European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1994:T075890.19940714 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 Juli 1994 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0758/90 | ||||||||
Anmeldenummer: | 84114749.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | C04B 14/24 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | B | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Putzmörtel | ||||||||
Name des Anmelders: | Dennert Poraver GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | I) Rigips GmbH II) FELS-WERKE Peine-Salzgitter GmbH |
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Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit, erfinderische Tätigkeit, Ausführbarkeit (bejaht) Novelty Inventive step Disclosure - sufficiency (yes) New grounds for opposition - submitted by one opponent only and taken up by a different opponent as the sole appellant - question not resolved |
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Orientierungssatz: |
Aus G 0009/91 oder G 0010/91 läßt es sich nicht zweifelsfrei ableiten, daß die Kammer einen Einspruchsgrund nur mit dem Einverständnis der Patentinhaberin überprüfen darf, wenn dieser Grund von einer Einsprechenden in ihrer Einspruchsschrift vorgebracht, dann von der Einspruchsabteilung geprüft und dann von der anderen Einsprechenden als einzigen Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren aufgegriffen wurde (siehe Punkt 5.2). |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung 84 114 749.9 wurde das europäische Patent 0 144 965 aufgrund von elf Ansprüchen erteilt. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Putzmörtel als Trockenmörtel für das maschinelle Fördern und/oder Putzen in einer Schaumglasgranulat und nach einer Sieblinie zusammenpassende Zuschlagstoffe und Bindemittel enthaltenden Zusammensetzung, dadurch gekennzeichnet, daß der Gewichtsanteil des Schaumglasgranulats 8 bis 20 % bei einer Körnung von 1 bis 4 mm beträgt, daß es weiterhin 7 bis 15 Gewichtsprozente eines Mehls in Form von Kalksteinmehl, Trassmehl, Perlite, Quarzmehl und/oder Elektrofilterasche enthält und daß es weitere nach einer auf einen hohen Füllgrad ausgerichteten Sieblinie zum Schaumglasgranulat passende, ausschließlich mineralische Zuschlagstoffe und einen Gewichtsanteil von 10 bis 50 % eines mineralischen Bindemittels aufweist."
II. Gegen die Patenterteilung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende I) wegen fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a)) und die Einsprechende II (Verfahrensbeteiligte) wegen mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 100 b)) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a)) Einspruch ein. Zur Stütze ihrer Vorbringen haben die Parteien auf 5. Dokumente verwiesen, von denen im Beschwerdeverfahren nur die folgenden noch herangezogen wurden:
D1 FR-A-2 307 092
D5 Bergbau-Wissenschaft 13 (1966), Nr. 8, Seiten 323 - 326.
III. Die Einspruchsabteilung hat die Einsprüche zurückgewiesen. In der Entscheidung wird ausgeführt, daß die Anforderungen bezüglich der Ausführbarkeit der Erfindung erfüllt seien. Ohne Beweismittel, daß die beanspruchten Mischungen eine nicht ausreichende Entmischungsstabilität aufweisen würden, sei davon auszugehen, daß mit dem Putzmörtel gemäß Anspruch 1 das Entmischungsproblem gelöst werden könnte, und daß der Fachmann im Rahmen des Anspruchs 1 im Stande sei, einen entmischungsstabilen Putzmörtel herzustellen.
Der Putzmörtel gemäß Anspruch 1 unterscheide sich vom Putzmörtel gemäß D1 schon dadurch, daß der Putzmörtel ein Trockenmörtel sei. Weiter unterscheide er sich noch durch eine andere Körnung des Schaumglases und die Verwendung eines Mehls in einer Menge von 7 bis 15 Gew.-%.
Die Erfindung befasse sich mit der Aufgabe einen maschinell verarbeitbaren Trockenputz mit guter Wärmedämmung herzustellen. Keine der Entgegenhaltungen befasse sich mit diesem Problem. Gemäß D1 werde auch ein Putzmörtel mit guter Wärmedämmung hergestellt, jedoch handele es sich um einen Naßmörtel und es gebe keinen Hinweis, daß man bei Wegfall der wäßrigen Phase einen brauchbaren Trockenmörtel erhalte. Aus den Entgegenhaltungen gehe nicht in naheliegender Weise hervor, daß die gestellte Aufgabe durch einen Trockenmörtel gemäß Anspruch 1 gelöst werden könne.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde erhoben und eine Begründung hierzu eingereicht. Am 14. Juli 1994 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Die Beschwerdeführerin und die weitere Verfahrensbeteiligte wurden entsprechend ihren Mitteilungen von 3. März 1994 und 31. Januar 1994 in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten.
