European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1994:T079991.19940203 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 03 Februar 1994 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0799/91 | ||||||||
Anmeldenummer: | 81100740.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B62H 5/16 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | B | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schwenkbügelschloß für ein Fahrzeug, insbesondere ein Zweiradfahrzeug | ||||||||
Name des Anmelders: | Aug. Winkhaus GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Basta Lasefabrik A/S | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - Zulässigkeit eines neuen unabhängigen Patentanspruchs (bejaht) Neuheit - offenkundige Vorbenutzung (verneint), Vertrauensverhältnis Erfinderische Tätigkeit (bejaht) Novelty - public prior use - confidentiality - yes Inventive step - yes Amendment |
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Orientierungssatz: |
Im Einspruchs(Beschwerde)-verfahren ist die Umwandlung eines bisherigen abhängigen Patentanspruchs in einen weiteren unabhängigen Patentanspruch nicht zu beanstanden, wenn sie den Erfordernissen der Artikel 123 (2) und (3) genügt und auf einen geltend gemachten Einspruchsgrund zurückgeht (Punkt 2.3). Die bloße Lieferung eines Gegenstands seitens eines Zulieferers an eine auftraggebende Firma erfüllt in der Regel nicht die Voraussetzungen der Offenkundigkeit (Punkt 4.1). |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 033 936 (Anmeldenummer: 81 100 740.0).
II. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat gegen das erteilte Patent Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent mangels Patentfähigkeit seines Gegenstands (Art. 100 a) EPÜ) zu widerrufen.
Sie hat sich u. a. auf die folgenden Beweismittel berufen:
- offenkundige Vorbenutzung eines Fahrradschlosses (kurz: Schloß I) sowie
- D1: US-A-4 180 998
- D2: DE-C-349 775.
III. Mit Entscheidung in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 1991, in schriftlich begründeter Form am 3. September 1991 zur Post gegeben, hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent widerrufen.
IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin am 14. Oktober 1991 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.
Die Beschwerdebegründung wurde am 3. Januar 1992 eingereicht.
V. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung nannte die Beschwerdegegnerin zum ersten Mal die folgenden Beweismittel:
- D5: FR-A-1 002 281 sowie
- offenkundige Vorbenutzung eines Fahrradschlosses "BASTA type 500" (Kurz: Schloß II).
Zu deren Stützung wurde folgendes Material eingereicht:
- Zeichnung Nr. 67 40 70.1 vom 7. April 1976;
- zwei Fotografien des fertigen Schlosses in zwei verschiedenen Stellungen;
- Erklärung des Herrn Börge Larsen.
VI. Es wurde am 3. Februar 1994 mündlich verhandelt.
Im Laufe der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang auf der Basis der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Patentansprüche:
1. bis 36, überreicht in der mündlichen Verhandlung
- Beschreibung:
Spalten 1 bis 4 und 11, überreicht in der mündlichen Verhandlung
Spalten 5 bis 10, wie erteilt
- Zeichnung:
wie erteilt.
Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 35 lauten:
"1. Schwenkbügelschloß für ein Fahrzeug, insbesondere ein Zweiradfahrzeug, mit einem Schwenkbügel (20; 120), welcher an einem Rahmenteil (12a; 112a) seitlich neben einem mit einer Durchbrechung versehenen Rad (10) um eine Schwenkachse (18) schwenkbar gelagert ist, nämlich zwischen einer Absperrstellung, in welcher er die Durchbrechung durchdringt und gegen Schwenken, gegebenenfalls durch Zusammenwirken mit einem an einem gegenüberliegenden Rahmenteil (12b) angebrachten Sperrlager (17; 117) gesperrt ist, und einer Fahrstellung, in welcher er außer Eingriff mit dem Rad (10) steht und gegen Schwenken gesichert ist, wobei der Schwenkbügel bzw. ein schwenkachsenseitiger Fortsatz (56) des Schwenkbügels (20; 120) in einer Schwenknabe (16; 116) um eine zur Schwenkachse (18) senkrechte Drehachse (22) drehbar gelagert ist und die Schwenknabe (16; 116) an einem an dem Rahmen (12) zu befestigenden, mit einer zur Schwenkachse (18) querliegenden Schwenklagerplatte (14a; 114a) ausgeführten Schwenklager (14; 114) um die Schwenkachse (18) schwenkbar gelagert ist, wobei die Schwenksicherung zumindest in der Fahrstellung durch Eingriff eines am Schwenkbügel (20; 120) vorgesehenen Sicherungselements (72; 172) in eine Sicherungselementenaufnahme (66; 166) des Schwenklagers (14; 114) gewährleistet ist und dieser Eingriff durch Drehen des Schwenkbügels (20; 120) bzw. seines Fortsatzes (56) um seine Längsachse (22) in eine bzw. aus einer Drehsicherungsstellung herstellbar bzw. lösbar ist, und wobei das Sicherungselement (72; 172) mit einer außerhalb der Schwenknabe (16; 116) angeordneten, mit der Schwenklagerplatte (14a; 114a) verbundenen Eingriffsbahn zusammenwirkt, welche die Sicherungselementenaufnahme (66; 66) aufweist bzw. bildet, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwenknabe (16; 116) einen wenigstens annähernd kreisförmigen Umriß um die Schwenkachse (18) besitzt, daß die Drehachse (22) wenigstens annähernd diametral durch die Schwenknabe (16; 116) verläuft, daß das Sicherungselement (72; 172) unmittelbar an die Schwenknabe (16; 116) angrenzend an dem Schwenkbügel (20; 120) angebracht ist und daß die einem Teilkreis um die Schwenkachse (18) folgende Eingriffsbahn mit der Sicherungselementenaufnahme (66; 166) und gegebenenfalls einer Sperrelementenaufnahme (70) auf der Kante einer der Schwenknabe (16; 116) wenigstens auf einem Teil ihrer Umfangsfläche in einem der Lage des Sicherungselements (70; 172) entsprechenden Abstand folgenden, in Richtung der Schwenkachse (18) weisenden Seitenwand (14b; 114b) der Schwenklagerplatte (14a; 114a) ausgebildet ist."
"35. Schwenkbügelschloß für ein Fahrzeug, insbesondere ein Zweiradfahrzeug, mit einem Schwenkbügel (120), welcher an einem Rahmenteil (112a) seitlich neben einem mit einer Durchbrechung versehenen Rad (10) um eine Schwenkachse (18) schwenkbar gelagert ist, nämlich zwischen einer Absperrstellung, in welcher er die Durchbrechung durchdringt und gegen Schwenken, gegebenenfalls durch Zusammenwirken mit einem an einem gegenüberliegenden Rahmenteil angebrachten Sperrlager (117) gesperrt ist, und einer Fahrstellung, in welcher er außer Eingriff mit dem Rad (10) steht und gegen Schwenken gesichert ist, wobei der Schwenkbügel bzw. ein schwenkachsenseitiger Fortsatz (56) des Schwenkbügels (120) in einer Schwenknabe (116) um eine zur Schwenkachse (18) senkrechte Drehachse (22) drehbar gelagert ist und die Schwenknabe (116) an einem an dem Rahmen (12) zu befestigenden, mit einer zur Schwenkachse (18) querliegenden Schwenklagerplatte (114a) ausgeführten Schwenklager (114) um die Schwenkachse (18) schwenkbar gelagert ist, und wobei die Schwenksicherung zumindest in der Fahrstellung durch Eingriff eines am Schwenkbügel (120) vorgesehenen Sicherungselements (172) in eine Sicherungselementenaufnahme (166) des Schwenklagers (114) gewährleistet ist und dieser Eingriff durch Drehen des Schwenkbügels (120) bzw. seines Fortsatzes (56) um seine Längsachse (22) in eine bzw. aus einer Drehsicherungsstellung herstellbar bzw. lösbar ist, wobei das Sicherungselement (172) mit einer außerhalb der Schwenknabe (116) angeordneten mit der Schwenklagerplatte (14a; 114a) verbundenen Eingriffsbahn zusammenwirkt, welche die Sicherungselementenaufnahme (66; 166) aufweist bzw. bildet, wobei der Schwenkbügel (120) nach Lösung eines Sperrelements (182, 184) aus einer Sperrelementenaufnahme (117b, 117c) während des Schwenkwegs der Schwenknabe (116) von der Absperrstellung (Fig. 1 ausgezogen eingezeichnet) in die Fahrstellung (Fig. 1 strichpunktiert eingezeichnet) durch ein Drehvorspannelement (60) in die Sicherungsdrehstellung (Fig. 10) zurückstellbar ist, und wobei an dem Schwenklager (114) ein Sicherungselementenanschlag (190) angebracht ist, gegen welchen das Sicherungselement (172) auf dem Schwenkweg des Schwenkbügels (120) vor Erreichen der Fahrstellung (Fig. 1 strichpunktiert eingezeichnet) in einer Anschlagstellung anschlägt, dadurch gekennzeichnet, daß das Sicherungselement (172) im Nabenbereich angeordnet ist und seine Eingriffsbahn in Richtung der Schwenkachse (18) weist und einem Teilkreis um diese folgt und daß der Sicherungselementenanschlag (190) an der Eingriffsbahn ausgebildet ist, derart, daß der Schwenkbügel (120) in der Anschlagstellung noch in die Durchbrechung des Rads eingreift."
