European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1991:T039490.19910320 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 März 1991 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0394/90 | ||||||||
Anmeldenummer: | 85114656.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65H 29/40 B65H 9/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zum Ausrichten einer sogenannten Wicketer- Stapelstation auf eine Bahnkante | ||||||||
Name des Anmelders: | Windmöller & Hölscher | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Inventive step (yes) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung 85 114 656.3 (Veröffentlichungsnummer 0 182 343) wurde von der Prüfungsabteilung mit Entscheidung vom 18. Dezember 1989 zurückgewiesen.
II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung im Hinblick auf einen nicht belegten, auf S. 2 der ursprünglich eingereichten Beschreibung gewürdigten Stand der Technik und das handwerkliche Können des Fachmanns auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 22. Januar 1990 unter gleichzeitiger Bezahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ging am 16. März 1990 ein.
IV. Am 20. März 1981 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in welcher die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
- Patentansprüche: 1 bis 3, eingegangen in der mündlichen Verhandlung
- Beschreibung: Seiten 1 bis 4a, 5, 6, eingereicht in der mündlichen Verhandlung
- Figuren: wie angemeldet.
V. Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Vorrichtung zur Ausrichtung einer Wicketer- Stapelstation in bezug auf die Kante einer Kunststoffschlauch-oder -halbschlauchbahn, bei der die Wicketer-Stapelstation aus einem längsverschieblichen Wicketergestell (3) mit um eine Welle (4) rotierenden Transportarmen (5) zur Übernahme von von der Kunststoffschlauch- oder - halbschlauchbahn (10) abgeschweißten Beuteln, einem auf einem Grundrahmen (32) längsverschieblichen Endgestell (17), welches über einen Träger (18) mit dem Wicketergestell verbunden ist, und einer zwischen dem Wicketergestell (3) und dem Endgestell (17) verlaufenden durch einen Endlosförderer (14, 15, 16) gebildeten Stapelstrecke besteht, die intermittierend angetriebene Zugmittel (14) mit Stapelstiftpaaren (12, 13) aufweist, auf welche die mit eingestanzten Positionslöchern versehenen Beutel aufgenadelt werden, wobei die Vorrichtung eine Stelleinrichtung (24, 25, 26) zum Querverschieben der Wicketer-Stapelstation entsprechend einer gemessenen Kantenabweichung aufweist und das Wicketergestell (3) mit mindestens einer auf Rollen (23) oder Gleitflächen eines Tragrahmens (22) abgestützten Querschiene (20, 21) versehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Stelleinrichtung (24, 25, 26) ausschließlich an dem Wicketergestell (3) angreift, daß das Endgestell (17) auf längsverlaufenden Schienen (31) seines Grundrahmens (32) durch Laufrollen (30) derart abgestützt ist, daß es um kleine Winkel auf dem Grundrahmen (32) drehbar ist, daß der das Wicketergestell (3) mit dem Endgestell (17) verbindende Träger (18) biegesteif ausgeführt ist und daß das Wicketergestell (3) mit dem Endgestell (17) zusätzlich durch einen Mittelträger (19) der Stapelstrecke verbunden ist."
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.
2. Die Fassung des geltenden Anspruchs 1 stützt sich auf die Ansprüche 1, 4 und 5 sowie auf Seite 5, Absatz 3 der ursprünglich eingereichten Unterlagen. Die geltenden Ansprüche 2 und 3 enthalten die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 2 und 3.
Die Beschreibungseinleitung wurde an die Neuformulierung der Ansprüche angepaßt. Des weiteren wurden im Recherchenbericht genannte Dokumente in der Beschreibungseinleitung zitiert und gewürdigt.
Die Änderungen verstoßen daher nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
3. Der Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 ist von einer aus der Praxis bekannten nach Aussage der Anmelderin offenkundig vorbenutzten Wicketerstapelstation hergeleitet, wie sie auf Seite 2, letzter Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung gewürdigt und in der am 9. August 1989 eingereichten Zeichnungsskizze dargestellt wurde.