V. Zur Begründung der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin u. a. folgendes vorgetragen:
Die Bestandteile und ihre Mengen, wie sie in dem Putz nach D1 aufgeführt seien, stimmen mit dem des angegriffenen Patents überein. Die Ansicht der Einsprechenden II zu dem Entmischungsproblem, daß ohne Angabe von Dichte oder Gewicht der einzelnen Bestandteile dieses unlösbar sei, sei richtig. Es sei überhaupt nicht erkennbar, was die Patentinhaberin vorschlage, um dieser Entmischung zu entgehen, denn der wesentliche und andere Anteil in etwa 50 % der Mischung sei lediglich dadurch gekennzeichnet, daß "er nach einer auf einen hohen Füllgrad ausgerichteten Sieblinie zum Schaumglasgranulat passende, ausschließlich mineralische Zuschlagstoffe" enthalte. Diese Formulierung sei für den Fachmann keine Anweisung. Als Fachmann kenne er die DIN-Norm 1045 hinsichtlich der Zusammensetzung der Zuschläge, aber wie seien die Begriffe "Füllgrad" "Sieblinie" und "Zuschlagstoffe" auszulegen?
Bei D1 handele es sich auch um einen Trockenmörtel, der erst zum Zeitpunkt der Verarbeitung angemacht werde, genauso wie der Trockenmörtel des Streitpatents. Auf Seite 2 von D1 seien ein hydraulisches Bindemittel und mineralische Zuschlagstoffe genannt, wie sie in klassischen Putzen enthalten seien. Die Körnung des Schaumgranulats und die Verwendung eines Gesteinmehls seien auch erwähnt. Dem Fachmann sei es anheimgestellt, eine gröbere oder eine feinere Körnung zu verwenden. Mit D1 werde dem Streitpatent die Neuheit genommen.
Selbst wenn die Neuheit anerkannt werden sollte, so sei keinerlei erfinderisches Zutun zur Schaffung dieses Putzmörtels erforderlich. Der Putz bestehe aus Bindemittel, Zuschlagsstoffen und Glaskügelchen, d. h. Stoffe, die bekannt seien und in jedem Putz vorkommen könnten, wie durch D1 oder die US-A-4 086 098 nachgewiesen. Ein Fachmann wisse, wie er einen Putzmörtel oder Maschinenputzmörtel zusammensetzen könne oder müsse. Die in weiteren Grenzen variierenden Mengenangaben würden keine Erfindung ausmachen. D1 liefere einen Putz mit guter Wärmedämmung und dieser sei ein Trockenmörtel. Die Unterscheidung zwischen Trockenmörtel und Naßmörtel sei unsachgemäß. Es sei auch kein Vorurteil zu überwinden, da die Verwendung von Schaumglas in Mörtelmischungen bekannt sei. Das Problem der Entmischung sei erst in Spalte 2, Zeile 16 des Streitpatents erwähnt und es gehe aus diesem Absatz hervor, daß es sich bei dem vorliegenden Mörtelgemisch sowohl um einen trockenen als auch um einen nassen Mörtel handeln könne. In jedem Fall werde jede Mischung mit Bindemittel dieser Art trocken hergestellt und versandt. Erst für die Verarbeitung werde Wasser hinzugefügt. Naß und trocken sei also kein Merkmal zur Feststellung erfinderischer oder neuheitlicher Qualität.
