T 0427/92 () of 9.9.1993

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1993:T042792.19930909
Datum der Entscheidung: 09 September 1993
Aktenzeichen: T 0427/92
Anmeldenummer: 86110396.8
IPC-Klasse: G21C 3/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 838 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Brennstab für ein Kernreaktorbrennelement
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: 01) Sandvik Aktiebolag
02) G.I.E. FRAGEMA
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Inventive step (no)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0036/82
T 0119/82
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents 212 351.

Der einzige Anspruch dieses Patents lautet:

"Brennstab für ein Kernreaktorbrennelement mit Kernbrennstoff, der sich in einem Hüllrohr befindet, welches aus einer Zirkoniumlegierung mit den Legierungsbestandteilen 1.2 bis 1.7 Gew.-% Zinn, 0.07 bis 0.2 Gew.-% Eisen, 0.05 bis 0.15 Gew.-% Chrom, 0.03 bis 0.08 Gew.-% Nickel, 0.07 bis 0.15 Gew.-% Sauerstoff und mit der Gew.-%-Summe für die Legierungsbestandteile Eisen, Chrom und Nickel im Bereich von 0.18 bis 0.38 Gew.-% oder mit den Legierungsbestandteilen 1.2 bis 1.7 Gew.-% Zinn, 0.18 bis 0.24 Gew.-% Eisen, 0.07 bis 0.13 Gew.-% Chrom, 0.10 bis 0.16 Gew.-% Sauerstoff und mit der Gew.-%-Summe für die Bestandteile Eisen und Chrom im Bereich von 0.28 bis 0.37 Gew.-% besteht und auf der Außenseite eine Oberflächenschicht aus einer anderen Zirkoniumlegierung aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß die Oberflächenschicht eine Schichtdicke im Bereich von 5 bis 20 % der gesamten Wandstärke des Hüllrohres hat sowie 0 bis 1 Gew.-% Eisen als Legierungsbestandteil und mindestens ein Legierungsbestandteil aus der Gruppe Vanadium, Platin und Kupfer aufweist mit einem Vanadiumgehalt von 0.1 bis 1 Gew.-%, einem Platingehalt von 0.1 bis 1 Gew.-% und einem Kupfergehalt von 1 bis 3 Gew.-%."

II. Die Beschwerdegegnerinnen "Sandvik AB" und "G.I.E. Fragema" haben gegen die Patenterteilung gemäß Artikel 100 a) EPÜ unter Nennung folgender Dokumente Einspruch erhoben:

D1: DE-A-3 248 235,

D2: US-A-3 427 210,

D3: FR-A-2 165 270,

D4: FR-A-2 129 158,

D5: Canadian Metallurgical Quarterly, Bd. 11, Nr. 1, 1972, Seiten 27 - 35, und

D6: FR-A-1 537 960.

Die Einspruchsabteilung hat daraufhin das Streitpatent mit der Begründung widerrufen, daß der Gegenstand des Patentanspruchs gegenüber Dokument D6 nicht neu sei.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) Beschwerde erhoben und mit der Beschwerdebegründung zwei Hilfsanträge eingereicht.

Der einzige Patentanspruch des Hilfsantrags 1 ändert den Wortlaut des Patentanspruchs des Hauptantrags wie folgt ab.

a) Der Wortlaut "Brennstab für ein Kernreaktorbrennelement" des Hauptantrages ist abgeändert in "Brennstab für ein leichtwassergekühltes Kernreaktorbrennelement";

b) Der Wortlaut "... und auf der Außenseite eine Oberflächenschicht aus einer anderen Zirkoniumlegierung aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß die Oberflächenschicht ..." des Hauptantrags ist abgeändert in "... und nur auf der Außenseite eine Oberflächenschicht aus einer anderen Zirkoniumlegierung aufweist, die ...".

Der einzige Patentanspruch des Hilfsantrags 2 hat den Wortlaut des Patentanspruchs des Hauptantrags, enthält das obige Merkmal a) des Hilfsantrags 1; und der Text hinter "... sowie 0 bis 1 Gew.-% Eisen" lautet nunmehr: "und 0.1 bis 1 Gew.-% Vanadium aufweist."

