T 0352/90 (Energieerzeugungsanlage/ASEA STAL) of 11.11.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:T035290.19921111
Datum der Entscheidung: 11 November 1992
Aktenzeichen: T 0352/90
Anmeldenummer: 84104821.8
IPC-Klasse: F23R 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 919 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Energieerzeugungsanlage mit einer Wirbelbettbrenn- kammer
Name des Anmelders: ASEA Stal Aktiebolag
Name des Einsprechenden: Deutsche Babcock Aktiengesellschaft
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Inventive step (yes)
Amendments - added subject-matter (no)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0169/83
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 28. April 1984 angemeldete und am 14. November 1984 veröffentlichte europäische Patentanmeldung 84 104 821.8 ist am 1. April 1987 das europäische Patent 0 124 842 erteilt worden.

II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen, da seinem Gegenstand gegenüber dem Stand der Technik die erforderliche erfinderische Tätigkeit fehle.

Zur Stützung ihres Einspruchs verwies sie auf folgende Entgegenhaltungen:

1. DE-C-948 105 (D1)

2. Bericht DOE/MC/14129-173 von NCB Coal Utilization Research Laboratory, Leatherhead, England Februar 1981, A.G. Roberts et al. "Pressurized Fluidized Bed Combustion", Volume III - Test 2 Results (D2)

III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) widersprach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und beantragte, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage von neuen, in der mündlichen Verhandlung vom 1. Juni 1989 überreichten Ansprüchen 1 und 10 sowie den erteilten Ansprüchen 2 bis 9 und 11 bis 17 nebst einer angepaßten Beschreibung und der Zeichnung in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.

IV. Die Einspruchsabteilung hat in einer Zwischenentscheidung vom 5. März 1990 im Sinne von Artikel 106 (3) EPÜ festgestellt, daß im Hinblick auf Artikel 102 (3) EPÜ die Erfordernisse dieses Übereinkommens der Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Basis der in der Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ vom 18. Oktober 1989 angegebenen Unterlagen nicht entgegenstehen.

V. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 25. April 1990 unter gleichzeitiger Entrichtung der Gebühr Beschwerde erhoben. In der am 19. Juni 1990 eingegangenen Beschwerdebegründung nannte sie noch als Entgegenhaltung

US-A-4 135 885 (D3)

VI. In der mündlichen Verhandlung vom 11. November 1992 hat die Beschwerdegegnerin neue Unterlagen eingereicht, deren unabhängiger Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

"Energieerzeugungsanlage mit einer Wirbelbettbrennkammer (8) zur Verbrennung eines dem Wirbelbett (14) zugeführten Brennstoffes und mit Anordnungen zur Überführung von Bettmaterial aus der Brennkammer (8) in zumindest einen Vorratsbehälter (21) und umgekehrt, mit einer separaten Ausschubleitung (22) für die Überführung von Bettmaterial aus der Brennkammer in den Vorratsbehälter (21), wobei der Transport von Bettmaterial durch die Ausschubleitung (22) durch ein Ventil (31) steuerbar ist, und mit einer separaten Rückführleitung (23) für die Rückführung von Bettmaterial aus dem Vorratsbehälter (21) in die Brenn- kammer, wobei zum Transport des Bettmaterials durch diese Leitung über ein an eine Druckgasquelle angeschlossenes Ventil (30) Druckgas zuführbar ist,

dadurch gekennzeichnet,

daß zur Steuerung der Betthöhe der Brennkammer in Abhängigkeit von den Betriebsverhältnissen und zur Vermeidung eines direkten Kontaktes von beweglichen Teilen der Überführungsanordnung mit dem heißen erosiven Bettmaterial

- der Vorratsbehälter (21) über eine mit dem Ventil (31) versehene Leitung (34) an einen Raum angeschlossen ist, in dem ein geringerer Druck als in der Brennkammer (8) herrscht,

- die Ausschubleitung (22), welche die Brennkammer (8) mit dem Vorratsbehälter verbindet, keine Ventile mit beweglichen Teilen aufweist,

- das Bettmaterial im wesentlichen gegen die Wirkung der Schwerkraft aus der Brennkammer in den Vorratsbehälter (21) gefördert wird,

- in der Rückführleitung (23) vom Vorratsbehälter zur Brennkammer ein Materialschloß (51) vorhanden ist, welches einen durch die Wirkung der Schwerkraft ausgelösten ungewollten Transport von Bettmaterial aus dem Vorratsbehälter in die Brennkammer verhindert,

- und das Materialschloß (51) über das genannte, an eine Druckgasquelle (11) angeschlossene Ventil (30) steuerbar ist."

