European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1992:T051891.19920929 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 September 1992 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0518/91 | ||||||||
Anmeldenummer: | 83108349.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | H05B 3/18 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | B | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vakuumgeformte elektrische Heizvorrichtung und Verfahren zu deren Herstellung | ||||||||
Name des Anmelders: | Kanthal GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | KERFA-GmbH Industrie-beheizungen | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja - nach Änderung); Sachlogische Interpretation kein impliziter Stand der Technik bei technischem Widerspruch zur Gesamtoffenbarung (analog T 56/87); vgl. Pkt. 3.2 Novelty - yes (after amendment) Novelty - implicit disclosure (no) - contradiction between logical interpretation by skilled person and the whole disclosure of the document Inventive step - yes (after amendment) |
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Orientierungssatz: |
Eine fachmännisch-logische Interpretation explizit angegebener technischer Fakten eines vorveröffentlichen Dokuments - insbesondere eine über die explizite Offenbarung dieses Dokuments hinausgehende weitere Spezifizierung allgemein beschriebener Merkmale des Standes der Technik - gehört nicht zu den technischen Sachverhalten einer dem Dokument implizit entnehm- baren Lehre, die der Fachmann automatisch mitliest, wenn sie anderen expliziten technischen Angaben der in sich konsistenten Gesamtoffenbarung dieses Dokuments widerspricht; analog zur Entscheidung T 56/87, Abl. EPA 1990, 188. |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents 0 105 175.
II. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Patenterteilung gemäß Artikel 100 a) EPÜ unter Angabe folgender Dokumente Einspruch erhoben:
D1: DE-U1-82 050 252
D2: GB-A-1 441 577
III. Die Einspruchsabteilung hat den Einspruch zurückgewiesen. Denn in bezug auf den erteilten Vorrichtungsanspruch 1 fehle Dokument D1 insbesondere die konkrete technische Lehre, die Heizwendel gegenüber der freistrahlenden Oberfläche zurückzuversetzen, um bei sehr hohen Betriebstemperaturen eine ausreichende Verankerung der Heizwendel zu erzielen. Bei der in Dokument D1 verwendeten kreisrunden Wendelform wiesen an der Heizfläche nur die außermittigen freiliegenden Oberflächenbereiche der Heizwendel einen Abstand von der äußeren Oberfläche der Keramikfaserschicht auf. Eine Verallgemeinerung dieser Versetzung auf alle freiliegenden Oberflächenbereiche sei eine ex post facto-Erkenntnis. Hinsichtlich des erteilten Verfahrensanspruchs 3 würde der den faserfreien Raum bedingende Formling gemäß Dokument D1 keine Anregung geben, unter der Heizwendel liegende Flächenabschnitte des siebartigen Bodens flüssigkeitsundurchlässig auszubilden.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde erhoben und zur Stützung ihrer Argumentation zusätzlich auf das in der Beschreibung des Streitpatents gewürdigte Dokument:
D3: DE-A1-2 855 382
zurückgegriffen.
V. Am 29. September 1992 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, gegen deren Ende die Beschwerdegegnerin eine geänderte Fassung der Patentansprüche mit angepaßter Beschreibungseinleitung überreichte.
Die überreichten unabhängigen Ansprüche 1 und 3 lauten:
"1. Aus keramischen Fasern vakuumgeformte elektrische, freistrahlende Widerstands-Heizvorrichtung mit einer in eine Keramikfaserschicht unmittelbar eingebetteten und darin durch die freistrahlende Seite (6) teilweise umschließende Haltestege (12) verankerten Widerstands- Heizwendel (5), die in ihrem Innenraum (8) im wesentlichen frei ist von Keramikfasermaterial, und von der ein Oberflächenbereich (6) an der strahlenden Heizfläche (9) freiliegt, dadurch gekennzeichnet, daß die an der Heizfläche (9) freiliegenden Oberflächenbereiche (6) der Heizwendel (5) in ihrer Gesamtheit um einen Abstand von 2 -30 mm gegenüber der äußeren Oberfläche (9) der Keramikfaserschicht (4) nach innen versetzt sind.
