T 0958/91 (Kompostumsetzer/VOGEL) of 25.3.1994

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1994:T095891.19940325
Datum der Entscheidung: 25 März 1994
Aktenzeichen: T 0958/91
Anmeldenummer: 86108660.1
IPC-Klasse: C05F 9/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Einrichtung zum Umsetzen von Müll auf einem Kompostierfeld
Name des Anmelders: Vogel, Werner, et al
Name des Einsprechenden: N.V. Vuilafvoer Maatschappij VAM
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit (ja) - Zugänglichkeit eines Firmenprospekts (ja) - Verteilung an Geschäftspartner - Vertraulichkeit der Information (nein) - Merkmal nicht unmittelbar und eindeutig aus einer schematischen Darstellung ableitbar
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Zurückverweisung - Hilfsantrag
Novelty (yes)
Novelty - prior disclosure - sufficiency (no)
Inventive step - no (main request)
Decision re appeals - remittal (yes)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0678/99
T 0805/05
T 0202/13

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 25. Juni 1986 angemeldete europäische Patentanmeldung 86 108 660.1 wurde das europäische Patent 0 250 617 aufgrund von zehn Ansprüchen erteilt. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Einrichtung zum Umsetzen von Müll auf einem Kompostierfeld, bei der Müll an der Eintrittsseite abgeladen und fortschreitend bis zur Austrittsseite des Kompostierfeldes umgesetzt wird, bestehend aus einer auf Schienen verfahrbaren Brücke und einer auf der Brücke verfahrbaren Laufkatze, welche wenigstens ein Grab- und Förderrad und ein Förderband trägt, dadurch gekennzeichnet, daß zwei Grab- und Förderräder (11) mit Abstand zueinander gleichachsig angeordnet sind, welche in Achsrichtung gegeneinander gerichtete Austrittsöffnungen (20) aufweisen, daß in den Bereich zwischen den beiden Grab- und Förderrädern (11) ein Förderband (12) eingreift, und daß sowohl die Grab- und Förderräder (11) als auch das Förderband (12) höhenverstellbar an der auf der Brücke (9, 9') verfahrbaren Laufkatze (10) gehalten sind."

II. Gegen die Patenterteilung legte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) wegen fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit Einspruch ein. Zur Stütze ihres Vorbringens bezog sie sich auf einen Firmenprospekt "Planungsbüro für Abfallwirtschaft - Vogel & Müller" mit im März 1984 eingehängten Referenzblättern "Kompostlaufkran" und "Kompostumsetzer", Dokument (1), welches einem Besucher während einer Besichtigung des Kompostwerkes Häusle in Lustenau am 30. November 1984 überreicht worden sei. Nach der Einspruchsfrist hat sie eine offenkundige Vorbenutzung der Vorrichtung durch Vorführung vor Besuchern bei Besichtigung des besagten Werkes geltend gemacht. Als Nachweis wurden zwei Berichte von Anlagenbesichtigungen am 30. Dezember 1983 und 30. November 1984, Dokumente (2) und (3), nachgereicht.

III. Die Einspruchsabteilung hat das Patent wegen mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit widerrufen. In der Entscheidung wird im wesentlichen ausgeführt, daß Dokument (1) zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ gehöre, da es unbestritten während der Besichtigung am 30. November 1984 überreicht wurde und bis zum Sommer 1986 insgesamt ca. 150 Stück an Interessenten ohne Verschwiegenheitspflicht verteilt wurden. Aus der Figur zum Kompostumsetzer seien entweder explizit oder implizit alle Merkmale der Ansprüche 1 und 2. zu entnehmen, so daß der Gegenstand dieser Ansprüche nicht mehr neu sei. Falls die impliziten Merkmale bezüglich der gegeneinander gerichteten Austrittsöffnungen der Grab- und Förderräder sowie die Höhenverstellbarkeit dieser Räder und des Förderbandes nicht aus der Figur zu erkennen wären, so stellten diese Ausgestaltungen aber platte Selbstverständlichkeiten dar, so daß die Ansprüche 1 und 2 dann jedenfalls nicht erfinderisch seien.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) Beschwerde erhoben und eine Begründung hierzu eingereicht. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin auf das im Recherchenbericht genannte FR-A-1 527 822, Dokument (4), verwiesen und Kopien von den im Dokument (2) erwähnten Fotos nachgereicht. In Antwort auf eine Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) VB hat die Beschwerdeführerin am 13. April 1993 einen Hilfsantrag eingereicht, dessen Anspruch 1 Merkmale der erteilten Ansprüche 2 und 4 enthält.