VII. Die Beschwerdeführerin stützt ihre Beschwerde im wesentlichen auf folgende Argumente:

- Die Merkmale nach Anspruch 1, daß die Ausschubleitung, welche die Brennkammer mit dem Vorratsbehälter verbinde, keine Ventile mit beweglichen Teilen aufweise, und daß das Bettmaterial im wesentlichen gegen die Wirkung der Schwerkraft aus der Brennkammer in den Vorratsbehälter gefördert werde, seien nicht als in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart anzusehen.

- Als relevante Entgegenhaltung sei der Stand der Technik nach der D2 anzusehen, wobei insbesondere die Offenbarung nach Figur 2 in Verbindung mit Figur A1 zu beachten sei. Für die Funktion der Anlage nach Figur 2 der D2 sei das dort im Bodenbereich der Brennkammer vorgesehene "Kamyr"-Ventil nicht notwendig, da im unteren Teil der Brennkammerausschubleitung ein Materialschloß vorgesehen sei. Der Figur A1 mit zugehöriger Beschreibung der D2 sei zu entnehmen, daß der Vorratsbehälter über eine mit Ventil ("butterfly valve") versehene Leitung an einen Raum angeschlossen sei, in dem ein geringerer Druck als in der Brennkammer herrsche. Aus Abschnitt 4.2 auf Seite 4 der D2 gehe hervor, daß zum Transport von Bettmaterial vom Wirbelbett zum Vorratsbehälter nur der Aufbau eines Druckunterschieds zwischen Brennkammeraustritt und Vorratsbehälter erforderlich sei, ohne daß es zusätzlich eines Fördergasstroms bedürfe.

- Das verbleibende unterschiedliche Merkmal des Anspruchs 1 gegenüber der Anlage nach der D2, nämlich die getrennte Ausbildung von Ausschubleitung und Rückführleitung, gehe aus der D3 als bekannt hervor, wobei diese Entgegenhaltung sich ebenfalls mit dem Problem der Steuerung der Betthöhe der Brennkammer zur Laständerung befasse.

Wenn bei der Anlage nach Figur 2 der D2 auf das "Kamyr"-Ventil verzichtet werde, verbleibe zwar nach Beendigung der Förderung von Bettmaterial zum Vorratsbehälter noch teilweise Bettmaterial im unteren Teil der Förderleitung, was beim Austritt von Sauerstoff enthaltendem Gas aus der Brennkammer zu schädlicher "Materialverbackung" bzw. Materialsinterung führen könne; dies sei jedoch auch bei der Erfindung der Fall, wo zumindest bei den Lösungen nach Figur 1 und 2 der Zeichnung in den dort vorgesehenen horizontal verlaufenden Bereichen der Ausschubleitung Bettmaterial nach Beendigung des Ausschubvorgangs sich absetzen und zu "Verbackungen" führen könne.

- Der Fachmann sei veranlaßt, das durch die D3 bekannte Prinzip des Einbaus von separaten Leitungen für den Materialausschub und die Materialrückführung auf die Anlage nach der D2 zu übertragen, wobei er in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelange.

Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents 0 124 842.

VIII. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten 17 Patentansprüche nebst Beschreibung und 5 Blatt Zeichnungen aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen wie folgt:

- Das Merkmal, daß die Ausschubleitung keine Ventile mit beweglichen Teilen aufweise, sei der Gesamtbeschreibung der Anlage hinsichtlich Aufgabe und Funktion zu entnehmen. Insbesondere lasse die ursprüngliche Fassung der Aufgabe klar erkennen, daß die in direktem Kontakt mit dem heißen, erosiven Bettmaterial stehenden Bauelemente keine beweglichen Teile aufweisen sollten. Dies werde auch durch die detaillierte Beschreibung der Funktion der Anlage in Verbindung mit der Zeichnung bestätigt. Das Merkmal, daß das Bettmaterial im wesentlichen gegen die Wirkung der Schwerkraft aus der Brennkammer in den Vorratsbehälter gefördert werde, sei den Figuren 1 bis 3 der ursprünglichen Zeichnung zu entnehmen, wo ersichtlich sei, daß die Förderung des Bettmaterials von der Brennkammer in den Vorratsbehälter über einen wesentlichen Bereich der Ausschubleitung nach oben erfolge.