VI. Es wurde mündlich verhandelt.

VII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hauptantrag oder gemäß den Hilfsanträgen 1 oder 2.

Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende) beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

VIII. Die Beschwerdeführerin stützte ihren Antrag im wesentlichen auf folgende Argumente:

a) Dokument D6 beträfe einen CO2-gekühlten Kernreaktor, bei dem das Substrat der Druckrohre aus Zircaloy 2 oder Zircaloy 4 bestünde, das Substrat der Hüllrohre aber aus Stahl sei. Die in Dokument D6, Seite 1, linke Spalte, Zeilen 20 und 21 angegebene Korrosionsfestigkeit gegenüber Wasser beträfe die Außenfläche eines innen an eine CO2-Atmosphäre angrenzenden Druckrohres. Die Interpretation der Angaben in Dokument D6, Seite 1, rechte Spalte, Zeilen 12 bis 14 und Seite 2, linke Spalte, Zeilen 8 bis 12 ließe nur den Schluß zu, daß sowohl die Innen- als auch die Außenfläche der dort erwähnten Rohre und Bleche mit einer anderen Zirkoniumlegierung überzogen sei, wobei der Fachmann den dort verwendeten allgemeinen Begriff "piece (Werkstück)" allenfalls als Druckrohr auslegen würde. Nur die Angaben in Dokument D6, Seite 2, rechte Spalte, letzter Absatz beträfen ein Hüllrohr (gaine tubulaire). Dieses sei aber explizit in Dokument D6, Seite 2, rechte Spalte Abs. 5, Zeile 6 als innen und außen mit einer Oberflächenschicht überzogen offenbart.

b) Die Hüllrohre gemäß Dokument D1 seien nach dem aus der US-A-4 200 492 bekannten "liner"-Prinzip aufgebaut, das nur die Innenseite der Rohre insbesondere gegen Iod-Spaltprodukte und in das Rohrinnere bereits eingedrungenes Wasser schütze, wie aus Dokument D1, Seite 6, Abs. 3 und Seite 8, Abs. 2 hervorginge. Überdies bezöge sich gemäß Dokument D1, Seite 11, Abs. 4 die Verbesserung der Korrosionsfestigkeit auf Zirkonium und nicht auf die erfindungsgemäß verwendeten Materialien Zircaloy 2 und Zircaloy 4.

c) Die Erkenntnis, daß bei einem leichtwassergekühlten Kernreaktor die Außenseite der Hüllrohre lebensdauerbeschränkend sei, gehöre nicht zum Stand der Technik. Da ferner - wie aus Dokument D5, Seite 27, rechte Spalte, Abs. 3 hervorginge - die Korrosion von Zirkonium durch H2O und durch CO2 Unterschiede aufzeige, lege die den CO2-Korrosionsschutz betreffende Hüllrohraußenschicht gemäß Dokument D6 keinen H2O-Korrosionsschutz auf der Außenfläche eines Hüllrohres nahe. Daher weise das erfindungsgemäße "Duplex-Konzept" eine erfinderische Tätigkeit auf. Da der Stand der Technik nirgendwo einen Hinweis gebe, die innere Beschichtung eines Hüllrohres wegzulassen, werde dieser Schritt nur durch eine unzulässige ex- post-facto-Analyse nahegelegt.

d) Das im Anspruch des Hilfsantrages 1 eingefügte Merkmal für ein "leichtwassergekühltes" Kernreaktorbrennelement sei in Spalte 1, Zeilen 10 und 11 in Verbindung mit Zeile 22 des Streitpatents offenbart und charakterisiere die geometrische Gestalt des Hüllrohres. Der Einschub "nur", d. h. die Klarstellung, daß die Oberflächenschicht nur auf der Außenseite des Hüllrohres vorhanden sein soll, sei dem Streitpatent Spalte 1, Zeile 62 bis Spalte 2, Zeile 3 zu entnehmen. Daß die Erfindung des Streitpatents eine H2O-Korossion beträfe, ginge aus dem Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 15 und 46 hervor.

e) Die widersprüchlichen Meßergebnisse der Korrosionsbeständigkeit einer mit Vanadium legierten Hüllrohroberfläche in Dokument D4, Tabelle II, insbesondere Beispiele 4, 5 und 6 und Dokument D3, Tabelle I, insbesondere Beispiele 14 und 15 würden zeigen, daß die beanspruchte untere Grenze des V- Gehalts von 0.1 Gew.-% nicht nahelag.

