European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1994:T046692.19940426 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 April 1994 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0466/92 | ||||||||
Anmeldenummer: | 87108655.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | E06B 3/66 B21D 53/74 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zum Herstellen eines Abstandhalterrahmens für Isolierglas | ||||||||
Name des Anmelders: | Lenhardt, Karl | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Glastechnische Industrie Peter Lisec Gesellschaft m.b.H. | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neue Sachlage durch nachgenannte Beweismittel - Antrag der Beschwerdeführerin auf Zurückverweisung akzeptiert - Umfang des Einspruches Auflösung der Rückbeziehung in einem Unteranspruch Late submitted material - appeal - document admitted (yes) Decision re appeals - exercise of discretion - remittal (yes) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen das am 28. Februar 1990 erteilte europäische Patent Nr. 0 249 946 hat die Fa. Glastechnische Industrie Peter Lisec Gesellschaft m.b.H. - nachfolgend Beschwerdeführerin - Einspruch eingelegt, und zwar nur im Rahmen der erteilten Verfahrensansprüche, nicht aber im Rahmen der erteilten Vorrichtungsansprüche.
II. Mit Zwischenentscheidung im Sinne von Artikel 106 (3) EPÜ vom 16. März 1992 hat die Einspruchsabteilung das Patent in beschränktem Umfang aufrechterhalten.
III. Gegen vorgenannte Zwischenentscheidung hat die Beschwerdeführerin am 18. Mai 1992 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 30. Juni 1992 (Telecopie) begründet.
IV. Zur Stützung ihres Antrags die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im beantragten Umfang (Verfahrensansprüche) zu widerrufen, hat sie im Beschwerdeverfahren erstmals folgende Beweismittel vorgelegt bzw. vorgetragen:
(D3) Prospektblatt "WALLACE SPACE BENDER", verteilt am 21. Dezember 1985 auf der Ausstellung "INTER-GLASS METAL SHOW - 1985" in Washington D.C.
(D4) "GLASWELT", 38. Jahrgang, September 1985, S. 779
(D5) DE-A-3 221 986 und
(D6) DE-C-70 265.
Zu (D3) wurde hilfsweise die offenkundige Vorbenutzung einer nach dem Prospektblatt gebauten Rahmenbiegemaschine geltend gemacht.
Zu (D4) wurde auf der Basis des auf der Ausstellung "Glas 84" in Düsseldorf vorgestellten Isolierglas- Abstandhalter-Biegeautomaten "Vitromatic" (Hersteller Franz Xaver Bayer) eine offenkundige Vorbenutzung - nachfolgend "Vitromatic" - geltend gemacht.
Die Vorveröffentlichung des Prospektblatts (D3) und die darauf abgestellte Vorbenutzung wurde von der Beschwerdegegnerin bestritten. Die Vorbenutzung zu (D4) ("Vitromatic") wurde nicht bestritten. Zum Teil besteht auch Übereinstimmung über Merkmale und Arbeitsweise der vorbenutzten Maschine.
V. In der Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK vom 18. Oktober 1993 hat die Kammer zum Schutzbegehren des Beschwerdegegners (Patentinhabers) vom 20. Januar 1993 vorläufig Stellung genommen und dabei ausgeführt, daß die Vorrichtungsansprüche nicht angegriffen worden seien und daß das Verfahren gemäß einzigem Verfahrensanspruch neu sei und daß die Frage der erfinderischen Tätigkeit noch zu prüfen sei.
VI. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 26. April 1994 hat die Beschwerdeführerin ihren ursprünglich in der Beschwerdebegründung hilfsweise gestellten Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz wiederaufgegriffen und im einzelnen ausgeführt, daß durch die erstmalige Nennung der Dokumente (D3) bis (D6) und des Komplexes "Vitromatic" eine neue Sachlage entstanden sei und daß deshalb ihrem Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und auf Zurückverweisung an die erste Instanz zu entsprechen sei.