3. Vakuum-Formverfahren zur Herstellung einer elektrischen Widerstands-Heizvorrichtung, bei dem eine Widerstands- Heizwendel (5) auf einen siebartigen Boden (1) eines Rahmens über einem Saugkasten aufgelegt und ein aus einer Aufschlämmung von keramischen Fasern, Bindemittel und Wasser bestehender Schlick in den Rahmen eingeleitet wird,
so daß sich unter der Saugwirkung eine keramische Faserschicht aufbaut, die ausgehärtet wird und die Widerstands-Heizwendel als eingebettetes Heizelement (5) enthält, dadurch gekennzeichnet, daß die unter der Widerstands-Heizwendel (5) liegenden Flächenabschnitte des siebartigen Bodens (1) durch vor dem Einlegen der Heizwendel (5) auf den siebartigen Boden (1) an den Positionen der Heizwendel (5) aufgelegte Streifen (11) in einem Bereich, der schmäler als die größte Durchmesser- oder Breitenabmessung der Heizwendel in einer zur strahlenden Oberfläche nach innen versetzten, parallelen Ebene ist, flüssigkeitsundurchlässig, ausgebildet werden, so daß der Innenraum der Heizwendel (5) beim Absaugen im wesentlichen frei bleibt von keramischen Fasern."
Anspruch 2 hängt von Anspruch 1 und Ansprüche 4 bis 6 hängen von Anspruch 3 ab.
VI. Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent nunmehr in geändertem Umfang aufgrund folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Ansprüche: 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung;
Beschreibung: Spalten 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Spalte 3 bis Spalte 5, Zeile 32 gemäß EP-B1- 0 105 175;
Zeichnungen: Figur 1 bis 6 gemäß EP-B1-0 105 175.
VII. Zur Begründung ihres Antrags trägt die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgende Argumente vor:
a) Die im Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 37 bis 47, angegebene Aufgabenstellung, ein Lockern oder Lösen der Verankerung der Heizspirale in der Keramikfasermasse bei optimalen Betriebstemperaturen zu vermeiden, sei bereits gemäß dem im Streitpatent Spalte 1, Zeile 9, bis Spalte 2, Zeile 36, gewürdigten Stand der Technik gelöst, so daß objektiv allenfalls als Aufgabe verbliebe, nach Alternativen der bekannten Lösungen (faserfreier Wendelinnenraum und Zement-Haltestege) zu suchen.
b) Die Dokument D1, Seite 10, Abs. 3 entnehmbare Herstellungsalternative mit einem "formfesten, etwa kammartigen Formkern, dessen Zinken zwischen die Windungen der Heizleiterwendel lösbar eingreifen" führe zwangsläufig zu einer Vorrichtung, die sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 nur durch die expliziten Grenzen des beanspruchten Abstandsbereichs (2 - 30 mm unterscheide. Es sei dem Fachmann nämlich ohne weiteres gegeben, daß ein solcher kammartiger Formkern eine die Zinken tragende Schulter in Form eines Streifens besäße, die der Distanzleiste des Streitpatents entspräche und die mit ihrer zinkenfreien Oberfläche bündig auf dem siebartigen Boden des Rahmens über dem Saugkasten aufliege. Die vorgegebene Dicke der Kammschulter zwischen siebartigem Boden und den die Zwischenräume der Zinken durchsetzenden Windungen der Heizwendel führe automatisch dazu, daß "die an der Heizfläche freiliegenden Oberflächenbereiche der Heizwendel in ihrer Gesamtheit um einen Abstand gegenüber der äußeren Oberfläche der Keramikfaserschicht nach innen versetzt sind". Diesen Bereich zwischen 2 - 30 mm zu wählen, sei eine für den Fachmann naheliegende Bemessung.
c) Die ebene Oberfläche der Vorsprünge 5 des in Dokument D1, Seite 7, Abs. 1 und 2, Seite 9, Abs. 3 und Fig. 2, beschriebenen Ausführungsbeispiels werde von der Sieboberfläche angesaugt, sperre die Sieböffnungen und mache sie somit gemäß dem Wortlaut des Anspruchs 3 "in einem Bereich, der schmäler als die größte Durchmesser- oder Breitenabmessung der Heizwendel in einer zur strahlenden Oberfläche nach innen versetzten, parallelen Ebene ist, flüssigkeitsundurchlässig". Das auf Seite 10, Abs. 2, des Dokuments D1 erwähnte Ausstechen der Keramikfaserschicht zur Freilegung der Heizwendeln auf der Wärmeabstrahlseite bei der Verwendung vorsprungsloser Formkerne weise den Fachmann direkt auf den Herstellungsvorteil hin, die Sieboberfläche unter der Heizwendel flüssigkeitsundurchlässig abzudecken. Dementsprechend würde ein Fachmann ohne weiteres auch die streifenförmige Kammschulter des Ausführungsbeispiels gemäß Dokument D1, Seite 10, Abs. 3, dimensionieren. Die unvollständige Ausfüllung des Heizwendelinneren durch die Kammzinken lasse den Fachmann erkennen, daß es nur auf den Verschluß der Sieblöcher durch die Kammschulter ankäme und lege ihm das Weglassen der Kammzinken und damit die in Anspruch 3 des Streitpatents beanspruchten Streifen als Verschlußmittel für die Sieböffnungen nahe.
d) In bezug auf die am Ende der mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgte erteilte Fassung der Ansprüche 1 und 3 hatte die Beschwerdeführerin zusätzlich folgendes geltend gemacht: Bei einer unter den Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 fallenden rechteckigen Heizwendel, deren freistrahlende Seite vollständig freiliegt und deren restliche Oberflächen die Keramikmasse U-förmig berühren, verbessert eine Versetzung der freistrahlenden Wendelfläche nach innen nicht die Verankerung der Heizwendel, so daß der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 als erfindungsunwesentliches Merkmal nicht die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 stützen könne. Ein Verfahren gemäß dem erteilten Anspruch 3, das allein auf das funktionelle Merkmal "flüssigkeitsundurchlässig" abgestellt ist, werde durch das anhand der Fig. 2 des Dokuments D1 beschriebene Ausführungsbeispiel neuheitsschädlich vorweggenommen.
VIII. Die Beschwerdegegnerin widersprach der Argumentation der Beschwerdeführerin im wesentlichen wie folgt:
a) Technischer Ausgangspunkt der Erfindung sei nicht das ein Zementbett verwendende Dokument D2, sondern das Dokument D3, da die ursprüngliche Aufgabendefinition (vgl. das Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 41 u. 42) explizit zum Ziele habe, die Lockerung der Heizwendel in ihrer Verankerung "in der Keramikfasermasse" zu verhindern.
b) Die Argumentation der Beschwerdeführerin gemäß Punkt VII b) und c) ginge von einem technischen Sachverhalt aus, der in Dokument D1 ausschließlich mit folgenden Worten definiert werde: "Unter Umständen ist es auch möglich, einen formfesten, etwa kammartigen Formkern vorzusehen, dessen Zinken zwischen die Windungen der Heizleiterwendel lösbar eingreifen". Zur Auslegung dieser Worte benützte die Beschwerdeführerin in ihren Argumenten technische Fakten der im Streitpatent offenbarten Erfindung. Damit stütze sie ihre Beweisführung auf eine unzulässige ex post facto-Interpretation. Aus der Gesamtoffenbarung des Dokuments D1 entnehme der Fachmann ausschließlich die Lehre, den Innenraum der Heizwendel durch einen ihn ausfüllenden Formkern faserfrei zu halten. Daß der "etwa kammartige Formkern" des Dokuments D1 eine streifenförmige Schulter habe, diese bündig auf einem flachen Siebboden aufliege und einen Wendelversatz nach innen hervorrufe, sei eine durch keinerlei implizite Fakten gestützte reine Spekulation, die im Widerspruch zu allen technischen Sachverhalten der Figuren und der übrigen Beschreibungsteile des Dokuments D1 stünde, insbesondere zu der expliziten Angabe auf Seite 9, Abs. 2: "In dem Keramikfaser-Isolierkörper ist eine elektrische Heizleiterwendel so eingebettet, daß deren Windungen mit der Wärmeabstrahlseite des Keramikfaser-Isolierkörpers tangieren".
IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet, daß die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen werde, das Streitpatent nunmehr in geändertem Umfang aufgrund der antragsgemäßen Unterlagen aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
1. Gegenüber der erteilten Fassung des Anspruchs 1 ist die bisher allgemein beanspruchte Verankerung der Heizwendel in der Keramikfaserschicht auf eine Verankerung "durch die freistrahlende Seite (6) teilweise umschließende Haltestege (12)" gemäß der ursprünglichen Beschreibung Seite 9, Zeilen 2 bis 4, beschränkt. Des weiteren ist das Figur 6 entnehmbare Merkmal, daß die an der Heizfläche freiliegenden Oberflächenbereiche der Heizwendel "in ihrer Gesamtheit" gegenüber der äußeren Oberfläche der Keramikfaserschicht nach innen versetzt sind, in den nunmehr gültigen Anspruch 1 aufgenommen. Der sachliche Inhalt des Verfahrensanspruchs 3 umfaßt nunmehr zusätzlich die Merkmale des erteilten Anspruchs 4, d. h. die in der erteilten Fassung nur funktionell beanspruchte Flüssigkeitsundurchlässigkeit des Siebbodens ist in der gültigen Fassung des Anspruchs 3 auf das sie bewirkende Mittel nämlich "Streifen" unter der Wendel, beschränkt. Die Änderung der Beschreibung betrifft eine Anpassung im Rahmen der Regel 27 (1) c) EPÜ. Die geänderten Unterlagen des Streitpatents sind somit im Hinblick auf die Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht zu beanstanden.
2. Der Stand der Technik gemäß Dokument D1 geht - wie auch der sachliche Inhalt des Dokuments D2 - nicht über die in den Gattungsbegriffen der Ansprüche 1 und 3 definierten Merkmale hinaus und macht daher die zusätzliche Würdigung des Dokuments D1 in der Beschreibungseinleitung im Rahmen der Regel 27 (1) b) EPÜ überflüssig.
3. Neuheit
3.1. Aus dem von der Beschwerdeführerin nachgewiesenen Stand der Technik sind keinerlei Widerstands-Heizvorrichtungen bekannt, deren an der Heizfläche freiliegende Oberflächenbereiche der Heizwendel in ihrer Gesamtheit gegenüber der äußeren Oberfläche der Keramikfaserschicht nach innen versetzt sind.
3.2. Der Wortlaut des Dokuments D1, Seite 9, Abs. 2: "In den Keramikfaser-Isolierkörper 1 ist eine elektrische Heizleiterwendel so eingebettet, daß deren Windungen mit der Wärmeabstrahlseite 3 des Keramikfaser-Isolierkörpers 1 tangieren." charakterisiert explizit ein konstruktives Merkmal der konventionellen Vorrichtung, das von allen ihren Ausführungsbeispielen, insbesondere in Fig. 2 und 3, bestätigt wird. Der Beschreibungstext des Dokuments D1 erwähnt keinerlei konstruktive Alternativen, bei denen die Heizwindungen die Oberfläche der Keramikfaserschicht nicht tangieren. Nach Auffassung der Kammer geht daher ein Fachmann davon aus, daß dieses konstruktive Merkmal auch realisiert wird, wenn zur Herstellung die "formfeste, etwa kammartige" Alternative des Formkerns gemäß Seite 10, Abs. 3 eingesetzt wird. Denn der Hinweis "Unter Umständen ist es auch möglich, ..." gibt den nachfolgenden technischen Angaben eindeutig den Charakter einer Herstellungsalternative des gleichen Endprodukts. Selbst wenn einem Fachmann zugestanden wird, eine streifenförmige Kammschulter als Bestandteil der impliziten Offenbarung durch den Wortlaut: "... einen formfesten, etwa kammartigen Formkern vorzusehen, dessen Zinken zwischen die Windungen der Heizleiterwendel lösbar eingreifen" anzusehen, so ist die Kammer davon überzeugt, daß er den logischen Schluß zieht, daß eine Kammschulter mit nicht vernachlässigbarer Dicke nicht direkt auf einer flachen Siebbodenebene liegt, sondern von einer Nut im Siebboden aufgenommen wird, um das Tangieren der Heizwendel an die äußere Oberfläche der Keramikfaserschicht zu realisieren.
Eine fachmännisch-logische Interpretation explizit angegebener technischer Fakten eines vorveröffentlichten Dokuments - insbesondere eine über die explizite Offenbarung dieses Dokuments hinausgehende weitere Spezifizierung allgemein beschriebener Merkmale des Standes der Technik - gehört nicht zu den technischen Sachverhalten einer dem Dokument implizit entnehmbaren Lehre, die der Fachmann automatisch mitliest, wenn sie anderen expliziten technischen Angaben der in sich konsistenten Gesamtoffenbarung dieses Dokuments widerspricht; analog zur Entscheidung T 56/87, ABl. EPA 1990, 188.
Aus den vorstehenden Gründen folgt die Kammer nicht der Auffassung der Beschwerdeführerin gemäß Pkt. VII b) sondern stellt fest, daß bei der aus Dokument D1 bekannten Vorrichtung der Versatz nach innen auf die Randzonen der freiliegenden Zylinderfläche der kreisrunden Heizwendel beschränkt ist.
3.3. In der Vorrichtung gemäß Dokument D2 sind die freiliegenden Oberflächenbereiche der kreisrunden Heizwendel mehr oder weniger nach außen statt nach innen versetzt. Die in Dokument D3 beschriebene Heizwendel ist mit Keramikfasermaterial ausgefüllt.
3.4. Die als bekannt nachgewiesenen Vakuum-Formverfahren zur Herstellung einer Heizvorrichtung verwenden keine Streifen sondern sperren den Siebboden unter der Heizwendel entweder durch einen Ansatz an einem den Heizwendelinnenraum ausfüllenden Formkern (Dokument D1), beschränken sich auf die Freihaltung des Heizwendelinnenraums durch ein in ihm eingeführtes verbrennbares Wachsrohr (Dokument D2), oder lassen das Keramikfasermaterial in den Heizwendelinnenraum eintreten (Dokument D3).
3.5. Aus den vorstehenden Gründen sind die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 und das Verfahren gemäß Anspruch 3 neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.
4. Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1
4.1. Bei der Vorrichtung gemäß Dokument D2 treten die in Sp. 2, Z. 6 - 30 des Streitpatents beschriebenen Nachteile, auf denen die Aufgabendefinition in Sp. 2, Z. 37 - 47 beruht, nicht mehr auf. Aus diesem Grunde beschreibt Dokument D2 nach Auffassung der Kammer den dem Streitpatent am nächsten kommenden Stand der Technik. Die Anspruch 1 des Streitpatents objektiv zugrundeliegende Aufgabe beschränkt sich daher darauf, eine langlebige Verankerung der Heizwendel mit Hilfe einer zeitlichen Fixierung der Heizwendel ohne erhöhten Herstellungsaufwand zur realisieren; vgl. Spalte 2, Zeilen 30 bis 36.
Die auf eine Verankerung (ausschließlich) in Keramikfasermasse abgestellte Aufgabendefinition der Beschwerdegegnerin gemäß Pkt. VIII-a) stützt sich nach Auffassung der Kammer bereits auf Elemente der Lösung; vgl. auch T 99/85, ABl. EPA 1987, 413, Leitsatz II.
4.2. Das diese Aufgabe lösende Vorrichtungsmerkmal ist im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 charakterisiert. Nach Auffassung der Kammer legt der Einsatz von Fremdmaterial gemäß Dokument D2 nicht nahe, die bereits in einem unzureichenden Maße zwischen den Wendeln vorhandene Keramikfasermasse selbst zu verdicken, indem "die an der Heizfläche freiliegenden Oberflächenbereiche der Heizwendel in ihrer Gesamtheit gegenüber der äußeren Oberfläche nach innen versetzt sind". Die Dokumente D1 und D3 setzen sich im wesentlichen mit der Lebensdauer der Heizwendel auseinander und sprechen das Problem der Lebensdauer ihrer mechanischen Verankerung überhaupt nicht an.
4.3. Aus den vorstehend genannten Gründen liegt Anspruch 1 eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ zugrunde.
5. Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 3
5.1. Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht das direkte Verfahrensprodukt des unabhängigen Verfahrensanspruchs 3 sondern des von diesem abhängigen Anspruchs 6 ist. Denn das Streitpatent schreibt dem Verschluß des Siebbodens mit einem "Streifen" - offenbar aufgrund seiner vernachlässigbaren Dicke - keinerlei die Heizwendel in den Faserblock hinein zurückversetzende Wirkung zu. Diese bleibt dem Einsatz einer "Distanzleiste" vorbehalten; vgl. auch die Beschreibung, Spalte 3, Zeilen 19 bis 30. Somit stellt sich ausgehend von Dokument D2 (oder auch von Dokument D1) in bezug auf Anspruch 3 des Streitpatents als objektive Aufgabe, ein alternatives Herstellungsverfahren einer Heizvorrichtung anzugeben, deren Wendelrückseiten sich weniger überhitzen; vgl. Sp. 1, Z. 43 bis Sp. 2, Z. 5.
5.2. Diese Aufgabe wird durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 3 enthaltenen Maßnahmen gelöst, die im wesentlichen auf einem flüssigkeitsundurchlässigen Streifen unter der Heizwendel auf dem Siebboden beruhen. Dokument D2 und das Ausführungsbeispiel des Dokuments D1 gemäß Figur 2 sehen zu diesem Zweck während der Verdichtung des Schlicks zu einer Faserschicht einen Formkern im Heizwendelinneren vor, der den von Schlick freizuhaltenden Innenraum der Heizwendel vollständig ausfüllt.
5.3. Nach Auffassung der Kammer erkennt ein Fachmann in dem an den Formkörper 4 angeformten und bis zur Oberfläche der Keramikfaserschicht vorstehenden Absatz 5 des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 2 des Dokuments D1 nur ein Arbeitsmittel, um einen freiliegenden Oberflächenbereich der Heizwendel zu schaffen. Zwar versperrt die flache Oberfläche des Ansatzes die unter ihm liegenden Sieblöcher, doch wird dieser Effekt bei der bekannten Vorrichtung nicht technisch ausgenutzt, um die Aufgabe zu lösen, den Heizwendelinnenraum faserfrei zu halten. Für den Fachmann ist eindeutig erkennbar, daß zu diesem Zweck der Formkern 4 im Heizwendelinneren vorgesehen ist. Nach Auffassung der Kammer ist es für einen Fachmann keinesfalls naheliegend, auf die durch den Formkörper 4 gebildete Volumensperre zu verzichten und auch anhand der bekannten Vorrichtung nicht erkennbar, daß allein die Sperrung der Sieblöcher unter der Wendel eine analoge Wirkung haben würde, zumal mit der Entfernung des Formkörpers 4 der Ansatz 5 sein konstruktives Befestigungsmittel verlieren würde.
5.4. Das unvollständige Ausfüllen des Heizwendelinnenraumes durch die Kammzinken des Ausführungsbeispiels gemäß Seite 10, Abs. 3 des Dokuments D1 legt es - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin in Punkt VII c) - nicht nahe, das Volumen des Heizwendelinnenraums frei zugänglich zu lassen. Denn die "zwischen die Windungen der Heizwendel lösbar eingreifenden Kammzinken" bilden im Verbund mit den Windungsdrähten eine Sperre, die den Schlick am Eintreten in den Heizwendelinnenraum hindert. Eine mechanische Sperrung der Durchgangsöffnungen am Wendelumfang, d. h. am Ort der Grenze zwischen Faserschicht und Freiraum, legt es nicht nahe, von der Wendel beabstandete Mittel vorzusehen, die über eine Art Fernwirkung den Heizwendelinnenraum faserfrei halten. Der Fachmann findet im nachgewiesenen Stand der Technik nirgendwo eine Anregung, die Schlickströmung durch das Heizwendelinnere mit Hilfe außerhalb des Wendelvolumens angeordneter Mittel derart zu behindern, daß der Schlick im wesentlichen nur durch den Raum außerhalb der Heizwendel strömt, so daß praktisch keine Fasern in das Heizwendelinnere transportiert werden. Daher ist es nach Auffassung der Kammer für einen Fachmann nicht naheliegend, einen unter der Wendel angeordneten Streifen zu benutzen, um ihren Innenraum faserfrei zu halten.
5.5. Aus den vorstehend genannten Gründen liegt Anspruch 3 eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ zugrunde.
6. Ansprüche 1 und 3 genügen, wie oben dargelegt, auch den sonstigen Erfordernissen des Übereinkommens im Sinne von Artikel 102 (3) EPÜ und können daher in der nunmehr gültigen Fassung aufrechterhalten werden. Da die abhängigen Ansprüche 2 und 4 bis 6 die Merkmale des Anspruchs 1 bzw. des Anspruchs 3 umfassen, können auch sie aufrecht erhalten werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das europäische Patent nunmehr in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Ansprüche: 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 29. September 1992;
Beschreibung: Spalten 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 29. September 1992, Spalte 3 bis Spalte 5, Zeile 32 gemäß EP- B1-0 105 175;
Zeichnungen: Figur 1 bis Figur 6 gemäß EP-B1- 0 105 175.