IX. Die Beschwerdegegnerin "Sandvik AB" gründete ihren Antrag im wesentlichen auf folgende Argumente:

a) Da Dokument D6 Druckrohre (tubes de force) nicht explizit erwähne, würde ein Fachmann die für den allgemeinen Begriff "Werkstück (piece)" genannten Materialangaben (Zircaloy 2 und Zircaloy 4) in Dokument D6, Seite 2, linke Spalte, Abs. 3, Zeile 8 logischerweise auf das einzige konkret angegebene Ausführungsbeispiel, d. h. die in Dokument D6, Seite 2, rechte Spalte, Abs. 5, Zeile 4 offenbarten Hüllrohre für Brennstäbe beziehen. Die eine Oberflächenschicht aus Zr und 1-3 Gew-% Cu betreffende Merkmalsalternative des Patentanspruchs des Streitpatents sei durch die aus Dokument D6, Seite 2, rechte Spalte, Abs. 2, Zeile 3 bekannte Zirkoniumlegierung mit 1.6 Gew.-% Cu neuheitsschädlich vorweggenommen. Damit unterscheide sich der Anspruch des Streitpatents (gemäß Hauptantrag) von dem aus Dokument D6 bekannten Stand der Technik nur durch die beanspruchte Schichtdicke der Oberflächenschicht von 5-20 % der gesamten Wandstärke. Diese werde dem Fachmann aber durch sein allgemeines Fachwissen nahegelegt.

b) Die eine Oberflächenschicht aus einer ZrPt-Legierung betreffende Hüllrohralternative des Patentanspruchs des Streitpatents werde durch Dokument D6, Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 3 bis 6 nahegelegt.

c) Das zusätzlich in den Anspruch gemäß Hilfsantrag 1 aufgenommene Merkmal, Brennstab für ein "leichtwassergekühltes" Kernreaktorbrennelement, sei ein die Brennstabstruktur nicht präzisierendes Verwendungsmerkmal, das aus Dokument D6 implizit bekannt sei. Aus der Verwendung von Zirkonium (und nicht Stahl) als Hüllrohrmaterial schließe ein Fachmann nämlich in Verbindung mit der in Dokument D6, Seite 1, linke Spalte, Zeilen 20 und 21 direkt angesprochenen Korrosion durch Wasser, daß die in Dokument D6 beschriebenen Brennstab-Hüllrohre auch für einen leichtwassergekühlten Kernreaktor geeignet seien. Überdies sei Dokument D3, Seite 1, Zeilen 8 bis 11 in Verbindung mit Zeilen 23 und 24 entnehmbar, daß die an ein heißes Wasser-Dampfgemisch angrenzende Außenwand der Hüllrohre gegen Korrosion zu schützen sei.

d) Daß bei der Verwendung in einem leichtwassergekühlten Kernreaktor der Korrosionsschwerpunkt an der Außenwand des Hüllrohres liege, sei für den Fachmann eine glatte Selbstverständlichkeit. Da das Weglassen der inneren Oberflächenschicht des aus Dokument D6 bekannten Hüllrohres nur vorhersehbare Nachteile (z. B. Korrosion durch Spaltprodukte wie Sauerstoff oder Iod) und vorhersehbare Vorteile (Verringerung von Material, das thermische Neutronen absorbiert) bedinge, stelle die Umwandlung des aus Dokument D6 bekannten Triplex-Rohres in ein Duplex-Rohr eine im Belieben des Fachmanns liegende Maßnahme dar.