Bei der Anlage nach Figur A1 der D2 handle es sich um eine Modellausführung, bei welcher der Materialtransport simuliert worden, die Brennkammer jedoch nicht funktionsfähig gewesen sei. Nachdem bei dieser Modellanlage keine Verbrennungsprodukte in der Leitung vorhanden gewesen seien, sei auch kein Ventil am Brennkammeraustritt notwendig gewesen. Bei der für den Vollbetrieb vorgesehenen Anlage nach Figur 2 der D2 sei das Ventil dagegen unverzichtbar, da ohne dieses in das dicht aneinanderliegende Material im unteren Teil der Leitung eindringender Sauerstoff zu Materialsinterung und damit Verstopfung der Leitung führen würde. Die Anlagen nach Figur A1 und Figur 2 der D2 dürften daher wegen ihrer unterschiedlichen Funktionen nicht einander gleichgesetzt bzw. miteinander kombiniert werden.

- Die Anlage nach Figur 2 der D2 komme beim Materialtransport nicht ohne die Zuführung von Transportgas aus, was aus Abschnitt 4.2 klar hervorgehe; da hierbei im Gegensatz zur Erfindung nicht Gas aus der Brennkammer, sondern Fremdgas verwendet werden müsse, werde außerdem das geförderte Bettmaterial in unerwünschter Weise abgekühlt. Bei der Erfindung bestehe die Gefahr des Sinterns von Bettmaterial nicht, da die Ausschubleitung nach Beendigung des Ausschubvorganges im wesentlichen von Bettmaterial frei sei.

- Bereits die Aufgabenstellung der Erfindung sei als neu anzusehen, da der diskutierte Stand der Technik keinen Hinweis auf die Vermeidung von beweglichen Teilen gebe, die in direktem Kontakt mit dem heißen Bettmaterial stünden. Da außerdem weder die D2 noch die D3 auf Materialleitungen verzichteten, die frei von Ventilen mit beweglichen Teilen seien, könne auch ihre Kombination nicht zur Anlage nach Anspruch 1 führen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Änderungen der Ansprüche

2.1. Artikel 123 (2) EPÜ

Anspruch 1 stützt sich im wesentlichen auf die Merkmale nach den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 10.

Der aufgabenhaft formulierte Aspekt "... zur Vermeidung eines direkten Kontaktes von beweglichen Teilen der Überführungsanordnung mit dem heißen erosiven Bettmaterial ..." beruht auf Seite 2, Absatz 3 der ursprünglichen Beschreibung.

Das Merkmal nach Anspruch 1, daß die Ausschubleitung, welche die Brennkammer mit dem Vorratsbehälter verbindet, keine Ventile mit beweglichen Teilen aufweist, stützt sich auf die ursprüngliche Beschreibung, insbesondere Seite 2, Zeilen 11 bis 16 und 26 bis 36 in Verbindung mit den Figuren 1 bis 3 der ursprünglichen Zeichnung. Dort ist ausgeführt, daß aufgabengemäß die beanspruchte Anlage unter anderem ohne bewegliche Teile auskommen soll, die in direktem Kontakt mit dem heißen, erosiven Bettmaterial stehen. Diese Zielsetzung wird entsprechend der a.a.O. beschriebenen Funktionsweise der Anlage dadurch erreicht, daß der Vorratsbehälter über eine mit Ventil versehene Leitung an einen Raum mit geringerem Druck als er in der Brennkammer herrscht, angeschlossen wird. Es ist vorgesehen, hierdurch eine Druckdifferenz zu erzielen, die ein Überströmen des fluidisierten Bettmaterials durch die Ausschubleitung in den Vorratsbehälter bewirkt. Die Kammer hat keine Veranlassung, daran zu zweifeln, daß die Materialaustragung aus der Brennkammer in den Vorratsbehälter in der geschilderten Weise erfolgen kann, und es wurde diesbezüglich auch seitens der Beschwerdeführerin keine gegenteilige Auffassung vorgetragen. Da weder aus der Beschreibung unter Einbeziehung der Zeichnung der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ein irgendwie gearteter Hinweis auf die Anordnung eines Ventils mit beweglichen Teilen in der Ausschubleitung zu entnehmen ist, noch ein derartiges Ventil in der Ausschubleitung im Hinblick auf die glaubhaft dargestellte Funktionsbeschreibung der Anlage technisch sinnvoll erscheint, ist zu folgern, daß die Anlage nach der Erfindung in der Ausschubleitung kein Ventil mit beweglichen Teilen aufweist, so daß das diesbezügliche Merkmal des Anspruchs 1 als für den sachkundigen Leser ursprünglich offenbart anzusehen ist.

