T 0470/90 (Dampfverwertung/METALLGESELLSCHAFT) of 19.5.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:T047090.19920519
Datum der Entscheidung: 19 Mai 1992
Aktenzeichen: T 0470/90
Anmeldenummer: 84201933.3
IPC-Klasse: C07D 307/89
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum periodischen Beheizen des Produkt- abscheiders einer Anlage zur Herstellung von Phthalsäureanhydrid oder Maleinsäureanhydrid
Name des Anmelders: METALLGESELLSCHAFT AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Verfahrensvereinfachung - Keine Verbesserung in jeder Hinsicht erforderlich
Inventive step
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0057/84
T 0254/86
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung 84 201 933.3 wurde am 24. Dezember 1984 eingereicht und als EP-A-0 158 747 am 23. Oktober 1985 veröffentlicht (Patentblatt 85/43). Mit Entscheidung vom 2. März 1990 wurde sie von der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts zurückgewiesen.

II. Dieser Entscheidung lagen 3 Patentansprüche zugrunde. Anspruch 1 lautete:

"Verfahren zum periodischen Beheizen und Kühlen des Produktabscheiders einer Produktionsanlage zur Herstellung von Phthalsäureanhydrid (PSA) oder Maleinsäureanhydrid (MSA), dabei führt man dem Produktabscheider in der Kühlphase dampfförmiges Produkt zu, schaltet ihn in einen Kühlkreislauf ein und schlägt das Produkt an Kühlflächen des Abscheiders nieder, in der Beheizungsphase schaltet man den Produktabscheider in einen Wärmeträger-Flüssigkeit enthaltenden Heizkreislauf ein, heizt die Kühlflächen indirekt auf, schmilzt das Produkt ab und leitet es in flüssiger Form aus dem Abscheider, die Wärmeträger- Flüssigkeit wird mit Wärme aus Wasserdampf erhitzt, wobei Wasserdampf in zeitlich weitgehend konstanter Menge verwendet wird, der beim Erzeugen des dampfförmigen Produkts in der Produktionsanlage im Überschuß anfällt, dadurch gekennzeichnet, daß man

a) die Wärmeträger-Flüssigkeit in einem Wärmeaustauscher (Wärmeträger-Erhitzer) mit Wasserdampf aus der Produktionsanlage indirekt erhitzt,

b) zu Beginn des Produkt-Abschmelzvorgangs während der Zeitspanne des größten Dampfbedarfs dem Wärmeträger- Erhitzer ein Gemisch aus zwei Wasserdampfströmen zuführt, wobei der eine Wasserdampfstrom aus der Produktionsanlage kommt und der andere Wasserdampfstrom aus einem Wasserdampfspeicher herangeführt wird, in welchem ein Druck von etwa 3 bis 40 bar herrscht,

c) daß man dem Wasserdampfspeicher während der Zeitspanne, in der der Wärmeträger-Erhitzer außer Betrieb ist oder mit geringer Last betrieben wird, mit Wasserdampf aus der Produktionsanlage belädt und

d) daß der aus der Produktionsanlage kommende Wasserdampf einen Druck von 15 bis 40 bar aufweist."

III. In der Entscheidung wird ausgeführt, daß das Verfahren zwar neu sei, aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Aus EP-A-35 173 (Dokument (1)) sei bereits eine Anordnung zum periodischen Beheizen eines Produktabscheiders bekannt gewesen, wobei einem Heizkreislauf mit vorgegebener Temperatur ein Speicherkreislauf mit höherer Temperatur überlagert sei. Durch den Speicherkreislauf, d. h. einen Wärmespeicher, sei eine Glättung des Dampfbedarfs und somit eine sinnvollere Nutzung des Überschußdampfs möglich.

Zur Bereitstellung eines alternativen Verfahrens würde der Fachmann mit einer vernünftigen Aussicht auf Erfolg die Verwendung eines Dampfspeichers anstatt des Speicherkreislaufs gemäß Dokument (1) in Betracht ziehen, denn aus

(2) Lexikon der Energietechnik und Kraftmaschinen, Band 7 (1965), Seite 539

sei bekannt, daß solche Wärmespeicher sich besonders eignen, wenn Dampf zur Verfügung stehe. Die konstruktiven Änderungen in der Leitungsführung und Steuerung, die sich aufgrund der dem Fachmann bekannten Wirkungsweise zwangsläufig ergeben, könnten keinen Hinderungsgrund darstellen, die Benutzung von Dampfspeichern als Alternative für Ölspeicherkreise in Betracht zu ziehen.

IV. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 29. März 1990 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr von der Beschwerdeführerin eingelegte Beschwerde, die am 19. Mai 1990 begründet wurde.

Am 19. Mai 1992 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.

V. Die Beschwerdeführerin plädiert, das Verfahren nach Anspruch 1 beruhe auf erfinderischer Tätigkeit. Gegenüber dem bekannten Verfahren gemäß Dokument (1) sei das beanspruchte Verfahren einfacher und wirtschaftlicher durchzuführen; denn der bekannte Speicherkreislauf erfordere eine relativ große Menge Öl höherer Qualität, da im Kreislauf Temperaturen von etwa 250°C herrschten. Auch eine gewisse Störungsanfälligkeit der Kreislaufpumpe könne nicht ausgeschlossen werden. Der Ersatz des Speicherkreislaufes durch einen Dampfspeicher habe für den Fachmann aufgrund des Standes der Technik nicht nahegelegen. Zwar seien Dampfspeicher schon lange bekannt gewesen, sie seien jedoch bislang bei der Durchführung chemischer Herstellungsverfahren nicht verwendet worden. Außerdem erfordere die Umgestaltung des bekannten Verfahrens nicht nur den Ersatz des Speicherkreislaufs durch den Dampfspeicher, sondern auch regeltechnische Maßnahmen, die dem Stand der Technik nicht zu entnehmen seien.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent aufgrund der Patentansprüche 1 bis 3 zu erteilen, die in der mündlichen Verhandlung eingereicht wurden.

Der Patentanspruch 1 unterscheidet sich im wesentlichen vom obenstehenden Anspruch durch eine Präzisierung der unter (b) angegebenen Maßnahme in dem Sinne, daß der eine Strom direkt aus der Anlage kommt und der andere, größere Strom aus einem Wasserdampfspeicher herangeführt wird, und durch die Streichung der Druckangaben unter (b) und (d).

VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet, der Beschwerde stattzugegeben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64; sie ist zulässig.

2. Gegen die Fassung der Patentansprüche bestehen keine Bedenken im Hinblick auf Artikel 123 (2).

Anspruch 1 stützt sich auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 (bez. des Oberbegriffs und der Maßnahmen (a) und (c)), sowie auf Seite 5, 2. und 3. Absatz (bez. der Maßnahme (b)), Seite 4, 2. Absatz (bez. der Maßnahme "Kühlen" in der ersten Zeile des Anspruchs) und Seite 5, 3. Absatz (bez. der Maßnahme "in zeitlich weitgehend konstanter Menge verwendet wird"). Die spezifischen Druckangaben konnten gestrichen werden, da diese weder als erfindungswesentlich offenbart sind noch der Kammer zur Charakterisierung der Erfindung nötig erscheinen.

Die Ansprüche 2 und 3 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 4 und 6.

3. Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber den im Verfahren genannten Druckschriften neu ist. Da dieser Sachverhalt nicht streitig ist, erübrigen sich nähere Ausführungen hierzu.

4. Es verbleibt daher zu prüfen, ob das beanspruchte Verfahren auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4.1. Die Kammer beurteilt Dokument (1) gegenüber dem Gegenstand der vorliegenden Patentanmeldung als nächsten Stand der Technik. Dieses Dokument offenbart eine Anordnung zum Übertragen der Wärme und zum Ausgleichen der Wärmeprofile für Anlagen zur Herstellung von Phthalsäureanhydrid und Maleinsäureanhydrid mit mindestens einem Heiz-und Kühlkreis zum zyklisch alternierenden Heizen und Kühlen eines Produktabscheiders, wobei dem Heizkreis ein Speicherkreis mit höheren Temperaturen überlagert ist (vgl. Anspruch 1; Seite 1, 1. Absatz; und Seite 3, 1. bis 3. Absatz). Der Speicherkreis besteht aus einem Wärmespeicher 8, einer Umwälzpumpe 9 und einem Aufheizer 10 (vgl. Seite 3, Zeilen 19 und 20, und Fig. 1). In dem Aufheizer wird ein Wärmeträger mit Dampf aus der exothermen Reaktion auf eine Temperatur gebracht, die höher liegt als die des Wärmeträgers im Heizkreis, wobei die zuzuführende Dampfmenge so geregelt wird, daß sie über dem gesamten Zyklus gleich ist und dem durchschnittlichen Wärmebedarf des Heizkreises entspricht (vgl. Seite 3, Zeilen 22 bis 30, und Seite 4, Zeilen 26 bis 29). Als Wärmeträger im Speicherkreis wird zweckmäßig das gleiche Medium wie im Heizkreis eingesetzt, so daß die Wärme aus dem Speicherkreis auf den Heizkreis durch Mischen übertragen werden kann (vgl. Seite 2, Zeilen 24 bis 29, und die Ansprüche 2 und 3).

Die Beschwerdeführerin räumt ein, daß hierdurch eine Glättung des Dampfbedarfs für das zyklisch alternierende Heizen und Kühlen des Produktabscheiders und dadurch eine sinnvolle Nutzung des Überschußdampfs erreicht wird. Der Einsatz des Speicherkreises hat den weiteren Vorteil, daß man kurze Aufheizzeiten für das Abschmelzen des Produkts im Abscheider benötigt (vgl. Beispiel 2). Der Speicherkreis hat jedoch den schwerwiegenden Nachteil, daß er aufwendig ist, weil, wegen der hohen Temperaturen von etwa 250°C (vgl. Seite 5, Zeilen 24 bis 28), Wärmeträger hoher Qualität, wie ein besonders umweltgefährliches Gemisch aus Diphenyl und Diphenyloxid, nötig sind (vgl. Seite 3, Zeilen 22 bis 25). Außerdem muß der Speicherkreis mit einer störungsanfälligen Umwälzpumpe betrieben werden.

4.2. Gegenüber diesem nächsten Stand der Technik, kann die anmgeldungsgemäß bestehende technische Aufgabe deshalb darin gesehen werden, ein Verfahren zum periodischen Beheizen und Kühlen des Produktabscheiders einer Anlage zur Herstellung von Phthalsäureanhydrid oder Maleinsäureanhydrid vorzuschlagen, mit dem der Ausgleich des schwankenden Wärmebedarfs in der Weise, daß ständig eine bestimmte Menge an überschüssigem Wasserdampf zur Verfügung steht und zu anderen Zwecken genutzt werden kann, auf einfachere und wirtschaftlichere Weise möglich ist (vgl. auch Seite 2, Zeilen 6 bis 9 der ursprünglichen Patentanmeldung).

4.3. Zur Lösung dieser Aufgabe werden die in Anspruch 1 angegebenen Maßnahmen vorgeschlagen. Diese beinhalten im wesentlichen den Ersatz des Speicherkreises durch einen Wasserdampfspeicher und die Verwendung einer zeitlich weitgehend konstanten Menge Dampf derart, daß während der Zeitspanne des größten Dampfbedarfs dem Wärmeträger- Erhitzer ein Gemisch aus zwei Wasserdampfströmen zugeführt wird, wobei der eine Strom direkt aus der Anlage kommt und der andere, größere Strom aus dem Wasserspeicher herangeführt wird, und während der Zeitspanne, in der der Wärmeträger-Erhitzer mit geringer Last betrieben wird oder außer Betrieb ist, den Wasserdampfspeicher beladen wird.

4.4. Aufgrund der Angaben in der Beschreibung der ursprünglichen Patentanmeldung, wonach der Wasserdampfspeicher nur geringe Abmessungen zuläßt und als Wärmeträger-Flüssigkeit kostengünstige Öle auf Mineralölbasis verwendet werden können (vgl. Seite 3, Zeilen 2 bis 13 sowie das Beispiel) erscheint es der Kammer glaubhaft, daß die bestehende Aufgabe mit dem vorgeschlagenen Verfahren gelöst wird.

In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß die Kammer die anmeldungsgemäß gegenüber (1) erzielten Vorteile für so gravierend ansieht, daß der von der Beschwerdeführerin eingeräumte Nachteil längerer Abschmelzzeiten ihres Verfahrens nicht ins Gewicht fällt (vgl. auch T 57/84, ABl. EPA 1987, 53, insbesondere Abschnitt 7.2.4, sowie T 254/86, ABl. EPA 1989, 115, Abschnitt 6).

4.5. Es ist nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen für die Lösung der vorstehend definierten Aufgabe im anmeldungsgemäßen Sinn bot.

4.6. Dokument (1) beschreibt - wie bereits ausgeführt - eine Einrichtung zum periodischen Aufheizen und Kühlen eines Produktabscheiders einer Anlage zur Herstellung von Phthalsäureanhydrid oder Maleinsäureanhydrid, die einen Kühlkreis und einen Heizkreis enthält, wobei dem Heizkreis ein Speicherkreis mit höheren Temperaturen überlagert ist, so daß eine Glättung des Dampfbedarfs und kurze Aufheizzeiten erzielt werden. Dieses Dokument enthält somit keinen Anhaltspunkt, geschweige denn eine Anregung dafür, auf den dort als wesentlich herausgestellten Speicherkreis zu verzichten.

4.7. Dokument (2) stellt, nach Auffassung der Kammer, allgemeines Fachwissen dar. Es beschreibt, daß Wärmespeicher die Aufgabe haben, vorübergehend nicht benötigte Wärme, besonders Dampf von Kesseln oder Abwärme von Kraftmaschinen oder Wärmeprozessen, zu speichern, bis Wärmebedarf auftritt und daß dadurch eine bessere Ausnutzung der Wärmeerzeugungsanlagen und/oder eine Verbesserung der Wärmewirtschaft erreicht wird (vgl. linke Spalte, 1. Absatz). Ferner finden sich dort die weiteren Hinweise, daß Dampfspeicher, die eine spezifische Ausführungsform von Wärmespeichern sind, oft eine Erweiterung der Produktionsanlagen ohne Vergrößerung des Kesselhauses ermöglichen, und daß die Schwankungen des Dampfleistungsgangs meist größer werden, da der Wärmeverbraucher seinen Bedarf nun decken kann, ohne durch die Erzeugungsleistung der Kesselanlage begrenzt zu werden (vgl. linke Spalte, 2. Absatz).

Diese Information richtet sich demnach an den Fachmann, der um die Erweiterung seiner Produktionsanlage ohne gleichzeitige Vergrößerung der Energiekapazität hierfür bemüht ist, einer Aufgabe also, die in keinem technischen Zusammenhang zu der anmeldungsgemäß bestehenden Aufgabe steht; denn letztere zielt darauf ab, auf einfachere und wirtschaftlichere Weise den schwankenden Dampfbedarf zum alternierenden Beheizen und Kühlen eines Abscheiders in der Weise zu glätten, daß ständig eine bestimmte Menge an überschüssigem Wasserdampf (gemäß dem Beispiel 90 %) zu anderen Zwecken zur Verfügung steht. Dokument (2) bot daher dem Fachmann keinerlei Aussicht auf die Lösung der anmeldungsgemäßen Aufgabe.

Auch der für die Kammer derzeit unwiderlegbare Vortrag der Beschwerdeführerin, wonach Dampfspeicher in chemischen Herstellungsverfahren bislang nicht eingesetzt wurden, obwohl sie seit mindestens 50 Jahren bekannt sind, spricht für erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens.

4.8. Aus alledem folgt, daß die Lösung der bestehenden Aufgabe durch die beanspruchten Maßnahmen daher für den Fachmann nicht naheliegend war. Die Gegenstände des Anspruchs 1 und der darauf rückbezogenen Ansprüche 2 und 3 beruhen somit auf erfinderischer Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent aufgrund der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 bis 3 zu erteilen.

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