e) Dokument D3, Seite 1, Zeile 19-24 sei für eine gegen H2O-Korrosion widerstandsfähige ZrFeV-Legierung ein bevorzugter Fe-Gehalt von 0.4 bis 0.9 Gew.-% Fe und ein bevorzugter V-Gehalt von 0.15 bis 0.5 Gew.-% entnehmbar, den der Fachmann aufgrund der in Dokument D1, Tabelle I angegebenen Ergebnisse der Vergleichsversuche bei 300 C ohne weiteres in Betracht ziehen würde. Die bei 550 C durchgeführten Vergleichsversuche gemäß Tabelle II des Dokuments D4 würden den oberhalb von 0.1 Gew.-% V liegenden experimentellen Bereich des Dokuments D3 in dem keine Rißbildung beobachtet wurde, nicht in Frage stellen, sondern anhand der Versuche 4 und 5 (keine Rißbildung nach 60 Tagen nur bei dem untersuchten Maximalgehalt von 0.1 Gew.-% V) bestätigen.

X. Die Beschwerdegegnerin "G.I.E. Fragema" schloß sich den vorstehend in Abs. IX genannten Argumenten an und ergänzte sie im wesentlichen wie folgt:

a) Die in Dokument D6, Seite 2, rechte Spalte, Abs. 2 beschriebene Korrosionsfestigkeit einer ZrCu- Oberflächenschicht gegenüber CO2 sei nur ein spezielles Versuchsergebnis, das die in Dokument D6, Seite 1, Zeilen 20 und 21 erwähnte Korrosionsfestigkeit gegenüber H2O als weitere Zielsetzung nicht in Frage stelle. Die Worte "ce procédé" in Dokument D6, Seite 2, rechte Spalte, Abs. 5, Zeile 1 würden die auf Seite 2, linke Spalte, Abs. 3, Zeile 8 entnehmbare Materialangabe mit der auf Seite 2, rechte Spalte, Abs. 5 angegebenen Struktur des konventionellen Hüllrohres logisch verknüpfen und eine technisch zusammenhängende Information schaffen. Die in Dokument D6, Seite 2, linke Spalte, Abs. 3, Zeilen 22 und 23 angegebenen Schichtdicken von 10 µ bzw. 100 µ führten bei den beanspruchten Schichtdicken von 5 bis 20 % der gesamten Hüllrohrwandstärke zu expliziten Hüllrohrwandstärken (0.05 bis 2 mm) im konventionellen Bereich. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs des Streitpatents gemäß Hauptantrag aus Dokument D6 bekannt.

b) Die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbarten eine Beschränkung auf Leichtwasserkühlung, auf eine Oberflächenschicht (aus einer anderen Zirkoniumlegierung) "nur" an der Außenseite des Hüllrohres oder auf Korrosionsbeständigkeit allein gegenüber Wasser nicht als erfindungswesentlich. Die geänderten Ansprüche der Hilfsanträge 1 und 2 entsprächen daher nicht Artikel 123 (2) EPÜ.

c) Dokument D6 beschreibe auf Seite 2, linke Spalte, Zeilen 8-12 ein Ausführungsbeispiel mit der gemäß Hilfsantrag 1 und 2 beanspruchten Duplexstruktur (Oberflächenschicht nur an der Außenseite des Hüllrohres). Dies ginge aus den Worten "la couche extérieure a été enrichie d élements anticorrosifs" hervor. Ferner zeige das in der mündlichen Verhandlung überreichte Dokument

Luegger: "Lexikon der Technik" rororo-Verlag, Bd. 4, Seite 731,

daß die in Dokument D6, Seite 2, linke Spalte, Zeilen 11 und 12 genannten "Verbundwerkstoffe (matériaux composites)" eine Verbindung von nur zwei Werkstoffen darstellten.