Das Merkmal nach Anspruch 1, daß das Bettmaterial im wesentlichen gegen die Wirkung der Schwerkraft aus der Brennkammer in den Vorratsbehälter gefördert wird, geht eindeutig aus Figur 1, 2 oder 3 der ursprünglichen Zeichnung hervor, wo jeweils ersichtlich ist, daß die aus der Brennkammer herausführende Ausschubleitung über einen wesentlichen Bereich ihrer Längserstreckung nach oben verläuft. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (vgl. z. B. Entscheidung T 169/83, veröffentlicht im Amtsblatt ABl. EPA 7/1985, 203) ist die eindeutige Offenbarung von Merkmalen in der Zeichnung als gleichrangig mit der Offenbarung in den übrigen Anmeldungsunterlagen zu werten; solche Merkmale können daher in gleicher Weise wie die an anderer Stelle der Anmeldung offenbarten Merkmale zur Präzisierung von in den Ansprüchen enthaltenen Merkmalen herangezogen werden.

Das Merkmal nach Anspruch 1, wonach das Materialschloß einen durch die Wirkung der Schwerkraft ausgelösten, ungewollten Transport von Bettmaterial aus dem Vorratsbehälter in die Brennkammer verhindert, ist aus Seite 7, Zeilen 5 bis 10 der ursprünglichen Beschreibung herleitbar und das Merkmal, daß das Materialschloß über ein an eine Druckgasquelle angeschlossenes Ventil steuerbar ist, stützt sich auf Seite 5, Zeilen 17 bis 21 und Seite 7, Zeilen 22 bis 30 in Verbindung mit den Figuren 1 bis 3 der ursprünglichen Beschreibung bzw. Zeichnungen.

Die Streichung des Merkmals nach dem ursprünglichen Anspruch 1, daß der Druck der Druckgasquelle (11) höher ist als der Druck in der Brennkammer (8) im geltenden Anspruch 1, führt nicht zu einer Erweiterung des Inhalts der Anmeldung; im geltenden Anspruch 1 ist angegeben, daß die Druckgasquelle zur Rückführung von Bettmaterial aus dem Vorratsbehälter (21) in die Brennkammer (8) durch die Rückführleitung (23) vorgesehen ist, so daß daraus für den Fachmann klar ist, daß ein solcher durch Druckgas bewerkstelligter Transport nur bei höherem Druck der Druckgasquelle gegenüber dem Druck in der Brennkammer erfolgen kann.

Die Ansprüche 2 bis 9, 11 bis 13 und 15 bis 17 stimmen mit den entsprechenden erteilten Ansprüchen überein und stützen sich auf die entsprechenden ursprünglichen Ansprüche. Anspruch 10 ist aus dem ursprünglichen Anspruch 10 herleitbar. Anspruch 14 stützt sich auf den ursprünglichen Anspruch 14, wobei das Merkmal, daß der Verlauf der Leitung (34) abrupte, einen Druckverlust erzeugende Richtungsänderungen aufweist, aus der EP-A- 83 306 073.4, veröffentlicht vor dem Veröffentlichungsdatum der der Erfindung zugrundeliegenden Anmeldung, entnehmbar ist.

Die Ansprüche 1 bis 17 genügen somit der Bestimmung des Artikels 123 (2) EPÜ.

