European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1993:T058491.19930527 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 Mai 1993 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0584/91 | ||||||||
Anmeldenummer: | 84103397.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60C 9/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Fahrzeugluftreifen | ||||||||
Name des Anmelders: | Continental Gummi-Werke AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | 01) Cord-GmbH & Co. 02) Akzo Faser GmbH 03) Lindauer Dornier GmbH 04) Mehler AG 05) Pirelli Coordinamento Pneumatici SpA 07) Vredestein Banden BV 08) SP Reifenwerke GmbH |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (verneint) Inventive step (no) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 84 103 397.0 ist am 2. November 1988 das europäische Patent Nr. 0 121 862 erteilt worden.
II. Gegen das erteilte Patent wurden insgesamt acht Einsprüche eingelegt. Die Einsprechenden beantragten den Widerruf des Patents in vollem Umfang wegen mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 (a) EPÜ).
Zur Stützung dieses Vorbringens wurde u. a. auf folgende vorveröffentlichte Dokumente verwiesen:
(D1) DE-A-2 837 674
(D2) "Textile Reinforcement of Elastomers" edited by W.C. Wake and D.B. Wootton, 1982, Seiten 49 bis 57
(D13) DE-C-2 409 802
(D14) DE-C-869 319
(D15) Prospekt der Firma Sulzer "Die Webmaschine PU"
Ferner wurde die offenkundige Vorbenutzung des Gegenstands des Streitpatents geltend gemacht.
III. Mit einer Zwischenentscheidung in der mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 1991, in schriftlich begründeter Form zur Post gegeben am 12. Juli 1991, hat die Einspruchsabteilung im Hinblick auf Artikel 102 (3) EPÜ festgestellt, daß der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geändertem Umfang die Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ nicht entgegenstünden.
IV. Gegen diese Entscheidung haben die Beschwerdeführerin I (Einsprechende 02) am 27. Juli 1991, die Beschwerdeführerin V (Einsprechende 08) am 14. August 1991 sowie die Beschwerdeführerinnen II, III bzw. IV (Einsprechende 04, 05 und 07) jeweils am 12. September 1991 Beschwerde eingelegt. Mit der Einlegung der Beschwerde haben die Beschwerdeführerinnen jeweils gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdeführerinnen beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Die Beschwerdebegründungen der Beschwerdeführerinnen I, III, IV bzw. V sind am 19. November 1991 bzw. 11. November 1991 bzw. 14. November 1991 bzw. 22. November 1991 eingegangen.
Von der Beschwerdeführerin II ist keine Beschwerdebegründung eingegangen. Mit Bescheid vom 4. Dezember 1991 teilte ihr der Geschäftsstellenbeamte der Kammer mit, daß ihre Beschwerde daher voraussichtlich als unzulässig zu verwerfen sein werde.
V. Mit Schreiben vom 4. November 1991, eingegangen am 7. November 1991, hat die Rechtsnachfolgerin der Einsprechenden 06 erklärt, daß ihr Einspruch nicht weiterverfolgt werde.
VI. Zur Stützung ihres Vorbringens legte die Beschwerdeführerin V schriftliche Erklärungen unter Eid der Herren Raymond Hemus (D3), John Raymond Collett (D4) und William E. Helmick (D5 und (D6) sowie auf eine eidesstattliche Erklärung von Dr. Hans Schnecko (D7) vor.
VII. In einem Bescheid gemäß Artikel 11 (2) VOBK vom 1. Dezember 1992 stellte die Kammer u. a. folgendes fest:
Die Auffassung der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), daß die mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin eingereichten Erklärungen D3 bis D7 als verspätet vorgebracht und nicht berücksichtigt werden sollten, könne die Kammer aus folgenden Gründen nicht teilen:
Die Erklärungen D3 und D4 befaßten sich mit der herkömmlichen Reifenaufbaupraxis und dienten einem besseren Verständnis der Kammer für dieses spezielle Gebiet. Die Erklärungen D5 und D6 untermauerten die schon im Einspruchsschriftsatz von der Beschwerdeführerin V aufgestellte Behauptung, daß Sulzer-Webmaschinen mit Schußfadenenden-Rückführung bereits bei Reifenherstellern Verwendung gefunden hätten. Die Erklärung D7 widerlege, soweit für die Kammer ersichtlich, einen wesentlichen Teil der Begründung der angefochtenen Entscheidung, wonach das beanspruchte Verhältnis zwischen Überlappungsbreite und Rückführungsmaß eine besondere, vorteilhafte Wirkung ergebe.