VII. Der Beschwerdegegner widersprach diesem Vorbringen und beantragt die Aufhebung der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung und das Bestehenlassen des Streitpatents auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgelegten unabhängigen Verfahrens- bzw. Vorrichtungsansprüche, die folgende Wortlaute haben:
"1. Verfahren zum Herstellen eines rechteckigen Abstandhalterrahmens für Isolierglas durch
a) Aufstecken eines Steckverbinders auf ein Ende eines Hohlprofilstabes;
b) Viermaliges Abbiegen des Hohlprofilstabes in einer Biegeebene, wobei beim letzten Biegevorgang ein Überbiegen der Rahmenschenkel erfolgt und eines der Enden oder beide Enden des gebogenen Hohlprofilstabes aus der Biegeebene unter Bildung eines seitlichen Versatzes ausgelenkt werden;
c) Spreizen des gebogenen Hohlprofilstabes (Rahmen) bis keine Überlappung der Rahmenenden mehr vorliegt;
d) Ergreifen und fluchtendes Positionieren der Rahmenenden;
e) Verbinden der Rahmenenden durch Einstecken des Steckverbinders in das Gegenende des Rahmens,
wobei alle vorgenannten Verfahrensschritte maschinell und in derselben Maschine ausgeführt werden."
bzw.
"2. Vorrichtung zum Herstellen eines rechteckigen Abstandhalterrahmens für Isolierglas durch viermaliges Abbiegen eines Hohlprofilstabes in einer gemeinsamen Biegeebene und Verbinden seiner Enden miteinander, nach einem der folgenden Verfahren:
a) Verfahren zur Herstellung eines solchen Abstandhalterrahmens, wobei die beiden Enden des Hohlprofilstabes durch Auslenken eines oder beider Enden aus der Biegeebene in eine Lage geführt werden, in der sie seitlich versetzt nebeneinander liegen, und dass die Enden dann ergriffen, einander fluchtend gegenüberliegend positioniert und miteinander verbunden werden;
b) Verfahren nach a) wobei nur eines der beiden Enden ausgelenkt wird,
c) Verfahren nach a), wobei das Ende bzw. die beiden Enden des Hohlprofilstabes im Verlauf des letzten Biegevorgangs ausgelenkt werden,
d) Verfahren nach c), wobei das Ende bzw. die beiden Enden des Hohlprofilstabes in der letzten Phase des letzten Biegevorganges ausgelenkt werden,
e) Verfahren nach a), wobei die Enden mittels eines Steckverbinders verbunden werden, der vor Beginn des Biegevorgangs in das eine Ende und nach dem Biegen und dem Positionieren der beiden Enden auch in das gegenüberliegende Ende des Hohlprofilstabes eingesteckt wird,
mit einer waagerecht oder geneigt angeordneten Stützwand, an deren Rand sich eine Halterung
für einen zu biegenden Hohlprofilstab und eines oder mehrere Biegewerkzeuge befinden, deren Biegeebene mit der Oberseite der Stützwand zusammenfällt, dadurch gekennzeichnet, dass ein parallel zur Stützwand (3) verschiebbares und
dadurch in seinem Abstand von der Halterung (4) und den Biegewerkzeugen (8, 9) veränderbares Rahmenschließwerkzeug (15) vorgesehen ist, welches Mittel (31) zum Auslenken eines Endes (20) des Hohlprofilstabes (7) aus der Biegeebene (5) während des Annäherns der beiden Enden (19, 20) des Hohlprofilstabes aneinander hat,
dass das Schließwerkzeug (15) Positioniereinrichtungen (27, 27a; 34, 35; 44, 47; 50, 53) zum Positionieren der Enden (19, 20) des Hohlprofilstabes so, dass diese einander fluchtend gegenüberliegen,
und zwei parallel zur Biegeebene (5) aufeinanderzu bewegliche Greifer (44, 47; 50, 53) hat, durch welche die so positionierten Enden (19, 20) des Hohlprofilstabes einander annäherbar sind."
und denen die erteilten Ansprüche 7 bis 21 mit angepaßten Rückbeziehungen als abhängige Ansprüche folgen sollten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Kammer ist in Abwägung aller Gesichtspunkte, die für ein Durchentscheiden bzw. die für eine Zurückverweisung sprechen, zu der Schlußfolgerung gelangt, daß die Angelegenheit im gegebenen Fall an die Einspruchsabteilung zur Entscheidung zurückzuverweisen ist, und zwar aus nachfolgenden Gründen:
2.1. Der geltende Anspruch 1 (Verfahrensanspruch) ist gegenüber der Fassung gemäß Zwischenentscheidung durch seine von der Kammer angeregte, einteilige Fassung unterschiedlich, vgl. "Richtlinien", CIII, 2.3 (Kombination von Verfahrensschritten) und läßt in seiner geltenden Fassung nunmehr die zeitliche Reihenfolge seiner Verfahrensschritte erkennen.