V. Die Beschwerdeführerin hat u. a. folgendes vorgetragen:

Die Ausgabe von ca. 150 Exemplaren von (1) sei nur an Geschäftspartner erfolgt. Öffentlichtkeit im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ erfasse einen unbestimmten und unbeschränkten Personenkreis, nicht aber Geschäftspartner, mit welchen der Patentinhaber in geschäftlicher Beziehung stehe und die daher kein Interesse an einer Weitergabe der geschäftlichen Information hätten. Im Regelfall erfolge eine Weiterverbreitung erhaltener Prospekte wohl nur zur Klärung weiterer Fragen bzw. zur Weitergabe an bekannte Interessenten. Wohl kaum jemand habe ein Interesse daran, kostenlos Werbung für Dritte zu betreiben. Es scheine eher der Lebenserfahrung zu entsprechen, daß solche Prospekte bestenfalls gelesen, aber dann abgelegt oder gar recycelt würden. Auch sei die Atmosphäre einer Rottehalle nicht dazu angetan, Einzelheiten der Anlage erkennen zu lassen, so daß durch die Anlagenbesichtigung nichts über (1) hinausgehendes der Öffentlichkeit hätte zugänglich gemacht werden können. Die von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen Tatsachen seien nicht ausreichend, um eine der Öffentlichkeit zugängliche Vorbenutzung nachzuweisen.

Aber selbst wenn Dokument (1) zum Stand der Technik gehören würde, sei zu vermerken, daß der Textteil keine Konstruktionsbeschreibung darstelle und aus den schematischen Ansichten nicht zwingend entnehmbar sei, daß die Grab- und Förderräder gegeneinander gerichtete Austrittsöffnungen aufwiesen. Hier seien dem Fachmann mehrere Alternativen denkbar. Es mangele dem angefochtenen Beschluß an einer Analyse hinsichtlich Wirkung und Zusammenwirken der Merkmale von Anspruch 1. So gäbe es durch die Angabe, daß es sich um Grab- und Förderräder zum Umsetzen von Müll handele, gewisse Auflagen an den Konstrukteur. So müsse die Entladung der Grabräder derart erfolgen, daß der Müll nicht unter Staubentwicklung auf das Förderband übertragen werde. Ferner müßten diese Räder so ausgebildet werden, daß sie einerseits den Müll mit Sicherheit entladen und daß andererseits eine Beschädigung möglichst vermieden werde. Zur Lösung dieser Teilaufgaben seien die Räder entsprechend den Figuren 5 und 6 des Streitpatents nur mit einzelnen, seitlich gegeneinander gerichteten Austrittsöffnungen versehen, so daß die dazwischenliegenden Stege die Konstruktion versteifen. Die Begrenzungswände 21 würden dieser Versteifung dienen und auch günstig auf die Staubentwicklung einwirken. Da die Ausbildung der Grab- und Förderräder auch hätte anders sein können, müsse der angefochtene Beschluß schon deswegen als auf einer unzulässigen ex-post-Betrachtung basierend angesehen werden.

Die allgemeinen Lösungsmöglichkeiten der in der Mitteilung der Kammer erwähnten Aufgabe seien sicher implizierbar, nicht jedoch das konkrete Wie. EP-A-60 410, Dokument (5), vermittle keine Anregungen bei der in ihr vorgegebenen Lösung, wonach eine Traverse mit Joch und Katzenwagen sowie Förderband komplett angehoben werden müsse. Dokument (4) ließe ebenfalls nicht ohne weiteres von einem Kratzförderer auf ein Schaufelrad mit einem Band schließen. Hierbei sei auch zu bedenken, daß immerhin Dokument (4) 18 Jahre vor dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlicht worden sei und auch dem 1982 angemeldeten Dokument (5) keine Anregung in Richtung des Streitpatents geliefert habe.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat ihrerseits u. a. folgendes geltend gemacht:

Den Besuchsberichten (2) und (3) sei zu entnehmen, daß die im Prospekt (1) gezeigte Anlage zur Verarbeitung von städtischem Müll eingesetzt gewesen sei und auch "angeboten" wurde. Ferner wurden 150 Exemplare dieses Prospekts zugegebenermaßen an Geschäftspartner ohne Geheimhaltungsverpflichtung verteilt, so daß die Anlage der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Auch könne das Argument, daß die Atmosphäre in der Anlage von Detailbeobachtungen der Vorrichtung abgehalten hätte, nicht überzeugen.

