem Schluß, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht vom Stand der Technik nahegelegt wird und somit auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher gemäß Artikel 52 (1) EPÜ patentfähig.

3.4. Gegen die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 nach dem Hauptantrag, die vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung nach dem Anspruch 1 enthalten, und die geänderte Beschreibung bestehen ebenfalls keine Bedenken.

Das Patent hat daher im Umfang des Hauptantrags Bestand, weshalb sich ein Eingehen auf den Hilfsantrag erübrigt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent mit den Unterlagen gemäß Hauptantrag (vgl. Punkt V.a der Entscheidung) aufrechtzuerhalten.

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