2.2. Artikel 123 (3) EPÜ

Im geltenden Anspruch 1 ist das Merkmal nach dem erteilten Anspruch 1, daß der Druck der Druckgasquelle (11) höher ist als der Druck in der Brennkammer (8) nicht mehr enthalten. Da es sich hierbei um ein Merkmal handelt, das für den Fachmann im Hinblick auf weitere Angaben im Anspruch 1 selbstverständlich ist (vgl. die Ausführungen oben im Abschnitt 2.1), führt das Weglassen dieses Merkmals nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereichs.

Im übrigen wurden in den geltenden Anspruch 1 gegenüber der erteilten Fassung lediglich Merkmale aufgenommen, die im Sinne einer Präzisierung des Anspruchs den Schutzbereich nicht erweitern.

Die geltenden Ansprüche 2 bis 9 und 11 bis 17 stimmen mit den entsprechenden Ansprüchen der erteilten Fassung überein, und Anspruch 10 wurde im Hinblick auf die Übernahme eines der in ihm enthaltenen Merkmale in den geltenden Anspruch 1 klargestellt.

Gegen die geltenden Ansprüche 1 bis 17 ist somit auch unter dem Gesichtspunkt des Artikels 123 (3) EPÜ kein Einwand zu erheben.

3. Neuheit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu.

Die Frage der Neuheit ist unstrittig, wie aus der Beschwerdebegründung vom 18. Juni 1990, insbesondere auf Seite 3, Absatz 2, hervorgeht; sie bedarf daher keiner weiteren Erörterung, da auch die Kammer die Neuheit als gegeben ansieht.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Der nächstkommende Stand der Technik ist nach Auffassung der Kammer durch die US-A-4 135 885 (D3) gegeben, die in der Beschwerdebegründung zum ersten Mal genannt wurde und mit deren Offenbarung die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde im wesentlichen begründet hat.

Die D3 beschreibt eine Energieerzeugungsanlage gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 mit einer Wirbelbettbrennkammer und einem Vorratsbehälter, wobei zur Überführung von Bettmaterial von der Brennkammer in den Vorratsbehälter bzw. in umgekehrter Richtung eine Ausschubleitung bzw. eine davon getrennte Rückführleitung vorgesehen ist. Es ist auch erwähnt, daß während des Betriebes der Anlage Bettmaterial in den Vorratsbehälter zur Absenkung der Betthöhe überführt werden kann; damit wird auch das Problem der Laständerung der Anlage angesprochen, wenngleich eine Steuerung der Betthöhe im üblichen Sinne, nämlich zur Verringerung wie auch zur Vergrößerung der Betthöhe im Betrieb nicht als durch die D3 beschrieben anzusehen ist.

Im Hinblick auf die weitgehende Übereinstimmung im grundsätzlichen Aufbau der Anlagen nach der Erfindung und nach der D3 ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, daß die erst im Beschwerdeverfahren genannte D3 gemäß Artikel 114 (1) EPÜ in dem Verfahren zuzulassen ist.

4.2. Von diesem Stand der Technik ausgehend ist die objektiv zugrundeliegende Aufgabe darin zu sehen, die gattungsgemäße Anlage so auszubilden, daß sie zuverlässig arbeitet, in ihrem Aufbau einfach ist und ohne bewegliche Teile auskommt, die in direktem Kontakt mit dem heißen, erosiven Bettmaterial stehen.

4.3. Diese Aufgabe ist durch die Merkmale nach dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 gelöst, wonach zur Steuerung der Betthöhe der Brennkammer in Abhängigkeit von den Betriebsverhältnissen und zur Vermeidung eines direkten Kontaktes von beweglichen Teilen der Überführungsanordnung mit dem heißen erosiven Bettmaterial

- der Vorratsbehälter (21) über eine mit dem Ventil (31) versehene Leitung (34) an einen Raum angeschlossen ist, in dem ein geringerer Druck als in der Brennkammer (8) herrscht,

- die Ausschubleitung (22), welche die Brennkammer (8) mit dem Vorratsbehälter verbindet, keine Ventile mit beweglichen Teilen aufweist,

- das Bettmaterial im wesentlichen gegen die Wirkung der Schwerkraft aus der Brennkammer in den Vorratsbehälter (21) gefördert wird,

- in der Rückführleitung (23) vom Vorratsbehälter zur Brennkammer ein Materialschloß (51) vorhanden ist, welches einen durch die Wirkung der Schwerkraft ausgelösten ungewollten Transport von Bettmaterial aus dem Vorratsbehälter in die Brennkammer verhindert,

- und das Materialschloß (51) über das genannte, an eine Druckgasquelle (11) angeschlossene Ventil (30) steuerbar ist.