VII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das europäische Patent zu widerrufen.
Zur Begründung ihres Antrags führt sie im wesentlichen aus:
i) Zum Patentanspruch 1:
Bei der offenkundigen Vorbenutzung "Schloß I" weise die Schwenklagerplatte auf der dem Sperrlager abgewandten Seite eine Seitenwand auf, die an ihrem Ende zum Sperrlager hin rechtwinklig abgebogen sei. Der abgebogene Teil sei mit einer dem Durchmesser des Schwenkbügels (6) angepaßten runden Ausnehmung (4) versehen, die den freien Endbereich des Schwenkbügels (6) in dessen Fahrstellung aufnehme. Zum Sperrlager hin habe die Ausnehmung eine Öffnung, die enger sei als der Schwenkbügeldurchmesser.
Die Sicherung des Schwenkbügels in der Fahrstellung erfolge durch Zusammenwirken eines an dem freien Schwenkbügelende vorgesehenen Sicherungselements mit der runden Ausnehmung (4).
Der einem Teilkreis um die Schwenkachse folgenden und in Richtung der Schwenkachse weisenden Eingriffsbahn gemäß Patentanspruch 1 entspreche der untere Bereich dieser Ausnehmung (4) mit dem entsprechenden, an deren Öffnung angeordneten Vorsprung (2).
Unter Berücksichtigung der bereits in diesem nächstkommenden Stand der Technik verwirklichten Merkmale verblieben im Patentanspruch 1 noch die folgenden Merkmale:
a) Die Schwenknabe weist einen annähernd kreisförmigen Umriß um die Schwenkachse auf.
b) Das Sicherungselement ist unmittelbar an die Schwenknabe angrenzend angebracht.
Gemäß dem offenkundig vorbenutzten "Schloß I" werde das Sicherungselement (3, 3') und die zur Aufnahme des Sicherungselements vorgesehene runde Ausnehmung (4) in einem größeren Abstand von der Nabe angeordnet, offensichtlich um den Schwenkbügel in der Fahrstellung möglichst sicher halten zu können. Bei der Ausbildung des Schlosses bestünden aber keinerlei Vorschriften über den Abstand von der Schwenkachse, in dem das Sicherungselement in die Ausnehmung (4) eingreife. Die Lage des Sicherungselements (3, 3') auf dem Umfang des Schwenkbügels sei für den Fachmann ersichtlich in jedem beliebigen Abstand von der Schwenknabe möglich. Da es sich bei der Wahl des Abstandes des Sicherungselements (3, 3') von der Nabe lediglich um eine Bemessungsfrage handele, könne auch keine Erfindung darin gesehen werden, das Sicherungselement unmittelbar an die Schwenknabe angrenzend anzubringen.
ii) Zum Patentanspruch 35
Der Patentanspruch 35 gehe ebenfalls von dem Stand der Technik gemäß der offenkundigen Vorbenutzung "Schlosses I" aus. Das beanspruchte Schwenkbügelschloß solle demgegenüber im wesentlichen dadurch gekennzeichnet sein, daß der Schwenkbügel in der Anschlagstellung noch in die Durchbrechung des Rads eingreift.
Einem solchen Schwenkbügel fehle die Patentfähigkeit. Es werde hierzu auf das offenkundig vorbenutzte Schloß II verwiesen. Dieses Schloß sei derart ausgestaltet, daß die beanspruchte Funktion ebenfalls erfüllt sei.