VIII. Mit Schreiben vom 22. März 1993, eingegangen am 24. April 1993, reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen Anspruch 1 ein, der den bisherigen Anspruch 1 ersetzen sollte. Sie beantragte die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis dieses neuen Anspruchs 1, der Ansprüche 2 bis 4 wie erteilt, der Beschreibung wie im Einspruchsverfahren abgeändert sowie der Zeichnung wie erteilt.
Der nunmehr geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Fahrzeugluftreifen mit einer Karkasse (1) und einem Gürtel (6) als Verstärkungseinlagen aus einem aus Schuß- und Kettfäden (9, 8) bestehenden Cordgewebe, bei dem die Verstärkungseinlagen aus sich überlappenden Cordgewebeabschnitten bestehen, wobei das Cordgewebe der Karkasse (1) aus radial verlaufenden Kettfäden (8) gebildet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Karkasse (1) aus nur einer Cordgewebelage besteht, daß die Schußfäden (9) als endliche Fäden ausgebildet sind, die um ein zu ihrer Halterung im Gewebeverband ausreichendes Maß (C) in das Gewebe zurückgeführt sind, und daß das Maß der Rückführung der freien Enden (10) der Schußfäden (9) in das Gewebe etwa drei- bis zehnmal größer ist als die Überlappungsbreite (b) benachbarter Cordgewebeabschnitte."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 richten sich auf bevorzugte Ausführungsbeispiele des Fahrzeugluftreifens nach dem Anspruch 1.
IX. Es wurde am 27. Mai mündlich verhandelt.
Obwohl ordnungsgemäß geladen, sind die Beschwerdeführerin II sowie die weiteren Verfahrensbeteiligten im Sinne von Artikel 107 EPÜ (Einsprechende 01 und 03) nicht erschienen.
X. Das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen kann im wesentlichen wie folgt zusammengefaßt werden:
In den ursprünglichen Unterlagen sei zwar als einziges Ausführungsbeispiel ein Reifen mit einer einlagigen Karkasse offenbart, diese einlagige Karkasse sei aber nur in Verbindung mit einem zweilagigen Gürtel beschrieben. Da diese Form des Gürtels im geltenden Anspruch 1 nicht erscheine, verstoße der Anspruch gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
Es sei darüber hinaus unverständlich, warum das Merkmal, daß die Karkasse einlagig ist, im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 erscheine, da Radialreifen entsprechend dem Oberbegriff des Anspruchs 1 mit einer einlagigen Karkasse allgemein bekannt gewesen seien. Dies gehe eindeutig aus der Erklärung D4 hervor, die sich auf vor dem Prioritätsdatum hergestellte Reifen dieser Bauart beziehe. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit müsse man daher von einem solchen Reifen als nächstliegendem Stand der Technik ausgehen.
Kurz vor dem Prioritätsdatum seien sehr leistungsfähige Webmaschinen, z. B. durch die Firma Sulzer, auf den Markt gebracht worden, die mit endlichen Schlußfäden arbeiteten, die um ein zu ihrer Halterung im Gewebeverband ausreichendes Maß in das Gewebe zurückgeführt wurden. Weil die Reifenbranche unter enormem Preisdruck stehe, gehöre es zur Pflicht des Reifenfachmanns, alle Möglichkeiten der Kostenersparnisse zu untersuchen, und er verfolge Entwicklungen auf der Maschinenseite mit Interesse. Daß der Fachmann die Verwendung dieser neuentwickelten Maschinen zum Weben von Reifencordgewebe tatsächlich ins Auge gefaßt hätte, gehe eindeutig aus dem Dokument D2 hervor.