4.4. Es wird damit erreicht, daß heißes Druckgas aus der Brennkammer zum Transport von Bettmaterial aus der Brennkammer (8) zum Vorratsbehälter (21) benutzt wird, wobei aufgrund der Verbindung des Vorratsbehälters mit einer mit Ventil (31) versehenen Leitung (34) auf die Anordnung eines Ventils, insbesondere eins solchen mit beweglichen Teilen, in der Ausschubleitung (22) verzichtet werden kann. Infolge der Anordnung eines mit Hilfe einer Druckgasquelle steuerbaren Materialschlosses (51) in der Rückführleitung (23) in Verbindung mit dem Einbau des Vorratbehälters an einer Stelle, wo das aus dem Vorratsbehälter in die Brennkammer zu überführende Material prinzipiell, d. h. ohne die Anordnung eines Materialschlosses, durch Schwerkraftwirkung gefördert werden kann, braucht auch in der Rückführleitung (23) kein Ventil mit beweglichen Teilen vorgesehen zu werden. Das Entfallen von solchen Ventilen führt dazu, daß neben der Vermeidung der durch das heiße Material bedingten Gefahr der Erosion von beweglichen Ventilteilen die Anlage im Aufbau einfacher gestaltet ist, was schon deshalb deren Zuverlässigkeit erhöht.

4.5. Hinsichtlich der Frage des Vorliegens erfinderischer Tätigkeit vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, der Fachmann würde bei gemeinsamer Betrachtung der Entgegenhaltungen D2 und D3 in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Nachfolgend sollen nun die Fragen untersucht werden, ob der Fachmann eine solche gemeinsame Betrachtung vorgenommen hätte und zu welcher Lösung er dabei gekommen wäre.

4.6. Die D2 (vgl. Figur 2 mit Bilderläuterung) beschreibt eine Energieerzeugungsanlage mit einer Wirbelbettbrennkammer zur Verbrennung eines dem Wirbelbett zugeführten Brennstoffes und mit Anordnungen zur Steuerung der Betthöhe in Abhängigkeit von den Betriebsverhältnissen durch Überführung von Bettmaterial aus der Brennkammer in einen Vorratsbehälter und umgekehrt, wobei zur Überführung von Bettmaterial aus der Brennkammer in den Vorratsbehälter dieser an einen Raum angeschlossen ist, in dem ein geringerer Druck als in der Brennkammer herrscht, und wobei für den Transport von Bettmaterial aus dem Vorratsbehälter in die Brennkammer eine Leitung über ein Materialschloß an die Brennkammer angeschlossen ist und das Materialschloß über eine mit Ventil versehene Leitung an eine Druckgasquelle angeschlossen ist, deren Druck höher als der Druck in der Brennkammer ist. Das Bettmaterial wird bei dieser Anlage über einen Teil der Leitung gegen die Wirkung der Schwerkraft aus der Brennkammer in den Vorratsbehälter gefördert.

Die wesentlichen Unterschiede dieser bekannten Anlage gegenüber Anspruch 1 sind in folgenden Merkmalen zu sehen:

a) Es sind keine separaten Leitungen für den Ausschub und die Rückführung von Bettmaterial aus der bzw. in die Brennkammer vorgesehen, sondern eine einzige Leitung, die für die Förderung in beide Richtungen bestimmt ist.

b) Die Ausschub- bzw. Rückführleitung ist nicht frei von Ventilen mit beweglichen Teilen, sondern weist in ihrem Verbindungsbereich mit der Brennkammer wie auch mit dem Vorratsbehälter jeweils ein derartiges Ventil auf.

c) Dem Materialschloß in der Ausschub- bzw. Rückführleitung kommt nicht die Funktion zu, daß es einen durch die Wirkung der Schwerkraft ausgelösten ungewollten Transport von Bettmaterial aus dem Vorratsbehälter in die Brennkammer verhindert, da zur Verhinderung eines solchen Transportes ein spezielles Brennkammeraustrittsventil vorgesehen ist ("Kamyr"- Ventil 1).

