European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1993:T075792.19930615 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 15 Juni 1993 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0757/92 | ||||||||
Anmeldenummer: | 85100748.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B28B 5/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung von Formkörpern, insbesondere von Platten, aus einer Mischung von Gips- und Faserstoff sowie Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens | ||||||||
Name des Anmelders: | BABCOCK-BSH AG vormals Büttner-Schilde-Haas AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | G. Siempelkamp GmbH & Co. | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) Inventive step (yes) Amendments - deletion of feature (yes) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Auf den Einspruch der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) gegen die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 153 588 widerrief die Einspruchsabteilung am 17. Juni 1992 dieses Patent mit der Begründung, daß sein Gegenstand im Hinblick auf die Kombination der Entgegenhaltungen
(1) DE-A-3 216 886
(2) DE-A-2 229 147
keine erfinderische Tätigkeit aufweise.
II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte am 12. August 1992 Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und entrichtete die Beschwerdegebühr. Die Beschwerdebegründung ging am 27. Oktober 1992 ein.
Zusammen mit ihrer Beschwerdebegründung legte die Beschwerdeführerin einen neuen Verfahrensanspruch 1 vor, der wie folgt lautet (die Bezugszeichen (a) bis (c) wurden zur einfacheren Prüfung der Merkmale hinzugefügt):
"Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung von Formkörpern, insbesondere von Platten, aus einer Mischung von Gips und Faserstoff, wobei in einem ersten kontinuierlichen Mischvorgang jeweils dosierte Mengen Gips und Faserstoff miteinander innig vermengt werden, das trockene Gips-Faserstoffgemisch danach in einem zweiten kontinuierlichen Mischvorgang unter dosierter Zugabe einer Wassermenge angefeuchtet wird, indem vor dem zweiten Mischvorgang die Masse des trockenen Gips- Faserstoffgemisches kontinuierlich gemessen wird und entsprechend der gemessenen Masse die Wasserzugabe angepaßt wird, wobei das angefeuchtete Gemisch auf einer Unterlage zu Formkörpern gestreut und anschließend gepreßt wird und wobei die zugeführte Gesamtwassermenge über der stöchiometrischen Wassermenge liegt, die zum Abbinden des Gips-Faserstoffgemisches erforderlich ist, dadurch gekennzeichnet, daß
(a) die Wasserzugabe im zweiten Mischvorgang so angepaßt wird, daß die zugegebene Wassermenge unterhalb eines Grenzwertes gehalten wird, bei welchem das angefeuchtete Gips-Faserstoffgemisch zur Granulierung bzw. Klumpenbildung neigt,
(b) der Massenstrom des Gips-Faserstoffgemisches in voneinander getrennte Massenströme aufgeteilt wird, wobei jeder Teilmassenstrom zu einer Schicht des Formkörpers auf die Unterlage bzw. eine vorhergehende Schicht gestreut wird und
(c) eine zusätzliche Wassermenge zugegeben wird, indem jede abgestreute Schicht des angefeuchteten Gips- Faserstoffgemisch separat mit Wasser nachbefeuchtet wird."
III. Die Beschwerdegegnerin nahm zu den Argumenten der Beschwerdeführerin Stellung, indem sie das bereits im Recherchenbericht genannte Dokument
(3) DE-B-2 805 523
vorlegte.