Bei diesen Maschinen betrage das Maß der Rückführung der freien Schußfädenenden 10 bis 20 mm. So werde z. B. in dem Dokument D13 ein Rückführungsmaß von 15 mm angegeben. Werde nun ein "Sulzer-Gewebe" zu einer für eine Radialkarkasse geeigneten Cordgewebebahn verarbeitet, indem man entsprechend der weltweit üblichen Praxis das Gewebe in Abschnitte schneide, die Abschnitte um 90 drehe und dann mit einer Überlappung von 2 bis 5 mm wieder zusammenfüge, so entstehe zwangsläufig ein Verhältnis zwischen Rückführungsmaß und Überlappungsbreite, das innerhalb des im Anspruch 1 angegebenen Bereichs falle.
Es habe kein technisches Vorurteil gegen eine derartige Verarbeitung und Verwendung des "Sulzer-Gewebes" bestanden. Die hierzu von der Beschwerdegegnerin zitierten Stellen der Anlagen zur Erklärung D5 könnten objektiv nicht in diesem Sinne verstanden werden. Insbesondere erkenne der Fachmann ohne weiteres, daß entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin eine nachteilige Verstärkung der Randbereiche des "Sulzer- Gewebes" bei den gegebenen Umständen nicht zu erwarten sei.
XI. Hierzu hat die Beschwerdegegnerin im wesentlichen folgendes erwidert:
Nichts in der ursprünglichen Offenbarung deute darauf hin, daß eine einlagige Karkasse nur in Verbindung mit einem zweilagigen Gürtel verwendet werden könne. Eine diesbezügliche Einschränkung des geltenden Anspruchs 1 sei daher nicht erforderlich.
Bei der herkömmlichen Herstellung eines Reifencordgewebes durch kontinuierliches Hin- und Herführen des Schußfadens ergebe sich der Nachteil einer größeren Fadendichte der Kettfäden im Bereich der Bahnränder. Diese Randbereiche träfen in den Überlappungsstellen der aus Abschnitten des Gewebes zusammengefügten Bahn aufeinander, so daß diese Überlappungsstellen eine erhöhte Steifigkeit aufgrund sowohl der Doppelung der Kettfäden als auch ihrer erhöhten Dichte aufwiesen. Die erhöhte Steifigkeit wirke sich bei einer einlagigen Radialkarkasse besonders nachteilhaft aus und führe zu einer deutlich sichtbaren Einschnürung in der Reifenwand.
Diese Einschnürungen habe man überraschenderweise durch den Einsatz eines Reifencordgewebes mit endlichen Schußfäden weitgehend eliminieren können. So sei die Ausschußquote bei der für diesen Defekt anfälligsten Reifenart von 5 % auf 1 % zurückgegangen. Bei einem solchen Gewebe bleibe die Kettfadendichte auch im Randbereich gleichmäßig, wobei diese gleichmäßige Verteilung durch die zurückgeführten Schußfadenenden auch bei der Bombage des Reifens (Überführung in die Torusform) beibehalten würden. Aus diesem Grunde sei entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen dem beanspruchten Verhältnis zwischen Rückführungsmaß und Überlappungsbreite eine erhebliche Bedeutung beizumessen.
Der Fachmann hätte ein "Sulzer-Gewebe" für die in Frage kommende Verwendung nicht in Betracht gezogen, weil er von einer Verstärkung der Randbereiche durch die zurückgeführten Schußfadenenden ausgegangen wäre, die einer Lösung des bestehenden Problems entgegengewirkt hätte. Daß eine derartige Verstärkung zu erwarten sei, gehe eindeutig aus den Dokumenten D2 und D13 hervor. Dieses technische Vorurteil gegen den Einsatz einer aus einem "Sulzer-Gewebe" hergestellten Cordgewebebahn werde durch die Anlagen 7 und 8a zur Erklärung D5 ausdrücklich bestätigt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin II ist nicht schriftlich begründet worden. Sie ist daher als unzulässig zu verwerfen (Artikel 108 und Regel 65 (1) EPÜ) Die restlichen Beschwerden entsprechen den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie sind daher zulässig.