Bei dem offenkundig vorbenutzten Schloß I schlage der Schwenkbügel vor Erreichen der Fahrstellung an der zur runden Ausnehmung führende Öffnung an, die enger sei als der Durchmesser des Schwenkbügels. Ein Heranrücken der runden Ausnehmung an die Schwenkachse könne notwendigerweise nur dazu führen, daß in der Anschlagstellung der Schwenkbügel noch in die Speichen des Rads eingreife. Diese Zwangsläufigkeit schließe die Anwendung jeglicher erfinderischer Tätigkeit aus.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Änderungen
2.1. Artikel 123 (2) EPÜ
Die geltenden geänderten Patentansprüche des angefochtenen Patents gehen nicht über das ursprünglich Offenbarte hinaus. Die Angabe im Kennzeichen des Patentanspruchs 1, daß "das Sicherungselement unmittelbar an die Schwenknase angrenzend an dem Schwenkbügel angebracht ist" wurde aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung, Seite 18, Zeilen 11 bis 13 übernommen.
Der neue unabhängige Patentanspruch 35 findet seine Stütze in dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 sowie in dem auf ihn rückbezogenen ursprünglich eingereichten Patentanspruch 13.
2.2. Artikel 123 (3) EPÜ
Der unabhängige Patentanspruch 35 entspricht einer Zusammenfassung des erteilten Patentanspruchs 1 und der auf ihn rückbezogenen, erteilten Patentansprüche 5 und 21.
Die geltenden Patentansprüche 1 und 35 enthalten jeweils sämtliche Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1, ergänzt durch weitere einschränkende Merkmale, und sind somit in Hinblick auf Artikel 123 (3) EPÜ nicht zu beanstanden.
2.3. Zulässigkeit des neuen unabhängigen Patentanspruchs 35
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat sich veranlaßt gesehen, eine selbständige Formulierung für den Patentanspruch 35 zu wählen, weil für die vollständige Lehre des Patentanspruchs 35 die kennzeichnende Merkmalsgruppe des geltenden Patentanspruchs 1 nicht zwingend erforderlich sei. Die Rückbeziehung des Patentanspruchs 35 auf den geltenden Patentanspruch 1 hätte zu einer ungerechtfertigten Einschränkung des Gegenstands geführt, wie er in den Patentansprüchen 1, 5 und 21 des erteilten Patents definiert war.
Die Einführung des neuen unabhängigen Patentanspruchs 35 ergibt sich somit aus der Ergänzung des erteilten Patentanspruchs 1 durch weitere Merkmale, wobei diese Ergänzung durch den Einspruchsgrund der mangelnden Patentfähigkeit bedingt ist.
Die Vorinstanz hat darin einen Verstoß gegen die Einheitlichkeit der Erfindung gemäß Artikel 82 EPÜ gesehen. Diese Frage ist inzwischen von der Großen Beschwerdekammer entschieden worden (vgl. G 1/91, ABl. EPA 1992, 253). Die Einheitlichkeit gehört demnach nicht zu den Erfordernissen, denen ein europäisches Patent bei Aufrechterhaltung in geändertem Umfang zu genügen hat.
Die Kammer sieht somit keinen Grund, die Einführung des neuen unabhängigen Patentanspruchs 35 im Einspruchsverfahren nicht zuzulassen, da diese Einführung den Erfordernissen von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ genügt und dem Einspruch Rechnung trägt.
3. Im Beschwerdeverfahren erstmals genannte Beweismittel
3.1. Hinsichtlich des erst im Beschwerdeverfahren vorgelegten Dokuments D5 ist folgendes auszuführen:
Dokument D5 wurde wegen des kreisförmigen Umrisses der Schwenknabe zitiert. Ein solches, an sich triviales Merkmal ist schon aus dem bereits im Verfahren befindlichen Dokument D2 bekannt. Mithin ist dieses verspätet vorgebrachte Beweismittel entscheidungsunerheblich und wird in Ausübung des Ermessens nach Artikel 114 (2) EPÜ in diesem Verfahren nicht weiter berücksichtigt.
3.2. Zur geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung "Schloß II"
Die behauptete offenkundige Vorbenutzung "Schloß II" ist nicht als verspätetes Vorbringen anzusehen, obwohl sie zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren vorgelegt worden ist. Der Grund, warum sich die Beschwerdegegnerin veranlaßt gesehen hat, auf dieses Beweismittel im Beschwerdeverfahren hinzuweisen, liegt darin, daß die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) den neuen unabhängigen Patentanspruch 35 erst sehr spät im Einspruchsverfahren überreicht hat.
Das Schwenkbügelschloß gemäß Patentanspruch 35 ist u. a. dadurch gekennzeichnet, daß der Schwenkbügel in der Anschlagstellung noch in die Durchbrechung des Rads eingreift. Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, daß dieses Prinzip dem offenkundigen vorbenutzten Schloß II zu entnehmen sei.
4. Zur Offenkundigkeit der Vorbenutzung "Schloß II"
4.1. Aus der Erklärung von Herrn Börge Larsen geht hervor, daß die Firma Christiansen Maskinfabrik einen Schwenkbügel nach der eingereichten Zeichnung Nr. 67 40 70.1 für die Einsprechende gefertigt hat, der ein Teil des Schlosses II war.
Der Lieferung eines Schwenkbügels nach der eingereichten Zeichnung an die Einsprechende vor dem Anmeldetag des angefochtenen Patents fehlt aber die Offenkundigkeit. Voraussetzung für eine offenkundige Vorbenutzung ist, daß Mitglieder der Öffentlichkeit, d. h. beliebige Dritte, Kenntnis von dem betreffenden Gegenstand erhalten konnten. Nicht als "beliebige Dritte" gelten Beteiligte, die Geheimhaltung vereinbart hatten oder von der begründeten Erwartung einer Vertraulichkeit ausgehen konnten (Singer, EPÜ, Art. 54, Rdn. 6).
In vorliegendem Fall wurde der Schwenkbügel nach der eigenen Aussage der Einsprechenden "im Unterauftrag" für die Einsprechende gefertigt. Die Einsprechende hat somit der als Zulieferer arbeitenden Firma Christiansen Maskinfabrik einen Auftrag zur Lieferung eines bestimmten Einzelteils der beanspruchten Vorrichtung erteilt. Die Ausführung dieses von der Einsprechenden erteilten Auftrags ist als auf einem Vertrauensverhältnis beruhend zu betrachten. Die betreffende Firma einschließlich des der Verfassers der vorstehend genannten Erklärung stellen mithin keine beliebigen Dritten dar, so daß die Voraussetzung für eine offenkundige Vorbenutzung nicht erfüllt ist.
4.2. Einer Vernehmung des von der Beschwerdegegnerin (Einsprechende) angebotenen Zeugen, Herrn Börge Larsen, bedurfte es nicht. Nach den eigenen Angaben der Einsprechenden sollte der Zeuge lediglich bekunden, daß die Firma Christiansen Maskinfabrik von dem Schloß II Kenntnis hatte, ohne daß eine Geheimhaltungsverpflichtung bestanden hätte. Dieser Sachverhalt wurde vor der Beschwerdekammer nicht bestritten und kann unterstellt werden. Jedoch ist, wie vorstehend ausgeführt, die in Rede stehende, als Zulieferer arbeitende Firma nicht als "beliebiger Dritter" anzusehen, so daß die Offenkundigkeit dieser Vorbenutzung durch die Zeugenaussage nicht bewiesen worden wäre.
Die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung "Schloß II" stellt daher keinen Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ dar.
5. Nächstkommender Stand der Technik, Neuheit
5.1. Ein Schwenkbügelschloß gemäß dem Oberbegriff der geltenden Patentansprüche 1 bzw. 35 ist aus der von der Beschwerdeführerin ausdrücklich als Stand der Technik anerkannten, offenkundigen Vorbenutzung des Schlosses I bekannt.
