T 0533/91 () of 26.10.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:T053391.19921026
Datum der Entscheidung: 26 October 1992
Aktenzeichen: T 0533/91
Anmeldenummer: 84101067.1
IPC-Klasse: H01L 25/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hochspannungskaskade
Name des Anmelders: Roederstein Spezialfab. f. Bauelemente derElektronik
Name des Einsprechenden: 01) REMO-HSE Hochspannungselektronik
02) Siemens Aktiengesellschaft
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Novelty - public prior use (no) - insufficient evidence
Inventive step (no) - improvement
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0015/81
T 0106/84
T 0154/87
T 0090/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 117 456 (Anmeldenummer 84 101 067.1).

II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende I) hat gegen die Patenterteilung Einspruch erhoben und damit begründet, daß dem Gegenstand der Patentansprüche 1 und 2 wegen offenkundiger Vorbenutzung und druckschriftlicher Veröffentlichung durch das

D1: Silizium-Hochspannungs-Kaskaden BG 2500 betreffende Informationsschreiben der Beschwerdegegnerin "an alle Interessenten" (November 1982)

in Verbindung mit dem diesem Informationsschreiben angehefteten Faltblatt über BG 2500 Hochspannungs-Kaskaden die Neuheit, und im Hinblick auf, u. a., das Dokument

D2: DE-C-2 835 554

auch die erforderliche erfinderische Tätigkeit fehle.

III. Gegen das Patent hat auch die Firma Siemens AG (Einsprechende II) unter Nennung u. a. des Dokuments

ES7: DE-A-2 307 227

im Hinblick auf Artikel 100 (a) und (c) EPÜ Einspruch erhoben.

IV. Die Einspruchsabteilung hat das Patent aufgrund eines am 19. März 1991 während einer mündlichen Verhandlung eingereichten neuen Anspruchs 1 in geänderter Form aufrecht erhalten.

Der besagte neue Anspruch 1 lautet:

"Hochspannungskaskade, insbesondere für Fernsehgeräte, umfassend innerhalb eines vergossenen Kaskadenkörpers eine erste und eine zweite jeweils wenigstens einen Teil der Pumpsäule bzw. der Speichersäule einer Kaskadenschaltung bildende Reihe jeweils aus länglichen, im wesentlichen gleich orientierten, in Richtung der jeweiligen Kondensatorlängsachsen hintereinander angeordneten, elektrisch unmittelbar miteinander verbundenen Kondensatoren (C1 bis C5) und ferner umfassend mehrere zwischen die Kondensatoren der beiden parallel nebeneinander angeordneten Reihen geschaltete Dioden (D1 bis D6) der Kaskadenschaltung, sowie einen mit dem Hochspannungsende der Speichersäule verbundenen Bleederwiderstand (126), wobei an das Niederspannungsende der Pumpsäule eine Pumpspannungs-Anschlußleitung (138), an das Hochspannungsende der Speichersäule eine Hochspannungs-Anschlußleitung (142) und an den Bleederwiderstand (126) eine Bleederwiderstands- Anschlußleitung (166) angeschlossen sind, und wobei der Kaskadenkörper mit einem ausgegossenen Bechergehäuse (112) gebildet ist, welches im Bereich der Niederspannungsenden der beiden Säulen mit einer zu den Reihenlängsrichtungen im wesentlichen senkrechten Anschlußplatte ausgebildet ist, die über den Querschnitt des Kaskadenkörpers wenigstens an einer Seite hervorkragt und wobei ferner unter Spannungen im kV-Bereich liegende Anschlußleitungen (138, 142) aus dem Kaskadenkörper im Bereich von dessen der Anschlußplatte gegenüberliegendem Ende herausgeführt sind, wobei ferner der der Anschlußplatte nächstgelegene der Kondensatoren (C1 bis C5) als Massekondensator (C5) der Speichersäule einerseits mit einer Niederspannungs-Anschlußleitung und andererseits mit dem nächstfolgenden Kondensator (C4) der Speichersäule elektrisch verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Pumpspannungs-, die Hochspannungs-Anschlußleitung (138, 142) und die Bleederwiderstands-Abgriffleitung (48) aus der Becheröffnung herausgeführt sind, daß der hervorkragende Plattenrand (130) der mit einer Platinen- Anschlußfläche (118) ausgebildeten Anschlußplatte mit wenigstens einem Anschlußstift (128) zur Kontaktierung mit einer Platine versehen ist, und daß am Kaskadenkörper ein ein- oder mehrstufiges Spannungsreglerteil (168) angebracht ist, das massenseitig mit wenigstens einem der Anschlußstifte (128a, 128b) verbunden ist und das über die Bleederwiderstands-Anschlußleitung (166) an den Bleederwiderstand (126) angeschlossen ist."

V. Gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung hat die Einsprechende I Beschwerde eingelegt und den Antrag gestellt, diese Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Hinsichtlich der offenkundigen Vorbenutzung einer Kaskade nach Anspruch 1 des besagten Patents führte die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung zusätzlich aus, daß der entsprechende Modul BG 2500 jedem interessierten Besucher des Standes der Patentinhaberin auf der Electronica 1982 gezeigt worden sei, und daß sie den besagten Modul zu einer anzuberaumenden Beschwerdeverhandlung mitbringen werde.

VI. Die Beschwerdegegnerin beantragte in einer am 16. März 1992 eingegangenen Erwiderung auf die Beschwerdebegründung, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte die Beschwerdegegnerin, das Patent aufgrund eines geänderten Anspruchs 1 aufrechtzuerhalten, der durch Einfügung von "eine Wand des ausgegossenen Bechergehäuse bildenden" zwischen dem Ausdruck "zu den Reihenlängsrichtungen im wesentlichen senkrechten" und dem Ausdruck "Anschlußplatte" sowie durch Streichung von "und die Bleederwiderstands-Abgriffleitung (48)" vom Anspruch 1 gemäß ihrem Hauptantrag abgeleitet wird, und, falls auch diesem Antrag nicht stattgegeben werden könnte, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung. Im übrigen beantragte die Beschwerdegegnerin, die ihr wegen des verspäteten Vorbringens einer Zurschaustellung der beanspruchten Kaskade auf der Electronica 1982 zusätzlich möglicherweise entstehenden Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.

VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK vertrat die Beschwerdekammer die vorläufige Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Haupt- bzw. 1. Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin in Anbetracht des sich aus den Dokumenten (ES7) und (D2) ergebenden Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Kammer legte außerdem dar, weshalb sie nicht bereit sei, das Vorbringen der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung im Beschwerdeverfahren als weiteren Einwand zuzulassen.

VIII. Auf den Bericht der Beschwerdekammer teilte die Beschwerdeführerin mit, daß sie ihren Antrag auf Widerruf des Streitpatents aufrechterhält, nicht jedoch die Geltendmachung der offenkundigen Vorbenutzung. Sie werde aber an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen.

Die gemäß Artikel 107 EPÜ, zweiter Satz, am Beschwerdeverfahren beteiligte Einsprechende II gab ihre Absicht, an der mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen, ebenfalls bekannt.

IX. Es wurde mündlich verhandelt.

Während der Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin eine neue Fassung des Anspruchs 1 ein und stellte den weiteren Hilfsantrag, das Patent aufgrund dieses neuen Hauptanspruchs aufrechtzuerhalten, wenn keinem ihrer früheren Anträge stattgegeben werden könne.

X. Die Beschwerdeführerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Das Schaltbild der Hochspannungskaskade BG 2500 stellt die räumliche Anordnung einzelner Bauteile der Kaskade dar, und die rechte Abbildung auf Seite 2 des Faltblatts zeigt eindeutig, daß auch die Zuleitung der Fokusspannung (UF) vom Bleeder aus dem Becher nach oben hinausgeführt ist. Die nachfolgende Figur zeigt außerdem, daß das Spannungsreglerteil und die eigentliche Kaskade zusammen vergossen sind. Das Dokument (D1) in Verbindung mit dem angehefteten Faltblatt steht deshalb dem angegriffenen Patent voll entgegen. Als neu verbleibt allenfalls das Merkmal des Anschlußstiftes (128) im hervorkragenden Plattenrand (130), welches die Anforderung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu erfüllen vermag.