2. Formale Zulässigkeit der geltenden Unterlagen
Der geltende Anspruch 1 besteht im wesentlichen aus den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 1, 3 und 6 zusammen mit der Angabe, daß die Karkasse aus nur einer Cordgewebelage besteht.
Diese Angabe findet ihre Stütze in Zeile 18, Seite 3 sowie der Figur 1 der ursprünglichen Offenbarung. Die Beschwerdeführerinnen haben eingewendet, daß die einlagige Karkasse nur im Zusammenhang mit einem zweilagigen Gürtel beschrieben worden sei und daß hier ein willkürliches Zerreißen des Ausführungsbeispiels stattgefunden habe, das gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße. Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Gemäß dem letzten Absatz der ursprünglichen Beschreibung sei der erfindungsgemäße Aufbau der Verstärkungseinlagen in besonderer Weise für Radialkarkassen geeignet, weil hier eine besonders gleichmäßige Gestaltung der Karkaßfäden wichtig sei. Aus dieser Aussage, die in besonderem Maße für eine einlagige Radialkarkasse zutrifft, erkennt der Fachmann, daß der diesbezüglichen Ausgestaltung der Karkasse nach dem Ausführungsbeispiel eine besondere Bedeutung - unabhängig von der Form des Gürtels - zukommt.
Der geltende Anspruch ist somit im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht zu beanstanden.
Der geltende Anspruch 1 weist sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 1 auf und ist demgegenüber durch die Aufnahme der Merkmale bezüglich der Ausgestaltung der Karkasse eingeschränkt worden. Auch im Hinblick auf Artikel 123 (3) EPÜ ist daher der geltende Anspruch 1 nicht zu beanstanden.
3. Technologischer Hintergrund
Ein Reifencordgewebe besteht aus zueinander parallelen und gleiche gegenseitige Abstände aufweisenden Kettfäden aus Material mit hoher Zugfestigkeit, welche durch Schußfäden von sehr geringer Festigkeit gehalten werden. Die Aufgabe dieser Schußfäden ist es, den gegenseitigen Abstand bzw. die Parallelität der Kettfäden bis zur beidseitigen Beschichtung des Gewebes in einem Kalander zu gewährleisten.
Zur Bildung einer für den Einsatz als Verstärkungseinlage einer Radialkarkasse geeigneten Cordgewebebahn, bei welcher die Kettfäden senkrecht zur Längsrichtung der Bahn verlaufen, wird das gummierte Gewebe in Querrichtung in einzelne Abschnitte unterteilt, die einzelnen Abschnitte um 90 gedreht und dann unter gegenseitiger Überlappung miteinander verbunden. Dies hat zur Folge, daß die früheren Randbereiche des Gewebes an den Überlappungsstellen aufeinandertreffen. Bei einer Verstärkungseinlage für den Gürtel verlaufen die Kettfäden üblicherweise unter einem Winkel von 45 zur Längsrichtung der Cordgewebebahn. Zur Bildung einer solchen Bahn werden die zusammenzusetzenden Abschnitte entlang entsprechend schräger Trennlinien aus dem gummierten Gewebe herausgeschnitten, ansonsten ist das Verfahren mit dem vorhergehend angesprochenen vergleichbar. Es geht unbestritten aus den Erklärungen D3 und D4 hervor, daß nach der weltweiten, jahrzehntelangen Praxis eine Überlappung von 2 bis 5 Kettfäden vorgesehen war, was bei den üblichen Kettfadenabstand von etwa 1 mm einer Überlappungsbreite von etwa 2 bis 5 mm entspricht.
4. Stand der Technik
4.1. Die Erklärung D4 bezieht sich u. a. auf eine Untersuchung zweier Reifen des Typs 155SR13, die vor dem Prioritätsdatum durch die Patentinhaberin hergestellt und verkauft wurden. Aufgrund der detaillierten Ergebnisse dieser Untersuchung ist die Kammer der Überzeugung, daß ein Reifen mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1, der darüber hinaus eine einlagige Karkasse entsprechend dem ersten Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 aufweist, als allgemein bekannt vorauszusetzen und bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit als Ausgangspunkt heranzuziehen ist.