Auf den zur Geltendmachung dieser Vorbenutzung eingereichten Fotografien des Schlosses I ist die Schwenklagerplatte mit dem Bezugszeichen (1) versehen. Gemäß der in den Patentansprüchen 1 und 35 gegebenen Definition liegt die Schwenklagerplatte quer zur Schwenkachse des Schwenkbügels (6) und ist an dem Rahmen befestigt. Dieses plattenförmige, rechteckige Teil erstreckt sich in Richtung des in Fahrstellung stehenden Schwenkbügels. Die Schwenklagerplatte (1) weist auf der dem Sperrlager abgewandten Seite eine Seitenwand auf, die an ihrem Ende zum Sperrlager hin rechtwinklig abgebogen ist. Der abgebogene Teil ist mit einer dem Durchmesser des Schwenkbügels (6) angepaßten runden Ausnehmung (4) versehen, die den freien Endbereich des Schwenkbügels (6) in dessen Fahrstellung aufnimmt. Zum Sperrlager hin hat die runde Ausnehmung eine Öffnung, die enger ist als der Schwenkbügeldurchmesser. Am Schwenkbügel (6) sind im Bereich der runden Ausnehmung (4) zwei Einfräsungen (3, 3') vorgesehen, die derart bemessen sind, daß bei Drehung des Schwenkbügels (6) dieser aus der Ausnehmung (4) herausbewegbar und zum Sperrlager hin schwenkbar ist.
Dem Sicherungselement gemäß den Patentansprüchen 1 und 35 entspricht dabei der nicht eingefräste Umfangsteil des Schwenkbügels (6) und der patentgemäßen, an der Schwenklagerplatte angeordneten Eingriffsbahn entsprechen die beiden Kanten (2) der Öffnung der runden Ausnehmung (4) sowie die Kontur dieser Ausnehmung an der Seitenwandabbiegung. Die Schwenknabe (5) des offenkundig vorbenutzten Schlosses I weist ferner in der Schwenkebene einen quadratischen oder rechteckigen Querschnitt auf.
5.2. Die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß Merkmale im Kennzeichen der Patentansprüche 1 und 35 aus der oberbegrifflichen offenkundigen Vorbenutzung bekannt seien; bei dem vorbenutzten Schloß I bilde nämlich die untere Hälfte der Ausnehmung (4) zusammen mit der entsprechenden Kante (2) eine Eingriffsbahn im Sinne der beanspruchten Erfindung, die einem Teilkreis um die Schwenkachse folge und in Richtung dieser Achse weise. Solche Überlegungen beruhen jedoch eindeutig auf einer unzulässigen Betrachtungsweise, die die Kenntnis der Lehre des angefochtenen Patents zur Voraussetzung hat: wie vorstehend ausgeführt, ist es nicht nur die untere Hälfte der runden Ausnehmung, sondern die ganze Kontur der runden Ausnehmung mit den beiden Kanten ihrer Öffnung, die mit dem Sicherungselement zusammenwirken und somit ein zangenartiges Teil bilden. Darüber hinaus ist die runde Ausnehmung an der plattenförmigen Seitenwandabbiegung ausgebildet. Von einer einem Teilkreis um die Schwenkachse folgenden Eingriffsbahn auf der Kante einer Seitenwand der Schwenklagerplatte kann daher keineswegs die Rede sein.
5.3. Aus vorstehenden Ausführungen folgt, daß der Gegenstand beider unabhängiger Ansprüche 1 und 35 gegenüber dem Stand der Technik nach dem offenkundig vorbenutzten "Schloß I" neu ist. Die übrigen Entgegenhaltungen liegen weiter entfernt und zeigen jeweils schon nicht die Merkmale nach dem Oberbegriff dieser Ansprüche. Mangels eines diesbezüglichen Vorbringens erübrigt sich hierzu ein näheres Eingehen.
6. Erfinderische Tätigkeit (Patentanspruch 1)
6.1. Die Sicherung des Schwenkbügels in der Fahrstellung erfolgt bei dem offenkundig vorbenutzten Schloß I durch Zusammenwirken des Sicherungselements an dem freien Schwenkbügelende mit der runden Ausnehmung (4), welche an einem ausladenden Verlängerungsteil der Schwenklagerplatte angeordnet ist.
Dadurch erhält das Schwenkbügelschloß eine massige, durch hohen Materialverbrauch schwere und teure, viel Platz beanspruchende, und in ihrem Erscheinungsbild und hinsichtlich der Benutzung ungünstige Gestalt.
Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe kann daher, wie in der Patentschrift in Spalte 1, Zeilen 15 bis 17 sowie Zeilen 42 und 43 angegeben, darin gesehen werden, ein Schwenkbügelschloß gattungsgemäßer Art zu schaffen, das einen vereinfachten, platz- und materialsparenden Aufbau mit geringem Fertigungsaufwand ermöglicht und möglichst berührungsfreundlich ist.
6.2. Diese Aufgabe wird ausgehend von einem Schwenkbügelschloß gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 im wesentlichen dadurch gelöst, daß:
a) das Sicherungselement unmittelbar an die Schwenknabe angrenzend an dem Schwenkbügel angebracht ist;
b) die Schwenknabe einen wenigstens annähernd kreisförmigen Umriß um die Schwenkachse besitzt, und
c) die Schwenklagerplatte mit einer der Schwenknabe wenigstens auf einem Teil ihrer Umfangsfläche folgenden Seitenwand ausgeführt ist, auf deren Kante die Eingriffsbahn ausgebildet ist.
Durch die beanspruchte Anordnung wird eine Integration des Sicherungselements und der mit diesem zusammenwirkenden Eingriffsbahn in die aus Schwenklager und Schwenknabe bestehende Baueinheit erreicht, so daß der vorragende, die Verletzungsgefahr erhöhende Verlängerungsteil nach dem offenkundig vorbenutzten Schloß I vermieden wird.
6.3. Mit der offenkundig vorbenutzten Konstruktion war dieser Lösungsweg nicht vorgezeichnet. Dort ist - wie schon vorstehend ausgeführt - zur Aufnahme des Sicherungselements ein aus dem Schwenklager herausragender Verlängerungsteil vorgesehen. Die Sicherung erfolgt durch ein zangenartiges Umgreifen des Schwenkbügels im Bereich des Sicherungselements mittels der am freien Ende des Verlängerungsteils angeordneten runden Ausnehmung (4). Ein solcher Lösungsweg ist nicht geeignet, dem Fachmann den Gedanken nahezulegen, eine an der freien Kante der teilkreisförmigen Seitenwand der Schwenklagerplatte angeordnete Eingriffsbahn zur Aufnahme des Sicherungselements vorzusehen.
6.4. Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, daß keine Erfindung darin gesehen werden könne, das Sicherungselement nach dem vorbenutzten Schloß I, das sich am freien Schwenkbügelende befindet, unmittelbar an die Schwenknabe angrenzend anzubringen.
Diese Wertung wird der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 nicht gerecht, da es einer Vielzahl konstruktiver Überlegungen bedurfte, um von dem offenkundig vorbenutzten Schloß I zu der Lehre des Patentanspruchs 1 zu gelangen, nämlich:
- zunächst die Überlegung, daß auf den herausragenden Verlängerungsteil verzichtet werden kann;
- dann die kreisförmige Gestaltung der Schwenknabe um die Schwenkachse;
- ferner die Anpassung der Seitenwand der Schwenklagerplatte an den kreisförmigen Umriß der Schwenknabe, so daß die Seitenwand eng anliegend dem kreisförmigen Umriß folgt; und
- schließlich das Anbringen des Sicherungselements unmittelbar an die Schwenknabe angrenzend an dem Schwenkbügel und die entsprechende Anordnung der Eingriffsbahn an der Kante der Seitenwand der Schwenklagerplatte.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß der Fachmann im vorliegenden Fall nicht nur einen einzigen Schritt, sondern eine ganze Reihe von Schritten, die im Stand der Technik kein Vorbild haben, hätte tun müssen, um zur Erfindung zu gelangen. Es kann somit nicht davon gesprochen werden, daß der Fachmann auf diesem Weg zu der im Patentanspruch 1 vorgeschlagenen Lösung in naheliegender Weise hätte kommen können.