XI. Zur Stützung ihrer Anträge trägt die Beschwerdegegnerin im wesentlichen folgendes vor:

Dem Schaltbild gemäß Figur 3 der Patentanmeldung (ES 7) entnimmt man, daß die Kondensatoren (C1, C2) der Pumpsäule jeweils auf derselben Höhe wie die Kondensatoren (C3, C5) der Speichersäule und der Massekondensator (C4) rechtwinklig zur Säulenrichtung angeordnet sein sollen. Da dies von der tatsächlich realisierten Raumform gemäß Figur 2 erheblich abweicht, so erscheint die Behauptung der Beschwerdeführerin, nach der Schaltbilder die räumliche Anordnung einzelner Bauteile von Schaltungen darstellen, als unbegründet. Somit läßt die Entgegenhaltung (D1) offen, ob die Kondensatoren des Moduls BG 2500 in zwei parallel nebeneinanderliegenden, senkrecht zur Platinenanschlußfläche stehenden Reihen angeordnet sind. Darüber hinaus wird dort der hervorkragende, keinen Anschlußstift zur Kontaktierung mit der Platine aufweisende Plattenrand der Anschlußplatte ausschließlich zur Schraub-Befestigung der Kaskade verwendet. Dasselbe gilt übrigens auch für die aus Dokument (ES 7) bekannte Hochspannungskaskade.

Erfindungsgemäß ermöglichen die Anschlußstifte des hervorkragenden Anschlußplattenrandes, für die man im Stand der Technik kein Vorbild findet, eine weitgehende Vorverdrahtung der Kaskade. Durch die Ausbildung der Platinenanschlußfläche an einer zu der Reihenlängsrichtung der Speicher- und Pumpsäule senkrechten Wand des Bechergehäuses, für die man im Stand der Technik ebenfalls kein Vorbild findet, gestattet die Erfindung erstmals, Hochspannungskaskaden mit ausgegossenem Bechergehäuse unmittelbar auf einer Leiterplatte aufzustecken und dort in üblicher Weise zu verlöten (z. B. Löt-Tauchbad). Neben den Vorteilen eines Bauteils, das nicht allzu viel Fläche auf der zu bestückenden Platine beansprucht, sowie hochspannungsführender Leitungen, die nicht allzu nahe an die Platine herangeführt werden, ist diese Erleichterung der Platinenmontage von ausschlaggebender Bedeutung für die Serienfertigung. Somit ist der Anspruchsgegenstand gegenüber (D1) und (ES 7) nicht nur neu sondern auch erfinderisch, denn diese Dokumente weisen von der Erfindung weg.

Während der mündlichen Verhandlung zog die Beschwerdegegnerin auch die Rechtsprechung der Entscheidungen T 154/87 - 3.2.1, T 106/84 (ABl. EPA 1985, S. 132) und T 90/89 heran, nach denen eine einfache Lösung einer seit langem bestehenden Aufgabe auf eine erfinderische Tätigkeit gegebenenfalls hinweist. Als weiteren Vorteil ihrer Erfindung machte sie außerdem geltend, daß das Anbringen von Anschlußstiften an einen hervorkragenden Rand der Anschlußplatte eine verbesserte Kippsicherheit gewährleisten solle.

XII. Am Schluß der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet, daß die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufgehoben und das europäische Patent widerrufen wird.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung

Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Einspruchsschriftsatz vom 12. Mai 1989 neben 8 druckschriftlich geltend gemachten Beweismitteln auch eine offenkundige Vorbenutzung erwähnt, jedoch hat sie die zur Glaubhaftmachung der behaupteten Benutzung erforderlichen Beweismittel hinsichtlich der Offenkundigkeit der Benutzung und der offenkundigen Benutzung vor dem Prioritätstag nicht angegeben. Vielmehr beschränkte sich die Beschwerdeführerin im Einspruchsschriftsatz darauf, die Vorveröffentlichung des den fraglichen Modul BG 2500 beschreibenden Informationsschreibens glaubhaft zu machen. Nach Auffassung der Kammer bezieht sich auch der Absatz auf Blatt 3 des Einspruchsschriftsatzes, in dem zwei Zeugen zur Glaubhaftmachung dieses Sachverhaltes angeboten werden, einzig und allein auf den Nachweis der Vorveröffentlichung dieses Informationsschreibens. Somit genügte schon der Einspruchsschriftsatz hinsichtlich der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung nicht den Erfordernissen der Regel 55 (c) EPÜ. Auch während des gesamten folgenden Verfahrens vor der Einspruchsabteilung kam die Beschwerdeführerin nicht mehr auf diese Vorbenutzung zurück, sondern beschränkte sich vielmehr ausdrücklich auf die schriftliche Beschreibung des fraglichen Moduls BG 2500 aufgrund des Beweismittels 1; vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung am 19. März 1991 vor der Einspruchsabteilung, Blatt 2, Absätze 5 und 6.