4.2. Dokument D2 befaßt sich mit der Herstellung textiler Verstärkungseinlagen für Elastomere. Auf den Seiten 49 und 50 werden Besonderheiten des Webens von Reifencordgeweben angesprochen. Auf Seite 52 wird die hohe Leistungsfähigkeit von Webmaschinen hervorgehoben, die mit endlichen Schußfäden arbeiten. Der daraus resultierende Randbereich des Gewebes wird als "neat and firm" bezeichnet. Eine Webmaschine dieser Art ist z. B. in dem Prospekt der Firma Sulzer "Die Webmaschine PU" von 1981 (D15) detailliert beschrieben.
4.3. Das Dokument D13 bezieht sich auf ein Förderband mit einer in elastischem Material eingebetteten Gewebeeinlage. Das Gewebe weist endliche Schußfäden auf, wobei die Schußfadenenden in das Gewebe zurückgeführt sind. Das Rückführungsmaß beträgt maximal 15 mm. Auf diese Weise werden die Kantenbereiche des Förderbandes verstärkt, ohne daß sie nennenswert dicker werden.
4.4. Im Dokument D14 wird zur Lösung des Problems der Verdichtung der Kettfäden im Randbereich eines Reifencordgewebes vorgeschlagen, daß die Umkehrung des Schußfadens am Rande des Gewebes unter Bildung zweier annähernd rechter Winkel erfolgt.
4.5. Nach dem Dokument D1 wird eine Verringerung der erhöhten Steifigkeit der Überlappungsstelle zwischen zwei Reifencordgewebe-Abschnitten dadurch erreicht, daß die Kettfäden im Randbereich eine geringere Stärke und/oder einen größeren Abstand zueinander aufweisen. Gemäß Absatz 2, Seite 3 dieses Dokuments ist die erhöhte Steifigkeit der Überlappungsstelle umso nachteiliger, je weniger Lagen die Karkasse aufweist.
5. Neuheit
Die Neuheit des Fahrzeugluftreifens nach dem geltenden Anspruch 1 gegenüber dem im Punkt 4 oben abgehandelten Stand der Technik ist im Beschwerdeverfahren nicht bestritten worden. Dieser Reifen unterscheidet sich von einem Reifen des Typs "Continental 155SR13" (vgl. Punkt 4.1) durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs angegebenen Merkmale, mit Ausnahme der Karkasse aus nur einer Cordgewebelage.
6. Erfinderische Tätigkeit
Die der beanspruchten Erfindung zugrundeliegende Aufgabe ist darin zu sehen, Fahrzeugluftreifen mit einer einlagigen Radialkarkasse so auszubilden, daß durch ungleichmäßige Fadenlagen bedingte Ungleichförmigkeiten der Reifenwand weitgehend ausgeschaltet werden.
Spätestens aufgrund der Ausführungen in Dokument D2 hatte der Reifenfachmann schon aus wirtschaftlichen Überlegungen zwingenden Anlaß, eine Untersuchung in Betracht zu ziehen, ob sich eine mit endlichen Schußfäden arbeitende Webmaschine (hiernach "Sulzer-Maschine") zur Herstellung von Reifencordgewebe eignet und ob ein derart hergestelltes Gewebe auf herkömmliche Weise zu einer Cordgewebebahn für den Einsatz als Karkaß- und Gürtelverstärkungseinlage verarbeitet werden könnte.