Im Vergleich mit den aus den im Recherchenbericht genannten Dokumenten bekannten Vorrichtungen kommt die aus der Praxis bekannte Wicketer-Stapelstation dem Gegenstand des Anspruchs 1 am nächsten. Der Anspruch 1 entspricht mithin der Regel 29 (1) a).
Bei dieser vorbenutzten Wicketer-Stapelstation ist zunächst einmal eine Längsverschieblichkeit sowohl des Wicketergestells wie auch des Endgestells gegeben, so daß die gesamte Wicketer-Stapelstation zu Reparatur- und Wartungszwecken in Längsrichtung verschoben werden kann. Des weiteren sind sowohl das Wicketergestell als auch das Endgestell auf Querschienen aufgelagert, was eine Querverschiebung der gesamten Wicketer-Stapelstation zur Förderrichtung der Beutel und damit eine Ausrichtung der Stapelstrecke entsprechend der gemessenen Kantenabweichung ermöglicht.
Gemäß dieser vorbenutzten Wicketer-Stapelstation müssen jedoch sowohl das Wicketergestell als auch das Endgestell mittels motorgetriebener Zahnräder und entsprechender Gestänge synchron angetrieben werden. Dabei müssen entsprechend große Massen bewegt werden, die beispielsweise beim Endgestell insbesondere daraus resultieren, daß dieses den Antriebsmotor für das Stapelband aufnimmt. Der gesamte Verstellmechanismus ist insgesamt nicht nur verhältnismäßig kompliziert aufgebaut, was beispielsweise auch aus der notwendigen Synchronisation für die Antriebe der beiden Gestelle resultiert, sondern die Stapelstation ist wegen der verhältnismäßig großen zu bewegenden Massen träge und schwerfällig und dadurch einem Versatz der Bahn in Querrichtung nicht mit der nötigen Genauigkeit nachzuführen.
Die der angefochtenen Patentanmeldung zugrundeliegende Aufgabe kann daher, wie in der veröffentlichten Anmeldung auf Seite 3, Zeilen 1 bis 3 angegeben, darin gesehen werden, eine einfachere und feinfühligere Anpassung der Wicketer-Stapelstation mit Stapelstrecke an einen Versatz der Bahn zu ermöglichen.
Diese Aufgabe wird, wie im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegeben, dadurch gelöst, daß a) die Stelleinrichtung ausschließlich an dem Wicketergestell angreift, b) das Endgestell auf längsverlaufenden Schienen seines Grundrahmens durch Laufrollen derart abgestützt ist, daß es um kleine Winkel drehbar auf dem Grundrahmen drehbar ist, c) der das Wicketergestell mit dem Endgestell verbindende Träger biegesteif ausgeführt ist und d) das Wicketergestell mit dem Endgestell zusätzlich durch einen Mittelträger der Stapelstrecke verbunden ist.
4. Wie sich aus den Ausführungen im vorstehenden Abschnitt 3 ergibt, unterscheidet sich die Vorrichtung nach Anspruch 1 von der aus der Praxis bekannten Wicketer-Stapelstation durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs aufgeführten Merkmale a) bis d). Diese Merkmale sind auch bei den Vorrichtungen nach den im Recherchenbericht genannten Dokumenten nicht verwirklicht. Die Vorrichtung nach Anspruch 1 ist daher gegenüber diesem Stand der Technik neu. Dies wurde schon bei dem weniger stark eingeschränkten Anspruch 1 gemäß dem angefochtenen Zurückweisungsbeschluß nicht bestritten.