Aufgrund des Sachverhaltes, daß die beiden Grabräder Material auf ein zwischen ihnen liegendes Förderband entladen sollen und daß sie zwangsläufig dem Förderband zugewendete Austrittsöffnungen besitzen müßten, seien deren Austrittsöffnungen notwendigerweise in axialer Richtung gegeneinander gerichtet. Ferner ändere die spezielle Verwendung der Grab- und Förderräder nichts an dem Offenbarungsgehalt von (1) und der offenkundigen Vorbenutzung. Die Fotos der am 30. Dezember 1983 gezeigten Anlage würden die im Anspruch 5 aufgezählten Merkmale zeigen.

Zusätzlich sei zu vermerken, daß das Dokument (4) bereits einen Kompostumsetzer zeige, bei dem die Grab- und Förderelemente um eine Achse in einer derartigen Position verschwenkt werden könnten, daß diese Elemente bis oberhalb der Fahrebene anzuheben seien. Daß dieser Kompostumsetzer möglicherweise relativ kompliziert sei, könne aber nicht bereits die bloße Stellung der Aufgabe, den Kompostumsetzer aus (1) leichter von einem Kompostfeld zum anderen zu verfahren, erfinderisch erscheinen lassen.

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag sei gegenüber (1) nicht richtig abgegrenzt. Ferner wurde der Anspruch unzulässigerweise erweitert, da die gegeneinander gerichteten Austrittsöffnungen nicht erwähnt seien.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag), hilfsweise mit dem am 7. März 1994 eingereichten Hilfsantrag.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Es ist zuerst zu prüfen, ob der Firmenprospekt mit den eingehängten Referenzblättern, d. h. Dokument (1), zum Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ gehört.

Die Beschwerdeführerin hat selbst erklärt, daß ca. 150 Exemplare des Dokuments (1) vor dem Anmeldetag des Streitpatents ausgegeben worden sind. Daher besteht kein Zweifel, daß die Verteilung des Prospekts vor dem Anmeldetag stattfand.

Nach Auffassung der Kammer ist das Dokument (1) als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht anzusehen, wenn die Verwendung oder die Verbreitung des Inhalts dieses Dokuments durch dessen Empfänger nicht aus Vertraulichkeitsgründen in irgendeiner Weise beschränkt war.

Die Beschwerdeführerin hat nicht bestritten, daß die Übergabe von Dokument (1) an Geschäftspartner ohne ausdrückliche Geheimhaltungsvereinbarung erfolgt ist. Ferner trägt Dokument (1) keinerlei Vermerk, der auf einen Geheimhaltungsvorbehalt und daher auf eine Beschränkung der Weitergabe der Information hindeuten könnte (im Gegensatz zu dem in der Entscheidung T 300/86 vom 28. August 1989 - nicht im ABl. veröffentlicht - beschriebenen Sachverhalt).

Die Argumentation der Beschwerdeführerin bezüglich der geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Patentinhaber und den Geschäftspartnern (siehe Punkt V oben) wirft die Frage auf, ob infolge der besagten geschäftlichen Beziehungen die Weiterverbreitung des Inhalts von (1) beschränkt war.