2.2. Der geltende Verfahrensanspruch ist gegenüber der Fassung des Anspruchs 1 gemäß Zwischenentscheidung durch die Aufnahme der Merkmale "Überbiegen der Rahmenschenkel beim letzten Biegevorgang" bzw. "Spreizen des gebogenen Rahmens bis keine Überlappung der Rahmen mehr vorliegt" konkretisiert worden, weil er in dieser Fassung die tatsächlich durchzuführenden Verfahrensschritte in ihrer zeitlichen Reihenfolge wiedergibt. Ein Einwand unter Artikel 84 EPÜ ist somit nicht mehr gerechtfertigt.
2.3. Wie bereits in der Mitteilung der Kammer vom 18. Oktober 1993 unter Abschnitt 3. zum Ausdruck gebracht wurde, ist (auch) der geltende Anspruch 1 weder aus der Sicht der Artikel 123 (2) EPÜ - die Merkmale "maschinell" bzw. "noch in derselben Maschine" sind ebenso aus den ursprünglichen Figuren und der ursprünglichen Beschreibung herleitbar wie die Merkmale des "Überbiegens" und des "Spreizens des gebogenen Hohlprofilstabes" - noch aus der Sicht des Artikels 123 (3) EPÜ angreifbar, weil die Hinzunahme weiterer Merkmale in den erteilten unabhängigen Verfahrensanspruch dessen Schutzbereich nicht erweitert (sondern weiter einschränkt).
2.4. Die Kammer möchte an dieser Stelle klar zum Ausdruck bringen, daß die Tatsache, daß ein neuer, in seiner Form und in seinem sachlichen Inhalt vom Anspruch 1 der Vorinstanz abweichender Anspruch 1 nicht ausgereicht hätte, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Vielmehr ist nach Auffassung der Kammer durch die Beweismittel gemäß vorstehendem Abschnitt IV eine neue Sachlage entstanden, so daß der Entscheidung T 273/84, ABl. EPA 1986, 346 zu folgen ist, wonach erstmals im Einspruchsbeschwerdeverfahren vorgelegte Dokumente z. B. geltend gemachte Vorbenutzungen es angezeigt erscheinen lassen können, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, um die Prüfung in zwei Instanzen zu ermöglichen (Vermeidung von Instanzenverlust).
2.5. Der Beschwerdegegner hat keine Gegenargumente vorgetragen, die eine Zurückverweisung im vorliegenden Fall als nicht sachgerecht erscheinen lassen.
2.6. In der Sache selbst hat das Beschwerdeverfahren zu einer Neufassung nicht nur des unabhängigen Verfahrensanspruchs sondern auch der Vorrichtungsansprüche Anlaß gegeben, wobei die Vorrichtungsansprüche einerseits den Nichtangriff auf sie klar berücksichtigen - d. h. sie sind gegenüber der erteilten Fassung in ihrem Schutzumfang nicht verändert worden - und die andererseits dem Umstand Rechnung tragen, daß die erteilten (Verfahrens)Ansprüche 1 bis 5 weggefallen sind. Die Kammer folgt damit den Grundsätzen der Entscheidungen G 9/91, ABl. EPA 1993, 408 und T 295/87, ABl. EPA 1990, 470.
Damit mußte an die Stelle der bisherigen Rückbeziehungen im erteilten Anspruch 6 die Aufnahme der Merkmale der Ansprüche treten, auf die Bezug genommen worden war.
2.7. Vorstehende Überlegungen zusammenfassend hat das Beschwerdeverfahren zu dem Ergebnis geführt, daß hinsichtlich Anspruch 1 unmittelbar in die Prüfung der Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ eingetreten werden kann und daß die Vorrichtungsansprüche - da ausdrücklich nicht angegriffen - nicht mehr weiter zu untersuchen sind.
2.8. Im Ergebnis war im vorliegenden Falle dem Antrag der Beschwerdeführerin zu folgen und das Beschwerdeverfahren an der jetzigen Schnittstelle - d. h. Vorliegen eines formal zulässigen Schutzbegehrens - zu beenden und die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.