4.7. Dem Fachmann, der, ausgehend von der D3, auf der Suche nach Lösungen für die zugrundeliegende Aufgabe auf die D2 stößt, wird dort die Lehre vermittelt, anstelle von getrennten Leitungen für Ausschub und Rückführung von Bettmaterial eine einzige in beide Förderrichtungen nutzbare Leitung zu verwenden, die in beiden Endbereichen jeweils ein Ventil mit beweglichen Teilen aufweist. Der D2 ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß die dort vorgesehenen Ventile mit beweglichen Teilen weggelassen werden können. Die Beschwerdeführerin verweist in diesem Zusammenhang auf Figur A1 von D2, aus der zu entnehmen sei, daß die Anordnung eines Ventils im Brennkammerauslaß- bzw. -einlaßbereich nicht notwendig sei.

Nach Sicht der Kammer lassen die Ausführungen auf den Seiten 83 und 84 der D2 zu deren Figur A1 klar erkennen, daß es sich dabei um ein nicht voll funktionsfähiges "kaltes" Modell handelt (vgl. die Begriffe: "cold model" und - zwischen Anführungszeichen gesetzt - "combustor"), bei dem keine Verbrennungsvorgänge simuliert wurden. Aus dem Umstand, daß die Verbindungsleitung zwischen der "Brennkammer" und dem Vorratsbehälter bei "Kaltbetrieb" keine Verbrennungsprodukte aufzunehmen hatte, folgt unmittelbar, daß ein der Position 1 in Figur 2 der D2 entsprechendes Ventil bei der Modellausführung nach Figur A1 nicht notwendig war und auch nicht vorgesehen wurde. Da bei der Originalausführung der Anlage (Figur 2) somit andersartige Betriebsverhältnisse vorlagen als bei der Modellausführung (Figur A1), würde der Fachmann eine irgendwie geartete Kombination von Merkmalen nach diesen beiden Figuren nicht vornehmen, so daß sich die Übertragung von Merkmalen aus der einen auf die jeweils andere Anlage aus dem technischen Verständnis der Gegenstände beider Abbildungen verbietet.

4.8. Der Fachmann wird im Hinblick auf die grundsätzlich zu beachtenden Forderungen nach einer konstruktiv einfachen und wirtschaftlich wenig aufwendigen Gestaltungsweise Bauelemente, die er bei der Konstruktion nicht benötigt, weglassen, so daß schon aus diesem Grund das mit Position 1 in Figur 2 der D2 bezeichnete Ventil ("high temperature Kamyr valve") nicht als unnötig bezeichnet werden kann. Abgesehen davon ist das Ventil bei der Beschreibung von Aufbau und Funktion der Anlage ausdrücklich erwähnt (vgl. Seite 2, Absatz 1, Satz 3 und Figur 2, Position 1 von D2).

Das Ventil erscheint auch von der Konfiguration und der Funktionsweise der bekannten Anlage her gesehen unverzichtbar. Ließe man das Ventil entfallen, so würde bei Beendigung der Überführung von Bettmaterial in den Vorratsbehälter bzw. in die Brennkammer Material im vertikalen bzw. im schrägen Rohrabschnitt der Verbindungsleitung verbleiben; dies könnte durch Reaktion des dichtgepackten Bettmaterials in der Leitung mit aus der Brennkammer austretenden Gasen zu einem Sinterungsprozeß mit der Folge der Verstopfung der Leitung führen. In diesem Falle wäre zweifellos das zuverlässige Funktionieren der Anlage nicht mehr gewährleistet.

Das weitere, ein bewegliches Element aufweisende Ventil "riser tube (item 5)" ist als integrales Bauelement der bekannten Anlage hinsichtlich dessen Funktion beschrieben (vgl. Seite 2, Absatz 2 von D2) und wird daher vom Fachmann ebenfalls nicht als überflüssig angesehen werden.

Es ist somit festzuhalten, daß die Anlage nach der D2 so zu interpretieren ist, daß sie in der mit der Erfindung vergleichbaren Ausführung nach Figur 2 als voll funktionierende Energieerzeugungsanlage Ventile mit beweglichen Teilen offenbart, die in direktem Kontakt mit dem heißen erosiven Bettmaterial stehen.