Erst in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 7. September 1991 kommt die Beschwerdeführerin auf Blatt 5 unter Nr. 3 auf die offenkundige Vorbenutzung zurück, ohne jedoch wenigstens jetzt die bezüglich der Offenkundigkeit der Benutzung und der offenkundigen Benutzung vor dem Prioritätstag erforderlichen Beweismittel im Detail anzugeben. Nach Auffassung der Kammer genügt es nämlich nicht, lediglich anzugeben, daß der Modul BG 2500 auf der Electronica 1982 zur Schau gestellt wurde, vielmehr wäre es zwingend erforderlich gewesen, auch anzugeben, um welche Typen-Nummer, Fabrikations-Nummer oder Serien- Nummer es sich bei dem ausgestellten Stück gehandelt hat. Ohne derartige konkretisierende Angaben ist es nämlich nach acht bis zehn Jahren nicht mehr möglich, mit Sicherheit zu entscheiden, ob das als Beweismittel vorgelegte Stück identisch mit dem ausgestellten Stück ist oder ob es sich um eine Weiterentwicklung oder Abwandlung des ausgestellten Stückes handelt.

Diese strengen Anforderungen sind bei der Geltendmachung einer behaupteten offenkundigen Vorbenutzung anzuwenden, weil dem Patentinhaber als auch der Einspruchsabteilung bzw. der Beschwerdekammer erst aufgrund derartiger detaillierter Angaben die Nachprüfung möglich ist, ob es sich bei der Benutzung tatsächlich um eine öffentliche Benutzung vor dem Prioritätstag handelte.

Aufgrund der dargelegten Umstände hat die Kammer entschieden, das Vorbringen der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung im Verfahren als weiteren Einwand nicht zuzulassen, insbesondere nachdem auf der Grundlage aller vorliegenden Fakten eine Entscheidung möglich war, die sich nur auf die nicht anzweifelbaren druckschriftlichen Beweismittel stützt.

2. Die Einwände gemäß Artikel 100 a) EPÜ vorliegender Beschwerde sind somit auf die druckschriftlichen Beweismittel beschränkt, um den einzig und allein geltend gemachten Mangel an erfinderischer Tätigkeit nachzuweisen.

3. Stand der Technik

3.1. Dokument (ES7) betrifft eine Hochspannungskaskade, insbesondere für Fernsehgeräte - siehe Figur 2 und Seite 1, erste zwei Absätze. Diese Kaskade umfaßt

- eine erste, die Speichersäule einer Kaskadenschaltung bildende Reihe zylindrischer Kondensatoren (C4, C3, C5), welche im wesentlichen gleich orientiert, in Richtung ihrer Achsen hintereinander angeordnet und unmittelbar miteinander elektrisch verbunden sind - siehe Figuren 2 und 3; Seite 5, zweiter Absatz, wo ausdrücklich gesagt wird, daß die Bauelemente der Kaskade so angeordnet sind, wie aus Figur 2 ersichtlich ist;

- eine die Pumpsäule der Kaskadenschaltung bildende zweite Reihe zylindrischer Kondensatoren (C1, C2), welche ebenfalls gleich orientiert, in Richtung ihrer Achsen hintereinander angeordnet und unmittelbar miteinander elektrisch verbunden sind - siehe Figuren 2 und 3;

- mehrere zwischen den Kondensatoren der beiden parallel nebeneinander angeordneten Reihen geschaltete Dioden (D1 bis D5) der Kaskadenschaltung - siehe Figuren 2 und 3; Seite 3, dritter Absatz - und

- einen mit dem Hochspannungsende der Speichersäule (C4, C3, C5) verbundenen Bleederwiderstand (45) - siehe Figuren 3 und Seite 4, zweiter Absatz.