Gemäß Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 11. Oktober 1990 sind diese Geschäftspartner Interessenten, die direkt und unmittelbar bei den Patentinhabern vorgesprochen haben und welche sich an der Anbahnung von wirtschaftlichen Beziehungen mit den Patentinhabern interessiert gezeigt haben bzw. die Absicht gehabt haben, mit dem Planungsbüro Vogel & Müller in geschäftliche Verbindung zu treten. Daraus ergibt sich, daß die 150 Exemplare von (1) an potentielle Kunden der Beschwerdeführerin bzw. an potentielle Käufer überreicht wurden. Die Beschwerdeführerin hat jedoch keinen Beweis dafür erbracht, daß zwischen ihr und den potentiellen Käufern derart geschäftliche Beziehungen bestanden haben, daß seitens der potentiellen Käufer der Inhalt des Prospekts als vertraulich hätte angesehen werden können, dies obwohl weder schriftlich noch mündlich auf Vertraulichkeit hingewiesen worden war. Bei der Übergabe des Prospekts während der Werkbesichtigung am 30. November 1984 hat die Beschwerdeführerin dem potentiellen Kunden auch nicht mitgeteilt, daß die Einreichung einer Patentanmeldung beabsichtigt war, woraus eine Geheimhaltungsverpflichtung hätte geschlossen werden können (vgl. Eingabe der Beschwerdegegnerin vom 21. Dezember 1990).

Aus den geschilderten Umständen des Falles kann ferner nicht entnommen werden, daß die potentiellen Käufer ein eigenes geschäftliches Interesse an der Geheimhaltung des Prospektinhaltes hätten haben können. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß kaum jemand Interesse daran habe, kostenlos Werbung für Dritte zu betreiben und daß nach der Lebenserfahrung derartige Prospekte bestensfalls gelesen und dann irgendwo abgelegt werden würden, kann jedenfalls nicht als Beweis für ein eigenes geschäftliches Geheimhaltungsinteresse angesehen werden.

In Abwesenheit überzeugender Beweismittel, daß die Empfänger des Dokuments (1) zu einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Geheimhaltung verpflichtet waren oder ein eigenes geschäftliches Geheimhaltungsinteresse hatten, kommt die Kammer zu dem Schluß, daß die Weiterverbreitung des Inhalts von (1) nicht beschränkt war. Daher bestand die Möglichkeit, daß ein unbestimmter und unbeschränkter Personenkreis von dem Inhalt dieses Dokumentes Kenntnis erhält.

Aus den vorstehenden Gründen ist das Dokument (1) als zum Stand der Technik gehörig anzusehen.

3. Dokument (1) offenbart eine Einrichtung zum Umsetzen von Hausmüllkompost, bestehend aus einer auf Schienen verfahrbaren Brücke und einer auf der Brücke verfahrbaren Laufkatze, welche Grab- und Förderräder und ein Förderband trägt, wobei die Grab- und Förderräder gleichachsig und mit Abstand voneinander angeordnet sind und in dem Bereich zwischen den beiden Grab- und Förderrädern das Förderband eingreift (vgl. Blatt "Kompostumsetzer" und Zeichnungen zum Kompostumsetzer). Eine Umsetzweite von 5.8 m ist auf der Zeichnung als Spannweite zwischen dem Austragsende des Förderbandes und dem vorderen Kreisumfang der Grab- und Förderräder eingetragen, womit eindeutig vorgegeben ist, daß das Kompostmaterial aus den Schaufeln der Grab- und Förderräder auf das Förderband entleert wird. Um diese Entleerung zu ermöglichen, ist es zwingend erforderlich, daß die Grab- und Förderräder Austrittsöffnungen aufweisen. Aufgrund der besagten Anordnung des Förderbandes zwischen den gleichachsig angeordneten Grabrädern sind diese Öffnungen zwangsläufig gegeneinander gerichtet. Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich zwar behauptet, daß mehrere Alternativen denkbar wären, jedoch konnte sie hierzu keine Alternativlösung aufzeigen, so daß dieses Argument die Kammer nicht zu überzeugen vermag.