Die Beschwerdegegnerin argumentiert dagegen, daß der Fachmann diese Möglichkeit schnell verworfen hätte, weil er mit einer unerwünschten Verstärkung des Randbereichs des Reifencordgewebes durch die zurückgeführten Schußfadenenden gerechnet hätte. In diesem Zusammenhang verweist sie auf das Dokument D13 sowie die Angabe in Dokument D2, daß die entsprechenden Randbereiche "neat and firm" sind. Dieses Vorbringen vermag die Kammer nicht zu überzeugen. Bei einem Reifencordgewebe ist nämlich die Anzahl der benötigen Schußfäden sowie ihre relative Stärke gegenüber den Kettfäden so gering, daß keine nennenswerte Verstärkung der Randbereiche eintreten kann. Darüber hinaus erkennt der Fachmann, daß bei einem "Sulzer-Gewebe" die im Dokument D14 vorgeschlagene Art der Umkehrung der Schußfäden zur Vermeidung der Kettfadenverdichtung im Randbereich automatisch entsteht, so daß mit etwaigen dadurch bedingten Ungleichförmigkeiten der Reifenwand nicht zu rechnen war.
Die von der Beschwerdegegnerin als Beleg für ein technisches Vorurteil gegen den Einsatz eines "Sulzer- Gewebes" als Karkassenverstärkungseinlagen herangezogenen Passagen aus den Anlagen zur Erklärung D5 können objektiv nur dahingehend verstanden werden, daß zum relevanten Zeitpunkt die Eignung eines solchen Gewebes für diesen Zweck noch nicht abschließend untersucht wurde.
Das Rückführungsmaß der Schußfäden bei einem "Sulzer- Gewebe" wird als das Minimum gewählt, das zum festen Verankern der Schußfädenenden notwendig ist, und beträgt im Normalfall 10 bis 20 mm (vgl. hierzu z. B. das Dokument D13). Da bei der Verarbeitung eines Reifencordgewebes zu einer Cordgewebebahn mit senkrecht oder schräg zur Längsrichtung verlaufenden Kettfäden die Überlappungsbreite zwischen benachbarten Gewebeabschnitten allgemein 2 bis 5 mm beträgt, vgl. Punkt 3 oben, ergibt sich zwangsläufig mit einem "Sulzer- Gewebe" als Ausgangspunkt ein Verhältnis zwischen dem Maß der Rückführung der freien Enden der Schußfäden und der Überlappungsbreite, das innerhalb des im geltenden Anspruch 1 angegebenen Bereichs von 3 bis 10 liegt. Die Beschwerdegegnerin hat in der Verhandlung eingeräumt, daß sich dieser auf die Cordgewebebahn bezogene Verhältniswert bei der Verarbeitung der Bahn zu einem fertigen Reifen nicht wesentlich verändert.
Aufgrund der obigen Überlegungen kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß es keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte, um zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 zu gelangen. Der beanspruchte Reifen ergibt sich vielmehr als Resultat des sachgemäßen, sich aus technischen und wirtschaftlichen Gründen anbietenden Einsatzes des neu entwickelten Gewebetyps. Es fehlt somit die nach Artikel 52 (1) EPÜ erforderliche erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Selbst unter der Annahme, daß die erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Erläuterungen der Beschwerdegegnerin, wonach die Schußfadenenden bei der Bombage des Reifens überraschenderweise nicht reißen würden und folglich im fertigen Reifen einen besonders günstigen Verlauf der Kettfäden gewährleisteten, zutreffend wären, könnte dies zu keiner anderen Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit führen, weil sich dieser Effekt als Folge des naheliegenden Tuns des Fachmanns automatisch einstellen würde (vgl. die Entscheidungen T 21/81, ABl. EPA 1983, 15 sowie T 192/82, ABl. EPA 1984, 415). Die im Einspruchsverfahren durch die Beschwerdegegnerin aufgestellte und durch die Einspruchsabteilung zur Begründung ihrer Entscheidung herangezogene Hypothese, wonach die zurückgeführten Schußfadenenden eine gestufte Festigkeitserhöhung im Überlappungsbereich bewirkten, hat sie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht mehr weiterverfolgt.
Da die Kammer an den einzigen Antrag der Beschwerdegegnerin gebunden ist, erübrigt sich eine Untersuchung der abhängigen Ansprüche 2 bis 4.
Desgleichen erübrigt sich bei der vorstehend dargelegten Sachlage ein Eingehen auf die von der Beschwerdeführerin V geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.