In ihren Nachfolgeschriftsätzen hat die Beschwerdeführerin diese Argumente bekräftigt, bzw. ergänzt und sechs weitere Dokumente erstmalig im Beschwerdeverfahren zitiert, darunter "Lueger Lexikon der Technik", Band 11, Seite 549 (D7), "Lueger Lexikon der Technik", Band 10, Seite 487 (D10), und "Ullmans Encyklopädie der technischen Chemie", 4. Auflage, Band 2, Seite 302 (D12). Sie hat außerdem bezüglich der Neuheit, des Begriffs "Fachmann" und der erfinderischen Tätigkeit auf mehrere Entscheidungen und auf Singer, Kommentar, Europäisches Patentübereinkommen, Carl Heymanns Verlag verwiesen. Sie hat insbesondere vorgetragen, daß der Umstand, daß es sich bei D1 um einen Naßmörtel handele, von untergeordneter Bedeutung sei, weil die stoffliche Zusammensetzung sich dadurch nicht ändere. Der Fachmann erkenne, daß irgendwann der Naßmörtel ein Trockenmörtel sei, und daß bei ähnlicher oder identischer Zusammensetzung, lediglich ausprobiert werden müsse, ob sich der "trockene" Naßmörtel so verhalte, wie der im Streitpatent beschriebene Trockenmörtel. Das Problem der Entmischung habe die Patentinhaberin nicht gelöst. Die angebliche Entmischungsstabilität sei nur behauptet und an keiner Stelle bewiesen. Es sei nicht einmal in den Beispielen ausgeführt, wie die Mischung hergestellt werde. In den weiteren Versuchen der Beschwerdegegnerin (Schriftsatz vom 26. August 1991) seien weder eine Zusammensetzung der Gemische noch das Analyseverfahren angegeben. Gemäß D12 seien Korngröße - und Dichteunterschiede für die Entmischbarkeit von besonderem Einfluß. Die Dichteunterschiede der Bestandteile des Gemisches gemäß Streitpatent seien aber beträchtlich und ließen erkennen, daß die Herstellung entmischungsfester Mörtelmischungen praktisch unmöglich sei.
VI. Die Beschwerdegegnerin hat u. a. folgende Argumente vorgebracht:
D1 beschreibe einen Fertigmörtel auf Kunststoffdispersionsbasis, der in seiner Grundzusammensetzung bereits ohne weiteres verwendbar sei. Falls erwünscht, könne diesem Fertigmörtel kurz vor Verwendung noch eine Zement-Wasser-Mischung beigemischt werden. Infolge seines hohen Gehaltes an Kunststoffdispersionen sei der Fertigmörtel breiförmig oder flüssig. Diejenigen Probleme, welche beim Transport und Lagerung von Trockenmörteln auftreten würden, seien in D1 weder beschrieben, noch würden sie tatsächlich auftreten. Die Zusammensetzung Nr. 1 liege vor dem Zusatz der Zement-Wasser-Mischung schon in Form einer Paste vor, da sie mindestens 5 Gew.-% Wasser enthalte, d. h. mindestens die Hälfte der gesamten Wassermenge. Es sei aus der angegebenen Dichte des Putzmörtels zu entnehmen, daß er nicht maschinell förderbar sei.
Zur Nacharbeitbarkeit des patentierten Gegenstands sei zu bemerken, daß die Patentansprüche und die dazugehörige Beschreibung konkrete Angaben machen und daß die angegebenen Anweisungen von jedem Fachmann, aber auch von jedem Laboranten ohne weiteres nacharbeitbar seien. Er müsse nur die angegebenen Stoffe in der angegebenen Menge abwiegen und miteinander vermischen. Die Sieblinie der Zuschlagstoffe sei so einzustellen, daß insgesamt ein hoher Füllgrad resultiere, d. h. daß die Hohlräume zwischen den Schaumglasgranalien ausgefüllt werden. Der Fachmann sei in der Lage anhand der Angaben im Streitpatent diese Bedingung ohne weiteres zu erfüllen.