IV. Am 15. Juni 1993 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdeführerin eine Neufassung des Vorrichtungsanspruchs 10 mit folgendem Wortlaut vorlegte:
"Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach den Ansprüchen 1 bis 9, mit einer ersten Dosiervorrichtung (2, 3) zur dosierten Zugabe von Gips und Fasern in einen nachgeordneten ersten Mischer (4), mit einem zweiten, das Gips-Fasergemisch aufnehmenden Mischer (9), dem eine Dosiervorrichtung für Flüssigkeit (8) zugeordnet ist, und einer nachgeordneten Streuvorrichtung für das Aufstreuen des angefeuchteten Gips-Fasergemisches auf eine Formstraße (12) mit nachgeschalteter Preßvorrichtung, dadurch gekennzeichnet, daß zwischen dem Trockenmischer (4) und dem zweiten Mischer (9) eine das trockene Gips- Fasergemisch gewichts- und/oder volumenmäßig kontinuierlich messende Dosiervorrichtung (7) angeordnet ist, und daß dieser Gips-Faserdosiervorrichtung (7) eine Wasserdosieranlage (8) zugeordnet ist, deren Ausgang (8') in den nachgeschalteten zweiten Mischer (9) mündet, daß die Streuvorrichtung (11) aus mehreren Streumaschinen besteht, daß in Förderrichtung (19) der Formstraße (12) vor und hinter den äußeren Streuköpfen (26a, 26c) Spritzdüsen (40; 43) zum Nachbefeuchten der Oberflächen des aufgestreuten Formkörpers angeordnet sind, und daß zwischen den Spritzdüsen (40; 43) in Förderrichtung (19) der Formstraße (12) hintereinander mehrere, von Teilmasseströmen beschickte, voneinander getrennte Streuköpfe (26a, 26b, 26c) zum getrennten Aufstreuen einzelner Schichten (35a, 35b, 35c) des Formkörpers (35) vorgesehen sind, und daß in Förderrichtung (19) zwischen den Streuköpfen mindestens jeweils eine weitere Spritzdüse (41, 42) vorgesehen ist."
V. In ihren Schriftsätzen und im Verlauf der anschließenden mündlichen Verhandlung brachten die Beteiligten die folgenden Argumente vor:
i) Die Beschwerdeführerin machte im wesentlichen geltend, das beanspruchte Verfahren könne nicht aus der Kombination der in den Entgegenhaltungen (1) und (2) beschriebenen Verfahren abgeleitet werden, da diese Verfahren auf grundverschiedenen Prinzipien beruhten. In dem Verfahren nach der Entgegenhaltung (1) werde die geringfügig über der stöchiometrischen Menge liegende Gesamtwassermenge der Mischung aus Gips und Faserstoff in einem einzigen Schritt zugegeben, und anschließend werde die angefeuchtete Mischung auf eine Unterlage gestreut und zu Formkörpern verarbeitet. Nach dem in der Entgegenhaltung (2) beschriebenen Verfahren hingegen werde durch die Streumaschine eine trockene Mischung auf der Unterlage aufgestreut, und anschließend werde die Mischung mit einer möglichst geringen Wassermenge - nahe der für das Abbinden der Mischung erforderlichen Menge - angefeuchtet.
Die in diesen beiden Entgegenhaltungen beschriebenen Lehren könnten somit dem Fachmann keinen Hinweis auf das erfindungsgemäße Verfahren liefern, wonach die insgesamt überschüssige Wassermenge der Mischung in zwei aufeinanderfolgenden Schritten zugegeben werde; eine erste Wassermenge nahe der stöchiometrischen Menge werde der trockenen Mischung vor dem Aufstreuen zugegeben, und eine zusätzliche Wassermenge werde nach dem Aufstreuen der angefeuchteten Mischung durch Nachbefeuchtung der Platten während des Entstehungsprozesses zugegeben.
ii) Die Beschwerdegegnerin erwiderte im wesentlichen, daß sich der Fachmann aufgrund seines technischen Allgemeinwissens sehr wohl darüber im klaren sei, daß es zur Erhöhung der Querzug- und Biegefestigkeit der Platten erforderlich sei, der Mischung aus Gips und Faserstoff eine geringfügig über der stöchiometrischen Menge liegende Gesamtwassermenge zuzugeben und daß Wasser besser in eine bereits feuchte Schicht eindringe und sich darauf verteile als auf einer trockenen.