XI. Am Schluß der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet, daß die Beschwerde zurückgewiesen werde.

Entscheidungsgründe

1. Im Nachstehenden wird dargelegt, daß die Patentansprüche gemäß Haupt- sowie Hilfsantrag 1 und 2 keine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ aufweisen. Es kann daher im Hinblick auf die zu fällende Entscheidung dahingestellt bleiben, ob die Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 1 und 2 Artikel 123 (2) EPÜ genügen und ob der Patentanspruch gemäß Hauptantrag durch Dokument D6 gemäß Artikel 54 (2) EPÜ bereits neuheitsschädlich vorweggenommen ist; vgl. auch Abs. X a) und b).

2. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag

2.1. Aus dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß Dokument D6 sind folgende durch den Wortlaut des einzigen Patentanspruchs gemäß Hauptantrag definierten Merkmale bekannt:

"Brennstab für ein Kernreaktorbrennelement mit Kernbrennstoff, der sich in einem Hüllrohr befindet (vgl. D6, Seite 2, rechte Spalte, Abs. 5, Zeilen 4 und 5),

welches aus einer Zirkoniumlegierung mit den Legierungsbestandteilen 1.2 bis 1.7 Gew.-% Zinn, 0.07 bis 0.2 Gew.-% Eisen, 0.05 bis 0.15 Gew.-% Chrom, 0.03 bis 0.08 Gew.-% Nickel, 0.07 bis 0.15 Gew.-% Sauerstoff und mit der Gew.-%-Summe für die Legierungsbestandteile Eisen, Chrom und Nickel im Bereich von 0.18 bis 0.38 Gew.-% oder mit den Legierungsbestandteilen 1.2 bis 1.7 Gew.-% Zinn, 0.18 bis 0.24 Gew.-% Eisen, 0.07 bis 0.13 Gew.-% Chrom, 0.10 bis 0.16 Gew.-% Sauerstoff und mit der Gew.-%-Summe für die Bestandteile Eisen und Chrom im Bereich von 0.28 bis 0.37 Gew.-% besteht (Die vorstehend definierten zwei Zirkoniumlegierungen werden durch die unter dem Handelsnamen Zircaloy 2 bzw. Zircaloy 4 allgemein bekannten Legierungen neuheitsschädlich getroffen; vgl. gutachtlich Römpps Chemie Lexikon, 8. Auflage, 1988, Seite 4723. Nach Auffassung der Kammer wird ein Fachmann - aufgrund der in Dokument D6, Seite 2, linke Spalte, Abs. 3, Zeilen 6 bis 11 explizit erwähnten guten mechanischen Eigenschaften und der geringen Neutronenabsorption von Zircaloy 2 und 4 - diese Legierungen ohne weiteres als Basismaterial der in Dokument D6, rechte Spalte, Abs. 5, Zeilen 1 - 6 offenbarten Hüllrohrstruktur ansehen. Da Dokument D6 ein Druckrohr nicht erwähnt und weder Stahl als Material - oder gar als Hüllrohrgrundstoff - offenbart noch die Einsatzmöglichkeit der in Dokument D6 offenbarten Brennstab-Hüllrohrstruktur auf einem CO2 gekühlten Reaktor einschränkt, vermag die Kammer den in Abs. VIII- a) vorgetragenen Argumenten der Beschwerdeführerin nicht zu folgen. Die bloße Erwähnung eines Korrosionstests in einem CO2-Medium in Dokument D6, Seite 2, rechte Spalte, Abs. 2, Zeilen 4 und 5, schließt für den Fachmann die explizit in Dokument D6, Seite 1, linke Spalte, Zeilen 20 und 21 genannte Zielsetzung der Korrosionsbeständigkeit gegenüber H2O und damit die Eignung des in Dokument D6 offenbarten Brennstab-Hüllrohres für einen leichtwassergekühlten Kernreaktor nicht aus.)