5. Die Prüfung, ob sich der Gegenstand des Anspruchs 1 aus diesem Stand der Technik in naheliegender Weise ergibt, führt zu folgendem Ergebnis:
5.1. Die im Recherchenbericht genannten Dokumente sind schon deshalb nicht geeignet, dem Fachmann die durch die Merkmale a), b), c) und d) verwirklichte Lösung der gestellten Aufgabe nahezulegen, weil diese Merkmale dort nicht vorhanden sind. Von diesen Dokumenten betrifft nur die GB-A-2 094 765 eine Wicketer-Stapelstation. Eine Ausrichtung der Wicketer-Stapelstation auf die Bahnkante bei Bahnverzug, geschweige denn die hierfür beanspruchte spezielle Lösung gemäß dem geltenden Anspruch 1, sind hier jedoch nicht angesprochen.
5.2. Im Zurückweisungsbeschluß, der sich allerdings auf einen allgemeineren Anspruch 1 bezieht, wurde die erfinderische Tätigkeit im wesentlichen mit der Begründung verneint, daß die beanspruchte Lösung der der Anmeldung zugrundeliegenden Aufgabe im Bereich des handwerklichen Könnens läge.
Diese Wertung wird jedenfalls der Lehre des nunmehr geltenden Anspruchs 1 nicht gerecht, da es einer Vielzahl konstruktiver Überlegungen bedurfte, um von dem nächstliegenden Stand der Technik zu der Lehre des Anspruchs 1 zu gelangen, nämlich:
- zunächst der vom nächstliegenden Stand der Technik abweichende Gedanke, die Stelleinrichtung nur an einem Gestell vorzusehen, so daß die Transmission zum anderen Gestell eingespart werden kann;
- sodann die Überlegung, daß speziell das Wicketergestell mit der verbleibenden Stelleinrichtung zu versehen ist, da dort die nötige Genauigkeit erforderlich ist;
- ferner das Erkennen, daß die Toleranzen zwischen den zur Längsverschiebung des Endgestells ohnehin vorhandenen Laufrollen und dem Grundrahmen ausreichen, um das Endgestell ohne Querverschiebung um den erforderlichen kleinen Winkel zu drehen;
- weiter das Erkennen, daß der Träger, der das Wicketergestell und das Endgestell verbindet, biegesteif ausgeführt werden muß, damit der Träger erlaubt, das Endgestell ohne Verwindung drehend mitzuschleppen;
- und schließlich die Überlegung, daß neben dem nunmehr biegesteif ausgeführten Träger zur Verhinderung des Abrutschens des Endlosförderers von den Umlenkrädern, bei eventuell dennoch auftretenden Verwindungen, ein Mittelträger der Stapelstrecke zur weiteren Versteifung der Verbindung zwischen dem Endgestell und dem Wicketergestell vorzusehen ist.
Nach Auffassung der Kammer kann bei dieser Vielzahl von jeweils im Stand der Technik kein Vorbild findenden Überlegungen und konstruktiven Maßnahmen nicht davon gesprochen werden, daß der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zu der erfinderischen Lösung hätte kommen können.
5.3. Dazu kommt, daß die beanspruchte Lösung der gestellten Aufgabe auf der schon oben erwähnten Erkenntnis beruht, daß das Spiel in Querrichtung zwischen den Laufrollen des Endgestells und deren Längsführung ausreicht, um das Endgestell ohne Querverschiebung um kleine Winkel zu drehen. Diese Erkenntnis, die zu einer erheblichen Vereinfachung des Verschiebemechanismus führt, findet im Stand der Technik nicht nur keine Anregung oder Stütze, sondern weicht grundlegend von der dort vermittelten technischen Lehre ab, so daß schon der betreffende Schritt für sich geeignet erscheint, die erfinderische Tätigkeit zu begründen (vgl. T 113/82, ABl. EPA 1984, 10).
5.4. Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) beruht. Dieser Anspruch ist daher gewährbar.
6. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 3 haben besondere Ausführungen der Erfindung nach Anspruch 1 zum Gegenstand und können deshalb gleichfalls gewährt werden.
Die Beschreibung ist an dem Wortlaut der Ansprüche angepaßt und entspricht auch sonst im wesentlichen den Erfordernissen der Regel 27 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, ein Patent mit den in Abschnitt IV genannten Unterlagen zu erteilen.