4.9. Aus vorstehenden Überlegungen ergibt sich, daß keine Veranlassung besteht, den Stand der Technik nach der D2 und der D3 im Hinblick auf Anregungen zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe einer gemeinsamen Betrachtung zu unterziehen. Sollte der Fachmann einer solchen Betrachtung nichtsdestoweniger nähertreten, so würde er dabei nicht zu einer Anlage gemäß Anspruch 1 gelangen, da beide bekannten Anlagen nicht ohne bewegliche Teile auskommen, die mit dem heißen Bettmaterial in Verbindung stehen.

4.10. Dem Argument der Beschwerdeführerin, daß auch bei der Erfindung zumindest bei den Ausführungen nach den Figuren 1 und 2 des Streitpatents nach Beendigung des Materialausschubs aus der Brennkammer sich Material in den dort vorgesehenen horizontal verlaufenden Bereichen der Ausschubleitung absetzen und zu Verstopfungen in der Leitung führen könne, kann nicht gefolgt werden. Bei der Erfindung wird das Bettmaterial im wesentlichen gegen die Wirkung der Schwerkraft aus der Brennkammer in den Vorratsbehälter durch Erzeugung von Unterdruck in der Ausschubleitung gefördert, was entsprechend der Darstellung in der Beschreibung und Zeichnung (vgl. Figuren 1 bis 3 und Seite 6, letzter Absatz bis Seite 7, Zeile 5 sowie Seite 9, Zeilen 32 bis 38 der ursprünglichen Zeichnung bzw. Beschreibung) so zu interpretieren ist, daß die Ausschubleitung ausgehend vom Brennkammerbett auf ein höheres Niveau ansteigt, von dem aus das Bettmaterial in den Vorratsbehälter hinunterfällt. Das Bettmaterial kann dabei offensichtlich nur im fluidisierten Zustand, d. h. in einem Gasstrom mit darin in relativ gleichem Abstand voneinander befindlichen Materialpartikeln transportiert werden. Auch nach Beendigung des Ausschubvorganges fällt das noch in der Ausschubleitung vorhandene Bettmaterial im wesentlichen in das Brennkammerbett oder in den Vorratsbehälter. Gegebenenfalls in einem horizontalen Bereich der Ausschubleitung verbleibendes Material ist aufgrund der Fluidisierung von geringem Volumen, so daß die Gefahr von Verstopfungen im Scheitelbereich der Ausschubleitung als nicht gegeben bzw. als gering angesehen werden muß.

Die vorstehend genannten Maßnahmen führen in ihrem Zusammenwirken zu einem gemeinsamen Erfolg insofern als die Förderung des Bettmaterials aus der Brennkammer im wesentlichen gegen die Wirkung der Schwerkraft es erlaubt, die Gefahr der Leitungsverstopfung als vernachlässigbar zu erkennen, wodurch es erst möglich wird, auf die Anordnung eines Ventils in der Ausschubleitung zu verzichten und die zugrundeliegende Aufgabe zu lösen.

4.11. Die weitere im Einspruchsverfahren genannte Entgegenhaltung DE-C-948 105 (D1) kommt dem Gegenstand des Anspruchs 1 nicht näher als die vorstehend diskutierten Druckschriften. Sie wurde auch im Beschwerdeverfahren nicht wieder aufgegriffen, so daß es nicht notwendig ist, auf den darin beschriebenen Stand der Technik einzugehen.

4.12. Zusammenfassend ergibt sich wie oben dargelegt, daß dem Anspruch 1 eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ zugrundeliegt.

5. Anspruch 1 genügt auch den sonstigen Erfordernissen des Übereinkommens im Sinne des Artikels 102 (3) EPÜ und kann deshalb in der nunmehr gültigen Fassung aufrechterhalten werden.

Die von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 17 betreffen zweckmäßige Ausführungsarten des Gegenstands des Anspruchs 1 und können daher gleichfalls aufrechterhalten werden.

6. Die Beschreibung und die Zeichnungen wurden gemäß Regel 27 (1) b) und c) EPÜ an das Schutzbegehren angepaßt und entsprechen den Vorschriften des EPÜ. Sie können daher als Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang dienen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Weisung, das Patent auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten 17 Patentansprüche nebst Beschreibung und 5 Blatt Zeichnungen aufrechtzuerhalten.

Quick Navigation