und auf der Außenseite eine Oberflächenschicht aus einer anderen Zirkoniumlegierung aufweist (vgl. D6, Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 1 bis 6 in Verbindung mit Abs. 2, Zeilen 1 bis 5. Der beanspruchte Wortlaut "aufweist" ist gemäß der ständigen Praxis im Sinne von "vorhanden" zu interpretieren und beschränkt den sachlichen Inhalt des Patentanspruchs nicht auf eine Oberflächenschicht an der Außenseite. Somit ist es für das Bekanntsein dieses Merkmals unerheblich, daß neben der Außenseite auch die Innenseite des Hüllrohres gemäß Dokument D6 eine Oberflächenschicht aufweist.),

dadurch gekennzeichnet, daß die Oberflächenschicht ... 0 bis 1 Gew.-% Eisen als Legierungsbestandteil (in D6: 0 Gew.-% Eisen) und mindestens ein Legierungsbestandteil aus der Gruppe Vanadium, Platin und Kupfer aufweist (in D6: Platin und Kupfer) mit ... einem Kupfergehalt von 1 bis 3 Gew.-% (in D6, Seite 2, rechte Spalte, Abs. 2, Zeile 3: 1.6 Gew.-% Kupfer)."

2.2. Ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik gemäß Dokument D6 liegt dem Gegenstand des Streitpatents die Aufgabe zugrunde, die durch Korrosion begrenzte Einsatzzeit eines die vorstehend definierten Brennstäbe enthaltenden Kernreaktorbrennelements im Kernreaktor zu verlängern; vgl. das Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 21 bis 24. Diese Zielsetzung ist aus Dokument D6, Seite 1, linke Spalte, Zeilen 34 bis rechte Spalte, Zeile 10 bekannt. Somit vermag die Formulierung der dem Streitpatent objektiv zugundeliegenden Aufgabenstellung nicht zur Stützung einer erfinderischen Tätigkeit beizutragen.

2.3. Die objektive Aufgabe wird gemäß dem verbleibenden Merkmal des Anspruchs des Hauptantrags dadurch gelöst, daß "die Oberflächenschicht eine Schichtdicke im Bereich von 5-20 % der gesamten Wandstärke des Hüllrohres hat". Dokument D6, Seite 2, linke Spalte, Zeilen 22 gibt dem Fachmann mit den expliziten Werten von 100 µ bzw. 10 µ einen ersten Anhaltspunkt für die routinemäßige Feststellung eines zweckmäßigen Dickenbereichs für die Oberflächenschicht. Dem Fachmann ist es ohne weiteres gegeben, daß eine größere Schichtdicke eine längere Standzeit ermöglicht. Sie erhöht aber auch die Neutronenabsorption, wie aus Dokument D6, Seite 2, linke Spalte, Abs. 3, Zeilen 11 bis 26 hervorgeht. Daß ein Dickenbereich gefunden werden kann, der einen annehmbaren Kompromis zwischen Standzeit und Neutronenabsorption ermöglicht, kann nicht als "überraschend angesehen werden; vgl. auch die Entscheidung T 36/82, ABl. EPA 1983, 269.

2.4. Wie vorstehend im einzelnen dargelegt, gelangt der Fachmann durch eine routinemäßige Festlegung zweckmäßiger Schichtdicken der Oberflächenschicht des Hüllrohres des aus Dokument D6 bekannten Brennstabes zu der Kupfer als Legierungsbestandteil aufweisenden Alternative des Anspruchs des Hauptantrags. Eine derartige Maßnahme vermag keine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ zu begründen.

2.5. Der Anspruch des Hauptantrags genügt somit nicht den Erfordernissen des Artikels 52 (1) EPÜ. Das Patent kann daher mit diesem Anspruch nicht aufrechterhalten werden.

3. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1

3.1. Gemäß dem Patentanspruch des Hilfsantrags 1 wird die Lösung der in Abs. 2.2 angegebenen objektiven Aufgabe gegenüber dem Anspruch des Hauptantrags

a) auf die Eignung des Brennstabes für ein "leichtwassergekühltes" Kernreaktorbrennelement beschränkt und

b) durch ein Hüllrohr erreicht, das "nur" auf der Außenseite eine Oberflächenschicht aus einer anderen Zirkoniumlegierung aufweist.