Ausgehend von der Lehre der Entgegenhaltung (1), die bereits das Aufstreuen einer angefeuchteten Mischung beschreibe, könne die einfache Maßnahme, nämlich die Aufteilung der Gesamtwassermenge in zwei Teilmengen, von denen die zweite auf eine bereits angefeuchtete Mischung aufgesprüht werde, nicht als erfinderisch angesehen werden, denn in Entgegenhaltung (2) sei bereits die Befeuchtung in mehreren Schritten nach Aufstreuen der Mischung beschrieben, und in dem Verfahren nach der Entgegenhaltung (3) werde einer Mischung, die bereits feuchten Gips enthalte, eine zusätzliche Wassermenge zugegeben.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der folgenden Unterlagen:
- Ansprüche 1 bis 12 und Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
- Zeichnungen, wie erteilt.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Formale Aspekte
2.1. Im Verfahrensanspruch 1 wird im wesentlichen der Inhalt des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung wiederholt, allerdings mit einer unterschiedlichen Abgrenzung zum nächstliegenden Stand der Technik.
Die Beschwerdegegnerin machte geltend, der Anspruch 1 sei nicht klar, denn der Ausdruck "eine zusätzliche Wassermenge" scheine zu bedeuten, daß der bereits in den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs enthaltenen Gesamtwassermenge eine zusätzliche Wassermenge zugegeben werde. Die Kammer ist der Auffassung, daß dieser Einwand nicht begründet ist, denn es geht deutlich aus der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung hervor (vgl. S. 6, erster Absatz), daß die Gesamtwassermenge die in den kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 durch das Merkmal (c) aufgenommene zusätzliche Wassermenge bereits einschließt.
In Übereinstimmung mit Artikel 123 (2) EPÜ erweitern die im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen somit den Gegenstand nicht über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus.
2.2. Die Beschwerdegegnerin behauptete auch, daß die in den Anspruch 1 aufgenommene Änderung zu einer unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs führe (Art. 123 (3) EPÜ), denn der Ausdruck "zusätzliche Wassermenge" fehle sowohl im Anspruch 1 in der erteilten Fassung als auch in den übrigen Unterlagen des Patents (Art. 123 (2) EPÜ).
Die Kammer teilt diese Auffassung nicht, denn der in Frage stehende Ausdruck wird vom Wortlaut sowohl des erteilten Patents (vgl. Spalte 3, Zeile 15) als auch der ursprünglichen Anmeldung (vgl. Seite 6, Zeile 13) gestützt. Darüber hinaus führt die Aufnahme einer Präzisierung in den Inhalt eines Anspruchs zu einer Einschränkung und nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereichs.
Im übrigen wurde der Begriff "signifikant" aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung (Spalte 11, Zeile 3) gestrichen. Dieser von der Beschwerdeführerin in Beantwortung auf den ersten Bescheid der Prüfungsabteilung hin aufgenommene Begriff ist überflüssig, weil solche "Quantifizierung" sowieso durch die Formulierung "die Wassermenge, die zum Abbinden des Gips-Faserstoffgemisches erforderlich ist" unmittelbar und eindeutig impliziert ist. Da der Begriff zudem von der ursprünglichen Beschreibung nicht gestützt wird, kann seine Streichung im Anschluß an die Entscheidung T 231/89 (ABl. EPA 1993, 13, Nr. 3.5) zugelassen werden.
Somit erweitern die am Gegenstand des Anspruchs 1 vorgenommenen Änderungen in Übereinstimmung mit Artikel 123 (3) EPÜ den Schutzbereich nicht.
2.3. Der Vorrichtungsanspruch 10 ist eine Kombination der Ansprüche 10 und 11 des erteilten Patents, und seine Merkmale werden von der ursprünglichen Anmeldung wirksam gestützt. Die im Anspruch 10 vorgenommenen Änderungen sind in Übereinstimmung mit Artikel 123 (2) und (3) EPÜ somit ebenfalls zulässig.
3. Nächstliegender Stand der Technik
Die Entgegenhaltung (1) bildet den dem Patent am nächsten kommenden Stand der Technik. Schon in der ursprünglichen Anmeldung war die Erfindung als Verbesserung des Verfahrens dargestellt worden, das in der auf die Beschwerdeführerin lautenden Entgegenhaltung (1) beschrieben wird.