Zum Gegensatz "Trockenmörtel-Naßmörtel" sei anzumerken, daß das "Anmachen mit Wasser" beim sogenannten Naßmörtel bereits in der Fabrik geschehe. Der Mörtel werde dann mit Hilfe von Spezialfahrzeugen mit langsam rotierenden Behältern zur Baustelle transportiert und dort verarbeitet. Der sogenannte "Trockenmörtel" sei eine trockene, also wasserfreie Mischung, welche in diesem trockenen Zustand von der Fabrik zur Baustelle transportiert werde und eventuell längere Zeit zwischengelagert werde. Es sei in der Vergangenheit bei der Verwendung des erfindungsgemäßen Putzmörtels an einer Entmischung des Mörtels zurückzuführende Betriebsstörungen niemals beobachtet worden, obgleich inzwischen große Mengen dieses Mörtels hergestellt und verbraucht worden seien. Der Mörtel wurde dabei im trockenen Zustand teilweise über 300 - 500 km transportiert. Ferner würden die vom Erfinder weiter durchgeführte Versuche bestätigen, daß der erfindungsgemäße Mörtel lager- und transportstabil sei und sich ohne weitere Maßnahmen, wie zusätzliches Homogenisieren u. dgl. für die Verarbeitung in automatischen Putzmaschinen eigne.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin vorgetragen, daß der von der Beschwerdeführerin erst im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) unzulässig sei. Die Beschwerdeführerin habe ihren Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist ausschließlich auf die mangelnde Patentfähigkeit gemäß Artikel 100 a) gestützt, so daß ihr nur ein Beschwerderecht hinsichtlich des Artikels 100 a) zustehe (vgl. Artikel 107). Die Überprüfung des Patents in bezug auf den Einspruchsgrund des Artikels 100 b) sei dadurch beendet worden, daß die Einsprechende II von ihrem Beschwerderecht keinen Gebrauch gemacht habe. Im Hinblick auf die Entscheidung G 9/91 und die Stellungnahme G 10/91 sei davon auszugehen, daß ein Einsprechender, der seinen Einspruch auf einzelne Einspruchsgründe beschränke, bewußt auf die Geltendmachung der übrigen Einspruchsgründe verzichte. Daher könne er sich auch im Beschwerdeverfahren nur auf die von ihm ursprünglich geltend gemachten Einspruchsgründe stützen. Gemäß G 10/91 dürfen im Beschwerdeverfahren neue Einspruchsgründe nur mit dem Einverständnis der Patentinhaberin geprüft werden. Die Patentinhaberin gebe ihr Einverständnis für die Prüfung des für die Einsprechende I neuen Einspruchsgrundes nicht. Selbst wenn das Vorbringen der Beschwerdeführerin zulässig wäre, wäre es im Ergebnis unbegründet, da die Beschwerdeführerin keine stichhaltig nachprüfbare Indizien dafür geliefert habe, daß keine ausführbare Lehre zum technischen Handeln vorliege. Gemäß T 406/91 trage die Einsprechende die Beweislast für die fehlende Ausführbarkeit der Erfindung.
VII. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents beantragt. Die Verfahrensbeteiligte Einsprechende II hat im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt. Die Beschwerdegegnerin hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerdeführerin hat die Zulässigkeit des auf Artikel 100 b) gestützten Einspruchsgrundes bestritten, jedoch scheint sie die Zulässigkeit der Beschwerde nicht in Frage zu stellen. Die Beschwerdeführerin hatte wegen fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes des Patents (Artikel 100 a)) gegen das Patent Einspruch eingelegt und beantragt, daß das Patent aus diesen Gründen widerrufen wird. Durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die Einsprüche zurückzuweisen ist die Beschwerdeführerin zweifelsohne beschwert und die Beschwerde erfüllt daher die Anforderungen des Artikels 107 EPÜ. Die Beschwerde genügt auch den Erfordernissen der Artikel 106 und 108 und der Regel 64 und ist somit zulässig.
2. Die Kammer hat die Relevanz der mit der Beschwerdebegründung und den Nachfolgeschriftsätzen der Beschwerdeführerin, d. h. nach Ablauf der Einspruchsfrist und somit verspätet vorgelegte Dokumente US-A-4 086 098, US-A-3 764 357, DE-A-3 048 506 und US-A-3 183 107 geprüft. Sie ist zu dem Schluß gekommen, daß der Inhalt dieser Druckschriften nicht entscheidungserheblich ist, indem deren Berücksichtigung zu dem gleichen Entscheidungsergebnis führen würde. Infolgedessen werden diese Druckschriften nicht in das Verfahren eingeführt (vgl. Artikel 114 (2) EPÜ).
Die restlichen auch erstmalig im Beschwerdeverfahren zitierten Dokumente D7, D10 und D12 (Lueger Lexikon der Technik und Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie), die das allgemeine Fachwissen veranschaulichen, werden berücksichtigt.
3. Neuheit
D1 offenbart einen flüssigen oder pasteusen Putzmörtel für Außenputz, der Schaumglasgranulat als wärmedämmendes Material in einer Menge von mindestens 50 Vol.-% enthält, wobei das Schaumglasgranulat eine Körnung von 3 bis 9 mm aufweist (vgl. Seite 1, Zeilen 19 - 35, Ansprüche 1 und 2). Dieser Putzmörtel enthält außerdem Bindemittel, Zuschlagstoffe und die üblichen Zusatzstoffe. Das Bindemittel besteht zum Beispiel aus einer Dispersion plastischer Polymere im Wasser. Gemäß D1 kann man kurz vor Gebrauch ein hydraulisches Bindemittel (Kalk, Zement oder sonstiges) beimischen, um den Verputz zu erhärten und vorhandenes überschüssiges Wasser aufzunehmen (vgl. Seite 2, zeilen 8 - 15, Anspruch 4). Die auf Seite 3 beschriebenen Zusammensetzungen Nr. 1 und 2 enthalten einen relativ hohen Anteil an Wasser (siehe die 50 %ige Verdünnung der Dispersion von Vinyl- oder Acrylpolymeren in Wasser und den Wasseranteil des kurz vor Verwendung beigemischten hydraulischen Bindemittels), so daß sie nicht als Trockenmörtel betrachtet werden können. Diese Zusammensetzungen werden auch nicht in D1 als Trockenmörtelmischungen bezeichnet sondern stellen Beispiele der beanspruchten flüssigen oder pasteusen Putzmörtel dar und sind gebrauchsfertige Putzmörtel.
Hinsichtlich der Körnung des Schaumglasgranulates hat die Beschwerdegegnerin vorgetragen, daß das Schaumglasgranulat mit einer Körnung von 1 - 4 mm gemäß Streitpatent aus Granulaten mit unterschiedlichen, im Bereich von 1 bis 4 mm verteilten Korngrößen besteht. Ein solches Schaumglasgranulat unterscheidet sich von dem in D1 verwendeten Schaumglasgranulat mit einer Körnung von 3. - 9 mm durch eine andere Korngrößenverteilung. Somit unterscheidet sich der Trockenmörtel gemäß Anspruch 1 des Streitpatents gegenüber dem Putzmörtel nach D1 mindestens dadurch, daß es sich um einen Trockenmörtel handelt und daß das Schaumglasgranulat eine Körnung von 1 - 4 mm aufweist. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher gegenüber D1 neu. Es wurde nicht bestritten, daß die anderen zitierten Dokumente nicht neuheitsschädlich sind, so daß sich nähere Ausführungen hierzu erübrigen.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Aus den vorherstehenden Ausführungen hinsichtlich D1 geht hervor, daß D1 keinen Trockenmörtel sondern einen flüssigen oder pasteusen gebrauchsfertigen Mörtel betrifft. Unter diesen Umständen scheint dieses Dokument nicht den geeigneten Ausgangspunkt für die Aufgabenstellung darzustellen. Diejenigen Probleme, welche beim Massentransport von Trockenmörteln auftreten und welche dem Streitpatent zugrundeliegen, sind den Trockenmörtelmischungen ganz spezifisch und nicht vergleichbar mit den Problemen, die beim Transport von sog. Naßmörteln vorkommen. Wie die Beschwerdegegnerin vorgetragen hat, ist dabei in Betracht zu ziehen, daß Naßmörtel unter ganz anderen Bedingungen als Trockenmörtel zur Baustelle transportiert wird. Die weiteren innerhalb der Einspruchsfrist zitierten Dokumente betreffen keinen Putzmörtel. Unter diesen Umständen wird der in der Einleitung des Streitpatents erwähnte Stand der Technik bezüglich Putzmörtel in trocken gemischter Form als nächstliegender Stand der Technik betrachtet. Gemäß Spalte 1 des Streitpatents sind schaumglasgranulat-, bindemittel- und zuschlagstoffhaltige Trockenputzmörtel gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 seit langem bekannt. Als Beispiel dafür wird in Spalte 1 des Streitpatents auf das Dokument FR-A- 2. 329 608 verwiesen. Dieses Dokument offenbart einen leichten wärmedämmenden Putzmörtel als Trockenmörtel, der einen hohen Anteil an Schaumglasgranulat, andere leichte Zuschlagstoffe und ein mineralisches Bindemittel wie Zement, Kalk und Gips enthält.
Gemäß Streitpatent sind derartige Dämmputze nicht als Massengut zu transportieren und nicht ohne weiteres maschinenverarbeitbar. Der Trockenmörtel neigt dazu, sich in Leicht- und Schweranteile zu entmischen, so daß der Massentransport üblicher Art zu vermeiden ist.
4.2. Demgegenüber kann die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, einen maschinenverarbeitbaren Trockenputzmörtel mit guten Wärmedämmeigenschaften bereitzustellen, der für den Massentransport eine ausreichende Entmischungsstabilität aufweist.
Zur Lösung dieser Aufgabe wird ein Trockenmörtel mit den im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen Merkmalen vorgeschlagen. Dieser Trockenmörtel enthält 8 bis 20 Gew.-% eines Schaumglasgranulats mit einer Körnung von 1 bis 4 mm, 7 bis 15 Gew.-% eines Mehls in Form von Kalksteinmehl, Traßmehl, Perlite, Quarzmehl und/oder Elektrofilterasche, 10 bis 50 % eines mineralischen Bindemittels und weitere nach einer auf einen hohen Füllgrad ausgerichteten Sieblinie zum Schaumglasgranulat passende, ausschließlich mineralische Zuschlagstoffe.
4.3. Im Beispiel 1 des Streitpatents wurde ein Trockenmörtel nach Anspruch 1 hergestellt. In diesem Beispiel ist ausdrücklich erwähnt, daß dieser Trockenmörtel eine trockene, lose, schüttfähige und blasfähige Masse weitestgehend homogenisierter Zusammensetzung bildet, die sich beim Transport nicht entmischt und nach dem Anmachen mit Wasser mit bekannten Putzmaschinen verarbeitbar ist. Aus Spalte 2, Zeilen 16 - 21, des Streitpatents geht auch hervor, daß der Trockenmörtel gemäß Streitpatent eine ausreichende Entmischungsstabilität für den Massentransport aufweist. Aus Spalte 2, Zeilen 41 - 60, ist ferner zu entnehmen, daß der mit dem streitpatentgemäßen Putzmörtel erzielbare Festmörtel gute Wärmedämmeigenschaften besitzt. Im Hinblick auf diese Hinweise und auf Beispiel 1 und in Abwesenheit gegenteiliger Beweise hierzu hält die Kammer es für plausibel, daß durch die beanspruchte Trockenmörtel- Zusammensetzung die bestehende Aufgabe tatsächlich gelöst worden ist.
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift und in ihren Nachfolgeschriftsätzen, daß das Problem der Entmischung unter Berücksichtigung der beträchtlichen Dichteunterschiede der Bestandteile des Trockenmörtels gemäß Streitpatent nicht gelöst werden könne, wurden von der Beschwerdegegnerin bestritten und stehen im Widerspruch zu dem Hinweis im Beispiel 1 des Streitpatents. Die Kammer stellt jedoch fest, daß die Beschwerdeführerin keinen Beweis dafür erbracht hat, daß der Putzmörtel gemäß Streitpatent insbesondere gemäß Beispiel 1 beim Transport nicht entmischungsstabil ist, obwohl sie die Beweislast dafür trägt. In der vorliegenden Situation reicht die Behauptung der Beschwerdeführerin ohne jedes Beweismittel zur Stützung dieser Behauptung nicht aus, um die Kammer zu überzeugen, daß die bestehende Aufgabe in bezug auf die Entmischungsstabilität nicht gelöst worden ist.
4.4. D1, dessen Inhalt im Rahmen der Neuheitsprüfung (vgl. Punkt 3) schon erörtert worden ist, befaßt sich mit der Aufgabe einen Putzmörtel zu schaffen, der die Wärmedämmung von Gebäuden verbessert. Diese Aufgabe wird durch einen flüssigen oder pasteusen Putzmörtel gelöst, der Schaumglasgranulat als wärmedämmendes Material enthält. Um zufriedenstellende Dämmeigenschaften zu erzielen ist gemäß D1 notwendig, daß der Volumenanteil an Glaskügelchen im Putzmörtel mindestens 50 Vol.-% beträgt (vgl. Seite 1, Zeilen 1 - 4 und 19 - 30; Seite 2, Zeilen 21 - 25). Das Schaumglasgranulat weist eine Körnung von 3 - 9 mm auf, d. h. eine größere Körnung als das im Trockenmörtel gemäß Streitpatent verwendete Schaumglasgranulat. Die Wasser enthaltenden Fertigmörtel nach Beispiel 1 und 2 von D1 enthalten zwar Kalksteinmehl und Quarzmehl, jedoch ergibt sich nach Berücksichtigung der abzurechnenden Gewichtsteile an Wasser in der Dispersion von Vinyl- oder Acrylpolymeren (50 % Verdünnung), in der Zement-Wasser-Mischung (70/30 Teile) und in den Mörtelzusätzen (Zeilen 5 - 7, Wassermenge nicht angegeben), daß der gesamte Mehlgehalt in entsprechenden, nicht offenbarten Trockenmörteln außerhalb des beanspruchten Bereichs läge.
Wie schon in Punkt 3 oben ausgeführt, betrifft D1 keinen Trockenputzmörtel, sondern einen wasserenthaltenden Fertigmörtel und es wird dort auf das Entmischungsproblem, das beim Transport von Trockenputzmörtel auftritt überhaupt nicht eingegangen, geschweige denn auf Lösungswege zu diesem Problem. Insbesondere sind in D1 keine Hinweise zu finden, die den Fachmann dazu hätten anregen können, in den bekannten Trockenputzmörteln mit Schaumglasgranulat, Bindemittel und Zuschlagstoffe ein Schaumglasgranulat mit einer Körnung von 1 bis 4 mm und ein gesamter Mehlgehalt von 7 bis 15 Gew.-% zu verwenden, um in Kombination mit den restlichen Merkmalen des Anspruchs 1 einen beim Transport entmischungsstabilen Trockenputzmörtel für Dämmputze zu erhalten.
4.5. D5 befaßt sich mit den allgemeinen Problemen bei der Bunkerung von Schüttgütern und insbesondere mit der Entmischung des Schüttgutes beim Entleeren eines Bunkers. Auf Seite 324 ist festgestellt, daß es zwei Arten von Entmischung gibt, nämlich die Entmischung aufgrund der unterschiedlichen Korngrößen der Schüttkomponenten und die Entmischung aufgrund der unterschiedlichen Dichte der Schüttkomponenten. Die verschiedenen Faktoren, die die Entmischung beeinflussen sind genannt. Auf Seite 325 (linke Spalte, zweiter Absatz) geht hervor, daß die Entmischung durch eine leichte Abrundung der Auslauföffnung des Bunkers verringert werden kann. In D5 ist jedoch weder von Schaumglasgranulat noch von Trockenmörtelmischungen die Rede und dieses Dokument gibt keinen Hinweis darüber, wie im Falle einer Mischung von Zement, Schaumglasgranulat und weiteren Zuschlagstoffen die nötige Entmischungsstabilität beim Transport des Trockenmörtels erzielt werden könnte. Diese Feststellung gilt ebenfalls für D12, das auf den Einfluß von Korngröße- und Dichteunterschieden beim Mischen von Feststoffen gerichtet ist und die dabei auftretenden Entmischungsprobleme erwähnt.
4.6. In D7 und D10 handelt es sich weder um schaumglasgranulathaltige Trockenputzmörtel noch um die Entmischungsneigung solcher Trockenputzmörtel beim Transport. Sie enthalten keinen Hinweis, der den Weg zur beanspruchten Lösung vorzeichnen könnte.
4.7. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents und damit auch die der abhängigen Ansprüchen 2 bis 11 die Voraussetzungen gemäß Artikel 52 (1) EPÜ erfüllen.
5. Ausführbarkeit
5.1. Die Beschwerdeführerin hat zwar nicht ausdrücklich auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) verwiesen, jedoch ist aus ihrem Vorbringen in der Beschwerdeschrift und in den weiteren Schriftsätzen zu entnehmen, daß sie die Ausführbarkeit bzw. Nacharbeitbarkeit der Erfindung in Frage gestellt hat, zumal sie sich auf die Ausführungen der Einsprechenden II diesbezüglich berufen hat.