3.2. Sofern - wie die Beschwerdeführerin in Abs. VIII-d) vorbringt - das zusätzliche Merkmal a) in Abs. 3.1 die spezielle geometrische Gestalt des Hüllrohres eines Brennstabes für einen leichtwassergekühlten Kernreaktor charakterisiert, ist diese als allgemein bekannt anzusehen. Die Beschwerdeführerin hat im Streitpatent hierzu keinerlei weitere Angaben gemacht und dabei offensichtlich - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Kammer - vorausgesetzt, daß ein Fachmann ohne weiteres in der Lage ist, die spezielle geometrische Gestalt eines Hüllrohres für Leichtwasserkühlung zu realisieren.

3.3.1. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin in Abs. VIII-c ist es aus Dokument D3, Seite 1, insbesondere Zeilen 10 und 11 für den Fachmann entnehmbar, daß bei einem leichtwassergekühlten Kernreaktor die Außenseite der Hüllrohre lebensdauerbeschränkend ist. Ein unterschiedliches Korrosionsverhalten der aus Dokument D6 bekannten Oberflächenschicht aus ZrCu gegenüber CO2 und H2O ist nach Auffasung der Kammer ohne Einfluß auf die für den Fachmann in Dokument D6, Seite 2, linke Spalte, Abs. 3, Zeilen 6 bis 13 in Verbindung mit Seite 1, linke Spalte, Zeilen 20 und 21 erkennbare Information, daß die offenbarte ZrCu-Legierung auch gegenüber H2O einen höheren Korrosionswiderstand aufweist als eine Zircaloy- Legierung. Dokument D6, Seite 2, rechte Spalte, Abs. 5, Zeilen 5 bis 11 entnimmt der Fachmann, daß die bei dem konventionellen Hüllrohr zusätzlich auf der Innenseite vorhandene Oberflächenschicht die Aufgabe hat, die Zircaloy-Legierung des Hüllrohres gegen Oxydation durch Sauerstoff zu schützen, der bei der Spaltung des Kernbrennstoffs im Hüllrohrinneren frei wird. Die Beschwerdeführerin hat keinerlei Gründe geltend gemacht, daß die Fachwelt diese Schutzfunktion der Innenschicht als unabdingbar erforderlich ansah oder daß unerwarteter Weise eine Korrosion der Innenfläche eines Zircaloy- Hüllrohres nicht oder nur im vernachlässigbarem Umfang auftritt. Es lag daher im Ermessen des Fachmanns, vorhersehbare Nachteile in Kauf zu nehmen und die Innenschicht wegzulassen. Ein solches Ermessen bedingt keine erfinderische Tätigkeit; vgl. auch die Entscheidung T 119/82, ABl. EPA 1984, 217.

3.3.2. Überdies erachtet die Kammer eine Überprüfung, ob gegebenenfalls bei konventionellen Gegenständen Teilstrukturen im Hinblick auf spezielle Anwendungsmöglichkeiten weggelassen werden können (so wie hier die Innenschicht), als eine von einem Fachmann zu erwartende Routineuntersuchung im Rahmen seiner normalen Rationalisierungsaufgaben. Beim Hüllrohr gemäß Dokument D6 führt das sich bei dieser Routineüberprüfung ergebende Versuchsergebnis zwangsläufig zum Weglassen der Innenschicht. Die Kenntnis des Erfindungsgegenstandes des Streitpatents ist hierfür keinesfalls eine intellektuelle Voraussetzung. Somit gelangt der Fachmann - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin in Abs. VIII-d) - ohne eine ex-post-facto-Analyse des Standes der Technik in naheliegender Weise von der konventionellen Triplex- Struktur des aus Dokument D6 bekannten Hüllrohres zu der Duplex-Struktur gemäß dem in Abs. 3.1 genannten Lösungsmerkmal b).

3.4. Wie oben dargelegt, enthält der Anspruch gemäß Hilfsantrag 1 gegenüber dem Anspruch des Hauptantrags keine Merkmale, die eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ begründen. Der Anspruch des Hilfsantrages 1 hat daher im Hinblick auf Artikel 52 (1) EPÜ keinen Bestand, so daß das Streitpatent auf der Grundlage dieses Anspruchs gemäß Artikel 102 (3) EPÜ nicht in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann.

4. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 2

4.1. Gegenüber dem Anspruch des Hauptantrages ändert der Anspruch des Hilfsantrages 2 die Lösung der in Abs. 2.2 genannten objektiven Aufgabe dahingehend ab, daß:

a) der Brennstab sich nur noch für ein "leichtwassergekühltes Kernreaktorbrennelement eignen soll, und daß

b) die andere Zirkoniumlegierung der Oberflächenschicht "O bis 1 Gew.-% Eisen und 0.1 bis 1 Gew.-% Vanadium aufweist

4.2. Das in Abs. 1 genannte Merkmal a) ist aus den in Abs. 3.2 genannten Gründen naheliegend.

4.3.1. Dokument D3, Seite 1, Zeilen 16-18 in Verbindung mit Zeilen 10, 11, 23 und 24 gibt dem Fachmann die Lehre, daß eine Zirkoniumlegierung mit den Merkmal b) in Abs. 4.1 überlappenden Legierungsbestandteilen von 0.25 bis 1,5 Gew.-% Eisen und 0.1 bis 0.6 Gew.-% Vanadium die Außenseite eines leichtwassergekühlten Brennstab- Hüllrohres gegen Korrosion schützt. Die Verwendung dieser aus Dokument D3 bekannten Legierung für die Oberflächenschicht des aus Dokument D6 bekannten Brennstab-Hüllrohres macht also nur von den bekannten Eigenschaften dieser Legierung Gebrauch. Der Fachmann kann nach Auffassung der Kammer vorhersehen, daß die gemäß Dokument D3 als alleiniges Hüllrohrmaterial eingesetzte Legierung ihren Korrosionswiderstand gegenüber H2O beibehält, wenn sie im Hüllrohrinneren gemäß Dokument D6 durch eine Zircaloy-Legierung ersetzt wird und nur noch als Oberflächenschicht auf dem Hüllrohr verbleibt. Der Ersatz des in Dokument D6 für die Oberflächenschicht verwendeten Materials (ZrCu oder ZrPt) durch die aus Dokument D3 bekannte ZrFeV-Legierung stellt daher eine analoge Verwendung der bekannten Eigenschaften eines bekannten Stoffes dar, die keine erfinderische Tätigkeit bedingt.

4.3.2. Die Kammer vermag der sinngemäßen Auffassung der Beschwerdeführerin in Abs. VIII-e) nicht zu folgen, daß das Auffinden der unteren Grenze des Vanadiumgehaltes von 0.1 Gew.-% aufgrund angeblich widersprüchlicher Versuchsergebnisse in den Dokumenten D3 und D4 erfinderisch sei. Nach Auffassung der Kammer ist ein Fachmann ohne weiteres in der Lage festzustellen, daß gemäß den Angaben der Tab. I des Dokuments D3 und der Tab. II des Dokuments D4 bei oder oberhalb eines Vanadiumgehalts von 0.1 Gew.-% am Versuchsende allenfalls wenige kleine Risse beobachtet wurden, die mit zunehmendem Vanadiumgehalt verschwinden. Es besteht daher für den Fachmann kein Anlaß, die in Anspruch 1 des Dokuments D3 beanspruchte untere Grenze 0.1 Gew-% V nicht beizubehalten. Desweiteren begründen um einen üblichen Fehlerbereich voneinander abweichende Versuchsergebnisse mit gleicher Aussage über die generelle funktionelle Abhängigkeit einer Meßgröße von einem Versuchsparameter kein Vorurteil, das den Fachmann davon abhalten würde, die Brauchbarkeit einer Legierung mit 0.1 Gew.-% V als Oberflächenschicht routinemäßig zu überprüfen.

4.4. Aus den vorstehend dargelegten Gründen genügt der Anspruch des Hilfsantrags 2 nicht den Erfordernissen des Artikels 52 (1) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ und kann daher gemäß Artikel 102 (3) EPÜ nicht als Grundlage für die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geändertem Umfang dienen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation