T 0279/90 () of 13.2.1991

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1991:T027990.19910213
Datum der Entscheidung: 13 Februar 1991
Aktenzeichen: T 0279/90
Anmeldenummer: 85111268.0
IPC-Klasse: C08G 18/32
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung von sterisch gehinderten aromatischen Diaminen bei der Herstellung von Polyurethanschaum- stoffen
Name des Anmelders: Bayer AG
Name des Einsprechenden: Shell Intern. Research
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Novelty (yes)
Inventive step (yes)
Neuheit (bestätigt)
Erfinderische Tätigkeit (bestätigt)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0726/98

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 85 111 268.0, die am 6. September 1985 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der Voranmeldung vom 15. September 1984 (DE 3 433 979) angemeldet worden war, ist am 1. Juni 1988 das europäische Patent Nr. 177 766 auf der Grundlage von 5 Ansprüchen erteilt worden.

Anspruch 1 lautete:

"Verwendung von sterisch gehinderten aromatischen Diaminen der allgemeinen Formel(n)

R3 ¦ R4 NH2 ¦ ¦ ¦ ¦ R1 R2 ¦ NH2 und/oder

R3 ¦ H2N NH2 ¦ ¦ ¦ ¦ R1 R2 ¦ R4 in der R1 und R2 gleich oder verschieden sind und C1-C4-Alkyl und R3 und R4 ebenfalls gleich oder verschieden sind und H oder CH3 bedeuten, bei der Herstellung von freigeschäumten Polyurethanschaumstoffen, wobei die Diamine in der Polyolkomponente des schäumfähigen Reaktionssystems enthalten sind und in einer Menge von 1 bis 6 Gew.-%, bezogen auf die Polyolkomponente, eingesetzt werden."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 betrafen besondere Ausgestaltungen des Hauptanspruchs.

II. Gegen die Erteilung des europäischen Patents hat die Einsprechende am 28. Februar 1989 Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents in vollem Umfang wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit beantragt. Zur Stütze ihres Vorbringens hat sie auf die Dokumente

(1) US-A-4 218 543

(2) US-A-3 909 465

(3) US-A-4 296 212

(4) BE-A-685 700 verwiesen.

III. Durch Zwischenentscheidung vom 3. Mai 1990, hat die Einspruchsabteilung festgestellt, daß das Patent in geändertem Umfang aufrechterhalten werden könne, nachdem in Anspruch 1 vor "freigeschäumten" der Ausdruck "zäh- harten" eingefügt worden sei. In dieser Entscheidung wird hinsichtlich der Neuheit ausgeführt, die im Dokument (3) zusammen mit Polyolen verwendeten aromatischen Diamine seien zwar teilweise von den Formeln in den Ansprüchen des Streitpatents erfaßt, die Lehre dieser Entgegenhaltung sei jedoch nicht zwingend auf die Herstellung freigeschäumter Polyurethanschaumstoffe gerichtet. Außerdem sei durch die Vergleichsproben der Patentinhaberin belegt worden, daß man nach diesem Stand der Technik elastische Schaumstoffe und nach der Lehre der vorgelegten Ansprüche zäh-harte Schäume erhält. Für die Frage der erfinderischen Tätigkeit sei Dokument (4) als nächstliegender Stand der Technik anzusehen; dort werde die Herstellung freigeschäumter Polyurethanschaumstoffe mit Hilfe von u. a. 4,4'-Methylen- bis(2-chloranilin) (MOCA) beschrieben. Eine Kombination der Lehren der Dokumente (3) und (4) könne den Gegenstand des Streitpatents nicht nahelegen. Einerseits enthalte Dokument (3) keinen Hinweis, daß die Probleme bei der Verarbeitung der Schäume im Freien bei tiefen Außentemperaturen um 5°C dadurch gelöst werden könnten, daß man MOCA durch die im Dokument (4) erwähnten aromatischen Diamine ersetze; andererseits befasse sich Dokument (4) schwerpunktmäßig mit der Herstellung von Formkörpern nach der RIM-Technik und nur beiläufig mit der Herstellung von Schäumen. Ebensowenig vermittelten die Dokumente (1) und (2) dem Fachmann irgendwelche Anregungen zur Lösung der dem Streitpatent zugrundeliegenden Aufgabe.

IV. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) am 3. Juli 1990 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben und diese am 4. September 1990 begründet. Ihre Argumente, die sie in der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 1991 noch ergänzt hat, lassen sich, wie folgt, zusammenfassen:

Dokument (3) erwähne ausdrücklich, daß sterisch gehinderte aromatische Diamine im Sinne des Streitpatents zur Herstellung von Schäumen in Abwesenheit mechanischer formgebender Maßnahmen geeignet seien; diese Lehre sei neuheitsschädlich. Rein formell sei Anspruch 1 schon deswegen zu beanstanden, weil die erhaltenen zäh-harten Schäume höchstens einer neuen technischen Wirkung im Sinne der Entscheidung G 2/88 entsprächen und infolgedessen das einzige Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs darstellten. Der Gegenstand des Streitpatents werde nicht nur durch die Kombination der Dokumente (3) und (4) nahegelegt, sondern auch von den neu ermittelten Entgegenhaltungen BE-A-685 243 (Dokument (5)) und insbesondere US-A-3 984 360 (Dokument (6)), deren Schäume offensichtlich die im Streitpatent gestellten Mindestanforderungen erfüllten.

V. Demgegenüber hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) im wesentlichen folgendes geltend gemacht:

Wenngleich eine geeignete Kombination von Ausgangsverbindungen in Dokument (3) zu zäh-harten Produkten führen könne, so sei doch die Lehre dieser Druckschrift grundsätzlich auf die Herstellung von elastomeren Polyurethanen gerichtet; ein in Anlehnung an Beispiel 1, Zusammensetzung 1 dieser Entgegenhaltung zu Vergleichszwecken hergestellter Schaumstoff sei nach den Normen DIN 18 159 und DIN 18 164 für Bauanwendungen ungeeignet. Dokument (4) könne nicht zum Gegenstand des Streitpatents hinführen, da MOCA bekanntlich als cancerogen angesehen werde und die dort hergestellten Schaumstoffe ebenfalls weiche, für Bauanwendungen ungeeignete Produkte seien. Die gleichen Vorbehalte würden gegenüber Dokument (5) gelten. Was Dokument (6) anbelange, so könnten die dort genannten Eigenschaften nicht mit den Normen in der Bauindustrie gleichgesetzt werden.

Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin als Hilfsantrag einen zweiten Anspruchssatz eingereicht, worin das Verfahren zur Herstellung der Polyurethanschaumstoffe, nämlich das Spritzverfahren gemäß Anspruch 5 des Hauptantrags, in den Anspruch 1 aufzunehmen wäre.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der Aufrechterhaltung des Patents die in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 4 zugrundegelegt werden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.

2. Die Formulierung der Ansprüche gemäß Hauptantrag ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden (Art. 123 EPÜ).

Von der erteilten Fassung unterscheidet sich der geltende Anspruchssatz gemäß Hauptantrag lediglich dadurch, daß vor "freigeschäumten Polyurethanschaumstoffen" der Ausdruck "zäh-harten" in Anspruch 1 eingefügt wurde. Dieses Merkmal stützt sich auf Spalte 1, Zeile 14 des erteilten Patents bzw. Seite 1, Zeile 11 der ursprünglichen Anmeldung.

3. Im Hinblick darauf, daß die spät genannten Dokumente (5) und insbesondere (6) in der mündlichen Verhandlung im Vordergrund der Erörterungen der Parteien standen, und angesichts der Relevanz dieser Entgegenhaltungen im Vergleich zu den rechtzeitig genannten Dokumenten (1) bis (4) erschien es der Kammer erforderlich, jene Dokumente zu berücksichtigen (Art. 114 (1) EPÜ).

4. Das Streitpatent betrifft die Verwendung von sterisch gehinderten aromatischen Diaminen bei der Herstellung von zäh-harten freigeschäumten Polyurethanschaumstoffen. Im Hinblick auf die anvisierte Anwendung im Bauwesen und die dafür angestrebten Eigenschaften, insbesondere gute Haftungseigenschaften am Untergrund schon bei niedrigen Temperaturen, betrachtet die Kammer, wie auch übereinstimmend die Parteien während der mündlichen Verhandlung, Dokument (6) als den nächsten Stand der Technik. Dort werden freigeschäumte Polyurethanschaumstoffe aus (a) einem Polyol, (b) einer aromatischen Isocyanatverbindung, (c) einem primären Polyoxyalkylenamin, (d) einem Treibmittel aus Wasser und einem leicht flüchtigen Halogenkohlenwasserstoff (e) einem Katalysator aus einem tertiären Amin und einer Zinnverbindung und (f) einer oberflächenaktiven Verbindung als Zellregler beschrieben (Anspruch 1). Solche Reaktionsgemische, die eine äußerst rasche Verfestigung aufweisen, sind für Spritzverfahren bei niedrigen Temperaturen besonders geeignet (Spalte 1, Zeilen 55 bis 68; Beispiel IV).

Während der mündlichen Verhandlung wies die Beschwerdeführerin insbesondere auf letztere Eigenschaften hin und trug vor, daß dies auf die Eignung der Polyurethanschäume für Verwendungen im Bauwesen hindeute. Da dem Dokument (6) diesbezüglich jedoch nichts zu entnehmen ist und diese Behauptung von der beweispflichtigen Beschwerdeführerin nicht belegt worden ist, kann sich die Kammer nur auf die Vergleichsdaten im Streitpatent stützen. Gemäß dem dortigen Vergleichsbeispiel A wird eine herkömmliche Polyolmischung mit polymerem Diphenylmethandiisocyanat und üblichen Zusatzstoffen unter Verwendung einer Spritzmaschine frei verschäumt. Bei Verarbeitung auf Asbestzement von 20°C werden die Anforderungen der Baustoffklasse B2 nach DIN 4102 sowie die übrigen Bedingungen der DIN 18 159, Teil 1, für Spritzschaumstoffe erfüllt; bei Verarbeitung auf Asbestzement von 5°C beobachtet man dagegen eine Versandung der Schaumstoffunterseite und selbständige Ablösung des Schaumstoffes vom Untergrund. Nach Zusatz von 4 Gew.-% Jeffamine D-2000, d. h. eines Handelsprodukts auf Basis von Polyoxypropylenpolyamin, zu dieser Polyolmischung und Verarbeitung bei 5°C gelingt es zwar, die Haftung des Schaumstoffes am Untergrund zu verbessern, aber der Schaumstoff erfüllt nicht mehr die Anforderungen der Baustoffklasse B2 nach DIN 4102; auch die Mindestanforderungen nach DIN 18 159, Teil 1, werden nicht mehr in vollem Umfang erfüllt (Spalte 6, Zeilen 13 bis 22). Daraus ergibt sich, daß der Zusatz von Jeffamin zwar verbesserte Haftungseigenschaften bei niedrigen Temperaturen mit sich bringt, ohne daß jedoch die oben genannten Prüfkriterien der Bauindustrie erreicht werden.

Aufgrund dieser Ergebnisse kann die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, ein Verfahren zur Herstellung von freigeschäumten Polyurethanschaumstoffen bereitzustellen, das sämtliche oben genannten Anforderungen erfüllt.

Diese Aufgabe wird - vereinfacht dargestellt - dadurch gelöst, daß man bei der Herstellung von zäh-harten Polyurethanschäumen der Polyolmischung kleinere Mengen an spezifischen sterisch gehinderten aromatischen Diaminen gemäß Anspruch 1 zugibt.

Aus den patentgemäßen Beispielen B und C geht hervor, daß der Zusatz solcher Diamine die Verarbeitung auf Asbestzement von 5°C erlaubt und die erhaltenen Polyurethanschaumstoffe die Anforderungen der Baustoffklasse B2 nach DIN 4102 sowie die Bedingungen nach DIN 18 159, Teil 1, in vollem Umfang erfüllen. Somit löst der beanspruchte Lösungsvorschlag die bestehende Aufgabe.

5. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist dieser Lösungsvorschlag dem Dokument (3) zu entnehmen. Dort wird die Herstellung von Polyurethan-Harnstoffen aus einem organischen Polyisocyanat und einer reaktiven Mischung aus (a) einem Polyol mit 2 bis 4 Hydroxygruppen und einem Molekulargewicht zwischen 1500 und 12000 und (b) einem Kettenverlängerungssystem aus (i) 5 bis 45 Gew.-% eines o- substituierten aromatischen Diamins und (ii) 55 bis 95 Gew.-% eines niedermolekularen Diols beschrieben (Anspruch 1). Als bevorzugte Diamine werden 1-Methyl-3,5- diethyl-2,4-diaminobenzol und 1-Methyl-3,5-diethyl-2,6- diaminobenzol sowie Mischungen dieser Verbindungen genannt (Spalte 5, Zeilen 8 bis 20); in allen Beispielen wird das Produkt DETDA, d. h. ein 80/20 Gemisch der oben genannten Isomeren, eingesetzt (Tabellen I bis III). Weiterhin können Treibmittel zugegeben (Spalte 7, Zeile 67 bis Spalte 8, Zeile 14) und die Polymeren in Abwesenheit mechanischer formgebender Maßnahmen hergestellt werden (Spalte 8, Zeilen 19 bis 21). Nichtsdestoweniger kann diese Lehre mit dem Gegenstand des Streitpatents nicht gleichgesetzt werden.

Erstens ist das Verfahren gemäß Dokument (3) allgemein auf die Herstellung von elastomeren Polyurethanen gerichtet, während die patentgemäß erhaltenen Produkte zäh-harte Schaumstoffe darstellen. Wenngleich man bei einer geeigneten Kombination von Ausgangsverbindungen auch nach dieser Druckschrift zäh-harte Produkte erhalten könnte, würde eine solche Ausführungsform der allgemeinen Lehre dieses Dokuments nicht entsprechen.

Zweitens befaßt sich die Entgegenhaltung ganz überwiegend, insbesondere in allen Beispielen, mit der Herstellung ungeschäumter Polyurethan-Formkörper nach der sogenannten "reaction injection molding" (RIM) Technik, wo die Freiverschäumung überhaupt keine Rolle spielt. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den zwei von der Beschwerdeführerin erwähnten Ausführungsformen, d. h. Mitverwendung von Treibmitteln und Abwesenheit mechanischer formgebender Maßnahmen, der zwingend oder zumindest als gleichwertige Alternative zur RIM-Technik die Herstellung von Schäumen nach der Technik des Freiverschäumens offenbaren würde, läßt sich nach Meinung der Kammer daraus nicht ableiten.

Drittens ist aus dem am 26. Oktober 1990 von der Beschwerdegegnerin eingereichten Vergleichsbeispiel ersichtlich, daß nach Dokument (3) DETDA im Rahmen eines anderen Verfahrens eingesetzt wird und somit zu anderen Produkten führt. Im Gegensatz zu den patentgemäß erhaltenen Produkten ist nämlich ein Schaumstoff aus der Grundrezeptur des Beispiels 1, Zusammensetzung A der Entgegenhaltung, mit Trichlorfluormethan als Treibmittel nach den Normen DIN 18 159 und DIN 18 164 für Bauanwendungen ungeeignet.

Aufgrund dieser Unterschiede kann die Lehre des Dokuments (3) nicht als neuheitsschädlich angesehen werden. Im Gegensatz zu der Behauptung der Beschwerdeführerin unterscheidet sich der Gegenstand des Streitpatents nicht nur durch den Zweck, d. h. die Herstellung von zäh-harten Produkten, sondern auch durch das Verfahren, d. h. die Technik des Freiverschäumens, sowie die Endeigenschaften, d. h. die Eignung des erhaltenen Produkts für Bauanwendungen. Infolgedessen geht der Hinweis auf die in ABl. EPA 1990, 93 veröffentlichte Entscheidung G 2/88 "Friction reducing additive/MOBIL OIL III" vom 11. Dezember 1989 fehl; dort war nämlich der Zweck, für den der Stoff verwendet werden sollte, das einzige neue Merkmal (s. Frage und Entscheidungsformel iii).