Ferner ist aus den Zeichnungen in (1) eindeutig entnehmbar, daß einerseits die Grab- und Förderräder über Tragarme an einer gemeinsamen horizontalen Achse an der Laufkatze gehalten sind und daß andererseits das Förderband an der Fachwerkträgerkonstruktion der Laufkatze gehalten wird. Diese Zeichnungen sind jedoch eindeutig schematische Ansichten der Einrichtung, die die konkrete Ausgestaltung der Befestigung des Förderbandes weder in der Seiten- noch in der Stirnansicht zeigen. Einzig die Darstellung einer Symmetrieachse für diese Befestigung kann jedenfalls nicht den Schluß auf eine Höhenverstellbarkeit zulassen. Das im Anspruch 1 des Hauptantrags erwähnte Merkmal, daß sowohl die Grab- und Förderräder als auch das Förderband höhenverstellbar an der Laufkatze gehalten sind, kann daher nicht unmittelbar und eindeutig aus (1) abgeleitet werden. Diese Ausgestaltung kann auch nicht als zwangsläufig für die gezeigte Vorrichtung vorausgesetzt werden, da für den Fachmann mehrere Alternativen für besagte Befestigung des Förderbandes denkbar sind, was von den Parteien in Antwort auf die Mitteilung der Kammer nicht bestritten worden ist. Die Einrichtung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags ist daher gegenüber Dokument (1) neu.

4. Die Beschwerdegegnerin hat die offenkundige Vorbenutzung der beanspruchten Einrichtung durch Vorführung vor Besuchern erst nach Ablauf der Einspruchsfrist geltend gemacht. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer bleiben Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht worden sind, unberücksichtigt, wenn sie als nicht relevant betrachtet werden. Im vorliegenden Fall hat die Einspruchsabteilung noch keine Entscheidung über die Relevanz der verspätet vorgebrachten offenkundigen Vorbenutzung getroffen. Im Hinblick darauf, daß die Kammer aus den nachstehend aufgezeigten Gründen (s. Punkt 5) die Einrichtung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber der Offenbarung des Dokuments (1) bereits als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend betrachtet und daß der vorliegende Fall für die Prüfung des Hilfsantrags an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen wird (siehe nachstehender Punkt 6), hält es die Kammer für angezeigt, nicht im Rahmen der Prüfung des Hauptantrags über die Relevanz der verspätet vorgebrachten offenkundigen Vorbenutzung und der erst im Beschwerdeverfahren nachgereichten Fotos zu entscheiden, um diese Relevanzprüfung auch in zwei Instanzen zu ermöglichen.

5. Gegenüber der in Dokument (1) beschriebenen Einrichtung kann die der Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, eine Einrichtung dieser Art zu schaffen, die in einfacher Weise ohne Durchführung von Umsetzarbeiten über dem Kompostierfeld oder über mehrere Kompostierfelder verfahrbar ist.

Zur Lösung dieser Aufgabe wird im Anspruch 1 vorgeschlagen, daß sowohl die Grab- und Förderräder als auch das Förderband höhenverstellbar an der auf der Brücke verfahrbaren Laufkatze gehalten sind. Unter Berücksichtigung der Hinweise in dem Streitpatent, insbesondere in Spalte 2, Zeilen 5 bis 15, und Spalte 4, Zeilen 30 bis 44, ist ohne weiteres glaubhaft, daß hierdurch die bestehende Aufgabe tatsächlich gelöst wird.

5.1. Der Textteil von Dokument (1) enthält keine Konstruktionsbeschreibung des auf den Zeichnungen schematisch dargestellten Kompostumsetzers, so daß aus (1) nicht unmittelbar entnommen werden kann, ob das Förderband höhenverstellbar an der Laufkatze gehalten ist. Der Fachmann, der mit der bestehenden Aufgabe konfrontiert ist und daher den aus Dokument (1) bekannten Kompostumsetzer ohne Durchführung von Umsetzarbeiten über das Kompostierfeld fahren will, kann aus der Seitenansicht unmittelbar ableiten, daß sowohl die Grabräder als auch das Förderband nicht in ihrer Arbeitsstellung verbleiben können, sondern sich über die Fahrebene während des Bewegungsvorganges befinden müssen. Ausgehend vom Gesamtaufbau des in (1) dargestellten Kompostumsetzers, der räumlich getrennte Halterungen einerseits für die Grab- und Förderräder und andererseits für das Förderband an der auf der Brücke verfahrbaren Laufkatze zeigt, liegt es für den Fachmann dann auf der Hand, entweder die Gesamtanordnung oder die Grab- und Förderräder sowie das Förderband als Einzelelemente höhenverstellbar auszugestalten, damit die Grabräder und das Förderband sich über dem Kompostierfeld befinden können, wenn der Kompostumsetzer über dem Kompostierfeld verfahren wird. In der Wahl der zweiten Alternative unter diesen zwei naheliegenden allgemeinen Lösungsmöglichkeiten kann keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden, denn es liegt im Rahmen normalen fachmännischen Handelns, unter zwei Möglichkeiten die geeignetere auszuwählen. Daher kann die im Anspruch 1 definierte Lösung nicht als erfinderisch angesehen werden.