Die Entgegenhaltung (1) offenbart im Zusammenhang mit Figur 2 alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1, nämlich ein Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung von Formkörpern, insbesondere von Platten, aus einer Mischung von Gips 2 und Faserstoff 1, wobei in einem ersten kontinuierlichen Mischvorgang 3a jeweils dosierte Mengen Gips und Faserstoff miteinander innig vermengt werden. Das trockene Gips-Faserstoffgemisch wird danach in einem zweiten kontinuierlichen Mischvorgang 15a unter dosierter Zugabe einer Wassermenge 16 angefeuchtet, wobei das angefeuchtete Gemisch auf einer Unterlage 6 zu Formkörpern gestreut und anschließend gepreßt wird und wobei die zugeführte Gesamtwassermenge über der stöchiometrischen Wassermenge liegt, die zum Abbinden des Gips-Faserstoffgemisches erforderlich ist.
Darüber hinaus ist das Merkmal (a) des Anspruchs 1, wonach die Wasserzugabe im zweiten Mischvorgang so angepaßt wird, daß die zugegebene Wassermenge unterhalb eines Grenzwertes gehalten wird, bei welchem das angefeuchtete Gips-Faserstoffgemisch zur Granulierung bzw. Klumpenbildung neigt, aus der Entgegenhaltung (1) bekannt. Die diesem oberen Grenzwert entsprechende Wassermenge wird in dem Patent offengelassen; deshalb wird der Grenzwert im Anspruch durch die unerwünschte Folge der Granulierung bzw. Klumpenbildung definiert. In der Beschreibung des Patents wird jedoch erläutert, daß die Bedingung im Merkmal (a) erfüllt ist, wenn die dem zweiten Mischer zugegebene Wassermenge nahezu stöchiometrisch ist (vgl. Spalte 6, Zeilen 1 bis 11).
Betrachtet man nun das in der Entgegenhaltung (1) in seiner allgemeinsten Form dargestellte Verfahren (vgl. Seite 8, erster Absatz), so stellt man fest, daß die genau dosiert zugegebene Wassermenge hauptsächlich und streng auf die für das Abbinden der Mischung erforderliche Menge, d. h. die stöchiometrische Menge, begrenzt ist. Daraus schließt die Kammer unmittelbar, daß das Merkmal (a) des Anspruchs 1 auch von der Entgegenhaltung (1) offenbart wird.
4. Neuheit
4.1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von dem in der Entgegenhaltung (1) beschriebenen Verfahren durch die verbleibenden Merkmale (b) und (c).
Bei dem Verfahren nach der Entgegenhaltung (1) wird nämlich der trockenen Mischung in einem Vorgang die gesamte Wassermenge in der zweiten Mischmaschine 15 zugeführt. Diese endgültig angefeuchtete Mischung wird einer einzigen Streumaschine 5 zugeführt, die das Produkt anschließend auf ein Förderband aufstreut, während die angefeuchtete Mischung nach dem beanspruchten Verfahren auf mehrere Streumaschinen aufgeteilt und die auf das Förderband aufgestreute Platte aus mehreren jeweils übereinanderliegenden und durch eine zusätzliche Wassermenge nachbefeuchteten Schichten gebildet wird.
4.2. Die Entgegenhaltung (2) beschreibt ein Verfahren, bei dem die Mischung aus Gips und Faserstoff einer Verteilerwalze 3 zugeführt wird. Die Verteilerwalze verteilt die Mischung in mehrere aufeinanderliegende und durch eine Reihe von Benetzungsdüsen 4 angefeuchtete Schichten. Aber die der Verteilerwalze zugeführte Mischung ist trocken. Das zum Abbinden erforderliche Wasser wird erst nach dem Aufstreuen im Zeitpunkt der Bildung der Schichten auf dem Förderband zugegeben, während bei dem beanspruchten Verfahren die Gesamtwassermenge in zwei aufeinanderfolgenden Vorgängen zugegeben wird und die Mischung, die den Streumaschinen zugeführt wird, bereits angefeuchtet ist.
4.3. Die Entgegenhaltung (3) ist von der Beschwerdegegnerin als Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin eingeführt worden. Da diese Entgegenhaltung dem Patent nicht näher kommt als die Entgegenhaltung (1), hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung beschlossen, sie nach Artikel 114 (2) EPÜ im Verfahren nicht zuzulassen.
4.4. Da keines der berücksichtigten Dokumente sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 offenbart, ist dessen Gegenstand gemäß Artikel 54 (1) EPÜ neu.
5. Aufgabe und Lösung
5.1. Es ist bekannt, daß sich die mechanischen Eigenschaften des Endprodukts verbessern, wenn man der trockenen Mischung aus Gips und Faserstoff eine Gesamtwassermenge zuführt, die geringfügig über der (zum Abbinden der Mischung erforderlichen) stöchiometrischen Menge liegt. Allerdings ist die Oberflächenqualität der Platten nicht immer zufriedenstellend, denn es kann zu pockigen Oberflächen kommen (vgl. Patent, Spalte 3, Zeilen 47 - 49).
In dem Verfahren nach der Entgegenhaltung (1) kann das Wasser aufgrund seiner gleichmäßigen Verteilung in der Mischung genau dosiert zugegeben werden, d. h., daß sich die Zugabe eines größeren Wasserüberschusses in der Regel erübrigt (vgl. Seite 8, erster Absatz, Zeilen 7 - 15). Als Variante wird empfohlen, einen Überschuß an Wasser zuzugeben, um Verluste während des Transports des Produkts auf dem Förderband auszugleichen. Dieser Überschuß kann theoretisch bis zum Doppelten der stöchiometrischen Menge betragen (vgl. Seite 10, erster Absatz).
Da dieser Wasserüberschuß zusammen mit der Hauptmenge in einem einzigen Vorgang in den Mischer 15 zugegeben wird, kann es in der Praxis bei größeren Überschüssen zur Granulatbildung im Produkt kommen, was zu einer Verschlechterung seiner Qualität führt. Wie in dem Patent erwähnt, kommt dieses nachteilige Ergebnis in einer zu großen statistischen Streuung der mechanischen Eigenschaften des Produkts, insbesondere seiner Querzug- und Biegefestigkeit, zum Ausdruck (vgl. Spalte 1, Zeilen 8 - 21).
Gegenüber dem in der Entgegenhaltung (1) beschriebenen Verfahren besteht die dem Patent zugrunde liegende objektive technische Aufgabe somit darin, ein Verfahren zur Herstellung von Formkörpern vorzuschlagen, das auf der Zugabe eines großen Wasserüberschusses bei gleichzeitiger Verbesserung der Oberflächenqualität und der mechanischen Eigenschaften des Produkts beruht.
5.2. Gelöst wird diese Aufgabe durch die Merkmale des Anspruchs 1, die sich von dem aus der Entgegenhaltung (1) bekannten Verfahren unterscheiden, nämlich die Merkmalsgruppen (b) und (c) (siehe Ziffer II).
So wird die Gesamtwassermenge erfindungsgemäß in zwei Teilmengen unterteilt und in zwei voneinander getrennten Schritten zugegeben: ein erstes Mal im zweiten Mischvorgang und ein zweites Mal während der Bildung der Schichten nach dem Aufstreuen der feuchten Mischung durch die Streumaschinen.
Aufgrund der Tatsache, daß zwei geringe Teilwassermengen in zwei Schritten anstatt eine identische Gesamtwassermenge in einem Schritt zugegeben werden, kann die erste dem Mischer zugeführte Teilmenge, die nahe der stöchiometrischen Menge liegt, leicht so geregelt werden, daß ein kritischer Grenzwert, bei dem es zur Granulatbildung kommt (Merkmal (a)), nicht erreicht wird, und die zweite (zusätzliche) Teilmenge, die auf Schichten einer bereits angefeuchteten Mischung aufgesprüht wird, wird infolge der Kapillarwirkung besser aufgenommen (Merkmal (c)). Insgesamt trägt die Zugabe einer relativ großen Gesamtwassermenge in zwei aufeinanderfolgenden Schritten zum Erhalt eines qualitativ besseren Endprodukts bei, das sowohl frei von Pocken ist als auch eine bessere Querzug- und Biegefestigkeit (geringere statistische Streuung) aufweist.
6. Erfinderische Tätigkeit (Verfahren)
6.1. Der Fachmann, der das in der Entgegenhaltung (1) beschriebene Verfahren verbessern möchte, findet in der Entgegenhaltung (2) nicht den der Erfindung zugrunde liegenden Gedanken, nämlich nach dem Aufstreuen des Produkts den Schichten aus einer bereits feuchten Mischung eine zusätzliche Wassermenge zuzugeben, denn in dem Verfahren nach der Entgegenhaltung (2) handelt es sich weder um eine zusätzliche Wassermenge noch um eine feuchte Mischung.
In der Entgegenhaltung (2) muß nämlich die den Verteilerwalzen 3 zugeführte Mischung 1 trocken bleiben, damit sie nicht die Einzugskehlen 8 verschmutzt, und die gesamte Anmachwassermenge wird auf die sich bildenden Schichten in einem einzigen Vorgang aufgesprüht, auch wenn das Wasser, wie in dem Patent, durch mehrere Benetzungsdüsen zwischen verschiedene Schichten verteilt wird.
6.2. Darüber hinaus würde die Kombination der in den Entgegenhaltungen (1) und (2) enthaltenen Lehren dem Fachmann die Nacharbeitung des beanspruchten Verfahrens nicht ermöglichen. Wie den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist, wird in dem Verfahren nach der Entgegenhaltung (1) die Gesamtwassermenge dem Mischer mit trockenen Produkten vor dem Aufstreuen zugeführt, während in dem Verfahren nach der Entgegenhaltung (2) die Gesamtwassermenge auf die trockenen Schichten nach dem Aufstreuen aufgesprüht wird. In beiden Fällen wird die Gesamtwassermenge einer trockenen Mischung in einem einzigen Schritt zugegeben, nämlich vor der Verteileinrichtung (Entgegenhaltung (1)) bzw. nach der Verteileinrichtung (Entgegenhaltung (2)).
Die in den Entgegenhaltungen (1) und (2) beschriebenen Verfahren konnten dem Fachmann somit keinen Hinweis darauf liefern, die Gesamtwassermenge in zwei Schritten zuzugeben, nämlich vor und nach dem Aufstreuen.
6.3. Schließlich sind die in den Entgegenhaltungen (1) und (2) beschriebenen Verfahren insofern inkompatibel, als ihre Kombination unwahrscheinlich erscheint.
Während in dem Verfahren nach der Entgegenhaltung (1) vorgesehen ist, einen Überschuß an Wasser gegenüber der stöchiometrischen Menge zuzugeben, und zwar nicht zur Verbesserung der Qualität des Produkts, sondern nur zum Ausgleich der Verluste beim Transport des Produkts, empfiehlt das in der Entgegenhaltung (2) beschriebene Verfahren hauptsächlich, mit einer möglichst geringen Wassermenge zu arbeiten (vgl. Seite 3, erster Absatz und Seite 4, zweiter Absatz). Nach der Entgegenhaltung (2) würde nämlich die Zugabe einer zu großen Wassermenge bei der Bildung der Schichten die spätere Trockenzeit der Platte erheblich erhöhen (vgl. Seite 2, zweiter Absatz).
Der Fachmann, dem es bereits aus der Lehre der Entgegenhaltung (1) geläufig ist, der Mischung vor dem Aufstreuen eine geringfügig über der stöchiometrischen Menge liegende Wassermenge zuzugeben, würde somit durch die Lehre der Entgegenhaltung (2) davon abgehalten, diese Menge aus dem vorstehend genannten Grund noch zu erhöhen.
6.4. Die Beschwerdegegnerin brachte vor, daß man in dem beanspruchten Verfahren insgesamt nicht mehr Wasser als in dem Verfahren nach der Entgegenhaltung (1) zugebe, denn nach dieser Druckschrift sei die zugegebene Wassermenge auch ein Überschuß gegenüber der stöchiometrischen Menge, und daß das Endprodukt homogen sei und eine glatte Oberfläche besitze (vgl. Seite 12, dritter Absatz).