5.2. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin sei der von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Einspruchsgrund des Artikels 100 b) unzulässig. Dieser Grund stelle für die Beschwerdeführerin einen neuen Einspruchsgrund dar, für dessen Prüfung die Beschwerdegegnerin ihr Einverständnis nicht gebe. Diesbezüglich hat die Beschwerdegegnerin auf die Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer G 10/91 (ABl. EPA 1993, 421, Punkt 3) verwiesen (siehe Punkt VI oben).
In Punkt 18 von G 9/91 und G 10/91 wird erklärt, daß es Hauptzweck des mehrseitigen Beschwerdeverfahrens sei, der unterlegenen Partei eine Möglichkeit zu geben, die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich anzufechten. Die Prüfung von Einspruchsgründen, die nicht als Grundlage für die Entscheidung der Einspruchsabteilung gedient haben, entspreche nicht dieser Zweckbestimmung. Es wird ferner in Punkt 18 ausgeführt: "Wird ein neuer Einspruchsgrund zugelassen, so sollte der Fall in Anbetracht der vorstehend definierten Zweckbestimmung des Beschwerdeverfahrens zur weiteren Behandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden, sofern nicht besondere Gründe für eine andere Vorgehensweise sprechen". Der Begriff "neue Einspruchsgründe" scheint sich daher in G 9/91 und G 10/91 auf Einspruchsgründe zu beziehen, die von der Einspruchsabteilung noch nicht geprüft worden sind. Im Gegensatz dazu ist im vorliegenden Fall der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ von der Einspruchsabteilung schon geprüft worden und dieser Grund hat auch als Grundlage für die Entscheidung der Einspruchsabteilung gedient (vgl. Punkt 2.2 der angefochtenen Entscheidung). Daher läßt es sich nicht zweifelsfrei aus G 9/91 oder G 10/91 ableiten, daß die Kammer diesen Einspruchsgrund nur mit dem Einverständnis der Patentinhaberin überprüfen darf, wenn, wie im vorliegenden Fall, dieser Grund von einer Einsprechenden in ihrer Einspruchsschrift vorgebracht, dann von der Einspruchsabteilung geprüft und dann von der anderen Einsprechenden als einzigen Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren aufgegriffen wurde. Diese Frage sowie die Frage der "Zulässigkeit" dieses Einspruchsgrundes sind jedoch nicht entscheidungserheblich und können dahingestellt bleiben, denn selbst wenn der Einspruchsgrund unter Artikel 100 b) EPÜ zulässig wäre und im Beschwerdeverfahren überprüft werden dürfte, käme die Kammer zu dem Schluß, daß die Anforderungen bezüglich der Ausführbarkeit aus den nachstehenden Gründen erfüllt sind.
5.3. Wie schon im vorstehenden Punkt 4.3 festgestellt, hat die Beschwerdeführerin keinen Beweis dafür erbracht, daß der Trockenmörtel gemäß Beispiel 1 des Streitpatents beim Transport nicht entmischungsstabil ist. Ferner hat sie auch nicht bewiesen, daß die Angaben und Anweisungen im Beispiel 1, insbesondere die präzisen Mengen der einzelnen Bestandteile des Trockenmörtels, den Fachmann nicht in die Lage versetzen durch Vermischen der abgewogenen Mengen eine trockene Masse weitestgehend homogenisierter Zusammensetzung herzustellen, die beim Transport entmischungsstabil ist. Die Dichte der einzelnen Bestandteile sind zwar nicht erwähnt, jedoch handelt es sich dabei um bekannte Feststoffe deren Dichte entweder bekannt oder leicht feststellbar sind, wie dies in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt wurde.
Hinsichtlich der Bezugnahme auf eine passende Sieblinie der Zuschlagstoffe im Beispiel 1 bzw. im Anspruch 1 hat die Beschwerdeführerin selbst in ihrer Eingabe vom 20. Februar 1990 vorgetragen, daß dieses Merkmal "seit eh und je praktizierte bekannte Technik" sei. Daraus folgt, daß der Fachmann in der Lage ist auch diese Bedingung ohne weiteres zu erfüllen. Unter diesen Umständen und in Abwesenheit gegenteiliger Beweise hierzu würde die Kammer bei einer Prüfung des Einspruchsgrundes unter Artikel 100 b) EPÜ zu dem Schluß kommen, daß die im Streitpatent offenbarte Erfindung vom Fachmann ausgeführt werden kann.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.