5.2. In der Aufgabenstellung kann die Kammer auch keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit erkennen, da es im Gebiet der Kompostumsetzer bekannt war, einen Kompostumsetzer ohne Durchführung von Umsetzarbeiten über dem Kompostierfeld zu verfahren, so daß der Fachmann die Grenzen der Vorrichtung gemäß Dokument (1) hätte erkennen und sich die Aufgabe ohne weiteres hätte stellen können (vgl. hierzu R. Singer, Europäisches Patentübereinkommen, Heymanns Taschenkommentare zum gewerblichen Rechtsschutz, Seite 151).

5.3. Die Argumente der Beschwerdeführerin bezüglich der an den Konstrukteur gegebenen Auflagen und der Lösung der entsprechenden Teilaufgaben (siehe vorstehender Punkt V, dritter Absatz) können die Kammer von dem Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit insofern nicht überzeugen, als die erwähnten Konstruktionsmerkmale der Figuren 5 und 6 (einzelne, seitlich gegeneinander gerichtete Austrittsöffnungen mit dazwischenliegenden Stegen und Begrenzungswänden) im Anspruch 1 nicht angegeben sind. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 können nur die in diesem Anspruch vorhandenen Merkmale, nicht aber die zusätzlichen Merkmale der bevorzugten Ausführungsform berücksichtigt werden.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß weder Dokument (4) noch Dokument (5) eine Anregung in Richtung der beanspruchten Lösung geliefert habe, kann die vorstehende Schlußfolgerung, daß die beanspruchte Lösung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, auch nicht ändern, denn diese Schlußfolgerung stützt sich nicht auf die Kombination der Lehre aus Dokument (4) oder aus Dokument (5) mit Dokument (1) sondern ausschließlich auf Dokument (1).

In Verbindung mit dem Argument, die allgemeinen Lösungsmöglichkeiten seien sicher implizierbar, nicht jedoch das konkrete Wie (vgl. Eingabe vom 6. April 1993), ist anzumerken, daß der Anspruch 1 durch den Wortlaut "sowohl die Grab- und Förderräder als auch das Förderband höhenverstellbar an der ... gehalten sind" eine ziemlich allgemeine Lösungsmöglichkeit bietet und keinesfalls auf die im Streitpatent oder in den abhängigen Ansprüchen beschriebene konkrete bevorzugte Ausführungsform eingeschränkt ist.

5.4. Aus alledem folgt, daß die Einrichtung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt. Infolgedessen kann dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben werden.

6. Hilfsantrag

Der Anspruch 1 des am 7. März 1994 eingegangenen Hilfsantrags enthält alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1 sowie Merkmale aus den erteilten Ansprüchen 2 und 4. Dieser geänderte Anspruch erfüllt die Vorschriften des Artikels 123 (2) und (3).

In der angefochtenen Entscheidung ist ausgeführt, daß der Gegenstand der erteilten abhängigen Ansprüche 3 bis 10 für sich nicht neu bzw. nicht erfinderisch sei (Punkt 5). Es läßt sich jedoch daraus nicht entnehmen, aus welchen Gründen eine die Merkmale des erteilten abhängigen Anspruchs 4 aufweisende Vorrichtung von der Einspruchsabteilung als naheliegend angesehen wurde. Darüber hinaus sind zusätzlich Beweismittel im Laufe des Beschwerdeverfahrens nachgereicht worden, deren Relevanz hinsichtlich des Hilfsantrags noch nicht bewertet worden ist. Die Kammer hält es für nicht angezeigt, diese Fragen sowie die Relevanz der verspätet vorgebrachten offenkundigen Vorbenutzung selbst zu untersuchen und macht von ihrer Befugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch, die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Hauptantrag wird zurückgewiesen.

3. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens auf der Grundlage des am 7. März 1994 eingegangenen Hilfsantrags an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.

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