6. Es bleibt daher noch zu untersuchen, ob der Gegenstand des angefochtenen Patents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

6.1. Daß Dokument (6) als nächster Stand der Technik, für sich allein genommen, den Gegenstand des Streitpatents nicht nahelegen konnte, ergibt sich bereits aus den Ausführungen unter Punkt 4, insbesondere dem zweiten und dritten Absatz jenes Punktes. Ferner geht aus den Ausführungen unter Punkt 5 zur Neuheit des Gegenstands des Streitpatents gegenüber der Lehre des Dokuments (3) hervor, daß auch diese keine Anregung für die beanspruchte Aufgabenlösung vermitteln konnte.

6.2. Dokument (4) bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Oberflächenüberzügen aus elastomeren Polyurethanen durch Aufsprühen einer Mischung aus einem Polyoxyalkylenglykol, einem chemisch inaktivierten aromatischen Diamin (MOCA), einem Diisocyanat, einem Katalysator und gegebenenfalls einem Treibmittel, auf eine Oberfläche und anschließende Härtung (Ansprüche 1, 7 und 9). Dieses Verfahren eignet sich insbesondere für das Überziehen von Gebäudeteilen mit Spritzpistolen (Seite 10, Zeile 26 bis Seite 11, Zeile 20).

Eine sehr ähnliche Zusammensetzung wird nach Dokument (5) im Rahmen eines Gießverfahrens bei Temperaturen zwischen 0 und 120°C, also auch bei niedrigen Außentemperaturen, verwendet, wobei flexible sowie starre Polyurethanharnstoffschäume erhalten werden können (Ansprüche 1 und 8; Seite 6, Zeilen 8 bis 14; Seite 7, Zeilen 3 bis 7).

Selbst wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin die Lehre dieser zwei Dokumente als Einheit betrachtet und daraus ableitet, daß MOCA ein geeignetes Diamin zur Herstellung von starren Polyurethanschäumen bei 0°C nach dem Spritzverfahren sei, kann diese Kenntnis nicht zu der beanspruchten Lösung führen.

Zum einen bedeutet, ebenso wie im Falle des Dokuments (6) der lapidare Hinweis auf ein günstiges Eigenschaftsbild bei niedrigen Temperaturen noch nicht, daß mit MOCA die Mindestanforderungen der obigen Normen erfüllt wären und somit der Fachmann eine entsprechende Anregung zur Lösung der oben genannten Aufgabe erhielte; vielmehr müssen nach Meinung der Kammer Überzüge von Gebäudeteilen gemäß Dokument (4) (Seite 11, Zeilen 19/20) anderen Kriterien genügen als die im Streitpatent anvisierten Dämmstoffe (Spalte 1, Zeile 22). Auch das Argument der Beschwerdeführerin, daß MOCA lediglich als Modell zu betrachten sei, da diese Verbindung bekanntlich cancerogen ist und deshalb nicht für Spritzverfahren in Frage komme, kann nicht akzeptiert werden; denn auf der Suche nach Alternativen innerhalb der Lehre der Dokumente (4) und (5) hätte der Fachmann keinen anderen Anhaltspunkt als das zweite dort genannte Diamin, o-Dichlorobenzidin, was der beanspruchten Lösung ebensowenig entspricht. Schließlich sollte die Frage der Auswahl des Diamins nicht von den anderen Merkmalen der aus den Dokumenten (4) und (5) bekannten Verfahren getrennt werden; gemäß Anspruch 1 dieser Entgegenhaltungen wird das Diamin in solchen Anteilen verwendet, daß das NH2/OH-Verhältnis 0,5:1 bis 4:1 bzw. 0,5:1 bis 6:1 beträgt, was nach den meisten Beispielen einem Gewichtsverhältnis von etwa 15 bis 25 % entspricht. Solche Mengen, die wesentlich höher sind als im Beispiel IV des Dokuments (6) (4,6 Gew.-%) oder im Streitpatent (1 bis 6 Gew.-%), sind ein Beweis dafür, daß nicht ohne weiteres einzelne Merkmale aus den entgegengehaltenen Druckschriften auf die Lösung der bestehenden Aufgabe übertragen werden können.

Aus diesen Gründen kann auch die kombinierte Lehre der Dokumente (4) und (5) weder qualitativ, noch quantitativ zum Gegenstand des Streitpatents führen.

6.3. Die Verwendung von sterisch gehinderten aromatischen Diaminen im Sinne des Streitpatents bei der Herstellung von Polyurethanschäumen ist zwar bekannt. So werden gemäß Dokument (1) als Kettenverlängerungsmittel aromatische Di- bzw. Polyamine, die in o-Stellung zur Aminogruppe gegebenenfalls durch Alkylgruppen substituiert sind (Anspruch 1), insbesondere 1-Methyl-3,5-diethyl-2,4- diaminobenzol und/oder 1-Methyl-3,5-diethyl-2,6- diaminobenzol (Ansprüche 4 und 5), zu diesem Zweck eingesetzt. Dabei handelt es sich allerdings um ein Verfahren nach der Reaktionsspritzgußtechnik, d. h. um eine Umsetzung in geschlossenen Formen, wobei die äußerst rasche Verfestigung des Reaktionsgemisches unterstrichen wird (Spalte 5, Zeile 64 bis Spalte 6, Zeile 2); dort wird sogar ausdrücklich gesagt, daß keine andere Verfahrenstechnik als die Reaktionsspritzgrußtechnik denkbar ist, mit der es gelänge, derart reaktive Systeme zu beherrschen. Schon deswegen konnte die Herstellung von freigeschäumten Polyurethanschaumstoffen mit diesen Diaminen nicht naheliegen.

Aus Spalte 5, Zeilen 56 bis 63 geht außerdem hervor, daß in dem dortigen Verfahren für die Entfernung der erhaltenen Produkte aus Metallgießformen kein externes Trennmittel als Trennhilfe benötigt wird, da die Endprodukte selbsttrennende Eigenschaften aufweisen. Im Hinblick darauf konnte nicht erwartet werden, daß die mit den gleichen Diaminen hergestellten Spritzschaumstoffe im Gegenteil gute Haftungseigenschaften am Untergrund, und das schon bei niedrigen Temperaturen, aufweisen würden, ohne daß übrigens das Brandverhalten und die übrigen Schaumstoffeigenschaften beeinträchtigt werden (vgl. Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 55 bis 61). Diese im Einspruchsverfahren von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Vorteile (Eingabe vom 27. Juni 1989, Seite 2, Absätze 2 und 3), die von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurden, sprechen ebenfalls für die erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Lösung.

6.4. Diese wird auch nicht durch die Lehre des Dokuments (2) nahegelegt. Dort wird ein Verfahren zur Herstellung von harten Polyurethanschaumstoffen beschrieben, wobei ein großer Überschuß an Polyisocyanat verwendet wird und die Umsetzung mit der Polyolverbindung in Anwesenheit eines Isocyanat-Trimerisierungskatalysators sowie einer aromatischen Aminoverbindung erfolgt (Anspruch 1). Schon aufgrund der dadurch entstehenden Isocyanuratring-Struktur können solche Schäume nicht mit den von der Beschwerdegegnerin anvisierten Produkten verglichen werden. Auch die Tatsache, daß als aromatische Aminoverbindung 2,4-Diamino-3,5-diethyltoluol gewählt werden kann (Spalte 2, Zeilen 49/50; Tabelle 1, Zusammensetzung 3), ist im Hinblick auf die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe unwesentlich, da damit nach (2) lediglich die von der Wärme verursachte Versprödung des Schaumstoffs vermieden werden soll (Spalte 1, Zeilen 6 bis 34).

6.5. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die von der Beschwerdeführerin herangezogenen Dokumente den Fachmann nicht zur beanspruchten Lösung der bestehenden Aufgabe anregen konnten, so daß der Gegenstand des Streitpatents nach Anspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

7. Diese Überlegungen gelten gleichermaßen für die abhängigen Ansprüche 2 bis 5, die besondere Ausgestaltungen der Verwendung gemäß Anspruch 1 betreffen und von dessen Patentfähigkeit getragen werden.

8. Da dem Hauptantrag stattgegeben wird, erübrigt es sich, auf die Frage der Patentfähigkeit des Anspruchssatzes gemäß Hilfsantrag einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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