6.5. Diese Lösung ist ebenfalls weder von Dokument D2 noch von Dokument D1 angeregt worden.
Dokument D2 zeigt ein Schwenkbügelschloß, bei dem an einer Schwenklagerplatte eine Schwenknabe gehaltert ist und die Schwenknabe einen kreisförmigen Umriß um die Schwenkachse besitzt. Die Schwenkplatte ist von einer ringförmigen Seitenwand umschlossen, durch die die Schwenknabe geführt ist. Der Schwenkbügel weist an seinem im Schwenklagergehäuse untergebrachten Ende eine verschiebliche Klinke auf, die mit einem an der Schwenklagerplatte angeordneten ringsegmentförmigen Ansatz zusammenwirkt, um den Schwenkbügel in der Fahrstellung zu sichern. Dem Sicherungselement gemäß Patentanspruch 1 entspricht dabei die am festen Ende des Schwenkbügels angeordneten Klinke und der patentgemäßen Eingriffsbahn der ringsegmentförmige Ansatz. Die kreisförmige Seitenwand der Schwenklagerplatte hat keine Funktion im Zusammenhang mit einer Arretierung des Schwenkbügels.
Nach dem Dokument D1 ist ebenfalls das Sicherungselement innerhalb der Schwenknabe untergebracht.
Weder Dokument D2 noch Dokument D1 können daher eine Anregung geben, das Sicherungselement unmittelbar an die Schwenknabe angrenzend an dem Schwenkbügel und die Eingriffsbahn dementsprechend an der Kante der Seitenwand der Schwenklagerplatte anzubringen.
Aus alledem folgt, daß das Schwenkbügelschloß nach dem geltenden Patentanspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
7. Erfinderische Tätigkeit - Patentanspruch 35
7.1. Ausgangspunkt ist auch hier das offenkundig vorbenutzte Schloß I. Bei diesem ist die Anschlagstellung dann erreicht, wenn der noch ungesicherte Schwenkbügel vor der zur runden Ausnehmung führenden Öffnung in der umgebogenen Seitenwand der Schwenklagerplatte steht. In dieser Anschlagstellung greift der Schwenkbügel in die Durchbrechung des Rads nicht ein. Daß das Fahrrad in dieser Anschlagstellung anfahren kann, hat die Patentinhaberin als nachteilig angesehen.
7.2. Die durch den Gegenstand des Patentanspruchs 35 zu lösende Aufgabe kann, wie der Patentschrift Spalte 2, Zeile 63 ff. zu entnehmen ist, darin gesehen werden, bei einem Schwenkbügelschloß gattungsgemäßer Art bei kompakter, benutzungsfreundlicher Gestaltung eine zuverlässige Sicherung gegen unbeabsichtigtes Einschwenken des Schwenkbügels zu ermöglichen.
Die Aufgabe wird durch die im Kennzeichen des Patentanspruchs 35 aufgeführten Merkmale gelöst.
7.3. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, der Fachmann hätte beim Heranrücken der runden Ausnehmung am offenkundig vorbenutzten Schloß I in den Bereich der Schwenkachse zwangsläufig zu der Lehre des Patentanspruchs 35 gelangen können, basiert auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise. Die Beschwerdeführerin übersieht dabei, daß es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht darauf ankommt, ob der Fachmann durch Modifikation dieses Standes der Technik zur Erfindung hätte gelangen können; zu fragen ist vielmehr, ob er im Lichte der bestehenden technischen Aufgabe so vorgegangen wäre, weil dem Stand der Technik Anregungen für die Erfindung zu entnehmen waren (siehe z. B. die Entscheidung T 219/87 vom 11. März 1988, Punkt 7.4 der Entscheidungsgründe).
Dies ist hier aber nicht der Fall: der Gedanke, den Schwenkbügel zum Erzielen einer zuverlässigen Sicherung in der Anschlagstellung in die Durchbrechung des Rads eingreifen zu lassen, ist weder vom vorbenutzten Schloß I noch vom Stand der Technik in seiner Gesamtheit angeregt worden.
Hinsichtlich der übrigen, die kompakte und benutzungsfreundliche Ausbildung betreffenden Merkmale wird auf die betreffenden Ausführungen in vorstehenden Punkten 6.3 bis 6.5 verwiesen.
Aus alledem folgt, daß auch das Schwenkbügelschloß nach dem Patentanspruch 35 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
8. Das Patent kann deshalb mit den geltenden unabhängigen Patentansprüchen 1 und 35 sowie den auf sie rückbezogenen Patentansprüchen 2 bis 34 bzw. 36 aufrechterhalten werden. Gegen die angepaßte Beschreibung bestehen ebenfalls keine Bedenken.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent mit den im vorstehenden Abschnitt VI angegebenen Unterlagen aufrechtzuerhalten.