Die Kammer kann dieses Argument nicht gelten lassen, denn die in dem beanspruchten Verfahren zugegebene Gesamtwassermenge liegt zwar nicht zwangsläufig über der in dem Verfahren nach der Entgegenhaltung (1) zugegebenen Menge, insbesondere wenn die zusätzliche Menge dem Doppelten der stöchiometrischen Menge entspricht, aber die beiden Verfahren unterscheiden sich wesensmäßig durch die Art, wie dieses Wasser zugegeben wird, nämlich erfindungsgemäß vor und nach dem Aufstreuen, mit der Folge der bereits erwähnten vorteilhaften Wirkungen (Nr. 5.2).
6.5. Weiterhin machte die Beschwerdegegnerin geltend, die Verteilung des Wassers in mehreren Schritten sei eine einfache, dem Fachmann zugängliche und darüber hinaus von der Entgegenhaltung (2) nahegelegte Maßnahme, denn nach dieser Druckschrift werde jede neue Schicht getrennt befeuchtet, nachdem sie die darunterliegende Schicht bedeckt habe, und dies stelle ebenso viele aufeinanderfolgende Grundschritte dar.
Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen, denn die in der Entgegenhaltung (2) beschriebene Befeuchtung der einzelnen Schichten ist nicht mit den Wasserzugaben nach dem beanspruchten Verfahren vergleichbar. Nach dem bekannten Verfahren wirkt nämlich in Anbetracht der linearen Bewegung des Förderbands 2 jede Befeuchtung auf eine neue Schicht aus einer trockenen Mischung, die aus den Einzugskehlen fällt, was nicht die gleiche Wirkung auf die Verteilung und das Eindringen des Wassers sowie auf die Abbindezeit der Mischung wie die Befeuchtung einer bereits angefeuchteten Schicht haben kann. Neben der Verbesserung der Festigkeit und der Oberflächenqualität des Produkts ermöglicht das beanspruchte Verfahren auch noch eine erhebliche Verkürzung der zum Abbinden der Mischung erforderlichen Zeit, was zur Steigerung der Produktivität beiträgt (vgl. Figur 5 des Patents und zugehörigen Text).
6.6. Aus all diesen Gründen ist die Kammer überzeugt, daß sich das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Infolgedessen weisen der Anspruch 1 sowie die davon abhängigen Ansprüche 2 bis 9 die von Artikel 56 EPÜ geforderte erfinderische Tätigkeit auf.
7. Erfinderische Tätigkeit (Vorrichtung)
In der mündlichen Verhandlung wurde der Gegenstand des auf eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens gerichteten Anspruchs 10 durch die Aufnahme des Inhalts des erteilten Anspruchs 11 ergänzt, insbesondere durch die Aufnahme von Spritzdüsen zum Nachbefeuchten der einzelnen die Platte bildenden Schichten.
Nach der Anpassung des Gegenstands des Vorrichtungsanspruchs an die wesentlichen Merkmale des Verfahrens gelten die vorstehend genannten Schlußfolgerungen der Kammer bezüglich des Verfahrens auch für die Vorrichtung zu seiner Durchführung.
Ferner würde es die Kombination der in den Entgegenhaltungen (1) und (2) beschriebenen Mittel dem Fachmann nicht ermöglichen, die beanspruchte Vorrichtung nachzuarbeiten. Insbesondere ist die in der Entgegenhaltung (2) verwendete Verteilerwalze nicht mit der Reihe unabhängiger Streumaschinen, wie sie im Patent verwendet werden, vergleichbar; sie könnte auch nicht ordnungsgemäß funktionieren, vor allem wegen der Gefahr des Anbackens und Verstopfens, wenn ihr ein angefeuchtetes Gips-Faserstoff-Gemisch mit einer größeren Wassermenge nahe der stöchiometrischen Menge zugeführt würde, wie dies bei den in dem beanspruchten Verfahren verwendeten Verteileinrichtungen der Fall ist.
Infolgedessen weisen der Gegenstand des Vorrichtungs- anspruchs 10 sowie die davon abhängigen Ansprüche 11 und 12 ebenfalls die von Artikel 56 EPÜ geforderte erfinderische Tätigkeit auf.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen aufrechtzuerhalten.