Die obengenannten Bauelemente der Kaskadenschaltung sind innerhalb eines ein ausgegossenes Gehäuse (11) umfassenden vergossenen Kaskadenkörpers angeordnet - siehe Figur 2 und Seite 2, letzter Absatz. Das Gehäuse (11) ist im Bereich der Niederspannungsenden der beiden Säulen mit einer zu den Reihenlängsrichtungen im wesentlichen senkrechten, eine Wand des ausgegossenen Gehäuses bildenden Einbauplatte (15) ausgebildet, die über den Querschnitt des Kaskadenkörpers an zwei Seiten hervorkragt - siehe Figur 2. Eine Pumspannungs-Anschlußleitung (22), bzw. eine Hochspannungs-Anschlußleitung (50), bzw. eine Bleederwiderstand-Anschlußleitung (44) sind an das Niederspannungsende der Pumpsäule, bzw. an das Hochspannungsende der Speichersäule, bzw. an den Bleederwiderstand (45) angeschlossen, wobei die unter hoher Spannung liegende Anschlußleitung (50) aus dem Kaskadenkörper im Bereich von dessen der Einbauplatte (15) gegenüberliegendem Ende herausgeführt ist - siehe Figuren 2 und 3; Seite 3, zweiter Absatz; Seite 4, zweiter Absatz. Ein Spannungsreglerteil, nämlich der Trimm- oder Fokuseinstellwiderstand (52), der an der Masse und über die Bleederwiderstands-Anschlußleitung an dem Bleederwiderstand (45) angeschlossen ist, ist außerhalb des Gehäuses (11) angebracht - siehe Figur 3 und Seite 4, zweiter Absatz. Schließlich ist der der Einbauplatte (15) nächstgelegene der Kondensatoren (C1 bis C5) als Massekondensator (C4) der Speichersäule einerseits mit einer Niederspannungs-Anschlußleitung (29) und andererseits mit dem nächstfolgenden Kondensator (C3) der Speichersäule elektrisch verbunden - siehe Figuren 2 und 3; Seite 3, vierter Absatz.

3.2. Das Gehäuse (11) der aus (ES7) bekannten Kaskade besitzt einen U-förmigen Gehäuseteil (14), der mit einer Einkapselungsverbindung ausgegossen wird - siehe Seite 2, letzter Absatz. Das Gehäuse (11) oder wenigstens der Gehäuseteil (14) ist daher ein "Bechergehäuse". Es besteht außerdem kein Grund zu bezweifeln, daß die Anschlußleitung (50) unter Spannungen "im kV-Bereich" liegt, denn die vorbekannte Kaskade würde sonst zur Hochspannungs-Speisung von Fernsehgeräten ungeeignet sein. Dagegen kann man die Kondensatoren (C1 bis C5) der Anordnung gemäß Figur 2 des Dokuments (ES7) nicht als "länglich" bezeichnen, denn sie scheinen vielmehr scheibenförmig zu sein.

3.3. Das Neue des gemäß dem Hauptantrag beanspruchten Gegenstands besteht deshalb darin, daß

- die Kondensatoren der beiden Reihen länglich sind;

- die Einbauplatte auch als Anschlußplatte dient;

- die Pumpspannungs-, die Hochspannungs-Anschlußleitung und die Bleederwiderstands-Abgriffleitung aus der Becheröffnung herausgeführt sind;

- der hervorkragende Plattenrand der mit einer Platinen-Anschlußfläche ausgebildeten Anschlußplatte mit wenigstens einem Anschlußstift zur Kontaktierung mit einer Platine versehen ist, und daß

- das ein- oder mehrstufige Spannungsreglerteil am Kaskadenkörper angebracht und masseseitig mit wenigstens einem der Anschlußstifte verbunden ist.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Aus Dokument (D2) ist eine Hochspannungskaskade für Fernsehgeräte bekannt, die aus einer Kaskadenschaltung, einem zur Halterung der Kaskadenschaltungs-Bauelemente bestimmten Bauteilträger (2, 3) und einem eine Vergußmasse aufnehmenden Gehäuse (13) besteht - siehe Oberbegriff des Anspruchs 1. Figur 3 dieser Entgegenhaltung ist eine Draufsicht des im Gehäuse (13) eingesetzten bestückten Bauteilträgers - siehe Spalte 3, Zeilen 49 bis 51. Da die die Kaskadenschaltung bildenden Kondensatoren sowie Dioden aus Figur 3 ersichtlich sind, und da das Gehäuse (13) eine Vergußmasse aufnehmen kann, so handelt es sich ebenfalls um ein "Bechergehäuse", das eine "Becheröffnung" aufweist. Um die Stichhaltigkeit dieser Folgerung zu bestätigen, braucht man nur die eine Vorderansicht der Anordnung nach Figur 3 zeigende Figur 4 zu betrachten und die Angabe zu berücksichtigen, daß an das Gehäuse (13) bodenseitig Befestigungslaschen (14) angeformt sind - siehe Spalte 3, Zeilen 52 und 53; Spalte 4, Zeilen 64 bis 66.

Dem Dokument (D2) entnimmt man weiterhin, daß eine zu verdreifachende Wechselspannung an einer Eingangsklemme (U|) zugeführt wird, daß die Hochspannung an einer Klemme (UH) abgenommen werden kann und daß ein Anschluß (UF) für die Fokusspannung vorgesehen ist - siehe Spalte 3, Zeilen 59 bis 65. Da die Kaskadenschaltung im Bechergehäuse (13) aufgenommen ist, so sind die entsprechenden, nach oben gerichteten Anschlußleitungen aber zwangsläufig "aus der Becheröffnung herausgeführt" - siehe Figuren 2 bis 4.

Nach Auffassung der Kammer bedarf es deshalb keiner erfinderischen Tätigkeit, um das Bechergehäuse einer Hochspannungskaskade gemäß Dokument (ES7) durch das aus (D2) bekannte Bechergehäuse (13) zu ersetzen und Pumpspannungs-Anschlußleitung, Hochspannungs- Anschlußleitung sowie Bleederwiderstand-Abgriffleitung aus der Becheröffnung des besagten, aus (D2) bekannten Bechergehäuses herauszuführen. Ein Anlaß, zu diesen Maßnahmen zu greifen, wird übrigens dem Fachmann dadurch gegeben, daß sie offensichtlich zu einer Reduzierung der kapazitiven Kopplung zwischen den unter Spannungen im kV- Bereich liegenden Anschlußleitungen und der Platinenbestückung führen, wobei Fehlerspannungsinduzierung bzw. Spannungsüberschläge zum Träger verhindert werden.

4.2. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin braucht man nach Auffassung der Kammer auch nicht erfinderisch tätig zu werden, um die Bodenplatte bzw. die Einbauplatte (15) der aus (D2) bzw. (ES7) bekannten Bechergehäuse mit Anschlußstiften zu versehen - wobei die besagten Platten zu "Anschlußplatten" werden - wenn eine oder mehrere elektrische Verbindungen von Kaskadenbauteilen mit der Platinenbestückung erwünscht sind. Keine erfinderische Tätigkeit wird ebenfalls erfordert, um wenigstens einen Anschlußstift zur Kontaktierung mit der Platine an einem hervorkragenden, Teil einer Anschlußplatte ausmachenden Plattenrand anzubringen. Dabei wird übrigens keine verbesserte Kippsicherheit gewährleistet, wenn nur ein Plattenrand mit Anschlußstiften versehen ist, was vom Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsanträgen der Beschwerdegegnerin nicht ausgeschlossen ist. Gleichfalls bedarf es keiner erfinderischen Tätigkeit, um die masseseitige Verbindung des Spannungsreglerteils mittels eines Anschlußstiftes der dem Hochspannungsende der Kaskade gegenüberliegenden Anschlußplatte herzustellen, denn es wurde bereits dargelegt, daß die Herausführung der Hochspannungsleitungen aus der Becheröffnung der Verhinderung von Spannungsüberschlägen zum Träger, also auch zur Masse, dienen.

4.3. Spannungsreglerteile einer Hochspannungskaskade sind Bestandteile der besagten Kaskade. Es wäre deshalb unangebracht, solche Spannungsreglerteile getrennt von der zugehörigen Kaskade zu liefern, so daß ihrem Anbringen an dem Kaskadenkörper keine erfinderische Tätigkeit zugrunde liegt.

4.4. Daß die Kondensatoren der beanspruchten Kaskade länglich sind kann nicht als eine die kapazitive Kopplung zwischen Platinenbestückung und Hochspannungsende der genannten Kaskade reduzierende Maßnahme angesehen werden, denn die Länge der Kondensatoren stellt noch keinen Hinweis auf die Dielektrikumdicke dar: wäre das Dielektrikum ungefähr so dick wie die Kondensatoren lang sind, dann würde die Kapazität der besagten Kondensatoren viel zu niedrig sein. Man weiß übrigens, daß die kapazitive Kopplung zwischen beiden Enden einer Kaskade im wesentlichen durch die Pumpspannung, die Anzahl der Kaskadenstufen und die abzugebende Stromintensität bestimmt ist. Bei Beibehaltung dieser Parameter hängt deshalb die genannte Kopplung von der Kondensatorenform nicht ab.

Da es bei Raummangel auf Schaltungsplatinen naheliegt, den Querschnitt von auf diesen Platinen anzuordnenden Bauteilen möglichst gering zu halten, so bedarf es keines erfinderischen Zutuns des Fachmanns, um die Verwendung länglicher Kondensatoren bei Hochspannungskaskaden für Fernsehgeräte in Erwägung zu ziehen. (Dabei wird aber, den Ausführungen der Beschwerdegegnerin zuwider, kein kompakter Aufbau der Kaskade erzielt - vgl. Patentbeschreibung, Zeile 61 der ersten Spalte bis Zeile 4 der zweiten Spalte.)

In Anbetracht obiger Ausführungen liegt der Verwendung länglicher Kondensatoren in der beanspruchten Kaskade ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit zugrunde.

4.5. Die Beschwerdegegnerin hat nie behauptet, daß in der dem Streitpatent entnehmbaren Aufgabenstellung - nämlich: eine Hochspannungskaskade mit kompaktem Aufbau bereitzustellen, welche, integriert mit einem Spannungsreglerteil, die unmittelbare Platinenbestückung bei vereinfachter Herstellbarkeit ermöglicht - eine etwaige erfinderische Tätigkeit zu erblicken sei, denn es gehört zu den ständigen Bemühungen der Fachwelt, Verbesserungen zu erzielen - vgl. Entscheidung T 15/81 (ABl. EPA 1982, S. 2), Abschnitt 3 der Entscheidungsgründe. Außerdem erzielen in naheliegender Weise die zur Lösung der Aufgabe erfindungsgemäß vorgeschlagenen, den beanspruchten Gegenstand gegenüber dem aus Dokument (ES7) ableitbaren Stand der Technik kennzeichnenden Merkmale ausschließlich vorhersehbare, dem Fachmann bekannte Wirkungen. Somit erscheint der Erfindungsgegenstand gemäß Hauptantrag der Beschwerdegegnerin als Ergebnis einer zwar vernünftigen, eine erfinderische Leistung jedoch nicht erfordernden Engineeringsarbeit, auf die die Rechtsprechung der Entscheidungen T 106/84, T 154/87 und T 90/89 nicht zutrifft.

4.6. Nach Auffassung der Kammer beruht deshalb der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag der Beschwerdegegnerin nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus denselben Gründen fehlt die erforderliche erfinderische Tätigkeit auch dem Gegenstand des ersten Hilfsantrags der Beschwerdegegnerin, denn die dort vorgenommenen Änderungen sind lediglich kosmetischer, redaktioneller Art.

5. Anspruch 1 gemäß Haupt- bzw. erstem Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin ist wegen Mangels an erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstands nicht gewährbar - Artikel 52 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56. Die besagten Anträge sind deshalb abzuweisen.

6. Der zweite, während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin wurde nicht mehr zugelassen, weil er zu einem so späten Verfahrenszeitpunkt vorgelegt wurde, daß die Beschwerdeführerin hierzu nicht mehr Stellung nehmen konnte, und sein Gegenstand nicht offensichtlich auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.

7. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, auf die von der Beschwerdeführerin ebenfalls geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung, sowie auf die von der Einsprechenden II geltend gemachte unzulässige Erweiterung des Patentbegehrens einzugehen.

8. Da die Beschwerdeführerin auf die Geltendmachung der offenkundigen Vorbenutzung der beanspruchten Kaskade verzichtet hat, so sind der Beschwerdegegnerin in dieser Hinsicht keine zusätzlichen Kosten entstanden. Der Beschwerdeführerin sind deshalb keine Kosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das europäische Patent wird widerrufen.

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